Mirijam Müller

Reaktionäre Reaktionen

  • 29.09.2012, 17:04

Seit 2006 gibt es ihn – den EMS-Test als Zugangsbeschränkung zur MedUni Wien (MUW). Seither zeigen die Ergebnisse, dass Frauen bei dem Test schlechter abschneiden als Männer. Das soll sich jetzt ändern. Ein Kommentar von Mirijam Müller.

 

Seit 2006 gibt es ihn – den EMS-Test als Zugangsbeschränkung zur MedUni Wien (MUW). Seither zeigen die Ergebnisse, dass Frauen bei dem Test schlechter abschneiden als Männer. Das soll sich jetzt ändern. Ein Kommentar von Mirijam Müller.

EMS – Die unendliche Geschichte. Im vergangenen März wurde bekannt, dass die Aufnahmeprüfung an der Medizinischen Universität Wien zukünftig anders ausgewertet werden soll. Zielsetzung ist, den Nachteil, den Frauen durch die Zusammensetzung des EMSTests haben, auszugleichen. Zugegebenermaßen eine etwas späte Reaktion, ist doch seit Jahren bekannt, dass die Chancen für Frauen, gute Testergebnisse zu erzielen, wesentlich geringer sind, als die von Männern. Bereits 2008 kam die Bildungspsychologin Christiane Spiel zu dem Schluss, dass die Unterschiede zwischen dem Prozentsatz jener Frauen, die sich zum Test angemeldet hatten und dem Anteil derer, die letztendlich gut genug waren, um einen Studienplatz zu bekommen, im EMS-Test System haben. Selbst der damalige Wissenschaftsminister Hahn bezeichnete die Ergebnisse der sogenannten Spiel-Studie als „Kritikpunkte mit ziemlicher Schwere“. Einige der Untertests, in die der EMS unterteilt wird, führen zu einer strukturellen Diskriminierung von Frauen. Die passiert aufgrund von unterschiedlicher Bildungssozialisation bereits in der Schule. Schließlich leistet ein Großteil der Männer vor Beginn des Studiums Präsenz- oder Zivildienst, während Frauen zwischen Matura und Testzeitpunkt nur wenige Tage zur intensiven Vorbereitung bleiben. Trotz dieser mittlerweile breit anerkannten Feststellung hat sich jahrelang nichts geändert.

Kommt jetzt die Wende? Nun gab die neuernannte Vizerektorin für Lehre und Forschung, Karin Gutièrrez-Lobos, die bereits seit mehreren Jahren auch zuständig für Gender und Diversity an der MUW ist, bekannt, dass die Auswertung des EMS geändert werden solle, um der strukturellen Diskriminierung von Frauen entgegenzuwirken. Der Erfinder des EMS behauptet, durch den Test nicht die Qualifikation als zukünfigeR ÄrztIn zu prüfen, sondern einzig den Studienerfolg vorauszusagen. Zumindest in Bezug auf die Ergebnisse der beiden Geschlechter eine Falschaussage. Denn obwohl Frauen beim Eingangstest schlechter abschneiden, sind sie bei fünf der sechs Prüfungen im Medizinstudium besser als die männlichen Studierenden. Es gilt als wissenschaftlicher Standard, dass Ergebnisse von psychologisch-kognitiven Tests wie dem EMS geschlechtsspezifisch ausgewertet werden, nichts anderes soll die neue Auswertung erreichen. Anstatt von allen KandidatInnen einen gemeinsamen Mittelwert zu ermitteln, werden zukünftig für Frauen und Männer getrennt Mittelwerte evaluiert, was zu einem Ausgleich der unterschiedlichen Ergebnisse führen soll.

