Feminismus

The internet is for hate

  • 25.03.2015, 17:59

Wie sich Hass in der Gesellschaft im Internet offenbart.

Wie sich Hass in der Gesellschaft im Internet offenbart.

Eine junge Frau wird bedroht und muss mehrmals umziehen. Jeden Tag, wenn sie ihre sozialen Netzwerke öffnet, findet sie immer neue, üble Beschimpfungen. Jede ihrer Äußerungen wird verfolgt, längst hat sie mehrmals die Telefonnummer gewechselt. Was für Die feministische Medienwissenschaftlerin Anita Sarkeesian oder die Spiele-Designerin Zoe Quinn nicht erst seit dem misyogynen Videospiel-Shitstorm „Gamergate“ (vgl. progress 4/2014) groteske Normalität darstellt, kann ohne Weiteres für uns alle Alltag werden.

STREUFEUER. Hassrede ist das öffentliche Hetzen gegen Einzelne oder Bevölkerungsgruppen, denen bestimmte Eigenschaften (zum Beispiel „lesbisch“) oder Zugehörigkeiten (zum Beispiel „jüdisch“) zugeschrieben werden. Im österreichischen Strafrecht erfüllt eine solche Tat den Strafbestand der Verhetzung (§ 283 StGB), wenn die Hassrede „für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbar” ist. Eine solche liegt laut Rechtssprechung ab 150 Personen vor. Nirgends lässt sich eine solche Öffentlichkeit und Gleichgesinnte schneller finden als online. Das Gesetz wird durchaus auch gegen Online-Hetze angewendet, so wurde letztes Jahr beispielsweise eine niederösterreichische Pensionistin wegen verhetzender Facebook-Postings über Muslime und Roma zu verurteilt.

Umfang und Ausmaß von Hassrede im Internet lassen sich kaum abschätzen. Auf der „Hate Map“ wurden ein Jahr lang Beleidigungen und ihre Geo-Tags in den USA dokumentiert. In der verwendeten Stichprobe finden sich 150.000 Hasstweets. Dabei wurden nur zehn Begriffe näher untersucht. Sarkeesian allein dokumentierte auf ihrem Blog feministfrequency.com 150 Hasstweets, die sie in einer Woche erhielt.

ORGANISIERTE RATLOSIGKEIT. Im Umgang mit Täter_innen wie Betroffenen sind Gesellschaft und Konzerne ratlos. Die meisten sozialen Netzwerke verbitten sich Hassreden, scheitern aber daran, die eigenen Vorgaben durchzusetzen und auffällige Nutzer_innen auszuschließen. Bei schwammigen Nutzungsregeln darf viel interpretiert und lange gehasst werden. So verwässert zum Beispiel Facebook seine Nutzungsbedingungen, indem Drohungen als Humor ausgelegt werden dürfen: „Allerdings sind eindeutige humoristische oder satirische Versuche, die anderenfalls als mögliche Drohungen oder Angriffe verstanden werden können, zugelassen.“ Auch Youtube bzw. Google hat eher ein merkwürdiges Verständnis von Hassrede: „Der Grat zwischen dem, was als Hassrede bezeichnet werden kann und was nicht, ist schmal. Beachte, dass nicht jede Gemeinheit oder Beleidigung eine Hassrede ist“, heißt es in den FAQs. Die größeren Medien und Tageszeitungen beschäftigen sich dagegen professionell mit Communitymanagement und suchen nach Wegen mit Trollen, Hass und Drohungen umzugehen. So wird mit Accountpflicht, strengeren Moderationen, geleiteten Diskussionen oder Votingfunktionen für Kommentare experimentiert. Vor drastischen Schritten wie Ausschlüssen oder klarer Kante scheuen aber auch sie zurück.

Der laxe Umgang und die so ständig wachsende Masse an Hass im Netz lässt nach Meinung aussehen, was tatsächlich menschenverachtende Anstiftung ist. Wenn davon gesprochen wird, dass beispielsweise eine Satire, die Tabus kennt oder eine scharfe Gesetzgebung bei Hassrede die Meinungs- und Redefreiheit einschränken, wird ausgeblendet, dass Diskriminierung, Hass und Gewalt die Betroffenen längst massiv einschränken. Die deutsche Psychologin Dorothee Scholz arbeitet mit Jugendlichen zu Gewalt und sagt dazu: „Über Sprache wird ein Klima geschaffen, in dem die psychischen Hemmschwellen zur Gewaltausübung gegen bestimmte Personengruppen gesenkt sind. Gewalt gegen jene, die diesen Gruppen angehören, ist in Folge gesellschaftlich akzeptierter und ruft auch weniger Mitgefühl in der breiten Masse hervor.“

HASSPOESIE UND TROLLMÜLLHALDEN. Immer wieder verschwinden Websites, Blogs und Twitteraccounts, und Menschen trauen sich nicht mehr, ihre Stimme zu erheben – weil sie das Gefühl haben, dem Hass nur noch entgegengschweigen zu können. Julia Schramm ist eine, die sowohl mit persönlichen Shitstorms als auch mit generalisierter Hassrede Erfahrungen machen musste. Seit 2012 sammelt sie diese auf ihrem Blog hassnachrichten.tumblr.com. Als Fachreferentin für Hate Speech informiert sie außerdem bei no-nazi.net über ihre Facetten. „Hate Speech ausgesetzt zu sein ist eine traumatisierende Erfahrung und sollte so behandelt werden. Konkret heißt das: Verstehen, dass eine Verletzung stattgefunden hat und Mitgefühl und Fürsorge sich selbst gegenüber aufbringen. Es heißt aber auch, die strukturelle Ungerechtigkeit, die Hate Speech ist, als solche zu akzeptieren und sich nicht daran aufzureiben. Dann lässt sich auch besser kämpfen. Ich bin froh, dass ich mich dazu entschieden habe, denn Hate Speech ist Gewalt und muss bekämpft werden.“

Da von den Betreiber_innen von Online-Communities kaum oder nur unzureichende Schritte gegen Angriffe oder notorische Menschenfeind_innen zu erwarten sind, wird von User_innen selbst zu Solidarität mit Betroffenen aufgerufen. Doch Hashtag-Ablasshandel allein, der Unterstützung mit Lippenbekenntnissen verwechselt, verbessert die Situation kaum länger als einen Moment. Es profitieren diejenigen, die ohnehin ein dichtes soziales Netz, Zugang zu Hilfe, eine große Reichweite oder eine bedeutsame Stimme haben.

