Adrian Jonas Haim

7 Days in Entebbe, Film-Rezension

  • 18.07.2018, 12:29

José Padilhas Politthriller „7 Days in Entebbe“ hielt im Mai Einzug in die europäischen Kinos. Der „Narcos“-Regisseur bemüht sich um eine charmante, wenn auch teils prätentiöse 1970er-Jahre Ästhetik. Leider ist seine Erzählung der 1976 von deutschen und palästinensischen Terrorist_innen ausgeführten Flugzeugentführung durchwoben von problematischen politischen Botschaften: Während Padilha viel Empathie für die antisemitischen Entführer_ innen aufbringt, trifft seine Kritik vor allem Israel.

Deutsche Linke selektieren Juden.

Merkwürdigerweise besetzen in Padilhas Filmadaption der spektakulären israelischen Befreiungsaktion „Operation Entebbe“ die deutschen Entführer_innen die Hauptrollen. Wilfried Böse (Daniel Brühl), Mitglied der Post-RAF Organisation „Revolutionäre Zellen“, will moralisch integrer sein als seine nationalsozialistische Elterngeneration. Er sei „Idealist“ und „Menschenfreund“, weswegen er gegen den „imperialistischen, zionistischen Kolonialstaat“ kämpfe. Gemeinsam mit seiner Kollegin Brigitte Kuhlmann (Rosamund Pike) und den beiden Kampfgefährten der „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PFLP) entführt Böse ein französisches Passagierflugzeug. Durch Zutun des ugandischen Präsidenten Idi Amin zwingt er dieses zur Landung in der Hauptstadt Kampala und führt eine Selektion zwischen jüdischen und nicht-jüdischen Passagier_innen durch. Unter der Androhung, die Kinder der Geiseln zu töten, sollen deutsche und palästinensische Terrorist_ innen freigepresst werden. Die deutschen Entführer_innen werden dabei als sympathische, fehlgeleitete Idealist_innen gezeichnet, die PFLP-Terroristen sind wegen der im Film beschriebenen „Grausamkeiten der Israelis“ außerordentlich nachvollziehbare Fanatiker, Idi Amin wird als „spaßiger Irrer“ dargestellt.

Kampflustige Israelis.

Und die israelische Regierung? Die spricht als einzige Akteurin der Erzählung nicht in ihrer Muttersprache, sondern Englisch mit hebräischem Akzent, obwohl mit Lior Ashkenazi ein israelischer Film-Superstar den ehemaligen Premierminister Jitzchak Rabin spielt. Die Regierung stellen politische Hardliner_innen, und der Film stellt in unmissverständlichen Texttafeln klar: Damals wie heute wollen sie einfach nicht über den Frieden verhandeln, sondern lassen lieber die Waffen sprechen. Rabin, der später als Ikone der Friedensbewegung von einem israelischen Extremisten ermordet wurde, hegt in Padilhas Erzählung symbolische Zweifel am vermeintlich harten Kurs. Benjamin Netanjahu, der damals als Soldat an der Befreiung der Geiseln mitgewirkt hat, bekommt ebenfalls Screen Time. Bekannterweise verlor sein Bruder Yoni bei dem Einsatz das Leben. Dem Film dient dieser Verhalt, der Einfachheit antiisraelischer wie antisemitischer Narrative wegen, als willkommene Erklärung für gegenwärtige Politiken: Dem aktuellen Premierminister des jüdischen Staates geht es – der Filmsymbolik nach – um persönliche Vergeltung. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Der „nachtragende Jude“ also, ein klassisches antisemitisches Stereotyp.

Versöhnung und Tanz.

Die Deutschen hingegen sind umso versöhnlicher, insbesondere hinsichtlich ihrer NS-Vergangenheit: Inmitten des Filmes kollabiert eine Geisel. Die alte Dame wird vom deutschen Filmstar Daniel Brühl aus der Sammelhalle gebracht, wo er sie sanftmütig und verständnisvoll beruhigt, ehe sie ihren Kopf auf seine Schultern legt und er ihre Hand zu halten beginnt, auf welcher eine KZ-Nummer eintätowiert ist. Regisseur Padilhas offenbart in seiner Erzählung eine klare Agenda: Er will nicht wahrhaben, dass der deutsche Judenentführer Böse ein Antisemit ist. Auch filmtechnisch überzeugt „7 Days in Entebbe“ nicht, die internationalen Kritiken fielen demgemäß negativ aus. Einzig die Tanzperformance des legendären israelischen Choreografen Ohad Naharin imponiert. Spektakulär und eindringlich lässt er die Batsheva Dance Company zu einer modernisierten Version des jüdischen Kinderliedes „Echad Mi Yodea“ tanzen, während die Einsatzkräfte der israelischen Armee den Entführer_innen in Slow Motion das Handwerk legen. Wem jedoch die historische Akkuratesse der Entführung relevanter als der Tanz erscheint, dem_der sei „Operation Thunderbolt“ (Menahem Golan, ISR 1977) empfohlen. In dieser israelischen Entebbe- Verfilmung mit Assi Dayan und Gila Almagor spielt Klaus Kinski die Rolle des Wilfried Böse – als Film- Bösewicht, anders als in Padilhas Neuverfilmung.

7 Days in Entebbe (USA/GB 2018) Regie: José Padilha, seit 11. Mai im Kino zu sehen

Adrian Jonas Haim studiert Politikwissenschaft sowie Zeitgeschichte & Medien an der Universität Wien.