Reaktionäre Reaktionen. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Erschreckend war vor allem der sofort ertönende Protest der ÖH an der MUW, die von der ÖVP-nahen Fraktion der Aktionsgemeinschaft an der Medizinuni, der  ÖMU, dominiert wird. Diese ortete Diskriminierung von Männern, das Abstempeln von weiblichen Bewerberinnen als Quotenfrauen, wörtlich sprach sie sogar „vom Verschenken von Testpunkten an Frauen“. Die Folgen ließen nicht lange auf sich warten und Vorfälle im AKH, bei denen sich PatientInnen nicht mehr von Frauen behandeln lassen wollten, da sie ja nur aufgrund ihres Geschlechts durchs Studium gekommen wären, wurden bekannt. Die  StudentInnenvertreterInnen an der MUW schweigen also jahrelang angesichts der Diskriminierung von Frauen durch das Testverfahren, kaum soll das geändert werden, wird aber zum Kampf gegen eine Schlechterstellung von Männern geblasen? Sogar ein Gutachten eines Professors, der selbst beim Gleichbehandlungsausschuss seiner Universität Beschwerde führte, weil eine Frau statt ihm Rektorin wurde, wurde von der lokalen ÖH herangeschafft, um gegen die Änderung vorzugehen. Laut Gutachten sei die Regelung  gesetzeswidrig. Über die Gründe für diesen Aufstand kann nur gemutmaßt  werden. Klar ist jedoch, dass der Kampf um Gleichbehandlung, egal in welchen Bereich, ob es um die Einführung von verpflichtenden Quoten, das Schließen der  Lohnschere, Schutzrechte für Frauen als Opfer von Gewalt oder eben die Auswertung eines EMS-Tests geht, immer ein harter und langwieriger Kampf gegen viele Widerstände unserer immer noch männerdominierten Gesellschaft war und ist.

Positive Diskriminierung als Mittel. Die neue Art der Auswertung des Medizintests ist keine klassische Form der positiven Diskriminierung. Dennoch stellt sich im Zuge der Debatte rund um das Thema die Frage der Zulässigkeit von positiver Diskriminierung als Mittel zur schnelleren Erlangung von Gleichberechtigung. Es ist nicht einzusehen, dass Frauen weiterhin darauf warten sollen, bis Männer sich freiwillig dazu bereit erklären, einen Teil ihrer Macht an Frauen abzugeben. Wir sind über den Punkt hinaus, wo eine offensichtliche Diskriminierung von Frauen übersehen wird, dennoch prägen gerade versteckte und strukturelle Unterdrückungsmechanismen nach wie vor gesellschaftliche Teilbereiche und Situationen, wie zum Beispiel den Arbeitsmarkt. Auch in der Frage der Quoten musste sogar die dem konservativen Lager zuzurechnende EU-Kommissarin Viviane Reding einsehen, dass nur die verpflichtende Einführung Ergebnisse zeigen kann. Das EMS-Beispiel zeigt wie viele andere, wie viel Arbeit noch vor uns liegt. Es gilt, vor allem jungen Frauen möglichst früh aufzuzeigen, welchen Mechanismen unsere Gesellschaft nach wie vor unterliegt, damit wir uns gemeinsam stark machen können. Es bleibt zu hoffen, dass sich eine weitere Diskussion über die Vorgangsweise beim EMS-Test erübrigt, indem die leidliche Zugangsbeschränkung überhaupt aufgehoben wird, auch wenn dieses Ziel momentan unerreichbar scheint.

Allheilmittel

  • 13.07.2012, 18:18

Bildungspolitik wird derzeit in Österreich so heiß diskutiert wie schon lange nicht, allerdings mangelt es in der Diskussion an neuen Ideen. Schon werden die „Allheilmittel“ Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen aus der Schublade gezogen. Während Wissenschaftsministerin Karl agiert wie ein hilfloser Käfer, der am Rücken liegt, dreht sich die Diskussion um die Zukunft der Hochschulen weiter im Kreis.

Bildungspolitik wird derzeit in Österreich so heiß diskutiert wie schon lange nicht, allerdings mangelt es in der Diskussion an neuen Ideen. Schon werden die „Allheilmittel“ Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen aus der Schublade gezogen. Während Wissenschaftsministerin Karl agiert wie ein hilfloser Käfer, der am Rücken liegt, dreht sich die Diskussion um die Zukunft der Hochschulen weiter im Kreis.