Eine andere Strategie im Umgang mit dem Hass sind seine Dokumentation und das Schaffen einer Gegenöffentlichkeit: Viele zeigen die Angriffe in Blogs oder auf Tumblr, richten eigene Sektionen für Kommentare von Hassposter_innen, sogenannten Trollen, ein oder nehmen sich Zeit für satirische Antworten. Die Plattform hatr.org sammelt Trollkommentare von verschiedenen feministischen Blogs und will damit Werbeeinnahmen generieren. Andere bieten dem Hass sogar die ganz große Bühne: Bei „Hate Poetry“, einer antirassistischen Leseshow, tragen migrierte Journalist_innen zwischen Lachen und Weinen Kommentare und E-Mails vor.

All diese Maßnahmen können helfen, mit persönlichen Angriffen fertig zu werden, dem Hass den Nährboden entziehen können sie jedoch nicht. Denn Hassrede ist kein Netzphänomen, sondern dort bloß ein besonders gut dokumentiertes. Der vermeintliche Deckmantel der Anonymität, der nur das Schlechteste im Menschen hervorbringt, ist vielmehr ein Vorhang, der sich öffnet und aufzeigt, was ohnehin da ist: Eine Gesellschaft, die auf ihre diskriminierenden Strukturen lieber nicht verzichten möchte – das wird man wohl noch sagen dürfen…
 

 

Anne Pohl macht beruflich was mit Kommunikation und gründet nebenbei Onlineprojekte wie feminismus101.de oder herzteile.org.

Lesetipps und Links

In ihrer Broschüre „Geh sterben! – Umgang mit Hatespeech und Kommentaren im Internet“ informiert die Amadeu Antonio-Stiftung mit Betroffenenberichten, Tipps für Communitybetreibende, Erkennungsmerkmale und Infos über Strukturen hinter Hassreden.

International Legal Research Group on Online Hate Speech

Hatespeech-Toolbox der IG Kultur

150 Hasstweets

Hate Map

Satirische Antworten

Hate Poetry

„Mit ich trau’ mich nicht komm’ ich nicht weit“

  • 16.03.2015, 13:57

Die Wiener Rap- und Slamkünstlerin spielt nicht nur gerne mit Sprache, sondern auch mit Rollen. Je nach Lust und Laune tritt sie als kritische Yasmo oder glamouröse Miss Lead auf. „Kein Platz für Zweifel“ ist ihr aktuelles Album. Mit 15 stand sie zum ersten Mal auf der Bühne. Vier Jahre später slammte sich Yasmin Hafedh als erste Frau ins Finale der österreichischen Poetry-Slam-Meisterschaften. Im Interview mit progress diskutiert die 24-Jährige über Gleichberechtigung in einer Männerdomäne, Zweifel an der eigenen Karriere und die politische Dimension ihrer Musik.

Graz: Ein Glitzern im dunklen Treppenhaus der Jazzbar Stockwerk. Eine zierliche, junge Frau mit goldenem Haarschmuck steigt schwungvoll die Treppen hinauf. Yasmo? Nein, heute eindeutig Miss Lead! Die Wiener Rap- und Slamkünstlerin spielt nicht nur gerne mit Sprache, sondern auch mit Rollenklischees. Je nach Lust und Laune tritt sie als kritische Yasmo oder glamouröse Miss Lead auf. „Kein Platz für Zweifel“ ist ihr aktuelles Album.

Mit 15 stand sie zum ersten Mal auf der Bühne. Vier Jahre später slammte sich Yasmin Hafedh, wie sie mit bürgerlichem Namen heißt, als erste Frau ins Finale der österreichischen Poetry-Slam-Meisterschaften. Im Interview mit progress diskutiert die 24-Jährige über Gleichberechtigung in einer Männerdomäne, Zweifel an der eigenen Karriere und die politische Dimension ihrer Musik.

progress: In „Kein Platz für Zweifel“ singst du „mit ich trau’ mich nicht komm’ ich nicht weit“. Was ist die Intention dahinter?

Yasmo: Die Idee dahinter ist, Zweifeln und Unsicherheiten mit Dreistigkeit zu begegnen. Es soll ein Arschttritt sein, aber auch zeigen, dass Motivation und Mut zusammengehören. Mit dem Lied will ich dem berühmten „Nein, ich trau’ mich nicht“ entgegentreten.

Bei einem deiner ersten Hip-Hop Battles bist du nach fünf Minuten gegangen, weil du Angst bekommen hast. Wie hast du das Gefühl überwunden?

Mit 14 habe ich, inspiriert von Schiller, begonnen mit Sprache zu spielen und angefangen Rap zu hören. Bei meinem zweiten Hip-Hop Freestyle waren viele große Männer mit Kappen und breiten Schultern, die pure Aggression ausgestrahlt haben. Ich wollte mir das anschauen wie eine Museumsausstellung, bin aber gleich wieder gegangen. Beim Slam sind die Poeten nicht mit ausgestreckten Ellbogen unterwegs. Zu rappen habe ich später im kleinen Kreis begonnen, unter zehn Männern, die respektvoll waren und aus der linken Szene gekommen sind. Ich war immer die einzige Frau und alle anderen erwachsen. Das Rappen im geschützten Raum hat mir geholfen heute mit herausgestreckter Brust Hip-Hoppern zu sagen, dass ich ihr Dissen und Batteln einfach scheiße finde.

Wo und wie bist du als Frau in der Männerdomäne Hip-Hop auf Widerstand gestoßen?

Immer wieder sind kiffende Typen Backstage, die mich fragen wessen Freundin ich sei. Da antworte ich, dass ich die Headlinerin bin und denke mir nur: „Fick dich!“ Als mich ein Typ auf ein Getränk einladen wollte und ich ablehnte, sagte er: „Mädel, das ist ja schön und gut was du machst, aber Rap ist immer noch Männersache.“ Dieses Denken spiegelt sich in der Szene wieder. In Österreich gibt es nur drei bekannte Frauen, die rappen: Mieze Medusa, Nora MC und ich.

Foto: Andreas Eymannsberger

Gewisse Verhaltensweisen werden Frauen von klein auf anerzogen. War das in deiner Familie auch der Fall? 

Ich bin in einer fortschrittlichen Familie aufgewachsen. Meine Mutter war selbstständig und ist das, was man vermutlich unter einer „starken Frau“ versteht. Obwohl mein Papa in Indonesien, einem noch viel patriarchalischerem Land als Österreich, aufgewachsen ist, hat er wohl schnell gelernt, dass er auch kochen und putzen muss (lacht). Feminismus habe ich erst viel später von außen kennen gelernt. Ich habe mich ehrlich gesagt zuvor nie gewundert, warum so wenige Frauen auf der Bühne stehen.

Wie nimmst du feministische Bestrebungen in Österreich wahr?

In Österreich gibt es Feminismus, aber wie überall auf der Welt nur in kleinen Szenen. Gleichberechtigung fängt nicht mit 24 in einem Interview an, sondern bei der Erziehung. Von Anfang an wird man in eine Schublade gesteckt, in der man bleibt, bis man beginnt alleine zu denken und an der Uni „Gender Studies“-Vorlesungen besucht.

