Computer

Jugend hackt das System

  • 23.02.2017, 19:01
Eine der spannendsten aktuellen Jugendbewegungen hat nur am Rande mit Musik oder Politik zu tun. Jugend-Hackathons und Hackerclubs wie das „CoderDojo“ oder „Jugend hackt“ beschäftigen sich mit Technik und ihren Schnittpunkten zu Kunst und Gesellschaft.

Eine der spannendsten aktuellen Jugendbewegungen hat nur am Rande mit Musik oder Politik zu tun. Jugend-Hackathons und Hackerclubs wie das „CoderDojo“ oder „Jugend hackt“ beschäftigen sich mit Technik und ihren Schnittpunkten zu Kunst und Gesellschaft.

Junge Menschen stellen auf der Bühne eine Willkommens-App für Flüchtlinge, Software für Ampelsysteme, Inhaltsstoff-Scanner für Lebensmittel und intelligente Festival-Playlisten vor. Doch hier präsentieren sich keine Start-up-Unternehmen, sondern zumeist Schüler_innen, die das Ergebnis gerade mal eines Wochenendes Arbeit vorführen. Seit 2013 organisiert der Verein „Open Knowledge Foundation“ (OKF) zusammen mit „mediale Pfade e.V.“ Veranstaltungen speziell für technikbegeisterte Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren. Am Ende der jährlich in Berlin stattfindenden Hackathons soll ein fertiger Prototyp, Code oder ein Konzept vorgestellt werden. In verschiedenen Kategorien, etwa „Design“ oder „Mit Code die Welt verbessern“, wird das beste Projekt prämiert. Erfahrene Mentor_innen begleiten und beraten die Teilnehmenden während der Umsetzung, lassen ihnen aber weitgehend freie Hand.

Dabei ist Hacking mal mehr Spiel, Bastelei und Selbsterprobung, mal ist der Code aber auch die Bedienungsanleitung für das Schaffen einer besseren Welt. Mit Technik begegnen die Jugendlichen gesellschaftspolitischen Themen wie Flucht, Vertreibung und Asyl. Daneben spielen auch klassische Themen der Hackerszene wie Datenschutz und Anonymität eine Rolle, und nicht zuletzt geht es auch darum, junge Talente zu fördern und die Hacker_innen von morgen auszubilden. Die Reihe ist so erfolgreich und die Nachfrage so groß, dass seit einem Jahr Parallelevents auch in zahlreichen anderen deutschen Städten stattfinden.

FÜR EINE BESSERE WELT. Die Idee, Kinder und Jugendliche auch abseits von einem oft defizitären oder zu kurzen Informatikunterricht an den Schulen ans Gerät zu bringen, hat in den letzten Jahren mehrere Initiativen hervorgebracht. Einer der Vorreiter_ innen für Medien- und Technikbildung ist der „Chaos Computer Club“ (CCC e. V.) mit seinem seit 2007 bestehenden Projekt „Chaos macht Schule“. Das Programm, dessen Schwerpunkt vor allem auf informierter Internetnutzung statt bloßem Programmieren liegt, soll bald auch in Wien adaptiert werden. Interessierte Schulleitungen oder Lehrer_innen können sich unter der Adresse schule@c3w.at Hacker und Haecksen für das Klassenzimmer buchen. Viele lokale Hackspaces bieten zudem kostenlose Workshops speziell für Kinder an. Seit 2011 schließen sich außerdem global sogenannte „CoderDojos“ zusammen – Programmier- Clubs, auch für jüngere Kinder ab fünf Jahren, die sich mehrmals im Monat treffen. Seine Gründer rufen dazu auf, das Konzept weiterzutragen und stellen dafür auch ein Handbuch zur Verfügung.