Die Wissenschaftsministerin möchte auf den Hochschulen die besten Köpfe Österreichs versammeln, die Drop Out Rate senken und mehr Studierende für die so genannten MINTFächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) begeistern. Das alles will sie durch Zugangsbeschränkungen erreichen und findet bei RektorInnen, Industriellenvereinigung und in der ÖVP großen Zuspruch. Als Standardbeispiel für den Erfolg von Zugangsbeschränkungen wird gerne auf das Medizinstudium mit der Einführung des EMS-Tests verwiesen. Dass jedoch seit 2006, als der Test zum ersten Mal durchgeführt wurde, die soziale Durchmischung an den medizinischen Universitäten Wien und Innsbruck stark gesunken ist, Frauen benachteiligt und so weniger oft zum Studium zugelassen werden und nebenbei die Nachhilfeindustrie für Hochschulprüfungen boomt, wird verschwiegen. Wie es auch gedreht wird sind auch heuer wieder nur 45 Prozent der StudienanfängerInnen in Medizin Frauen. Obwohl mehr Frauen als Männer zu diesem Test antreten. Auch der Versuch über die zusätzliche Testung von sozialen Kompetenzen in Graz änderte an der Benachteiligung von Bewerberinnen nichts.

Das Zauberwort heißt MINT. Publizistik als so genanntes Massenstudium wurde mit einer Aufnahmeprüfung versehen, die so abschreckend wirkte, dass sich in Wien weniger Studierende angemeldet haben, als Plätze zur Verfügung stünden. Auch dieses Faktum wird vom Wissenschaftsministerium gern als Zeichen gesehen, dass sie sich auf richtigen Pfaden bewegen. Es bleibt abzuwarten wohin die Studierendenströme ausweichen, denn dass es zu Verdrängungseffekten kommen wird, war bereits bei Psychologie zu beobachten. So wird das nächste Fach zum Massenfach, dann wohl auch beschränkt, so dass die Studierenden wieder ausweichen, fertig ist der Teufelskreis. Fakt ist, dass das Modell Planwirtschaft im 10-Jahres Takt auf den Hochschulsektor nicht anwendbar ist. Wenn Gehrer vor zehn Jahren Panik verbreitet hat in Österreich gäbe es viel zu viele LehrerInnen und LehramtstudentInnen würden brotlos ohne Arbeit enden, so zeigt sich heute, dass derartige Eingriffe in Studienwahlentscheidungen kein gutes Ende nehmen. So droht uns in den nächsten Jahren dank Pensionierungswelle auch ein Mangel an zukünftigen ÄrztInnen, aber von einer Aufstockung der Plätze in Wien, Innsbruck und Graz oder dem Bau einer Meduni Linz, will im Ministerium niemand etwas wissen. Im Ministerium wird lieber fleißig Werbung für die unterbesetzten MINT-Fächer betrieben. Wer Publizistik oder Psychologie studieren möchte, lässt sich im Regelfall auch nicht durch tägliche Inserate in diversesten Printmedien von den Vorzügen eines MINT-Studiums überzeugen. Dass die Kapazitäten in Informatik in Wien längst ausgeschöpft sind, weil kein Geld für neue Infrastruktur und Lehrmittel da ist, scheint dabei egal zu sein. Karl will auf den Hochschulen die besten Köpfe versammeln. Die „besten Köpfe“ Österreichs werden aber kaum nützlich sein, wenn sie nicht das studieren können, was sie möchten, geschweige denn, dass, dank chronischer Unterfinanzierung, die derzeitigen Studienbedingungen zu Hochleistungen anspornen.

Fünf vor Zwölf. Österreich braucht eine Gesamtstrategie im Bildungsbereich, scheitert aber am politischen Hick-Hack der verschiedenen Parteien. Bildung darf in ihren einzelnen Segmenten, angefangen beim Kindergarten, über den Pflichtschulbereich, bis hin zur höheren Bildung nicht weiter isoliert betrachtet werden. Es ist also auch nicht förderlich zwei Ministerien mit derselben Materie zu beschäftigen, denn nichts kann eine tiefgreifende Reform besser verhindern, als willkürlich zwischen zwei Parteien aufgeteilte Kompetenzen.
Die Uhr tickt, denn ab 2012 ist Peak Student erreicht, das heißt, dass ab diesem Zeitpunkt auf Grund sinkender MaturantInnenzahlen auch die StudienanfängerInnenzahlen sinken werden, und das in einem Land, das im Bezug auf StudienanfängerInnen, ohnehin schon 17 Prozent unter dem OECD-Schnitt liegt. Umso absurder ist es gerade jetzt die Studienfächer zu beschränken und so die Zahl der Studierenden weiter zu dezimieren. Doch der Kurs, der bei Gehrer begann, wird auch nach der Ära Hahn fortgeführt. Wenn die Politik weiterhin auf ein Allheilmittel im Bildungssektor wartet, wird sich an der Misere nichts ändern, mittlerweile gibt es einfach zu viele Baustellen. Wohin uns das alles führt wird sich zeigen, die Folgen dieser desaströsen Politik werden wohl auch noch die nächsten Generationen beschäftigen. Frei nach Kafka liegt der Käfer weiter auf seinem Rücken, seine vielen Beine flimmern ihm hilflos vor den Augen.