Du engagierst dich auch gegen Rechts, richtig?

Meine antifaschistische Einstellung äußert sich in meinen Texten und ich trete bei Soli-Konzerten auf. Ich gehe auf Demos und kann sagen, dass die Repression in Wien ein Wahnsinn ist. Die Wiener Bevölkerung zahlt ihre Steuern für die Hypo und die Polizei, der Rest von Österreich nur für die Hypo (lacht). Bedachter Protest und Widerstand sind unglaublich wichtig, aber es darf nicht zu einem plumpen Phrasengedresche werden. Demonstrieren ist ein politischer Akt, dabei muss man so handeln, wie man es von politischen Vertreter_innen erwartet.

Mal trittst du als politische, kritische Yasmo auf, dann wieder als arrogante, glamouröse Miss Lead. Woher kommen diese Rollen?

Generell schlüpft man die ganze Zeit in Rollen. Rede ich mit meiner Mama, bin ich in einer Rolle und rede ich mit dir, bin ich in einer Rolle. Alle zusammen machen einen wie Puzzleteile zu einem Ganzen. Bei Auftritten wechsel ich gerne zwischen beiden Charakteren, da kann es auch zu einem Outfitwechsel kommen.

Entscheidet man sich für diese Rollen immer selbst oder wird man teilweise hineingedrängt?

Ich lass mich nicht in eine Schublade stecken: Ich, Yasmin Hafedh, bin politisch, antisexistisch, ein bisschen links, nachdenkend und lese gerne Bücher. Das alles ist in Yasmo stark zu spüren. Ich bin aber auch hin und wieder grantig und will unhöflich sein. Dafür ist Miss Lead da. Außerdem ist diese Figur praktisch, wenn ich etwas Dummes anstelle. Ich kann ihr die Schuld daran geben (lacht).

In „Kunst y’all“ rappst du: „Frag nicht ob ich davon leben kann, ich leb’ dafür“ und, dass du „Kultur ohne Industrie“ leistest. Wie schiebt man seine Unsicherheiten beiseite um seine Träume zu verwirklichen?

Ich stecke viel Zeit in unbezahlte Kulturarbeit. Poetry Slam wird der „Untergrundkultur“ zugerechnet, weil man eben nicht im Burgtheater auftritt. Kunst ist aber etwas wert, weil ich für einen Auftritt meine Zeit hergebe. Das wird in Österreich leider oft vergessen. Zurzeit kann ich von meinem Traum leben, wenn es nicht mehr funktioniert, gehe ich halt kellnern. Es gibt einen Unterschied zwischen „einen Job machen“ und „einen Beruf haben“. Bei einem Beruf glaubt man, dafür berufen zu sein. Einen Traum kann man schwer halb leben. Neben einem 9-to-5-Job, den du für die Miete brauchst, ist es schwer, mitten in der Nacht Ideen aufzuschreiben.

 

 

Sara Noémie Plassnig studiert Journalismus und Public Relations an der FH JOANNEUM in Graz.

  

Ein (Auffang-)Netz aus Feminist_innen

  • 08.03.2015, 11:34

Anlässlich des internationalen Frauentags möchten wir euch einige feministische Blogs, Initiativen und Podcasts empfehlen, ohne die das Internet nur halb so gut wäre. Von Fat-Empowerment, Möglichkeiten feministischer Mutterschaft(en) bis hin zu geekigem Feminismus haben sich online die unterschiedlichsten Plattformen entwickelt, die stereotyper, einseitiger oder gar sexistischer Berichterstattung entgegenwirken wollen.

Anlässlich des internationalen Frauentags möchten wir euch einige feministische Blogs, Initiativen und Podcasts empfehlen, ohne die das Internet nur halb so gut wäre. Von Fat-Empowerment, Möglichkeiten feministischer Mutterschaft(en) bis hin zu geekigem Feminismus haben sich online die unterschiedlichsten Plattformen entwickelt, die stereotyper, einseitiger oder gar sexistischer Berichterstattung entgegenwirken wollen.

Fuckermothers

Fuckermothers möchte nach den verschiedenen Möglichkeiten feministischer Mutterschaft(en) fragen, nach den queeren Müttern, den hetero-Müttern, den hippen Müttern, den Nicht-Müttern, den Anti-Müttern, den Anti-Anti-Müttern, den Pro-Mutterschafts Müttern, den Teilzeit-Müttern, den Polit-Müttern, den rassistisch diskriminierten Müttern, den trans_Müttern, den VäterMüttern, den sexy Müttern, den marginalisierten Müttern, den Pro-Sex-Müttern, den cripple moms, den traditionellen Müttern, den kritischen-Müttern-die-trotzdem-in-traditionellen-Beziehungen-leben, den männlichen Müttern und allen dazwischen. (BM)

Umstandslos

Ebenfalls dem Thema Mutterschaft fernab von „Mommy Wars“ widmet sich das „umstandslos“-Magazin. Ziel des etwa zweimonatlich erscheinendem Magazins ist eine Vernetzung feministischer Mütter*. Darüber hinaus sollen die Belange feministischer Mütter nach außen getragen, sichtbar gemacht und besser wahrnehmbar werden. Das umstandslos-Magazin möchte ein möglichst breites Spektrum feministischer Mutterschaft darbieten. (CH)

Oh joy, sex toy

Foto: ohjoysextoy.com

Wissen ist Sex(y)! Erika Moen und Matthew Nolan veröffentlichen jeden Dienstag Comics zu allem rund um Sex. Und das mit einem positiven Licht auf alle unterschiedlichen Körper, die es gibt. In schlichtem Stil in meist pinker Farbe zeigen sie wie ein offener und kommunikativer Umgang miteinander lustvollen und kreativen Sex möglich macht. Mit der Unterstützung von Bildern geben sie Tipps wie eins eine Pussy leckt, Kondome als Antörner verwendet oder eine Fernbeziehung führen kann. In diesem Sinne: “Dearest perverts…” (MB)

Kaiserinnenreich

Mareice bloggt über Inklusion, „behinderte Momente“ und ihren Alltag als Journalistin und Mutter. Mit der Geburt ihrer ersten, behinderten Tochter hat sich ihr Leben sehr verändert. Mit dem noch gar nicht so lang bestehenden Kaiserinnenreich schafft sie Sichtbarkeit für Familien, die meist nicht so viel Öffentlichkeit bekommen und hat in dieser kurzen Zeit schon Blickwinkel vieler ihrer Leser_innen verändert. (CH)

Krachbumm

Krachbumm! Der Name ist Programm. Katja aus Graz nimmt sich gerne Tabuthemen an und bloggt unter anderem zu Sex und Trauma. Nebenbei publiziert sie E-Books, zuletzt eines mit dem Titel „Wie sag ich’s meinem Kind? Sex und Porno“. Darin gibt es Wissenswertes, Tipps und Tricks zu Fragen der Aufklärung und Raum zur Selbstreflexion. (CH)

