Demokratie lernen

  • 13.07.2012, 18:18

Die Demokratiewerkstatt des Parlaments, initiiert von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, soll für Kinder und Jugendliche der Ort sein, wo sie Demokratie nicht nur kennenlernen sondern auch praktisch lernen können. Wie der Lernprozess angelegt ist, hat sich das PROGRESS genauer angesehen.

Die Demokratiewerkstatt des Parlaments, initiiert von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, soll für Kinder und Jugendliche der Ort sein, wo sie Demokratie nicht nur kennenlernen sondern auch praktisch lernen können. Wie der Lernprozess angelegt ist, hat sich das PROGRESS genauer angesehen.

Das ist der Anrufbeantworter des Parlaments: Ja hallo, eins möchte ich schon sagen: Jugendliche brauchen mehr Kontakt zu den Politikern, wie wär’s mit einer Diskussionsrunde?“ Mit diesen Worten beleben die Jugendlichen der P11-Klasse der Polytechnischen Schule im 15. Wiener Gemeindebezirk ihren selbst gemachten Radiobeitrag im Rahmen der Demokratiewerkstatt des Österreichischen Parlaments.
Die Demokratiewerkstatt wurde 2007 von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer ins Leben gerufen. Sie ist eine Einrichtung zur Förderung von Demokratieverständnis und politischem Interesse für Kinder und Jugendliche und, laut Selbstdefinition, als „Werkstatt und Experimentierfeld mit unterschiedlichen Zugängen zu politischen Themen“ angelegt.
Ein Experimentierfeld sind Medien – wie das Radio – und Diskussionen mit PolitikerInnen: So führen etwa die SchülerInnen des Polytechnischen Lehrgangs ein Interview mit dem Nationalratsabgeordneten Kai Jan Krainer. Ihr Beitrag dreht sich um die Schnittstelle zwischen WählerInnen und PolitikerInnen – und den Stellenwert von Demokratie: Warum sollen wir wählen gehen? Was ist eine Demokratie, was ist eine Diktatur? Und wie funktioniert Mitbestimmung? Diese und andere Fragen diskutieren die Jugendlichen in ihrem Radiobeitrag. Ihr Resümee: „Wir haben nicht geglaubt, dass Politiker ganz normale Menschen sind so wie wir. Probier‘s auch.“

Auf den Spuren eines Gesetzes. Während die 15- bis 16-Jährigen in der Demokratiewerkstatt über ihr Wahlrecht diskutieren, verfolgen Sascha, Lukas, Elisa, Tamara und ihre KollegInnen aus der 4B-Klasse der Volksschule in Wien 14 den Weg eines Gesetzes: Im Parlament können die Kinder vor Ort sehen und erfassen, welche Stationen ein Gesetz durchlaufen muss. Auch sie stellen sich in ihrem Radiobeitrag die Frage: „Warum ist wählen wichtig?“ Ihre Antwort: „Weil man abstimmen kann und seine Meinung sagen kann. Wer nicht wählt, vergibt seine Stimme.“ Das Thema „wählen“ hat seit der Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre an Bedeutung für Jugendliche gewonnen.

Mitbestimmung erleben. „Jede Schülerin und jeder Schüler soll in seiner oder ihrer Schullaufbahn zumindest einmal einen Workshop besucht haben“, sagt Nationalratspräsidentin Barbara Prammer über die Ziele der Demokratiewerkstatt. Die Workshops mit Titeln wie „Politische Werkstatt“ (Wie entsteht ein Gesetz?), „Partizipationswerkstatt“ (Wie funktioniert Meinungsbildung in einer Demokratie?) oder „Europawerkstatt“ (Die Aspekte der Europäischen Union) sind Montag bis Freitag für Schulklassen offen. An Samstagen können EinzelteilnehmerInnen die Demokratiewerkstatt erleben.
Der didaktische Ansatz der Demokratiewerkstatt definiert Selbsttätigkeit, persönliches Ziel, greifbares Ergebnis, Mitbestimmung und Erfolgserlebnis als die wichtigsten Elemente. „Bewusst selber machen schafft Bewusstsein, deshalb werden die Inhalte so aufbereitet, dass sie erlebbar werden. Am Ende der Workshops steht als Ziel immer ein persönliches Produkt (Zeitung, Radiosendung, Filmbeitrag, Archivbeitrag…)“, heißt es auf der Homepage des Parlaments. Die Ergebnisse stehen dann – wie die Radiobeiträge der SchülerInnen des Polytechnischen Lehrgangs und der 4B-Klasse – auf der Webseite zum Download zur Verfügung. „Diese greifbaren Ergebnisse unterstützen das Begreifen. Die Kinder und Jugendlichen haben in der Umsetzung ihrer Workshop- Ergebnisse die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Werkzeugen und Ausdrucksmitteln. Der Erfolg und das Erlebnis der gemeinsamen Arbeit und des gemeinsamen Erforschens stärkt die Identifikation durch das Erleben von Mitbestimmung“, so die Erklärung des pädagogischen Herangehens. 

Wen interessiert’s? Das Projekt findet Anklang: In den letzten zweieinhalb Jahren haben über 25.000 SchülerInnen die Demokratiewerkstatt besucht. Für Nationalratspräsidentin Barbara Prammer ist der Zenit des Projekts aber noch lange nicht erreicht: „Mein Ziel ist es, die Demokratiewerkstatt noch weiter auszubauen: Gemeinsam mit den SozialpartnerInnen wollen wir Möglichkeiten erarbeiten, wie Lehrlinge an der Demokratiewerkstatt im Rahmen ihrer Ausbildung teilnehmen können.“ Außerdem wünscht sich die Präsidentin die Ausweitung solcher oder ähnlicher Projekte auf die Landtage vor Ort. Dass ein Ausbau Erfolg haben kann, scheint vorprogrammiert – die Demokratiewerkstatt in Wien ist ausgelastet. LehrerInnen nutzen das Angebot für den Bereich politischer Bildung, denn die pädagogische Herangehensweise erfüllt das Ziel, möglichst abwechslungsreich den SchülerInnen nachhaltige Erfahrungen zu ermöglichen. Dennoch: Die Demokratiewerkstatt darf nur eine Ergänzung zur Politischen Bildung in der Schule sein – damit die politische Bildung im Schulbereich abzuhaken wäre fatal. Gerade wenn es um die Vorbereitung auf die Wahrnehmung des Wahlrechts mit 16 Jahren geht. Die Kinder und Jugendlichen erleben, dass wählen mehr ist, als nur ein Kreuz in der Wahlzelle zu machen: Es geht um Information, Meinungsbildung, Diskussion und Mitbestimmung. Sandra, Meli, Görkan und Ahmed aus der P11 sagen dazu: „Wir Jugendlichen finden, wir haben mehr Verantwortung verdient.“

 

AutorInnen: Sophie Wollner