ÖH unter Verdacht

  • 13.07.2012, 18:18

Der Überwachungsstaat nimmt immer beängstigendere Auswüchse an. Drei ehemalige ÖH-FunktionärInnen werden in einer Datenbank des Verfassungsschutzes als ExtremistInnen geführt. Ein kommentar

Der Überwachungsstaat nimmt immer beängstigendere Auswüchse an. Drei ehemalige ÖH-FunktionärInnen werden in einer Datenbank des Verfassungsschutzes als ExtremistInnen geführt. Ein kommentar

Am 22. Dezember 2010 organisierte die ÖH-Bundesvertretung gemeinsam mit AktivistInnen der #unibrennt-Bewegung anlässlich der Kürzungen bei der Familienbeihilfe eine Protestaktion im Parlament. Eine Aktion mit schweren Folgen, denn seither ist unter anderem das gesamte ehemalige ÖH-Vorsitzteam in der Datenbank zur Abwehr gefährlicher Angriffe und krimineller Verbindungen, kurz EDIS des Bundesverfassungsschutzes gespeichert, als AktivistInnen der Gruppe 2-EX (Extremismus).

Parlamentsprotest. 19 Personen entrollten mitgebrachte Transparente, warfen Flyer und ließen die Abgeordneten mit Parolen wie „Wir sind hier und wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“ wissen, was sie von den geplanten Sparmaßnahmen im Zuge des neuen Budgets halten. Die Sitzung des Nationalrats wurde für drei Minuten unterbrochen, die AktivistInnen vom Sicherheitspersonal des Parlamentsvon der BesucherInnentribüne geholt und ihre Daten aufgenommen. Unmittelbare Konsequenzen der Aktion waren ein Hausverbot über die Dauer von 18 Monaten, das von der Parlamentsdirektion verhängt wurde, sowie eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von 70 Euro wegen Störung der öffentlichen Ordnung für alle Beteiligten. Doch damit nicht genug. Einige Monate nach der Aktion stellten elf der 19 Personen ein Auskunftsbegehren an das Innenministerium, um zu erfahren, welche Daten über sie gespeichert wurden. Fünf Personen, darunter das ehemalige Vorsitzteam der ÖH-Bundesvertretung Sigrid Maurer, Thomas Wallerberger und Mirijam Müller erhielten Auskunft über ihre Eintragung in die EDIS-Datenbank mit der Speicherdauer von zehn Jahren. Als Rechtsgrundlage und Speichergrund wurde die Abwehr von kriminellen Verbindungen angegeben. Laut Gesetz besteht diese, sobald sich drei oder mehr Menschen mit dem Vorsatz zusammenschließen, fortgesetzt gerichtlich strafbare Handlungen zu begehen, wozu Verwaltungsübertretungen eindeutig nicht zählen.

Weitreichende Folgen. ÖH-FunktionärInnen, sprich VertreterInnen einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, die von allen Studierenden demokratisch gewählt wird, werden aufgrund einer friedlichen Protestaktion und bloßen Verwaltungsübertretung vom Verfassungsschutz als ExtremistInnen angesehen und in dessen Extremismusdatenbank geführt. Der Verfassungsschutz sieht also hinter der Protestaktion eine kriminelle Verbindung und verdächtigt die betroffenen ÖH-FunktionärInnen als Mitglieder dieser Verbindung. Ein derartiger Verdacht hat weitreichende Folgen für die Betroffenen, denn er ermächtigt die Polizei zahlreiche Überwachungs- und Ermittlungsmaßnahmen einzuleiten, ohne dass diese einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Unter anderem darf die Polizei gegen die Betroffenen verdeckt ermitteln, Bild-, Video- und Tonaufzeichnungen an öffentlichen Orten, bzw. durch Verwanzung von ErmittlerInnen auch an privaten Orten, erstellen sowie sämtliche abrufbare personenbezogenen Daten ermitteln und weiterverarbeiten. Momentan kann weder bestätigt noch ausgeschlossen werden, ob derartige Maßnahmen gegen die ÖH-FunktionärInnen und AktivistInnen eingeleitet wurden. Der Überwachung von regierungskritischen Personen steht, wie dieser Fall klar zeigt, nichts im Weg: und das ohne richterlichen Beschluss, ohne staatsanwaltschaftliche Genehmigung, ohne dass ein konkreter Verdacht begründet werden muss, die ermittelnden BeamtInnen schulden niemandem Rechenschaft.