Queer Vanity

Foto: jj thunderkat
Mit ihrem queer_feminist_fa(t)shionblog mischt Hengameh die deutschsprachige Fashionblogszene auf und sorgt bei jedem einzelnen Posting für Style Envy. (CH)

Die Featurette

Die Featurette ist ein Webmagazin, das Frauen im Internet sichtbarer machen will. Im Netz wird unendlich viel geschrieben und diskutiert, gute Texte abseits der bekannten Alphablogs gehen aber oft unter. Die Initiatorinnen wollen Frauen* ermutigen, sich zu Wort zu melden, politisch zu handeln und sich zu vernetzen. Die Featurette vereint viele lesenswerte Blogs in einem sich automatisch aktualisierenden Feed, die zusammen eine große Themenbreite abdecken. (BM)

Saturday Chores

Foto: saturdaychores.tumbler.com

Grayson and Tina dokumentieren auf “Saturday Chores” ihren Protest gegen Pro-Life-Aktivisten [sic!] vor Frauen-Gesundheits-Zentren. Mit Schildern wie “Weird Hobby” karikieren sie AbtreibungsgegnerInnen und deren Parolen. Auch Kritik kommt nicht zu kurz “I see a lot of men talking”. Inspiration und Empowerment! (MB)

Speakerinnen – Mehr Frauen auf die Bühne

Die Speakerinnen-Liste hat das Ziel, die Sichtbarkeit von Frauen* bei Konferenzen, Panels, Talkshows und überall da zu erhöhen, wo öffentlich gesprochen wird. Hier können Veranstalter_innen Expertinnen* finden, die kompetent über ihre Themen sprechen können und wollen. Frauen* können sich selbst mit ihren Themen und Referenzen in die Datenbank eintragen und so besser auffindbar werden. (BM)

Feminspire – Where Women Make Media

Foto: feminspire.com

Feminspire beschreibt sich selbst als ein Kollektiv weiblicher Stimmen. Ziel war es, jungen Frauen* eine Plattform zu geben, auf der sie offen über gesellschaftliche Missstände und explizit frauendiskriminierende Praxen schreiben konnten. Feminspire-Redakteurinnen wollten die Plattform nicht nur journalistisch professionell bespielen, sondern im Anschluss auch selbst anregende Inhalte rezipieren. Von Frauen* für Frauen*. Die Artikel behandeln Themen von Gaming („Why Other Women Should Stop Judging My Gaming“) bis Slutshaming („Why I Never Play Hard To Get“). (BM)

Mädchenmannschaft

Willkommen Feminist_innen und alle, die es werden wollen! Der gemeinnützige Verein Mädchenmannschaft e.V. betreibt online wie offline Bildungsarbeit und Aufklärung über die Lage von Mädchen und Frauen_Lesben_Trans* in Deutschland sowie weltweit. Die Mädchenmannschaft liebt Feminismus und notiert Dinge und Nachrichten, die fröhlich machen oder die Nackenhaare aufstellen. Der Blog soll Forum sein und Spielwiese für alle, die sich eine bessere und gerechte Gesellschaft wünschen. (BM)

Feminist Frequency

Foto: feministfrequency.com

Anita Sarkeesian schaut in ihren Videoblogs genauer hin. Wie werden Frauen* in Medien repräsentiert und instrumentalisiert? Mit klugem Witz und unbestechlichen Argumenten analysiert sie unter anderem Pacman, LEGO und Startrek und kritisiert dabei misogyne “tropes”, also wiederkehrende Muster, die dem Publikum Informationen transportieren – und Stereotypen verfestigen. Yup, that’s the deal. (MB)

Feminismus aufs Ohr

Im Lila Podcast nehmen Susanne Klingner, Katrin Rönicke und Barbara Streidl alle zwei Wochen das Weltgeschehen in die feministische Mangel und fragen: Was passiert da gerade? Geht das noch besser? Kann das weg? Feministische Baustellen gibt es viele: Egal, ob die Familienministerin ein Erziehungsgeld einführt, im Netz über Alltagssexismus diskutiert wird oder bei der x-ten Staffel von Germany’s Next Topmodel wieder reihenweise junge Frauen* zum Weinen gebracht werden – all das, der Alltag, das Besondere, der Wahnsinn sind ihre Themen. In der aktuellen Folge sprechen die Podcasterinnen über Sexismus in Hollywood, der Schauspielerinnen wie Jennifer Aniston, Rene Zellweger und Kate Winslet nur nach ihrem Äußeren bewertet. (BM)

heiter scheitern

Marlen, Steff und Joke präsentieren mehr weniger regelmäßig als „Stößchen aus den Zonen der Unbewohnbarkeit“ den Podcast „heiter scheitern“. Als Hörende sitzen wir mit dem Dreichen (Anm.: Ein Pärchen mit drei Mitgliedern) am Küchentisch und wohnen Diskussionen über queere Elternschaft, das Dauerthema „Allies“ und immer wieder zu „Raum“ und Raumeinnahme bei. Das Format „drei Menschen reden über ein Thema drauflos und danach gibt es noch etwas Musik“ ist in Zeiten der 100-Sekunden-Nachrichten sicher gewöhnungsbedürftig, aber umso mehr lohnt es sich, die Zeit zum Hören zu investieren. (JA)

nrrrdz

Nrrrdz ist ein queer-feministischer Podcast zum Thema Nerden, Internet, Netzkultur, Gadgets und Technik. Während viele Technikpodcasts rein männlich besetzt sind und sich vor allem über die Taktfrequenzen von Prozessoren und Speicherkapazitäten der neusten Gadgets unterhalten, geht es bei nrrrdz nie rein um die Technik, sondern immer auch um die Art und Folgen ihrer Benutzung. Themen sind zum Beispiel Verschlüsselungssoftware, die eins auch den nicht-technikaffinen Freund*innen empfehlen kann oder alternative soziale Netzwerke. Das Format ist gesprächslastig, was sehr sympathisch wirkt und trotz der oft ausufernden Länge nie Langeweile aufkommen lässt. Erweitert werden die Folgen durch begleitene Links und Videos. (JA)