EXPORTSCHLAGER. Das Format Hackathon findet international Anklang. In Österreich findet ein entsprechender Event vom 4. bis 6. November in Linz statt und nächstes Jahr soll es sogar in Südkorea starten. Sonja Fischbauer, die bisher das „Young Coders Festival AT“ leitete, begleitet für den österreichischen OKF-Ableger, das „Open Knowledge Forum“, die Umsetzung: „Anno 2014 hat ‚hacken‘ in Österreich noch alle verschreckt, aber auch hier verändert sich das Image des Wortes weg von etwas Bösem, zu der durchweg positiven Bedeutung, ein kniffliges Problem zu knacken. Wir wollen mit unserer Veranstaltung noch ein bisschen mehr dazu beitragen.“

Damit die Reihe auch in Österreich ein voller Erfolg wird, sucht das Projekt noch Unterstützung: „Für die Veranstaltung suchen wir Mentor_innen aus verschiedenen Sparten: Auch Designer_ innen und Projektmanager_innen können wichtigen Input liefern. Zusätzlich brauchen wir Helfende in allen organisatorischen Belangen. Und natürlich hilft uns jede Spende. Die stecken wir direkt in die Verpflegung, in die Ausstattung und die Unterkünfte für die Jugendlichen“, so Fischbauer weiter.

Wer jedoch nicht direkt mit großen Datensätzen arbeiten oder Apps schreiben möchte, kann unter ähnlichen Voraussetzungen Entwickeln lernen: Die Zahl der Game Jams steigt ständig. Auch hier bewegt man sich spielerisch an den Schnittstellen zwischen Kunst, Technik und gesellschaftspolitischen Themen. Wenn die Hackathons und CoderDojos weiter an Zulauf gewinnen, dürfen wir uns auf eine Generation freuen, die nicht nur Neugier auf die großen Fragen hat, sondern auch die richtigen Werkzeuge in der Hand hält, um sie vielleicht sogar zu lösen.

Interview mit Sonja Fischbauer (OKF AT) und Magdalena Reiter (Jugend hackt AT, Linz)

progress: Warum sollten junge Menschen programmieren und hacken können?
Sonja Fischbauer: Weil sie damit ihre Zukunft selbst gestalten, etwas schaffen können. Coden ist Kreieren – wie Häkeln, nur mit Buchstaben, Zahlen und Zeichen. Magdalena Reiter: Außerdem ist es von großer Bedeutung, dass wir unsere technologische Zukunft nicht großen Unternehmen überlassen, sondern selbst über entsprechende Kompetenzen verfügen. Technik und Technologie haben einen sehr hohen Stellenwert in unserer Bildung, Arbeit, aber auch in unserer Freizeit eingenommen. Es wird darum für die nächste Generation wichtiger, die Grundprinzipien des Programmierens zu verstehen und im besten Fall auch den eigenen Alltag selbst verändern und gestalten zu können.

Das „Young Coders AT“-Festival wird zu einer Veranstaltung der „Jugend hackt“-Reihe.
Fischbauer: Wir starten dieses Jahr in Linz neu durch, und da sich unsere Veranstaltung inhaltlich immer schon an den Events unserer deutschen Schwesternorganisation orientiert hat, wollten wir das auch im Titel ausdrücken.

Was lernt ihr von den Kindern und Jugendlichen, was hat euch beeindruckt?
Fischbauer:
Ich bin beeindruckt vom großen Wissen mancher Jugendlicher, aber vor allem von ihrer Motivation, sich in ihrer Freizeit zu engagieren. Die gemeinschaftliche Atmosphäre ist zudem etwas ganz besonderes an Jugend-Hackathons.
Reiter: Jugendliche können oft noch ihre konkreten Bedürfnisse artikulieren und die Gründe ihrer Motivation simpel darstellen, ohne dabei die Komplexität zu reduzieren. Das beeindruckt mich sehr. Erwachsene sind da oft viel komplizierter und verlieren gleichzeitig das Auge für die Schönheit der Komplexität.