Alle sind verdächtig. Seit im Sommer erneut die Diskussion rund um die Abwehr von Terrorismus und dementsprechende Antiterrorgesetze entflammt ist, bastelt die Regierung an neuen Gesetzen, die nun kurz vor der Beschlussfassung stehen. In diesem Paket werden die Befugnisse der Sicherheitsbehörden noch weiter ausgeweitet – künftig sollen sie ohne konkreten Verdacht auch gegen Einzelpersonen ermitteln können. So reicht es zukünftig, sich mündlich, schriftlich oder elektronisch in irgendeiner Form positiv zu Gewalt gegen verfassungsmäßige Einrichtungen oder Belangen verfassungsfeindlich zu äußern, um dem Verfassungsschutz zu ermöglichen, diverse Überwachungsmaßnahmen einzuleiten. Die Polizei darf ohne gerichtliche Kontrolle sogenannte Bewegungsprofile auf Basis von Handystandortdaten, die von Handyunternehmen abgefragt werden, erstellen. Auch der Einsatz von Peilsendern wird zukünftig möglich, Besetzungen dürfen ohne Räumungsverordnung beendet werden, und was gerade politisch aktive Menschen stark betrifft, ist die zukünftige Möglichkeit der erweiterten Gefährdungsanalyse bei Delikten des Staatsschutzes. Bei dieser werden personenbezogene Daten in einer Analysedatenbank gesammelt und weiterverarbeitet, um als Ausgangspunkt für weitere Maßnahmen zu dienen. Dadurch sollen Menschen vom Verfassungsschutz auf ihre „Staatsfeindlichkeit“ und Gefährlichkeit geprüft werden, ohne dass dieser dabei irgendwelchen Auflagen unterliegen würde – nicht einmal die Zustimmung des oder der Rechtsschutzbeauftragten ist vorgeschrieben. Datenbanken werden international vernetzt, die gespeicherten Daten mit denen aus anderen Ländern abgeglichen und ausgetauscht.

Rechtstaat adé. Wenn Menschen aufgrund einer harmlosen Protestaktion im Parlament als ExtremistInnen und die ÖH als kriminelle Verbindung verdächtigt wird, wird Strafbarkeit auf Meinungsäußerungen verlagert. Es kommt so zu einer Abkehr vom Individualstrafrecht, hin zur Kriminalisierung von Vorbereitungshandlungen, Meinungsäußerungen und der Zugehörigkeit zu Gruppen/Vereinigungen. Parallel dazu kommt es durch ständig neue Überwachungsmöglichkeiten, die Sammlung sensibler Daten und deren fehlende bzw. mangelnde Kontrolle zu massiven Einschnitten im Privatleben, im Rechts- und Datenschutz und bezüglich der Unschuldsvermutung. Gerade NGOs und Menschen, die politische Entscheidungen nicht unkommentiert stehen lassen wollen und aktionistisch auf Missstände aufmerksam machen, sind von diesen Änderungen betroffen und können leicht Ziel von Ermittlungen werden. Mögliche Folgen derartiger Gesetze konnten beim Tierschutzprozess beobachtet werden. Die seit Jahren schrittweise erweiterten Kompetenzen der Sicherheitsbehörden schaffen einKlima, in dem sich jedeR BürgerIn potentiell kriminell oder staatsfeindlich fühlen muss. Mit dem vorgeschlagenen Terrorpaket der Regierung bewegen wir uns noch einen Schritt weiter in Richtung Sicherheitsstaat und entfernen uns von den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit.