Hochschulpolitik

Was du über die ÖH wissen solltest

  • 12.05.2017, 22:19
Von Bürokratieverwirrung, demokratischen Systemen und Soziologiefesten. Eine Anleitung, um die ÖH in ihren Grundzügen zu verstehen. Für AnfängerInnen, von einer (fast) Anfängerin.

Von Bürokratieverwirrung, demokratischen Systemen und Soziologiefesten. Eine Anleitung, um die ÖH in ihren Grundzügen zu verstehen. Für AnfängerInnen, von einer (fast) Anfängerin.

Das Studium ist verwirrend. „Die“ Uni ist gar nicht eine Uni, sondern befindet sich in ungefähr 400 Gebäuden, ProfessorInnen sind auch nur Menschen und wenn man sich nicht rechtzeitig für etwas anmeldet, hilft auch nicht lieb bitte sagen. Kurzum: Studienbeginn ist so ziemlich die Hölle und anfangs ist man vor allem damit beschäftigt, sich durch einen Bürokratie-Dschungel zu schlagen und dabei nicht aufs Lernen, Essen und Atmen zu vergessen. Aber spätestens, wenn du im zweiten Semester bist, weißt du, dass die Getränke im Automaten überraschend billig sind, und musst nicht mehr halbfreundliche Begegnungen um Wegbeschreibungen bitten. Dann hast du Zeit, dich zu fragen, wie die wirklich wichtigen Dinge funktionieren. Die ÖH zum Beispiel. Die ist nämlich verdammt kompliziert. Aber keine Panik, dieser Artikel bietet dir den ultimativen Guide.

ALLGEMEINES. Die Österreichische Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (kurz ÖH) wurde 1945 gegründet und versteht sich als Sprachrohr der Studierenden gegenüber den Hochschulen und der Politik. Außerdem vertritt sie die österreichischen StudentInnen im internationalen Bereich. Alle zwei Jahre wird sie von allen Studierenden neu gewählt. Von 16. bis 18. Mai steht die nächste Wahl an und deshalb solltest du spätestens dann wirklich Bescheid wissen. Die Mitgliedschaft in der ÖH ist Pflicht, das bedeutet, dass alle Studierenden automatisch ab der Zulassung zum Studium Mitglied sind. Das schließt mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit auch dich ein, du hast also die dementsprechenden Rechte und Pfl ichten. In dem Fall sind es vor allem Rechte – Wählen gehen zum Beispiel (subtile Aufforderung, hust hust).

Derzeit Vorsitzende der ÖH ist Lucia Grabetz vom VSStÖ (Verband Sozialistischer StudentInnen in Österreich), also sozusagen die Arbeiterkammer- Präsidentin der Uni-Welt. Ihre Hauptaufgabe ist gemeinsam mit den anderen drei Vorsitzenden die Vertretung der ÖH nach außen.

STUDIENVERTRETUNG. Organisiert ist die ÖH in mehreren Ebenen. Vermutlich hast du schon von der Studienvertretung (StV) gehört oder ihr ein verzweifeltes Mail geschrieben, weil dir das jemand in einer x-beliebigen Facebook-Gruppe geraten hat. Und das ist auch okay, denn die StV ist die erste Ansprechpartnerin für (verzweifelte) Studierende.

Auf FHs sieht das ein bisschen anders aus. Hier ist die ÖH in drei Ebenen organisiert: Es gibt eine Hochschulvertretung (siehe unten), eine Jahrgangsvertretung, die speziell für die Betreuung eines Jahrgangs zuständig ist, und – wie an den Universitäten – Studienvertretungen.

Jede Studienrichtung hat ihre eigene Studienvertretung mit je nach Studiengröße drei bis fünf Personen, die sich aktiv darum kümmern, den Studienalltag möglichst angenehm zu gestalten, und dir bei Problemen helfen – das Anmeldesystem zu verstehen zum Beispiel. „Den Großteil unserer Zeit investieren wir in Tutorien und Beratung“, meint Timo von der StV BaGru Soziologie an der Universität Wien. „Jeden Tag hat jemand Journaldienst und steht sowohl per Mail als auch persönlich für Fragen bereit – besonders Erstsemestrige holen sich oft Rat“, so Timo im Interview. Außerdem beschicken die Studienvertretungen verschiedene Gremien, in denen sie für die Rechte der Studierenden eintreten. Und auch der Spaß kommt nicht zu kurz: „Wir veranstalten aber auch ein bis zwei Mal im Semester ein Soziologiefest“, betont Timo.