Was haltet ihr vom Informatikunterricht (IKT) an Schulen?
Fischbauer:
Ich hatte um das Jahr 2000 Informatik als Wahlfach, und ich wünschte, ich hätte mehr gelernt, als nur ein bisschen Visual Basic zu programmieren. Das hat mir damals viel Spaß gemacht, aber ich hätte mehr direkte Förderung gebraucht. So geht’s wohl vielen Mädels. Hier ist für mich die Bildungspolitik stark gefordert. Reiter: Der Informatikunterricht ist momentan natürlich sehr stark von den Lehrer_innen abhängig. Es gibt ganz tolle Pädagog_innen, die aktuelle Entwicklungen verfolgen und das Wissen darüber mitgeben wollen – aber sie sind rar. Im Großen und Ganzen gibt es einfach noch zu wenig Vorstellung darüber, wie bunt und einfallsreich Informatikunterricht oder generell technologieunterstützter Unterricht ausschauen könnte. Damit in der nächsten Generation kein „Digital Gap“ entsteht, müssten wir außerdem schon im Kindergartenalter damit beginnen und schulische und außerschulische Aktivitäten stärker miteinander vermischen.

Anne Pohl hat in Bamberg den HackspaceBackspace e.V. mitgegründet.

Kabelsalat in Öl

  • 24.06.2015, 20:18

40°C warmes Ölbad – was für manche wie eine Wellnessidylle klingt, ist für den schnellsten Computer Österreichs Alltag. progress hat sich den Supercomputer ,,Vienna scientific Cluster" genauer angesehen.

40°C warmes Ölbad – was für manche wie eine Wellnessidylle klingt, ist für den schnellsten Computer Österreichs Alltag. progress hat sich den Supercomputer ,,Vienna scientific Cluster" genauer angesehen.

„Legen Sie lieber die Jacke ab, es wird heiß!“ Damit soll Ernst Haunschmid, technischer Leiter des  Vienna  Scientific  Cluster  (VSC),  Recht behalten. Angenehme  40°C  Lufttemperatur  erwarten mich im Rechnerraum  des  VSC-3,  der  dritten  Version  des Supercomputers. Wenig konnte ich mir unter einem Hochleistungsrechner vorstellen, umso mehr staune ich über die Meter an schwarzen Kabeln, die aus weißen Tanks heraushängen. „Dagegen ist der Kabelsalat unter meinem Schreibtisch gar nichts“, ist mein erster Gedanke. Als Ernst Haunschmid den Deckel eines Tanks öffnet, blicke ich auf in Mineralöl eingelegte sogenannte Knoten. Diese kann man sich vereinfacht als Einzelcomputer vorstellen, die über ein Hochleistungsnetzwerk miteinander verbunden sind. Das Öl ist notwendig, um den VSC-3 zu kühlen.

Auch  die  roten  Kabel,  die  zusammen mit gelben und orangen an der Decke entlangführen und an manchen Stellen wie Lametta den Raum schmücken, erfüllen eine wichtige Funktion. Sie sind die Früherkennungssensoren  im  Brandfall – eine Gefahr, die man im Zusammenspiel mit Öl nicht unterschätzen darf. Auch die Behörden interessieren sich für dieses Thema, doch Ernst Haunschmid beruhigt: „Es ist schwierig, dieses Öl zu entzünden. Bei einem Flammpunkt von 177°C geht das nicht so einfach, nicht  einmal mit  einem Bunsenbrenner.“

Foto: Luiza Puiu

BAUSTELLE. In einem der Nebenräume werfe ich einen Blick auf das ausgeklügelte Kühlsystem und seine imposante Architektur. Von einem großen, zylinderförmigen Behälter führen dicke silberne Rohre weg und bahnen sich ihren Weg durch den Raum. Hier befindet sich unter anderem die Kühlleitung des VSC-2. Der Kühlraum entspricht meinen Vorstel- lungen von einem Ort, an dem High-class-Science passiert. Dass man einen der schnellsten Computer der Welt allerdings auf einer Baustelle suchen muss, hätte ich mir nicht gedacht. Denn auch jetzt wird noch  renoviert.

Am Gelände des Arsenals, zwischen dem Wiener Hauptbahnhof und dem Heeresgeschichtlichen Museum, steht der Supercomputer – oder besser gesagt: die Supercomputer. Mittlerweile gibt es drei Versionen des VSC, neben dem VSC-3 ist auch der VSC-2 im „Objekt 21“ am Arsenal untergebracht.

Damit die Tonnen an Material und somit auch der VSC überhaupt einziehen konnten, waren umfassen- de Vorbereitungen und aufwendige Umbauarbeiten notwendig. So musste zum Beispiel die Tragfähigkeit der  Decken sichergestellt oder die Vibrationsstärke in den Rechnerräumen getestet werden. Außerdem war eine Schutzbeschichtung am Boden notwendig, falls Öl oder Wasser ausfließen.

RECHENMASCHINE. Der Vienna Scientific  Cluster ist ein Projekt von acht österreichischen Universitäten und soll als schnellster Computer des Landes Spitzenleistungen im Bereich der Forschung erbringen. Diese Spitzenleistungen erreicht der VSC durch seine vielen „Cores“, also Prozessorkerne. Sie geben darüber  Auskunft, wie viele Rechenprozesse der Supercomputer parallel ausführen kann. An der Technischen Universität Wien wurde 2009 die erste Version des VSC, der VSC-1, in Betrieb genommen. Aufgrund der schnell voranschreitenden technischen Entwicklungen ließen sich die Energiekosten für das „veraltete“ System aber schon bald nicht mehr rechtfertigen – der Grundstein für den VSC-2 war gelegt. Die Einweihung des VSC-2 im Jahr 2011 fand bereits in den Räumlichkeiten des Arsenals statt. Zusätzlich zu den ursprünglichen Initiator*innen, der Universität für Bodenkultur, der Universität Wien und der Technischen Universität Wien, schlossen sich fünf weitere Unis dem Projekt an: die Universität Graz, die Technische Universität Graz, die Montanuniversität Leoben, die Universität Innsbruck und die Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft greift dem kostenintensiven Projekt seit Beginn an finanziell unter die  Arme.

2014 folgte der VSC-3. Das Besondere und Neue am VSC-3 ist die Ölkühlung. Bereits die Projektausschreibung war vom Gedanken geprägt, die Betriebskosten auf Dauer niedrig zu halten und dafür zu Beginn mehr in die Energieeffizienz zu investieren. Das Kühlsystem des VSC-3 wurde mit Platz 86 in der Green-500-Liste der weltweit energieeffizientesten  Supercomputer  belohnt.

Als ich den VSC-3 besuche, beträgt die Öltemperatur 47°C. Doch das kann sich schnell ändern, denn die Außentemperatur beeinflusst die maximale Kühl-leistung und dadurch die Öltemperatur wesentlich. Ernst Haunschmid rechnet nicht damit, dass der VSC-3 länger als fünf Jahre existieren wird. Die technische Wartung ist auf drei Jahre anberaumt, danach werden die Kosten zu hoch. Aus demselben Grund nahm man den VSC-1 Anfang April außer Betrieb: Die Energiekosten sind im Verhältnis zum Output schlicht zu hoch  geworden.

Foto: Luiza Puiu

ELF JAHRE. Forscher*innen, hauptsächlich aus den Naturwissenschaften, können mithilfe des Vienna Scientific Cluster Simulationen zeitsparender und parallel durchführen. Lehrende und Studierende am Institut für Theoretische Chemie der Universität Wien wissen diese Möglichkeit zu schätzen. Der Chemie- Student Ludwig Schwiedrzik führte im Rahmen seiner Bachelorarbeit sechs Wochen lang Simulationen  am VSC durch, elf Jahre hätte er mit einem normalen PC gebraucht. Für die Universitätsprofessorin Leticia González und Betreuerin von Ludwig ist klar: „Ludwig kann nicht elf Jahre warten.“

Die Forscher*innengruppe unterstützt von Senior Scientist Markus Oppel legt ihr Augenmerk auf die Simulation von chemischen Prozessen, die durch das Einfallen von Licht ausgelöst werden. PhD-Student Clemens Rauer erforscht zum Beispiel die molekularen Veränderungen, die Sonnenlicht in der Haut auslöst. Bei unserem Gespräch zeigt er auf einen Standard-PC mit vier Cores und erklärt: „Ich brauche viel mehr.“ „Viel mehr“ bedeutet eine Rechnerleistung im Ausmaß des VSC-3, dieser verfügt über stolze 32.320 Cores.

