Achterbahn, Autodrom, Praterdome

  • 16.06.2016, 20:15
Die Geschichte des Wiener Praters ist zunächst eine Geschichte der Stadt selbst.

Die Geschichte des Wiener Praters ist zunächst eine Geschichte der Stadt selbst. Seit 250 Jahren ist dieser besondere Ort der Öffentlichkeit frei zugänglich. Zum Jahrestag widmet ihm das Wien Museum eine sorgfältig kuratierte Ausstellung, der man ruhigen Gewissens einen sommerlichen Regentag opfern kann. Ab 7. April 1766 gestattete Joseph II. das Betreten des Prater-Waldes mitsamt seiner Alleen, Wiesen und Plätze. War das Gebiet bislang adeligen Jagdgesellschaften vorbehalten, sollten sich dort nun alle Bürger*innen aufhalten dürfen, um „spazieren zu gehen, zu reiten, und zu fahren“ oder „sich daselbst mit Ballonschlagen, Keglscheibn, und andern erlaubten Unterhaltungen eigenen Gefallens zu divertieren“.

In den folgenden Jahrzehnten etablierte sich der Prater schnell als bedeutender kultureller Umschlagplatz. Gastronomie, Sexarbeit und Feuerwerk lockten jede Woche tausende Menschen aller sozialen Klassen an und bildeten die Grundlage für den „Wurstelprater“, wie der Vergnügungspark im Nordwesten Wiens später genannt werden sollte. Am Beispiel Prater zeigt sich deutlich, dass Unterhaltung von Politik schwer zu trennen ist. Er war nicht nur Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen, der Revolution von 1848 und der Weltausstellung 1873 – ein patriotisches Spektakel, wofür das Gelände umfassend bebaut wurde –, die Schaubuden dieser Zeit waren zudem geprägt von gängigen kolonialistischen und rassistischen Vorstellungen sowie der Zurschaustellung von Menschen, deren Körper nicht der gesellschaftlichen Norm entsprachen. Das Wien Museum versucht sich in seiner Jubiläumsausstellung an einer kritischen Aufarbeitung, schafft es aber nicht ganz, einen übergeordneten Bogen zu spannen und Kontinuitäten darzustellen. So findet sich dann auch wenig über die Zeit des Faschismus, was angesichts der Fülle an Material zu anderen Zeitabschnitten verwundert.

Dennoch vermittelt die Ausstellung ein vielschichtiges Bild des vielleicht schönsten Ortes in Wien, der wie kein anderer Extreme in sich vereint. Einst Treffpunkt der Elite, wurde der Prater im Laufe der Zeit immer mehr zu einem Platz für die Ausgestoßenen. Menschen an den Rand der Gesellschaft zu drängen, das heißt, ihnen auf der Straße oder im Park wieder zu begegnen.

„In den Prater! Wiener Vergnügungen seit 1766“
Kuratorin: Ursula Storch
Wien Museum Karlsplatz
Bis 21. August 2016

David Ring studiert Soziologie an der Universität Wien.

AutorInnen: David Ring