Therese Kaiser

Wie viel Pop verträgt Feminismus?

  • 11.05.2017, 20:30
„Feminismus ist in!“, schreien uns Werbekampagnen und Stars entgegen. Was passiert mit der Frauenbewegung, wenn Feminismus zu einem Konsumgut wird?

„Feminismus ist in!“, schreien uns Werbekampagnen und Stars entgegen. Was passiert mit der Frauenbewegung, wenn Feminismus zu einem Konsumgut wird?

Wenn sich Unternehmen feministische Ästhetik für Verkaufszwecke ausborgen, dann ist das durchaus irritierend. Vor allem, weil nicht immer klar ist, ob nun Umsatzsteigerung oder offene Unterstützung frauenpolitischer Agenden im Vordergrund stehen. Ebenso ist es mit Promis, für die Feminismus in ihrer Kommunikationsstrategie eine Rolle spielt. Im Oktober 2016 referierte Bitch- Media-Chefredakteurin Andi Zeisler im Rahmen des Business Riot zum Thema „Marketplace Feminism“. Dieser Feminismus kommt unpolitisch daher und will vor allem eines: Feminismus als Lifestyle mit entsprechend käuflich erwerbbarer Produktpalette feilbieten. Mit ihrem Buch „We Were Feminists Once“, das gerade auf Deutsch erschienen ist, hat sie den Kern der Debatte getroffen. Wenn sie die Umweltbewusstseins- Kampagnen der Hollywood-Stars der 90er und frühen 2000er mit der Vereinnahmung des feministischen Diskurses durch Prominente und Turnschuhhersteller vergleicht, dann wird klar, dass Feminismus derzeit schlichtweg im Trend liegt.

Andi Zeisler kommt zum Schluss, dass wir aufmerksam und behutsam mit Feminismus umgehen müssen, um hohle Marketingstrategien rund um Girlpower und Girlgang zu enttarnen: Ein Hashtag alleine ist kein politischer Akt. Damit hat sie recht: Wenn ein Label vordergründig politische Anliegen unterstützt und ich deshalb seine Produkte kaufe, unterstütze ich noch immer die Firma und nicht die politische Bewegung.

FEMINISMUS SCHLÄGT ZURÜCK. Wie geht man mit Initiativen um, die zwar breit mobilisieren können, aber bestehende bzw. feministische Diskurse vernachlässigen und Begrifflichkeiten einführen, die nichts mit kollektiven Unrechtserfahrungen zu tun haben? Leonie Karpfer, Redakteurin des feministischen Magazins an.schläge, betont die Ambivalenzen, die eine kritisch-feministische Aneignung popkultureller Strömungen in sich birgt: „Popfeminismus darf nicht inhaltslos bleiben, sondern muss klar gesellschaftliche Missstände anprangern. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, auf die kapitalistische und neoliberale Vereinnahmung von popfeministischen Strömungen aufmerksam zu machen.“

Was wäre nun, wenn der Feminismus quasi dem Kapitalismus eins auswischt, und sich Marktstrategien aneignet, um seine Agenden zu verbreiten? Das ist wissentlich oder unabsichtlich die Strategie vieler junger Initiativen, die vor allem die Funktionsmechanismen der sozialen Medien zu nutzen wissen. Kapitalismus und seine Kritik tanzen immer Tango und besonders ersterer eignet sich findig die Strategien seiner Gegner_innen an, wie Luc Boltanski und Ève Chiapello in ihrem Buch „Der neue Geist des Kapitalismus“ Anfang der 2000er Jahre herausstellten. Was aber, wenn sich nicht nur der Kapitalismus die Modi seiner Kritik aneignen kann, sondern auch umgekehrt die Kritik die kapitalistischen Kommunikationsstrategien?

Diese Vorgehensweise birgt einige Gefahren. Beispielsweise, in feministische Belanglosigkeit abzudriften.

MARKENBOTSCHAFTLER_INNEN. Besonders gefährlich ist Popfeminismus dann, wenn die Gesichter, über die er kommuniziert wird, einem dominanten Schema entsprechen, das sich grob als weiß, heterosexuell und privilegiert beschreiben lässt und in Modelmaßen daherkommt. Wenn (sozialisierte) Ästhetik über Inhalt steht, bzw. der Inhalt gar nicht mehr erkennbar ist vor lauter Glamour, dann wird kein Dienst an feministischen Bestrebungen geleistet. Zwar können solche Bilder durchaus als disruptiv gegenüber diskriminierenden und klischeehaften Bildern von Feminist_innen gewertet werden; da das Aufbrechen solcher Stereotype aber meist nicht das Ziel von Werbekampagnen ist, werden hier schlichtweg Bilder ausgetauscht. Die Feministin von damals ist von Kopf bis Fuß behaart und frisst im Kurzhaarschnitt die Männer um sich herum, die Feministin des 21. Jahrhunderts posiert auf Instagram mit Schmollmund im „The Future is Female“-Shirt.

Beide Stereotype sind gleichsam gefährlich, spaltend und werden der Diversität der Akteur_innen nicht gerecht. Wenn sich die Werbeindustrie am feministischen Diskurs bedienen will, dann wäre es wünschenswert, sie würde das in der Verantwortung machen, die so eine Aneignung mit sich bringt – oder sie lässt es bleiben. Umgekehrt steht es feministischen Initiativen frei, sich diese Öffentlichkeit kritisch anzueignen, lautstark Inhalte einzufordern, wo sie nicht vorhanden sind, und Werbegags zu enttarnen. Wer sich seitens der Werbeindustrie aufdrücken lässt, wie Feminismus auszusehen hat, hat womöglich nicht die nötigen Instrumente, sich gegen so eine Vereinnahmung zu wehren. In diesem Sinne braucht es Aufklärungsarbeit von inhaltsstarken Initiativen. Denn unterm Strich bleibt: Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass sich die feministische Bewegung durch Marketingstrategien spalten lässt, denn gerade in Zeiten des Aufschwungs der konservativen, antifeministischen Rechten braucht es eine breite, gemeinsame Lobby, die kritischen Diskurs zwar nach innen betreibt, aber nach außen mit gemeinsamer Stimme spricht.

Therese Kaiser ist Co-Geschäftsführerin des Business Riot Festivals und ist in verschiedenen feministischen Initiativen aktiv. Sie hat Politikwissenschaft an der Universität Wien studiert.