Sarah S. Schindlbacher

Queer an der Hochschule

  • 29.12.2019, 18:25
Das queer-Referat gibt einen Überblick über das Leben von queer Personen und queerpolitische Ziele.

Queer ['kwɪə(ɹ)] bedeutet, von der Norm abzuweichen. Ursprünglich wurde das Wort benutzt, um Personen zu beschimpfen und abzuwerten, es wurde allerdings einer politischen Neubewertung unterzogen und positiv besetzt (engl. reclaiming).Im queeren Spektrum finden lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, intergeschlechtliche, asexuelle, pansexuelle u.v.m. Personen Platz. Auch Polyamorie und BDSM können Teil des LGBTIQA*-Spektrums sein. Wichtig ist dabei die Selbstdefinition – wer sich nicht zugehörig fühlt, darf nicht zugeordnet werden. Man verwendet den Begriff Spektrum, da keine Orientierung und Identität absolute Grenzen hat. Jede Person ist einzigartig – und das ist gut so! Es gibt viele verschiedene sexuelle Orientierungen, Geschlechtsidentitäten, Sexualpraktiken und Beziehungsmodelle, die heute noch nicht so akzeptiert werden, wie wir es für das Jahr 2019 erwarten würden. Sie haben gemeinsam, dass vollständige Gleichstellung und Gleichbehandlung in der Gesellschaft noch nicht erreicht sind und sie in unterschiedlichem Maße Ziel von Diskriminierungen sind.

Diese Ungleichbehandlungen reichen von verwunderten Blicken nach einem Outing über psychische und physische Gewalt bis hin zu rechtlicher Schlechterstellung aufgrund der Abweichung vom heteronormativen Weltbild mit seiner Zweigeschlechtlichkeit. Zum Beispiel existiert in Österreich noch immer das Blutspendeverbot für Männer, die Sex mit Männern haben. In Deutschland ist man einen Schritt weiter: Seit August 2017 dürfen Männer, die Sex mit Männern haben, Blut spenden, wenn sie innerhalb der letzten zwölf Monate keinen Sex mit Männern hatten. Begründet wird der (temporäre) Ausschluss u.a. damit, dass ein höheres Infektionsrisiko vorliege, unabhängig davon, wie monogam oder verantwortungsvoll die betroffene Person ihr Sexualleben gestaltet. Das Ende der Diskriminierung sehen wir dort, wo Risikoverhalten bewertet wird und nicht sexuelle Orientierung.

Eine Angelegenheit, der sich das Queer_Referat der ÖH Bundesvertretung widmet, ist die Implementierung des dritten Geschlechts an Hochschulen. Obwohl der Verfassungsgerichtshof das Fehlen einer dritten Geschlechtsoption am 15. Juni 2018 als verfassungswidrig eingestuft hat, haben bisher nur wenige Institutionen darauf reagiert. Als Queer_Referat sehen wir es als unsere Aufgabe, dieses Recht für Studierende an Universitäten und Fachhochschulen einzufordern. Dieses von Art8 Abs1 EMRK gewährleistete Recht auf individuelle Geschlechtsidentität umfasst auch, dass Menschen - nach Maßgabe des Abs2 dieser Verfassungsbestimmung - (nur) jene Geschlechtszuschreibungen durch staatliche Regelung akzeptieren müssen, die ihrer Geschlechtsidentität entsprechen. Menschen außerhalb der Mann-Frau-Dichotomie wurde dieses Recht bis zum erfochtenen Urteil von Alex Jürgen verwehrt. Daraufhin wurde neben „männlich“ und „weiblich“ eine dritte Option namens „divers“ eingeführt. Derzeit ist der Geschlechtsantrag „divers“ im Personenstandsregister allerdings nur mit einem invasiven medizinischen Gutachten möglich, in dem „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ – besser bekannt als Intergeschlechtlichkeit - nachgewiesen wurden. Die Diagnose „inter*“ sagt jedoch nichts über die Geschlechtsidentität eines Menschen aus. Die meisten inter* Personen ordnen sich, wie die Mehrheit der endo Menschen, einem binären Geschlecht zu und wünschen, als Frau oder Mann angesprochen zu werden.

Menschen, die tatsächlich von der dritten Geschlechtseintragsoption Gebrauch machen möchten, bezeichnen sich häufig als „nicht-binär“. Der Großteil der nicht-binären Menschen verfügt über Geschlechtsmerkmale, die dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zugeteilt werden und fällt somit nicht unter die medizinische Definition von Intergeschlechtlichkeit. „Nicht-binär“ bezieht sich auf die Geschlechtsidentität eines Menschen – nicht auf den Körper. Sowohl endo als auch inter* Personen können eine Geschlechtsidentität haben, die außerhalb der Zweigeschlechternorm liegt. Da dieser Sachverhalt im Rechtswesen bisher übergangen und nicht-binäre endo Personen somit benachteiligt wurden, arbeiten wir aktuell an Handlungsstrategien, damit die Implementierung des dritten Geschlechts im besten Sinne der LGBTIQA*-Studierenden verläuft. Studierenden soll die Möglichkeit gegeben werden, ihren Namen und ihr Gender unabhängig von den Daten im Personenstandsregister eintragen zu können, um an ihrer Universität oder Fachhochschule korrekt adressiert zu werden.

Als Queer_Referat der ÖH-Bundesvertretung setzen wir uns für queere Studierende an österreichischen Hochschulen ein, unterstützen Hochschulvertretungen bei ihrer Arbeit und treiben gesellschaftlichen Wandel voran, indem wir auf Missstände aufmerksam machen und in verschiedenen Gremien mitreden, um einen diversen Diskurs in vielen Bereichen zu ermöglichen.

Genderstern: Hinter manchen Wörtern befindet sich ein Stern (Frau*, männlich*, inter*, trans*). Er steht für alle Personen, die sich mit dem jeweiligen Begriff identifizieren und dient dazu, die Diversität innerhalb der Gruppen sichtbar zu machen.