Einfach ein geiles Heft

  • 20.09.2012, 02:13

Sonja Eismann (38) ist ChefInnenredakteurin und Mitgründerin des ersten popfeministischen Magazins im deutschsprachigen Raum. Neben ihrer Tätigkeit beim Missy Magazine arbeitet sie als freie Journalistin und Kulturwissenschaftlerin in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Ein Portrait.

Sonja Eismann (38) ist ChefInnenredakteurin und Mitgründerin des ersten popfeministischen Magazins im deutschsprachigen Raum. Neben ihrer Tätigkeit beim Missy Magazine arbeitet sie als freie Journalistin und Kulturwissenschaftlerin in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Ein Portrait.

Sonja Eismann lacht, wenn Beth Ditto sich bei Wetten, dass..? auf Hansi Hinterseers Schoß wirft. Außerdem mag sie Tiere mit weichem Fell, bevorzugt bei Interviews persönliche Fragen und findet Fanzines toll. Zu letzterem hat sicherlich ihr Studienaufenthalt in Santa Cruz beigetragen. Dort konnte sie nicht nur die heimische „Do it Yourself “-Szene (kurz: DIY*) für sich entdecken, sondern zudem ihr Interesse für feministische Theorie an der Uni festigen. Auf Kellerkonzerten und in Comicläden lernte sie die Punks und Hippies Kaliforniens kennen und schätzen. An der University of California kam Eismann außerdem mit feministischen Theoretikerinnen wie Angela Davis, Wendy Brown oder Teresa de Lauretis in Berührung und besuchte Seminare zu „marxism and literature“. In Wien, wo sie Vergleichende Literaturwissenschaft studierte, beeinflussten die dort gewonnenen Eindrücke dann die eigenen Projekte: Mit einer Freundin kreierte sie etwa ihre erste eigene DinA6-Zeitung namens Annikafisch. Eismann wusste damals noch nicht, dass diese Erfahrungen maßgeblich zur Schaffung des ersten deutschsprachigen popfeministischen Magazins beitragen würden. „Man muss realistisch sein, das ist nicht möglich“, dachte sich Eismann damals noch. Denn im Zuge ihrer Tätigkeit als Musikjournalistin unter anderem bei dem Popmagazin Intro hatte sie die Erfahrung gemacht, dass selbst auflagenstarke Popzeitschriften mit existenzbedrohlichen finanziellen Problemen zu kämpfen haben. 2008 ging dann Eismanns
Traum vom eigenen feministischen Magazin mit größerer Reichweite in Erfüllung. Mit Stephanie Lohaus und Ladyfestbekanntschaft Chris Köver wurde – den schwierigen Umständen zum Trotz – ein Konzept erarbeitet, das mit gereifter Professionalität feministische Inhalte einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen, also Popkultur und Feminismus verbinden sollte. Im Stil amerikanischer Formate wie Bust oder Bitch sollte das deutschsprachige Pendant geschaffen werden. In Zeiten, in denen oft von der Krise des Printmarkts die Rede ist, galt dies natürlich als waghalsiges und zugleich idealistisches Unterfangen – dies schien Eismann & Co jedoch weder abzuschrecken noch von der Umsetzung abzuhalten. Der Plan ging auf. Das Missy Magazine gilt seit seiner Entstehung als überaus erfolgreich: Es gewann 2008 den Hobnox Evolution Contest und mittlerweile werden sogar schon die ersten Bachelorarbeiten über das Magazin verfasst.

DiY und Unternehmerinnentum. „Ohne es zu wollen, sind wir Unternehmerinnen geworden. Eigentlich wollten wir einfach nur ein geiles Heft machen“, wundert sich Eismann über den Status Quo. Obwohl sie den DIY-Gedanken „schön und gut“ findet, steht sie dem Trend zum „crafting“ und „Kreativ-Kapitalismus“ durchaus skeptisch gegenüber. Angesichts des Ausbruchs kreativer Hypes wie zum Beispiel der Strickmanie der letzten Jahre, die sich oft in Form von Knit-Ins bemerkbar macht, lässt sich eine Entpolitisierung feststellen, die weniger mit der Popularisierung dieser Tätigkeiten, als mit der Reproduktion von unternehmerischem Denken und Strukturen zu tun hat. Diese dienen oft nur noch dem reinen Selbstzweck. Das hat mit Politik und Feminismus nicht mehr viel zu tun. Oftmals handle es sich dabei um eine Form der Selbstausbeutung, die dann auch noch als genussvoll dargestellt werde, meint Eismann. Sie betrachtet das Verschwimmen der Grenzen von Privatem und Beruflichem im DIY-Lebensstil deshalb als kritikwürdig und problematisch. Aber das Missy Magazine muss sich ganz ohne Förderungen über Wasser halten. Und Eismann ist somit ironischerweise selbst Unternehmerin. Anders scheint ein Magazin in dieser Größenordnung heute nämlich nicht mehr realisierbar zu sein.

Das Private ist politisch. Die feministische Haltung, die das Missy Magazine durchzieht, findet auch in Eismanns privatem Leben ihren Platz. So hat sie sich bewusst einen Partner ausgesucht, mit dem die Arbeitsteilung hinsichtlich Kinderbetreuung gut funktioniert und alles gerecht geteilt wird. „Da bin ich schon relativ entschlossen“, stellt Eismann klar. Einen anderen Partner könne sie sich an ihrer Seite auch gar nicht vorstellen. Trotz „toller Kita“ und optimalem Partner lässt sich Beruf und Familie aber nicht immer ganz ohne Probleme unter einen Hut bringen. Als freie Journalistin ist Eismann viel auf Reisen. Wenn sie dann abends nach Hause kommt und eigentlich noch Arbeit ansteht, könne das schon wahnsinnig anstrengend sein. Eismann bleibt aber dennoch lieber – wie sie sagt – „ihre eigene Herrin“. Auch wenn sie die Schattenseiten ihres Berufs kennt und das Leben im Prekariat keinesfalls glorifizieren will – sie macht ihren Job eben gerne. „Ich kann einfach nichts anderes, sonst würde ich das ja auch machen“, sagt sie schmunzelnd.

Auf Achse. Stillstand scheint Eismann jedenfalls nicht zuzusagen. Endgültig will sie sich auch nicht auf den beruflichen Status festlegen lassen. Dazu hat sie nicht den klassischen Ausbildungsweg beschritten und keine typische Karriere durchlaufen, worüber sie auch froh ist: „Wie man da so getrimmt wird, finde ich furchtbar“, sagt sie und meint damit vor allem die herkömmlichen Journalismusschulen. So blickt sie lieber auf zukünftige mögliche Entwicklungen und steckt Energie und Zeit in zahlreiche neue Projekte: Derzeit leitet sie etwa eine Lehrveranstaltung in Basel und ist in diversen Ausstellungsund Buchprojekten involviert. Zukünftig möchte sie verstärkt im universitären Bereich, vor allem in der Schweiz und in Österreich, arbeiten: „Im Journalismus ist leider echt kein Geld zu holen“, sagt Eismann.

Die Autorin studiert Politikwissenschaften in Wien.

* DIY-Feminismus bedeutet, Feminismus selbst zu machen und nicht auf Profis zu warten, die Veränderungen für eine vollbringen. Oft ist die DIY-Bewegung verknüpft mit Graswurzelbewegungen.

 

AutorInnen: Simone Grössing