TEAMARBEIT. Um Zugang zum Vienna Scientific Cluster zu erlangen, muss das eigene Projekt einen Peer-Review-Prozess durchlaufen. Mithilfe mehrerer Gutachten wird dabei die wissenschaftliche Exzellenz geprüft. Neben diesem Kriterium gilt natürlich auch, dass man für die Durchführung der Forschung eine extrem hohe Rechenleistung benötigt. Ein gefördertes und damit bereits begutachtetes Projekt wie jenes von Clemens Rauer erhält viel leichter  und unkomplizierter Zugang zum VSC. Nur ein Wochenende musste der PhD-Student warten, bis er eine Zusage bekam und auch sein VSC-Account war innerhalb von fünf Minuten eingerichtet. Wer also schon in der „Scientific Community" oder in eine Forschungsgruppe eingebettet ist, kann den VSC ohne größere Hürden benutzen.

„Bachelor- und Masterstudierende beantragen den Zugang zum VSC nicht selbst“, so Leticia   González. „Sie forschen zusammen in einer Gruppe und teilen sich die Stunden untereinander auf – je nachdem, wie sie es für richtig halten.“ Markus Oppel ergänzt: „Das ist anders als in den Sozialwissenschaften, wir arbeiten immer in Teams.“

Neben regulär laufenden Projekten gibt es außerdem die Möglichkeit, Testaccounts  anzulegen, um zu prüfen, ob die Arbeit mit dem VSC überhaupt gewinnbringend ist. Auch Bachelorstudent Ludwig Schwiedrzik nahm dieses  Angebot  wahr.  Schnell  war klar, dass er mit Hilfe des VSC bessere Resultate und spannendere Erkenntnisse für seine Bachelor- arbeit erzielen würde. Auf die Frage, ob er während der Arbeit mit dem VSC auf Schwierigkeiten gestoßen sei, murmelt er mit sarkastischem Unter- ton: „Nein, nie.“ Auch wenn es am Anfang kleinere Probleme mit dem neuen System gab, Simulationen zusammenbrachen oder der Bildschirm nach der Mittagspause „None of your calculations have started“ anzeigte, ist Ludwig zufrieden. Er schreibt jetzt an einer Bachelorarbeit, in der er die von Licht verursachte Mutation eines bestimmten Teils der DNA untersucht. Die Ergebnisse kann sein Gruppenkollege Clemens weiterverwenden. Ludwig ist überzeugt: „Der VSC erlaubt mir, etwas zu machen, was anders nicht  möglich wäre.“

Foto: Luiza Puiu

RANKINGS. Nach all  diesen Schwärmereien ist es verwunderlich, dass die aktuelle Version des VSC, der VSC-3, nur auf Platz 85 der 500 weltweit schnellsten Rechner gelandet ist. Wie viel Bedeutung sollte man solchen Rankings überhaupt beimessen und wie aussagekräftig sind sie? Für Ernst Haunschmid vom VSC-Team geben sie wenig Auskunft über die tatsächliche Leistung des Rechners. Wäre ein höherer Platz im Ranking das primäre Ziel gewesen, hätte man das Projekt anders entwerfen müssen, ist Haunschmid überzeugt: „Die Frage ist, ob man das System optimal an eine Liste oder an seine Kund*innen anpassen will.“ Für ihn sind Supercomputer-Rankings „mehr PR als Herzensangelegenheit“ und ein Anziehungspunkt für Geldgeber*innen. Das kann man daran erkennen,   dass beispielsweise Minister*innen eher bei einem Termin auftauchen, wenn das Projekt einen Top-Platz vorweisen kann.

Der Gedanke von konkurrenzfähiger Forschung ist nichts Neues. So spricht auch Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner davon, dass der Vienna Scientific Cluster „die Wettbewerbsfähigkeit des Forschungsraums Österreichs absichert“. Auch wenn Markus Oppel vom Institut für Theoretische Chemie auf Kritik an Rankings hinweist, würde er gerne mit Ländern wie der Schweiz oder Deutschland mithalten können. Aufgrund höherer Investitionen in die Forschung gibt es dort größere und leistungsstärkere Computer, die für Wissenschafter*innen attraktiv sind.  Leticia  González hält es für gut und wichtig, dass der VSC-3 auf Platz 85 im Ranking der besten Hochleistungsrechner auftaucht. Trotzdem behält sie im  Hinterkopf: „Da sind 84 besser als wir.“

PhD-Student Clemens Rauer  stellt  schmunzelnd  fest: „Natürlich  wäre es nett, Zugang zum erstplatzierten Computer zu bekommen.“ Und Bachelorstudent Ludwig Schwiedrzik erwähnt in diesem Zusammenhang zukünftige Bewerbungen. Wenn er eines Tages ein Projekt mit einer höheren Computerleistung durchführen will, sieht er anhand der Liste, welche Unis dafür überhaupt in Frage kommen.

Im Arsenal plant man unterdessen schon den VSC-4. Jener Raum, in dem ich wegen der Hitze meine Jacke ablege, wird in  Zukunft die vierte Version des österreichischen Supercomputers beherbergen. Die Ausschreibung und Materialbeschaffung ist für 2016 anberaumt, 2017 will man den Betrieb aufnehmen. Vielleicht erfüllt der VSC-4 ja den Wunsch von Markus Oppel. Er wünscht sich, auf internationalen Konferenzen sagen zu können: „Wir haben jetzt den VSC-4 und sind in den Top 20.“

Sonja Luksik studiert Politikwissenschaft an der Universität Wien.

Faire Computerindustrie?!

  • 13.07.2012, 18:18

Der folgende Artikel ist eine Spurensuche, die uns in die Länder des Südens führt und zudem Handlungsmöglichkeiten aufzeigt, wie jede und jeder dazu beitragen kann, eine sozial und ökologisch nachhaltige Computerindustrie zu verwirklichen.

Der folgende Artikel ist eine Spurensuche, die uns in die Länder des Südens führt und zudem Handlungsmöglichkeiten aufzeigt, wie jede und jeder dazu beitragen kann, eine sozial und ökologisch nachhaltige Computerindustrie zu verwirklichen.

Wir wissen meist viel über die technischen Daten eines Computers, wie groß der Arbeitsspeicher ist oder welche Auflösung er hat. Doch wir wissen kaum, woher unsere Computer eigentlich kommen, von wem und unter welchen Umständen sie produziert werden.
Einen langen Weg hat ein Computer schon zurückgelegt, bis er auf unserem Schreibtisch steht. Der erste Schritt ist die Rohstoffgewinnung. Die Produktion eines Computers ist sehr rohstoffintensiv,  allein für einen einzigen Computer werden zahlreiche Metalle aus verschiedenen Teilen der Welt benötigt, ebenso 1500 Liter Wasser und 25 Kilogramm fossile Brennstoffe.
Die Gewinnung dieser Rohstoffe ist dabei nicht unproblematisch, da sie oftmals Konflikte zwischen multinationalen Firmen und der ansässigen Bevölkerung hervorruft. Ein Beispiel für einen solchen Konfliktrohstoff ist Koltan, das unter anderem in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) gewonnen wird. Mit dem Verkauf dieses Metalls wurde ein BürgerInnenkrieg mitfinanziert, bei dem etwa fünf Millionen Menschen starben. Dieser BürgerInnenkrieg hätte nicht in dem Ausmaß stattfinden können, hätten westliche Firmen in anderen Ländern, wie beispielsweise in Australien, Koltan eingekauft anstatt in der DR Kongo.

Zweifelhafte Arbeitsbedingungen. Schwere Arbeitsrechtsverletzungen sind  in der Produktion  zu verzeichnen: ArbeiterInnen, die trotz harter Überstunden extrem schlecht bezahlt werden und zudem nur ungenügend Schutzkleidung zur Verfügung gestellt bekommen, sind die Regel. Weiters gibt es keine Krankenversicherung. Giftige Abfallprodukte und Chemikalien werden nicht fachgerecht entsorgt und stellen damit eine große Gefahr für Mensch und Natur dar.
Gesetze gibt es zwar, jedoch ist ihre Umsetzung aufgrund des unübersichtlichen Produktionssystems schwierig zu überprüfen. Computer werden nicht in einer einzigen Fabrik hergestellt, sondern eine Markenfirma (zum Beispiel Apple) erteilt einen Auftrag an ihre KontraktpartnerInnen, welche günstig produzierende Fabriken (Subkontraktoren) zumeist in China suchen, die die einzelnen Teile eines Computers herstellen. So kann es sein, dass die Einzelteile eines Laptops aus mehr als 50 Fabriken stammen. Die Arbeitsbedingungen in diesen  Fabriken sind untragbar und die MarkenherstellerInnen wollen dafür keine Verantwortung übernehmen.

Nord-Süd Gefälle. Obwohl die Produktion der handelsüblichen Computer zur Gänze in den Ländern des Südens stattfindet, werden sie zum Großteil in den Ländern des Nordens genutzt. Es besteht eine digitale Kluft zwischen Süd und Nord: Während in den USA fast 85 Prozent der Bevölkerung einen Computer nützen, sind es in der DR Kongo nur 0,5 Prozent der Bevölkerung.
Durchschnittlich tauschen wir unsere Computer alle zwei bis drei Jahre gegen einen neuen aus. Damit beginnt die Rückreise des Computers in die Länder des Südens. Gegen gesetzliche Regelungen wird unser Elektroschrott unter dem Deckmantel „Second Hand Ware“ zumeist nach Afrika verschifft, wo er auf großen Müllhalden abgeladen wird. Dort recycelt die ansässige Bevölkerung den Elektroschrott: Ohne Schutzkleidung oder andere Vorsichtsmaßnahmen verbrennen sie Kabel und Plastik und atmen giftige Dämpfe ein, um an die wertvollen Rohstoffe zu kommen und sie für ein wenig Geld verkaufen zu können. Dass auch hier gravierende gesundheitliche Probleme und schwere Umweltschäden in großem Ausmaß auftreten, liegt auf der Hand.

Was tun? Für alle Lebenszyklen eines Computers gibt es erfolgreiche, aber noch relativ junge Initiativen, die sich für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Computerindustrie einsetzen. Sie fordern MarkenherstellerInnen auf, ihre soziale Verantwortung gegenüber ihren Zulieferbetrieben wahrzunehmen und umzusetzen. So auch Clean IT, eine Kampagne von Südwind, die sich für bessere Arbeitsbedingungen in der Computerindustrie stark macht. Dabei setzt sie an mehreren Stellen an. Zum einen bei der öffentlichen Beschaffung, zum Beispiel in Schulen, Ministerien und Universitäten, zum anderen bei den einzelnen KonsumentInnen und VerbraucherInnen.
KonsumentInnen können beim Kauf eines Computers nach den sozialen Kriterien fragen und ihren Wunsch nach mehr Fairness mitteilen, denn dadurch wird den Unternehmen bewusst, dass zunehmend mehr Menschen ein kritisches Auge auf die Arbeitsbedingungen in der Computerindustrie  werfen und sich mehr soziale Verantwortung der Unternehmen wünschen. Da Unternehmen weder ihre Absatzmärkte verlieren noch ein schlechtes Image möchten, sind bereits erste kleine Veränderungen festzustellen. Die  Verbesserungen stehen noch ziemlich am Anfang; einen tatsächlich fair produzierten Computer gibt es noch nicht.