Was ist aus den Protesten zu lernen?
Die Proteste der Studierenden weisen in die Zukunft, weil sie vorzeigen, was „Eigenverantwortung“ heißt; allerdings nicht im neoliberalen Sinn, dass jeder und jede für die eigene Pension vorsorgt oder eine private Krankenversicherung abschließt, sondern im besten „liberalen“ Sinn
Die Proteste der Studierenden weisen in die Zukunft, weil sie vorzeigen, was „Eigenverantwortung“ heißt; allerdings nicht im neoliberalen Sinn, dass jeder und jede für die eigene Pension vorsorgt oder eine private Krankenversicherung abschließt, sondern im besten „liberalen“ Sinn: Ein Kollektiv setzt sich für die eigenen Rechte ein und bedient damit gleichzeitig das Gemeinwohl. Denn freie, offene und chancengleiche Unis sind ein Lebenselixier der Demokratie. Das Hoffnungsmachende ist, dass die Studierenden dieses Lebenselixier nicht nur von den Verantwortlichen einfordern, sondern auch gleich selbst brauen: durch Selbstorganisation, Selbstgestaltung und Selbstumsetzung. Eigenverantwortung im besten Sinne.
Daran könnten nicht nur, sondern sollten sich auch andere gesellschaftliche Gruppen ein Beispiel nehmen: In den Schulen sollten Lernende und Lehrende die Schulen nach dem Geschmack der Lerngemeinschaft selbst gestalten, nicht nach dem Geschmack von BildungspolitikerInnen und SpitzenbeamtInnen. Die Bahn sollte von den Reisenden und den ÖBB-Bediensteten selbst organisiert werden, nicht von Proporzmanagern auf Versorgungsposten. Die Banken sollten ebenfalls von den BürgerInnen übernommen und – wie einst Raiffeisen – als Selbsthilfe organisiert werden.
Natürlich sollten Protest und Alternativen nicht dauerhaft im rechtsfreien Raum stattfinden, sondern sich den entsprechenden Rechtsrahmen ebenfalls aneignen. Ein möglicher Weg dorthin: Ein direkt gewählter Bildungskonvent könnte die Werte, Ziele und Finanzierung der Universitäten und Schulen neu festlegen und Mitbestimmung als universalen Wert und materielles Recht verankern. Analog könnten weitere Konvente für die Bahn, die Banken oder die gesamte Wirtschaft tagen.
Hätte der Souverän das grundlegendste aller Rechte: selbst Gesetze zu beschließen, dann bräuchte es weder Protest noch Besetzung, denn dann könnten wir – als Souverän – die Bildungspolitik selbst machen. Es ist der Gesellschaft zu wünschen, dass die Proteste zu dieser höheren Form demokratischer Freiheit führen.