Gewählt werden die VertreterInnen durch Personenwahl. Das bedeutet, dass die StudienvertreterInnen nicht in Zusammenhang mit einer der Fraktionen (dazu später mehr) stehen, sondern als neutrale AnsprechpartnerInnen agieren sollen. Aber auch Freiwillige, die nicht gewählt sind, wirken in manchen Studienvertretungen mit. So zum Beispiel Timo, der sich seit seinem ersten Semester engagiert: „Bei uns werden alle Entscheidungen basisdemokratisch getroff en, was bedeutet, dass alle, die zu unserem wöchentlichen Plenum kommen, mitbestimmen dürfen. Es sind also nicht nur die gewählten VertreterInnen an Entscheidungen beteiligt.“ Dieses Prinzip ist bei Basisgruppen besonders wichtig. Sie wollen niemanden überstimmen, sondern nach einer gemeinsamen Lösung suchen, bis ein Konsens gefunden ist.

FAKULTÄTSVERTRETUNG. Zwischen Studienvertretung und Hochschulvertretung Hochschulvertretung agieren Fakultäts- und Zentrumsvertretungen auf der Ebene der Fakultäten bzw. Zentren. Falls du (wie ich) auch nicht weißt, was eine Fakultät ist und bis jetzt immer nur gelächelt und genickt hast, wenn jemand das Wort erwähnt hat, kommt hier die lang ersehnte Antwort:

Alle zwei Jahre, immer vor einer anstehenden ÖH-Wahl, beschließt die Universitätsvertretung die Zusammenfassung verschiedener Studienrichtungen zu Studienvertretungen und die Zuordnung der Studienvertretungen zu Fakultäts- bzw. Zentrumsvertretungen. Das bedeutet, es handelt sich de facto einfach nur um ein Bündel von Studienvertretungen, die zusammengefasst werden.

Um beim Beispiel Soziologie zu bleiben: Aktuell gehört dieses Fach gemeinsam mit Kultur- und Sozialanthropologie, Publizistik, Gender Studies, Pfl egewissenschaft und Politikwissenschaft zur Fakultät für Sozialwissenschaften. „Wir arbeiten eng mit den anderen Studienvertretungen unserer Fakultät zusammen und sind gut vernetzt“, erklärt Timo.

Insgesamt gibt es zum Beispiel an der Uni Wien 15 Fakultäten. Diese Zahl ändert sich aber von ÖH-Wahl zu ÖH-Wahl und von Universität zu Universität. Manche Universitäten bzw. Fachhochschulen und Pädagogische Hochschulen haben gar keine Fakultäten, sondern „Departments“, die keine eigenen Vertretungen haben. Ob es und zu welcher Fakultät das Studium deines Herzens gehört, erfährst du auf der Webseite deiner lokalen ÖH bzw. Studienvertretung.

Die Fakultätsvertretungen vertreten dich gegenüber dem Dekanat (sozusagen die Frau oder der Herr Direktor, nur mit weniger Klischee und mehr wissenschaftlichem Background) und arbeiten in verschiedenen Unigremien. Diese Ebene der ÖH wird nicht gewählt, sondern die MandatarInnen werden von den je zugeordneten Studienvertretungen entsandt.

HOCHSCHULVERTRETUNG. Die Hochschulvertretung ist die nächsthöhere Ebene. Man kann sie sich als Studierendenparlament jeder einzelnen Hochschule vorstellen. In diesem Organ der ÖH sitzen verschiedene Fraktionen, die ähnlich wie die Parteien im Parlament verschiedene Interessen vertreten. An den einzelnen Hochschulen kandidieren zum Teil andere Fraktionen als auf Bundesebene.

Alle Hochschulvertretungen müssen verpfl ichtend je ein Referat für Bildungspolitik, Sozialpolitik und wirtschaftliche Angelegenheiten (Wirtschaftsreferat) einrichten, können aber bei Bedarf auch andere initiieren. Ein Referat ist eine Organisationseinheit, die eine bestimmte Aufgabe innerhalb der ÖH erfüllen soll.

Eine weitere Aufgabe der Universitätsvertretung ist es, VertreterInnen in den Senat zu schicken. Der Senat ist ein Entscheidungsorgan der Universität, in dem Lehrende, allgemeines Personal und eben Studierende sitzen. Hier werden unter anderem Curricula beschlossen.

BUNDESVERTRETUNG. Die ÖHBundesvertretung ist die Vertretung aller Studierenden an Universitäten, Privatuniversitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen in Österreich. Die Bundesvertretung besteht aus 55 VertreterInnen.

Seit 2015 wird die ÖH-Bundesvertretung wieder direkt durch Listenwahl gewählt. 2017 kandidieren folgende Fraktionen, die zum Teil Parteien nahestehen:
AG – AktionsGemeinschaft (Studentenforum), Vorfeldorganisation der ÖVP
FLÖ – Unabhängige Fachschaftslisten Österreichs, parteiunabhängig
GRAS – Grüne & alternative StudentInnen, Vorfeldorganisation der Grünen
JUNOS – Junge liberale Studierende, Vorfeldorganisation der NEOS
KSV-LILI – Vorfeldorganisation der Bundes-KPÖ
KSV-KJÖ – Vorfeldorganisation der steirischen KPÖ
NO MA'AM – Spaßfraktion
RFS – Ring Freiheitlicher Studenten, Vorfeldorganisation der FPÖ
VSStÖ – Verband Sozialistischer StudentInnen in Österreich, Vorfeldorganisation der SPÖ

Diese Fraktionen sind es, die du per Listenwahl wählen kannst, um ihnen Sitze im ÖH-Bundesrat zu verschaff en. Yay, Demokratie!

Die Bundesvertretung vertritt die Interessen aller Studierenden österreichweit, berät in verschiedenen Referaten und gibt zusätzlich Broschüren zu studienrelevanten Themenstellungen heraus. Zu einer wichtigen Aufgabe gehört das Bilden der Ausschüsse für Bildungspolitik, Gleichstellungsfragen, Internationale Angelegenheiten, Sonderprojekte, Sozialpolitik und jenem für wirtschaftliche Angelegenheiten. Diese werden je nach Stärke der Fraktionen in der Bundesvertretung beschickt. Zweimal pro Semester fi nden Sitzungen statt, die öff entlich zugänglich sind.

Außerdem besetzt auch die ÖH-Bundesvertretung Referate. Neben den gesetzlich vorgeschriebenen Referaten existieren momentan noch folgende andere: das Referat für Studien- und MaturantInnenberatung, das Referat für ausländische Studierende, das Referat für Fachhochschul-Angelegenheiten, das Referat für pädagogische Angelegenheiten, das Referat für Internationale Angelegenheiten, das Referat für Öff entlichkeitsarbeit, das Unabhängige Tutoriumsprojekt, das Referat für feministische Politik, das Referat für Menschenrechte und Gesellschaftspolitik, das Referat für Barrierefreiheit, das queer_referat und das Referat für Privatuniversität-Angelegenheiten.

Ein gutes Beispiel, um zu verstehen, was ein Referat macht, ist jenes für Öff entlichkeitsarbeit. Dieses Referat kümmert sich um die Webseite der ÖH und gibt Flyer und Broschüren heraus. Außerdem ist progress, also die Zeitung, die du gerade liest, Teil davon.

Seit 2015 ist auf Bundesebene die AG mit 16 Mandaten vorherrschend, knapp dahinter die GRAS mit 12. Wenn nicht eine Fraktion die absolute Mandatsmehrheit erreicht, bilden mehrere eine Koalition, um die Exekutive zu übernehmen (wir sind ja schließlich in Österreich …). Derzeit sind das FEST (Fraktion engagierter Studierender, tritt 2017 nicht für die BV an), FLÖ, GRAS und VSStÖ. Die Exekutive setzt die Beschlüsse der Bundesvertretung um und sorgt dafür, dass in den Referaten und Arbeitsbereichen alles glatt läuft. Großteils sind hier ehrenamtliche MitarbeiterInnen am Werk, es gibt aber auch zahlreiche Angestellte, die in den Referaten tätig sind. Bei Fragen stehen die Referate und Arbeitsbereiche jederzeit zur Verfügung.

Das war also die ÖH im Schnelldurchlauf. Und genau deshalb zahlst du deine 19,20 Euro ÖH-Beitrag. Schon irgendwie das Geld wert, oder?

Clara Porak studiert Deutsche Philologie und Bildungswissenschaften an der Uni Wien.

FHs: Erlaubt ist, was nicht verboten ist

  • 23.10.2014, 01:23

Willkürliche Exmatrikulation, Verpflichtungen als kostenlose WerbeträgerInnen herzuhalten und Abtreten von Rechten: Fachhochschul-Studierende müssen Ausbildungsverträge mit teils fragwürdigen Klauseln unterschreiben und erleben eine massive Benachteiligung.

Willkürliche Exmatrikulation, Verpflichtungen als kostenlose WerbeträgerInnen herzuhalten und Abtreten von Rechten: Fachhochschul-Studierende müssen Ausbildungsverträge mit teils fragwürdigen Klauseln unterschreiben und erleben eine massive Benachteiligung.

Dieses Semester stehen 19.000 FH-StudienanfängerInnen 28.000 abgewiesenen BewerberInnen gegenüber. Auf jene, die die Hürden des Aufnahmeverfahrens erfolgreich absolviert haben, wartet an den ersten FH-Tagen eine Weitere: Zweifelhaft anmutende Ausbildungsverträge müssen unterschrieben werden.

Zum Beispiel sichert sich die FH Krems in ihrem Ausbildungsvertrag ab, dass keine Person , die sie vom Studium ausschließen will, ernsthaft dagegen berufen kann und schließt „die Anrufung der ordentlichen Gerichte ausdrücklich aus". Am Management Center Innsbruck nutzt man die Studierenden als kostenlose Werbeträger. Diese müssen unterschreiben, dass sie sich „zur aktiven Mitwirkung an Marketing- und Öffentlichkeitsarbeitsmaßnahmen" verpflichten. Und an der FH Campus Wien treten die Studierenden durch das Unterschreiben alle „Nutzungs- und Verwertungsrechte“ ihrer Abschlussarbeiten und anderer geistiger Schöpfungen in „zeitlich, örtlich und inhaltlich unbeschränkter und ausschließlicher Form" an die Fachhochschule ab.

An eben dieser Vertragsklausel der FH Campus Wien stößt sich der 23-jährige Johannes Burk. Vor wenigen Wochen begann er dort sein Masterstudium „IT-Security“. Als ihm der Ausbildungsvertrag ausgehändigt wurde, ist ihm schnell jene Klausel ins Auge gesprungen, durch die er alle Rechte an seinen Arbeiten für immer abtritt. Daraufhin wandte er sich an die Bundes-ÖH, welche ihn an den Verein für Konsumenteninformation (VKI) verwiesen hat. Das Ergebnis der Beratung beim VKI war ernüchternd: Er müsse das Risiko eingehen, sich der Klausel zu widersetzen und abwarten, ob die FH klagt. Dass sich die FH tatsächlich auf ihre Rechte berufen und klagen würde, glaubt er aber nicht. Was ihn vor allem stört, ist „der Fakt, dass ich mich dann strafbar mache, wenn ich beispielsweise eine eigene Geschäftsidee umsetze“. Da es für ihn keine Option war, den Studienplatz nicht anzunehmen, hat er den Vertrag letzten Endes unterschrieben. „Meine Konsequenz ist, dass ich sämtliche vielversprechende Projektideen komplett vom Studium fernhalte“, schließt Burk.

Privatrecht ermöglicht Willkür. Dass die Ausbildungsverträge kritisiert werden, habe man erst aus den Medien erfahren, heißt es aus den Büros der Hochschulleitungen. „Falls hier Bedenken bestehen, setzen wir uns gerne zusammen, besprechen das Problem und finden eine Lösung“, erklärt Ulrike Prommer, Geschäftsführerin der FH Krems. „Wir nehmen dies zum Anlass, die entsprechenden Klauseln kritisch zu beleuchten und wo es Bedarf gibt, Adaptierungen vorzunehmen“, verspricht Arthur Mettinger, Rektor der FH Campus Wien. Und den Bedarf gibt es auf jeden Fall, wenn es nach Tobias Kurtze, dem Vorsitzenden der ÖH FH Campus Wien geht. Er spricht sich für „die Überführung der Fachhochschulen in ein hoheitliches System und konkreten Regelung von Ausbildungsverträgen an Fachhochschulen“ aus. Zu einer gemeinsamen Stellungnahme bekennen sich Andreas Altmann, Rektor, und Michael Seidl, ÖH-Vorsitzender des MCI Management Center Innsbruck: „Im Rahmen der letzten Überarbeitungen des Ausbildungsvertrages war die Studierendenvertretung eingebunden. Die im Ausbildungsvertrag geregelte Zustimmung der Studierenden zur Mitwirkung an Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Hochschule ermöglicht ja auch Vorhaben, welche den Studierenden zugute kommen.“

Der Grund für solche Ausbildungsverträge: Zwischen Fachhochschulen und Studierenden gilt das Privatrecht. Das Wissenschaftsministerium gibt also keine studienrechtlichen Rahmenbedingungen vor, die für einheitliche Verhältnisse hinsichtlich der Rechte und Pflichten zwischen Fachhochschulen und Studierenden sorgen, wie es an Universitäten der Fall ist. Auch das Fachhochschul-Studiengesetz (FHStG) regelt viele dieser Rechte und Pflichten nicht, welche dann stattdessen in einem Ausbildungsvertrag festgehalten werden. Rechtsanwalt Ingo Riß (anwalt-riss.at) erklärt den Unterschied zwischen Privatrecht und Universitätsrecht so: „Das Privatrecht regelt allgemein die Handlungsspielräume von Menschen und Institutionen zueinander. Im Privatrecht ist alles erlaubt, was nicht verboten ist. Das Universitätsrecht dagegen gehört dem öffentlichen Recht an, das dem Legalitätsprinzip verpflichtet ist. Hier heißt es: Verboten ist, was nicht erlaubt ist.“ Auch die Übertragung aller UrheberInnen oder Verwertungsreche findet er problematisch: „Das ist unzulässig. Im Rahmen der gesetzlichen Regeln besteht Handlungsfreiheit, die aber dennoch seine Grenze bei unsachlicher Willkür und rechtlicher Sittenwidrigkeit hat.“ Die Verpflichtung zur aktiven Mitwirkung an Werbung oder Marketing beurteilt er ähnlich. Riß weiter: „Den Ausschluss des Rechtsweges oder extrem kurze Fristen für Beschwerden gegen Ausbildungsvertragskündigungen stufe ich als richtige Knebelungsklauseln ein.“

Sittenwidrig. So sieht auch die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) die Ausbildungsverträge, die die Studierenden an manchen Fachhochschulen vorgelegt bekommen. Doch nicht nur, dass Studierende vielleicht werbend „am Tag der offenen Tür ein Kapperl tragen müssen“, stößt Bernhard Lahner vom Vorsitzteam der Bundes-ÖH sauer auf. Immer mehr Studierende, sagt er, würden sich mit Beschwerden an die ÖH-Beratungsstelle wenden – und es seien echte „Härtefälle“ darunter. Unter diesen Härtefällen befindet sich auch ein FH-Student, der mittlerweile exmatrikuliert wurde. Besagter Student konnte seinen dritten und letzten Prüfungstermin für eine Lehrveranstaltung krankheitsbedingt nicht wahrnehmen. Ihm wurde eine negative Beurteilung eingetragen und er wurde gemäß FHStG nach drei negativen Ergebnissen exmatrikuliert. Sein Erklärungsversuch bei der Studiengangsleitung und beim Kollegium blieb erfolglos. Ihm bleibt nur noch der Weg vor das Zivilgericht. Eine solche Klagsführung bringt aber ein erhebliches Kostenrisiko mit sich. Weiters ist mit einer entsprechenden Dauer der Verfahren zu rechnen. Studierende an Universitäten sind hier besser gestellt, da nach dem Universitätsgesetz studienrechtliche Angelegenheiten in den Bereich der Hoheitsverwaltung fallen. Das heißt, die Universitäten haben über solche Streitigkeiten mittels Bescheid zu entscheiden. Gegen einen solchen Bescheid kann das Bundesverwaltungsgericht angerufen werden. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht besteht kein Prozesskostenrisiko für die Studierenden.

Volksanwaltschaft fordert Gleichstellung. Zur Lösung des Problems fordert die Bundes-ÖH einen FH-Gipfel, um gemeinsam mit der Fachhochschul-Konferenz und dem Wissenschaftsministerium das Studienrecht zu überarbeiten. „Es geht mir darum, dass alle Studierenden, egal wo und was sie studieren, die gleichen Rechte haben. Es ist absurd, dass FH-Studierende als Einzelpersonen gegen riesige Institutionen vor dem Zivilgericht klagen müssen und die Freundin oder der Freund auf der Uni eine Beschwerde schreibt und alles weitere sich dann von allein erledigt“, so Lahner. Die Bundes-ÖH befindet sich mit ihrer Forderung nach einer Angleichung der Fachhochschulen an das Universitätsrecht in guter Gesellschaft: Schon im Vorjahr hat die Volksanwaltschaft in ihrem Bericht die Schlechterstellung von FH-Studierenden angeprangert. In einer Stellungnahme fordert die Volksanwaltschaft, „Studierende an Fachhochschulen mit Studierenden an Universitäten gleichzustellen, indem im Fachhochschul-Studiengesetz geregelt wird, dass die Fachhochschulen bei der Vollziehung der Studienvorschriften im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig werden“.

Bildung als Produkt. Kurt Koleznik, Generalsekretär der Fachhochschul-Konferenz, hält wenig von der Idee, FH- und Uni-Studierende rechtlich gleichzustellen. Er ist der Meinung, „dass eine Überführung von Fachhochschulen in ein hoheitliches System dem Grundgedanken des Public-Private-Partnership Modells widerspricht“. Dadurch käme es zu einer Entdifferenzierung zwischen Fachhochschulen und Universitäten. Bei einem Auto- oder Hauskauf müsse doch auch ein Vertrag zwischen dem Käufer und dem Verkäufer abgeschlossen werden. In diesem Punkt scheiden sich die Geister zwischen der FHK und Bundes-ÖH. „Hier wird das Studieren an einer FH als Produkt und als Konsumieren von Bildung verstanden. Wir sehen ein Studium aber nicht als Erwerb eines Produktes und deswegen ist es ganz klar, dass es Veränderungen braucht“, entgegnet Lahner. Aus dem Wissenschaftsministerium heißt es, dass man „sowohl mit der Bundes-ÖH als auch mit der Fachhochschul-Konferenz in gutem Kontakt“ stehe und man sich „gerne als Vermittler“ anbiete.
 

Sandra Schieder studiert Journalismus und Public Relations an der FH JOANNEUM in Graz.

Kampf um faire Studienbedingungen

  • 08.10.2012, 14:37

Claudia Aurednik diskutierte mit Janine Wulz (zweite stv. Vorsitzende der ÖH), Peter Grabuschnig (Generalsekretär der ÖH) und Stefan Schön (Betriebsrat an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien) über aktuelle hochschulpolitische Debatten, Herausforderungen und Missstände.

Claudia Aurednik diskutierte mit Janine Wulz (zweite stv. Vorsitzende der ÖH), Peter Grabuschnig (Generalsekretär der ÖH) und Stefan Schön (Betriebsrat an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien) über aktuelle hochschulpolitische Debatten, Herausforderungen und Missstände.

Podcast zur Sendung „Diskurs am Freitag“ im Webradio von Ö1 “ÖH: Kampf um faire Studienbedingungen?!”.

Die ganze Sendung könnt ihr hier nachhören.

„Geregelter Zugang in stark nachgefragten Fächern“

  • 05.10.2012, 16:42

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle versucht sich in Schweigen zu hüllen und sagt trotzdem, dass an Zugangsbeschränkungen für ihn grundsätzlich „in stark nachgefragten Fächern“ kein Weg vorbeiführe. Diese „Fremdselektion der Interessen von Studierenden“ sei ungerecht, kontert Martin Schott vom Vorsitzteam der ÖH im progress Streitgespräch. Oona Kroisleitner und Flora Eder moderierten.

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle versucht sich in Schweigen zu hüllen und sagt trotzdem, dass an Zugangsbeschränkungen für ihn grundsätzlich „in stark nachgefragten Fächern“ kein Weg vorbeiführe. Diese „Fremdselektion der Interessen von Studierenden“ sei ungerecht, kontert Martin Schott vom Vorsitzteam der ÖH im progress Streitgespräch. Oona Kroisleitner und Flora Eder moderierten.

progress: Durch das aktuelle ÖH-Gesetz ist eine Stimme bei den ÖH-Wahlen aus Leoben noch immer mehr Wert als eine Stimme von der KFU Graz. Minister Töchterle, die ÖVP strebt nach einem Mehr an Demokratie. Warum gilt das nicht für die ÖH?

Karlheinz Töchterle: Aus meiner Sicht ist die direkte Wahl der bundesweiten Vertretung der Studierenden sehr wohl möglich, wenn diese Position von allen Fraktionen getragen wird. Das wird sie aber offenbar nicht – und ich werde sie auch nicht gegen die stärkste Fraktion in der ÖH, die Aktionsgemeinschaft, durchsetzen. Vielleicht sehe ich das aber zu simpel oder einseitig.

progress: Martin Schott, warum ist für  die ÖH die Reform so wichtig?

Martin Schott: Der derzeitigen ÖH Koalition geht es hier um eine Grundfrage: Wird die ÖH demokratisch gewählt oder nicht? Jede Stimme, egal ob von Studierenden der Kunst Uni Linz oder der Uni Wien muss gleich viel wert sein.

Töchterle: Aber man muss schon sehen: Ich kann das nicht gegen die größte Fraktion machen. Deswegen lade ich alle Fraktionen zu einem Gespräch ein. Da werden wir weitersehen.

progress: Die Presse bezeichnete Sie, Minister Töchterle, in den letzten Tagen aus diesem Grund als „Handlanger“ der Aktionsgemeinschaft. Wie gehen Sie mit der Kritik um?

Töchterle: Das habe ich auch gelesen. Ich weise das zurück.

progress: Eben sagten Sie aber noch, es gibt keine Wahlrechtsreform, wenn die AG nicht zustimmt.

Töchterle: Ich entscheide das nicht gegen die größte Fraktion. Diese könnte genauso VSStÖ oder GRAS heißen: Wenn sie sagen, „Mit uns nicht“, dann wäre das genauso ein Grund, mir zu überlegen, ob ich das mache. Jetzt ist es zufällig die AG, deshalb bin ich aber nicht ihr Handlanger.

progress: In der „Presse“ von Donnerstag werden zusätzliche Zugangsbeschränkungen in den Fächern Architektur, Wirtschaftswissenschaften, Biologie und Pharmazie angekündigt. Ist das Ihr neuer Vorschlag, Herr Minister?

Töchterle: Ich habe das gegenüber der „Presse“ nicht angekündigt und halte mich auch weiterhin an die Vereinbarung mit dem Koalitionspartner, dass wir erst nach einer Einigung an die Öffentlichkeit treten. Nur so viel: Aufs Ganze gesehen soll es am Schluss nicht weniger Studienplätze geben. Das war der Wunsch von Andrea Kuntzl (Wissenschaftssprecherin der SPÖ, Anm.) und entspricht auch meinem Anliegen. Für Details ist es noch zu früh, die Gespräche laufen.

progress: Zugangsbeschränkungen sind also eine Option?

Töchterle: Ich hab immer gesagt, Universitäten müssen – so wie viele andere Einrichtungen – ihre Kapazitäten leben. Dazu stehe ich. Das ist für mich sowas von plausibel, dass ich überhaupt nicht weiß, wie man etwas anderes verlangen kann. Aber gut.

progress: Martin Schott, die ÖH ist da ja anderer Meinung...

Schott: Es ist schade, dass Verhandlungen zur Verbesserung der Studienbedingungen ohne die ÖH ablaufen. Denn wir hätten da einige Ideen. Und man würde definitiv ohne Zugangsbeschränkungen auskommen.

Töchterle: Das schaue ich mir an. Mit welchen Maßnahmen? Ich kenne Ihr Papier [An. der Red.: Forum Hochschule] – Eine Milliarde mehr. Wir brauchen aber gerade in stark nachgefragten Fächern einen geregelten Zugang.

Schott: Zugangsbeschränkungen sind eine Fremdselektion von Interessen. Dabei gibt es bereits jetzt eine gewisse Planungssicherheit durch die eigenen Interessen der Studierenden. Wir halten es für wichtig, dass Studierende ihr Studium frei wählen, die Berufswahl frei treffen und sich für jene Zukunft entscheiden können, die sie haben wollen.

Töchterle: Und ihre Vorstellungen wollen Sie in der ganzen EU durchsetzen?

Schott: Ja, warum nicht? Wir haben uns auf einen europäischen Bildungsraum geeinigt.

Töchterle: Gehen Sie dann nach Rumänien Studienberatung machen?

Schott: Das ist wohl nicht Aufgabe der ÖH. Aber dieser Weg der Fremdselektion von Interessen kann meiner Meinung nach nicht das Ziel eines Ministeriums oder einer Gesellschaft in Europa sein.

Töchterle: Was tun sie, wenn statt 25.000 jetzt 40.000 Studierende an die WU wollen?

Schott: Immer diese Horrorszenarien aufzubauen, find ich nicht in Ordnung.

Töchterle: Ihre Vorstellungen können Sie vielleicht in Österreich umsetzen. Vielleicht. Aber nicht in der EU.

Schott: Die Perspektive der EU so kurz zu setzen, finde ich nicht in Ordnung. Ich kann mir zwar vorstellen, dass es relativ schwierig sein wird, europaweit 27 Staaten auf ein einheitliches System zu bringen. Aber dennoch glaube ich, dass wir diese Perspektive haben.

progress: Ebenso am Donnerstag haben Sie, Minister Töchterle, in der Kleinen Zeitung gesagt, Sie fänden die geschlechtergetrennte Auswertung des EMS-Tests diskriminierend. Wieso musste die Med Uni Wien überhaupt zu diesem Verfahren greifen? Müsste nicht eher etwas am Test geändert werden?

Töchterle: Es liegt wohl nicht an dem Test – in der Schweiz gibt es den gleichen und er wirkt dort nicht geschlechterselektiv – sondern an der Ausbildung der Schülerinnen und Schüler. Sie kommen mit verschiedenen Voraussetzungen zu diesem Test.

Schott: Das sehe ich anders, auch der Test ist zu kritisieren. Aber ja, das Schulsystem ist in Österreich möglicherweise schon so aufgebaut, dass es von Anfang an diskriminiert und damit auch der EMS-Test geschlechterselektiv wirkt.

Töchterle: Ich würde eher sagen, es könnte sein, dass das österreichische Bildungssystem auf diesen Test hin nicht neutral ausbildet. Dass das Schulsystem insgesamt die Mädchen diskriminiert, würde ich nicht sagen. Es gibt auch einige Felder, wo Burschen diskriminiert werden. Beim EMS-Test wirkt es so, als ob Mädchen eine Benachteiligung gegenüber Burschen hätten.

progress: Und so lange die Ursachen im Schulsystem nicht behoben sind, halten Sie, Minister Töchterle, es für diskriminierend dem via Quoten entgegenzuwirken?

Töchterle: Ich sehe diese Auswertung problematisch. Ich versetze mich hier in die Situation der jungen Burschen, die diesen Test bewältigt haben, aber dann keinen Platz bekommen, weil sie durch eine Quotenregelungen gegenüber Mädchen, die schlechter abgeschnitten haben, zurückgestellt werden.

Schott: Ich frage mich, wie es den Frauen der letzten Jahre geht, die durch die Diskriminierung seitens des Schulsystems nicht das Studium ihrer Wahl aufnehmen konnten.

Töchterle: Wer die Prüfung besteht, hat doch das Recht auf einen Studienplatz. Und wer die Leistung nicht erbringt, nicht. Wo wir für Gerechtigkeit sorgen können, da sollten wir es tun. Und hier bin ich dafür, dass der, der die Leistung erbracht hat, auch dafür honoriert wird.

progress: Ist das auch aus der Sicht der ÖH ein fairer Ansatz?

Schott: Nein, ich bin dafür, dass man Diskriminierung überhaupt nicht zulässt. Warum sollte man Diskriminierung einfach bewusst fortsetzen?

Töchterle: Natürlich wäre das das Ideal. Sie sind für die ideale Welt, das wissen wir. Aber: Dass man die Burschen diskriminiert, nur weil sie Burschen sind, das ist keine Diskriminierung?

Schott: Gleichzeitig wirft man Frauen hinaus, nur weil sie Frauen sind.

Töchterle: Nein, die Mädchen haben die im Test geforderte Leistung anscheinend nicht erbracht.

progress: Martin Schott, es stehen die Klagen wegen der autonom eingehobenen Studiengebühren vor der Tür. Wenn der VFGH den Klagen stattgibt, würdesn Sie dann dem Minister empfehlen, den Berater zu wechseln?

Schott: Meiner Ansicht nach hätte man Nein zu Studiengebühren sagen und damit dem politischen Willen des Nationalrates folgen sollen, der ganz klar gesagt hat, dass er keine Studiengebühren will. Insofern wäre man anders besser beraten gewesen.

Töchterle: Professor Mayer ist Dekan der juridischen Fakultät in Wien und ein hoch angesehener Verfassungsrechtler. Da gibt’s nichts zu wechseln. Er ist der Ansicht, dass autonom eingehobene Studienbeiträge rechtskonform sind. Dieser Ansicht schließe ich mich an. Aber das Gesetz ist immer auch eine Interpretationsfrage.

progress: Der Dr.-Karl-Lueger-Ring in Wien wurde soeben in Universitätsring umbenannt. Herr Töchterle, Sie sind Mitglied des Cartellverbands, in dessen Zeitung Academia nachzulesen ist, dass dieser Umstand dem CV nicht passt, weil Lueger ein angesehener Cartellbruder war. Wie stehen Sie persönlich zur Umbenennung des Luegerrings?

Töchterle: Universitätsring ist ein sehr treffender Name. Was man auch sehen muss: Dass man hier jemanden aus dem Gedächtnis streicht, weil er zur Persona non grata geworden ist. Das hat man in der Antike „damnatio memoriae“ genannt. Dort ist das Kennzeichen von sehr harter Macht gewesen. Das ist also eine durchaus ambivalente Sache. Lueger war auch antisemitisch. Ich weise daher auf die Ambivalenz hin.