Femgeeks

Foto: femgeeks.de

Femgeeks ist ein deutschsprachiges Gemeinschaftsblog zu feministischen Geekthemen und geekigem Feminismus. Ein Ort, an dem sich Kreativität, Kritik, außergewöhnliche Interessen, Feminismus und Einblicke in Wissenschaft und Technologie treffen. „Geekig“ ist hier nicht festgelegt auf wenige spezielle Interessen, Communities oder Beschäftigungen, sondern wird vielfältig eingesetzt. Die Autor_innen haben ebenso vielfältige Interessen wie (Video)Spiele, Gadgets, Comics, Serien, Crafting, Hacking, Literatur, Netzpolitik, Podcasting, Popkultur, Musik, Feminismus, Queerness und viele viele mehr. (BM)

mädchenblog

Das Mädchenblog besteht seit 2006 und ist eine kollektiv organisierte Plattform ohne redaktioneller „Kontrolle“, die neuen Autor*innen eine niederschwellige Möglichkeit bietet, zu (queer-)feministischen Themen zu publizieren. Auf dem Blog und insbesondere auch auf dem Twitter-Account gibt es außerdem einen immer aktuellen und sehr ausführlichen Terminkalender für feministische bzw. interessante Events im gesamten deutschsprachigen Raum. (OA)

 

(Diese Liste ist natürlich keine vollständige Sammlung, sondern ein erster Ansatzpunkt und eine kleine Inspirationsquelle. Wir nehmen gerne Vorschläge für eine Erweiterung dieser Aufzählung auf und verstehen diesen Artikel als work in progress.)

 

„Viele Menschen glauben, Philosophie hätte nichts mit dem eigenen Leben zu tun“

  • 07.03.2015, 16:25
Mit dem Ziel Philosophie ihrem akademischen Habitat zu entreißen und sie in den Untergrund zu bringen, wurde das Kollektiv philosophy unbound im Herbst 2014 gegründet. Am 25. März findet ihr nächstes Event zum Thema Feminismus statt.
Mit dem Ziel Philosophie ihrem akademischen Habitat zu entreißen und sie in den Untergrund zu bringen, wurde das Kollektiv philosophy unbound im Herbst 2014 gegründet. Am 25. März findet ihr nächstes Event zum Thema Feminismus statt.

Mit dem Ziel Philosophie ihrem akademischen Habitat zu entreißen und sie in den Untergrund zu bringen, wurde das Kollektiv philosophy unbound im Herbst 2014 gegründet. Am 25. März findet ihr nächstes Event zum Thema Feminismus statt.

„Die Zugänglichkeit des original Unzugänglichen“, so beschreibt Edmund Husserl all jene Erfahrungen, die das Fremde betreffen. Als ein solches abstraktes Unzugängliches wird bei Zeiten auch die Philosophie erachtet. Elitär, antiquiert, ein intellektuelles Konstrukt, das in einer effizienzorientierten Gesellschaft an Nutzen und Wert verloren hat. Dieser Meinung will philosophy unbound dezidiert entgegenwirken.

„Die Idee entstand in Anlehnung an die Vernetzung der Underground-Musikszene“, so Flora Löffelmann, Mitglied von philosophy unbound „Wer sagt, dass Open Stages nur MusikerInnen vorbehalten sind?“ Philosophieren aus dem Untergrund - das ist eine aufrührerische, performative Art der Philosophie, die Barrieren abbaut und einen Raum schafft, der die Grenzen der tradierten Auseinandersetzung mit akademischer Philosophie überschreitet.

NENNEN WIR ES PHILOSOPHIE. Eine kurze Rückschau. Der Abend des 15. Jänners 2015, das Spektakel Theater 2.0 ist bis auf den letzten Platz besetzt. Es ist heiß, es ist eng, hier passiert gerade Etwas. Mit der Veranstaltung philosophy unbound #1 präsentiert sich das Kollektiv erstmalig der Öffentlichkeit.

Neben einer Tanzperformance, einem Poetry Slam und einer Lesung von Kilian Jörg, dem gedanklichen Initiator von philosophy unbound, ist das Publikum vordergründig mit Einem konfrontiert: dem unbändigen Enthusiasmus der Veranstalter_innen. Das Kollektiv schafft es, die Stimmung auf die Zuseher_innen zu übertragen. Begeisterter Beifall, das Unheil ist angerichtet. philosophy unbound hat sich in den Köpfen der Zusehenden etabliert.

„Es ist unfassbar. Wer hätte schon damit gerechnet, dass eine Philosophieveranstaltung auf solch eine Resonanz und einen derartigen Publikumsandrang stoßen würde?“, so Theresa Thomasberger, eine der Mitgestaltenden von philosophy unbound. „Unser Anliegen war es, einen Raum für Philosophie zu schaffen, der von keinem elitären Image durchdrungen ist. Viele Menschen glauben, Philosophie hätte nichts mit dem eigenen Leben zu tun und verspüren ihr gegenüber eine Schwellenangst.“ philosophy unbound versteht sich als Plattform, die philosophisch Interessierte miteinander vernetzen und aufzeigen will, dass Philosophie mehr sein kann, als ein Text oder eine Vorlesung an der Universität.

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FEMINISMUS. Dieses „Mehr“ nimmt in Form von Veranstaltungen Gestalt an, die alle zwei Monate stattfinden sollen, und Interessierte einladen, selbst auf der Bühne tätig zu werden. Das Kollektiv will somit einem Bedürfnis nach performativ-philosophischen Diskurs nachkommen, das die akademische Philosophie nicht abdeckt.

Das nächste Event wird am 25. März stattfinden. Erneut laden philosophy unbound in das Spektakel Theater, um sich diesmal dem Themenschwerpunkt „Feminismus“ zu widmen. Dass es sich hierbei um einen Gegenstand handelt, der von großer gesellschaftlicher Relevanz und Brisanz zeugt, steht für die Mitglieder außer Frage. „Gerade Formen der künstlerischen Artikulation sollen aufzeigen, welche performative Kraft philosophisch-feministischen Themen innewohnt. Dadurch, dass die Auseinandersetzungen mit dem Feminismus wegführt von einer vermeintlichen Opposition, bei der alles Weibliche körperlich und alles Männliche geistig konnotiert ist, möchten wir auf die Handlungsvielfalt hinweisen, die einer thematischen Bearbeitung des Feminismus auf der Bühne zur Verfügung steht,“ so Flora.

Hierbei verstehen sich die beiden Kuratorinnen des Abends nur als rahmengebende Instanz. „Eines unserer Augenmerke setzt auf die Diversität der inhaltlichen Gestaltung. Wer also zeigen will, wie feministische Themen die Bühne erobern können -in welcher Form auch immer- melde sich gerne vor dem 25.3. bei uns.“

 

Sonja Riegler studiert Philosophie und Komparatistik an der Uni Wien.

Am 25. März findet ihr nächstes Event zum Thema Feminismus statt.

„Die Zugänglichkeit des original Unzugänglichen“, so beschreibt Edmund Husserl all jene Erfahrungen, die das Fremde betreffen. Als ein solches abstraktes Unzugängliches wird bei Zeiten auch die Philosophie erachtet. Elitär, antiquiert, ein intellektuelles Konstrukt, das in einer effizienzorientierten Gesellschaft an Nutzen und Wert verloren hat. Dieser Meinung will philosophy unbound dezidiert entgegenwirken.

„Die Idee entstand in Anlehnung an die Vernetzung der Underground-Musikszene“, so Flora Löffelmann, Mitglied von philosophy unbound „Wer sagt, dass Open Stages nur MusikerInnen vorbehalten sind?“ Philosophieren aus dem Untergrund - das ist eine aufrührerische, performative Art der Philosophie, die Barrieren abbaut und einen Raum schafft, der die Grenzen der tradierten Auseinandersetzung mit akademischer Philosophie überschreitet.

NENNEN WIR ES PHILOSOPHIE. Eine kurze Rückschau. Der Abend des 15. Jänners 2015, das Spektakel Theater 2.0 ist bis auf den letzten Platz besetzt. Es ist heiß, es ist eng, hier passiert gerade Etwas. Mit der Veranstaltung philosophy unbound #1 präsentiert sich das Kollektiv erstmalig der Öffentlichkeit.

Neben einer Tanzperformance, einem Poetry Slam und einer Lesung von Kilian Jörg, dem gedanklichen Initiator von philosophy unbound, ist das Publikum vordergründig mit Einem konfrontiert: dem unbändigen Enthusiasmus der Veranstalter_innen. Das Kollektiv schafft es, die Stimmung auf die Zuseher_innen zu übertragen. Begeisterter Beifall, das Unheil ist angerichtet. philosophy unbound hat sich in den Köpfen der Zusehenden etabliert.

„Es ist unfassbar. Wer hätte schon damit gerechnet, dass eine Philosophieveranstaltung auf solch eine Resonanz und einen derartigen Publikumsandrang stoßen würde?“, so Theresa Thomasberger, eine der Mitgestaltenden von philosophy unbound. „Unser Anliegen war es, einen Raum für Philosophie zu schaffen, der von keinem elitären Image durchdrungen ist. Viele Menschen glauben, Philosophie hätte nichts mit dem eigenen Leben zu tun und verspüren ihr gegenüber eine Schwellenangst.“ philosophy unbound versteht sich als Plattform, die philosophisch Interessierte miteinander vernetzen und aufzeigen will, dass Philosophie mehr sein kann, als ein Text oder eine Vorlesung an der Universität.

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Das nächste Event wird am 25. März stattfinden. Erneut laden philosophy unbound in das Spektakel Theater, um sich diesmal dem Themenschwerpunkt „Feminismus“ zu widmen. Dass es sich hierbei um einen Gegenstand handelt, der von großer gesellschaftlicher Relevanz und Brisanz zeugt, steht für die Mitglieder außer Frage. „Gerade Formen der künstlerischen Artikulation sollen aufzeigen, welche performative Kraft philosophisch-feministischen Themen innewohnt. Dadurch, dass die Auseinandersetzungen mit dem Feminismus wegführt von einer vermeintlichen Opposition, bei der alles Weibliche körperlich und alles Männliche geistig konnotiert ist, möchten wir auf die Handlungsvielfalt hinweisen, die einer thematischen Bearbeitung des Feminismus auf der Bühne zur Verfügung steht,“ so Flora.

Hierbei verstehen sich die beiden Kuratorinnen des Abends nur als rahmengebende Instanz. „Eines unserer Augenmerke setzt auf die Diversität der inhaltlichen Gestaltung. Wer also zeigen will, wie feministische Themen die Bühne erobern können -in welcher Form auch immer- melde sich gerne vor dem 25.3. bei uns.“

 

Sonja Riegler studiert Philosophie und Komparatistik an der Uni Wien.

fantastiques Festival

  • 25.02.2015, 20:21

Für die Premiere des queer-feministischen Festivals _tastique haben sich die Organisatorinnen* viel vorgenommen. Warum sie daran nur scheitern können, wie viele Solipartys es braucht, um das Festival zu finanzieren und was es bewirken soll, erzählt eine Mitorganisatorin* im progress-Interview.

Für die Premiere des queer-feministischen Festivals _tastique haben sich die Organisatorinnen* viel vorgenommen. Warum sie daran nur scheitern können, wie viele Solipartys es braucht, um das Festival zu finanzieren und was es bewirken soll, erzählt eine Mitorganisatorin* im progress-Interview.

progress: Warum der Name _tastique?

_tastique: Wir haben uns dagegen entschieden die Veranstaltung wieder Ladyfest zu nennen, weil wir den Begriff „Lady“ problematisch finden. Dazu und mit dem Konzept „Ladyfest“ gab es im Vorfeld eine lange Auseinandersetzung. Im Brainstorming meinteeine Person, dass „tastique“ eigentlich nett klingt und mit Unterstrich ein offener Begriff sein kann.

Ihr schreibt auf eurer Website, dass ihr Ideen und Anliegen habt, die ihr gemeinsam umsetzen wollt – welche sind das?

Die Ideen und Anliegen haben sich zu vier thematischen Schwerpunkten herauskristallisiert – Antirassismus, Antiableismus, Body-Positivity und Sex-Positivity. Wair haben versucht, Vorkommnisse oder Themen, die uns gerade in Bezug auf die queer-feministische Szene in Wien wichtig erscheinen, aufzugreifen. Vor allem wollten wir Ausschlüsse, die wir wahrgenommen haben, problematisieren.

Wie setzt ihr die thematischen Schwerpunkte praktisch um?

Wir versuchen das auf mehreren Ebenen. Zum einen spiegelt sich das im Programm durch die Auswahl an Workshops, Filmen und Bands wider. Darüber hinaus haben wir ein Awareness-Team, welches am Festival dafür sorgt, dass es keine Übergriffe gibt. Wir erwarten auch von unserem Publikum, dass es Verantwortung trägt.

Wie verbindet ihr den Anspruch Politisches zu vermitteln und gleichzeitig Partys zu veranstalten?

Ich sehe da ehrlich gesagt gar keinen Widerspruch. Für mich können Partys natürlich auch politisch sein. Ich finde es einen guten Weg, Inhalte rüberzubringen. Das kann durch Raumgestaltung, durch Aufeinander-Aufpassen, durch die Vermittlung von Inhalten, durch Texte oder durch die Repräsentation, also wer auf der Bühne steht, passieren. Das ist nicht ganz einfach, klar. Denn wir können nie alles berücksichtigen, und haben wahrscheinlich immer was übersehen oder es ist sich etwas nicht ausgegangen. Insgesamt ist Party aber durchaus ein wichtiges politisches Tool und ich glaube die Kombination mit Workshops funktioniert gut. Also zuerst Workshops und dann Party – ist ja perfekt. (lacht)

Was hat sich seit dem ersten Wiener Ladyfest 2004 in der queer-feministischen Szene verändert?

Ich würde sagen, dass es zu einer Politisierung und zu einer stärkeren Vernetzung gekommen ist. Es ist außerdem relativ neu, dass es bei _tastique keinen offenen Call für Beiträge, Workshops, Bands, und so weiter gibt. Wir haben das Festival quasi selbst programmiert, gezielt Leute eingeladen und damit mehr Kontrolle und Verantwortung übernommen. 2004 kamen die Fragen auf, warum das Kollektiv so homogen ist, wer überhaupt Ressourcen hat so was zu organisieren und warum Themen wie Antirassismus nur marginal vorkommen. Wir haben daraus viel gelernt.

Wie macht sich das bei _tastique bemerkbar?

Wir versuchen, bestimmte Themen durch das ganze Programm durchzuziehen und sie sichtbar zu machen. Der queer-feministische Anspruch ist natürlich in vielen anderen Festivals auch drin, aber der Rest ist oft implizit „mitgemeint“. Das klappt in vielen Fällen nicht. Wir haben uns dem gestellt und uns gefragt: Was müssen wir tun, damit wir diesen wahnsinnig hohen Ansprüchen gerecht werden? Also ein body-positives, sex-positives, antiableistisches, antirassistisches Festival zu organisieren. Da haben wir uns ziemlich steile Ansprüche gestellt, an denen man nur scheitern kann. (lacht)

Welche Probleme ergeben sich bei der Finanzierung?

Das ist eine brenzlige Frage. Wir wollen unsere Unabhängigkeit wahren, wir wollen keine fetten Logos, wir wollen nicht vereinnahmt werden. Gleichzeitig müssen wir Reisekosten bezahlen und den Workshopleitenden, den Bands zumindest kleine Honorare zahlen. Das läppert sich ganz schön zusammen – wir rechnen damit, dass wir die nächsten fünf Jahre Solipartys veranstalten müssen, um das Ganze wieder reinzukriegen. 

Welche Öffentlichkeit wollt ihr mit _tastique erreichen?

Ich finde es immer recht illusorisch zu glauben, dass es weit über die vorgetretenen Trampelpfade geht – auch wenn das schön wäre. Also im Idealfall erreichen wir Communities, die im Moment eher vereinzelt agieren. Die Minimalvariante wäre, innerhalb der queer-feministischen Szene Wiens, die eine recht akademische und Weiße Szene ist, Bewusstsein für bestimmte Themen zu schaffen, die wir versucht haben zu forcieren. Ich fände es trotzdem schön und wichtig, wenn es über die kleine Szene hinausschwappen und neue Netzwerke entstehen würden – mal schauen ob das funktioniert und wer dann tatsächlich auftaucht.

Was hoffst du, bleibt vom Festival? Habt ihr eine Fortsetzung geplant?

Ich werde ganz bestimmt die nächsten zehn Jahre nichts mehr in der Form machen. (lacht) Aber ich fände es super, wenn Leute das aufgreifen und weiterentwickeln. Es wird sicher viel zu kritisieren geben, viel zu diskutieren und das ist auch extrem wichtig. Aber ich glaube schon, dass Ladyfeste eine nachhaltige Wirkung hatten auf die Szene, auf Netzwerke, auf Freundschaften. Da ist echt sehr viel im Umfeld und auch danach entstanden und das erhoffe ich mir für _tastique auch. Wir haben Rampenbau-Workshops im Vorfeld des Festivals gemacht – diese Rampen sind da, die sind nutzbar für Orte die sonst nicht zugänglich für Rollstühle sind. Das ist auf alle Fälle was Nachhaltiges und Materielles. Und da kommt sicher noch mehr.

 

Infos:
5.-8. März in Wien
Konzerte, Workshops, Flit*sexparty, Performances, Screenings, Lesungen, Austellungen und und und…
Programm und Anmeldung: http://tastique.me



Sonja Luksik studiert Politikwissenschaft an der Universität Wien.

Kurzschluss: Männerhirne, Frauenhirne

  • 23.10.2014, 01:38

„Männer reden wenig und Frauen können nicht einparken“ – so seien sie eben programmiert. Doch die Suche nach Geschlechterunterschieden im Gehirn ist nicht so einfach wie oft dargestellt.

„Männer reden wenig und Frauen können nicht einparken“ – so seien sie eben programmiert. Doch die Suche nach Geschlechterunterschieden im Gehirn ist nicht so einfach wie oft dargestellt.

Wir begegnen ihnen immer öfter: bunten Bildern von Gehirnen mit Farbverläufen von dunkelblau über rot bis hin zu weiß, die anzeigen, welche Hirnregionen gerade besonders aktiv sind. Wir alle haben schon gehört, dass Frauen und Männer unterschiedlich „verkabelt“ seien, dass ihre Gehirne unterschiedlich funktionieren würden. Frauen zum Beispiel hätten ausgeprägtere Sprachzentren, aber ein schwächer entwickeltes räumliches Vorstellungsvermögen.

Die Kombination dieser beiden Phänomene – Gehirnforschung und Geschlechterstereotypen – wird spätestens seit Cordelia Fines Buch „Die Geschlechterlüge“ als Neurosexismus bezeichnet. Neurosexismus hat viele Facetten – von plumpen Aussagen wie „Männer sind von Natur aus so!“ bis hin zur mehr oder weniger subtilen und oft unbewussten Suche nach Geschlechterunterschieden in den modernen Neurowissenschaften.

Konstruierte Gehirnbilder. Tatsächlich ist die Verbindung von gesellschaftlichen Stereotypen und wissenschaftlicher Forschung nichts Neues. So hat etwa die Wissenschaftshistorikerin Londa Schiebinger gezeigt, dass schon im 18. und 19. Jahrhundert Befunde und Interpretationen zu menschlichen Skeletten und Schädeln häufig an die Überzeugung angepasst wurden, dass „Männer“ intellektuell weiter entwickelt seien als „Frauen“ – und „Weiße“ weiter als „Schwarze“.

Nach wie vor sind Wissenschaft und gesellschaftliche Vorstellungen eng miteinander verbunden. Zum einen liegt das daran, dass wissenschaftliches Wissen einen besonders hohen Stellenwert genießt und zum anderen daran, dass neue Technologien den Eindruck vermitteln, wir könnten direkt ins Gehirn blicken und so „die Wahrheit“ unmittelbar wiedergeben. Etwa im Fall der Magnetresonanztomographie (MRT), bei der mit Hilfe von Magnetfeldern ein Bild des menschlichen Gehirns erstellt wird. Sigrid Schmitz, Biologin und Professorin für Gender Studies an der Universität Wien, erklärt dazu: „Beim Erstellen von Gehirnbildern muss eine ganze Reihe von Entscheidungen darüber getroffen werden, welche Gehirnfunktionen und -strukturen betrachtet werden, welche Vergleichsgruppen gewählt und anhand welcher Merkmale Unterschiede bestimmt werden. Gehirnbilder sind Konstruktionen, und auch gesellschaftliche Vorstellungen spielen eine große Rolle in ihrer Produktion.“

Ein Beispiel dafür ist die Annahme, dass es (für Hirnstudien und allgemein) zwei klar definierte Gruppen gäbe, die in sich homogen seien, zwischen denen es aber große Unterschiede gäbe: Männer und Frauen. So muss bei vielen Gehirnscangeräten zuerst einmal eingestellt werden, ob die Testperson männlich oder weiblich ist, bevor das Gerät überhaupt in Betrieb genommen werden kann. Auf diese und andere Arten beeinflussen gesellschaftliche Vorstellungen die wissenschaftliche Wissensproduktion. Ob nun unsere Gehirne männlich oder weiblich verkabelt sind oder nicht: Die wissenschaftlichen Apparate, die dies untersuchen sollen, sind es auf jeden Fall.

Henne oder Ei? Doch wie sieht es mit den Gehirnen selbst aus? Verschiedene Befunde sprechen dafür, dass „Geschlecht“ im Gehirn ein weit komplexeres Phänomen ist als gemeinhin behauptet. So argumentieren etwa Gina Rippon und andere, dass es zwischen den beiden Gruppen „Männer“ und „Frauen“ oft wesentlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede gäbe und umgekehrt innerhalb dieser Gruppen eine signifikante Bandbreite an neurologischen Ausprägungen. Sigrid Schmitz meint, die moderne Hirnforschung sei oft auf „Unterschiedsforschung“ fokussiert und verstärke damit die Annahme der fundamentalen Andersartigkeit von Männern und Frauen.

Außerdem ist normalerweise nicht das ganze Gehirn einfach „männlich“ oder „weiblich“. Vielmehr hat eine Person praktisch immer einige Areale, die eher dem statistischen Mittel für „weibliche“ Gehirne entsprechen, und andere, die statistisch eher „männlich“ sind. Dieses Mosaik verschiedener Aspekte lässt sich nicht einfach auf „männlich“ oder „weiblich“ reduzieren.

Verhaltensweisen und Eigenschaften variieren außerdem in Abhängigkeit vom kulturellen und historischen Kontext, in dem wir leben, und der spezifischen Situation, in der sie abgerufen werden. So haben Experimente zu Empathie gezeigt, dass Männer umso schlechter abschneiden, je klarer ist, dass es um Empathie geht. Allerdings verschwindet dieser (stereotype) Nachteil, wenn gute Ergebnisse mit Geld belohnt werden. Finanzielle Anreize können also Männer dazu bringen, sich aus ihrer kulturellen Position, in der Empathie als typisch weibliche Eigenschaft gesehen wird, herauszubewegen – ganz ohne Gehirntransplantation.

Ein weiteres wichtiges Konzept in der kritischen Reflexion von Hirnforschung ist die Hirnplastizität: Das Gehirn stellt nämlich nicht – wie häufig angenommen – einfach die Basis unseres Verhaltens dar. Unser Verhalten ist zum Teil die Basis unserer Gehirnentwicklung. Menschliche Gehirne sind an keinem Punkt in unserem Leben fix ausgeprägt, sondern werden aufgrund unserer Erfahrungen ständig umstrukturiert: Ohne Plastizität, also Formbarkeit, könnten wir nichts Neues (er)lernen. Wenn also gesellschaftlich davon ausgegangen wird, dass „Männer“ besser in Mathematik sind als „Frauen“, dann hat diese Vorstellung einen Einfluss darauf, was und wie sie Mathematik lernen (können). Und unser Gehirn stellt sich – in seiner physischen Zusammensetzung – darauf ein.

Das bedeutet nicht, dass Buben bewusst dazu erzogen werden, besser in Mathematik zu sein. Trotzdem wird diese Vorstellung zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Der Wissenschaftsphilosoph Ian Hacking beschreibt solche Vorgänge als „looping effects“, also Rückkoppelungseffekte: Gesellschaftliche Vorstellungen beeinflussen den Aufbau unserer Gehirne, auf Basis derer dann neurowissenschaftliche Studien etwa zu dem Ergebnis kommen, dass Männer besser in Mathematik seien – wodurch sich das Stereotyp wieder verstärkt. Die Biologie unserer Gehirne – ihr tatsächlicher Aufbau – ist gesellschaftlich beeinflusst, und der Aufbau unserer Gehirne beeinflusst gesellschaftliche Vorstellungen. Die Frage nach Gehirnen und Normen ist wie die nach der Henne und dem Ei.

Pinke und blaue Rosinen. Auch die Darstellung von Hirnforschung in populären Medien beeinflusst gesellschaftliche Normen. So benützen Bücher wie „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“ neurowissenschaftliche Ergebnisse oft sehr selektiv, um ein bestimmtes Bild zu erzeugen. Während in den Neurowissenschaften verschiedene – auch kritische – Zugänge, Ergebnisse und Interpretationen zu Geschlechterfragen existieren, erwecken populäre Medien oft den Anschein, es gäbe einen eindeutigen wissenschaftlichen Konsens. Diese Popularisierungen verstärken einen Effekt, der als „publication bias“ bezeichnet wird: Wissenschaftliche Studien werden eher publiziert, finanziert und unterstützt, wenn sie Unterschiede zeigen, als wenn sie Gemeinsamkeiten feststellen. Populärliteratur ignoriert letztere oft noch zusätzlich und pickt die sich gut verkaufenden pinken und blauen Rosinen aus der wissenschaftlichen Literatur heraus.

Das ist besonders problematisch, weil der Hirnforschung eine so große Bedeutung in unserer Gesellschaft zukommt. Zusätzlich zur Autorität wissenschaftlichen Wissens und dem Eindruck, Bilder könnten die „Realität“ menschlicher Gehirne objektiv abbilden, hat sich in den letzten Jahrzehnten auch der Trend entwickelt, den Menschen als „zerebrales Subjekt“ zu begreifen, also als völlig auf seinem/ihrem Gehirn basierend. Laut Sigrid Schmitz wird dieses Menschenbild von der Annahme getragen, dass wir nicht einfach ein Gehirn haben, sondern unser Gehirn sind. Unser Gehirn sei bestimmend für unser Verhalten, unsere Präferenzen, unsere Einstellungen – es sei der Träger unseres Seins. Die zentrale Bedeutung, die dem Gehirn zugeschrieben wird, zeigt sich auch darin, dass immer mehr Disziplinen entstehen, die geistesoder sozialwissenschaftliche Themen mit Gehirn forschung verquicken, von Neuroökonomie über Neuropädagogik bis hin zu Neurotheologie.

Durch die Autorität von Gehirnforschung spielt Neurosexismus eine besonders große Rolle bei der Reproduktion und Legitimation von Stereotypen, Strukturen und Machtverhältnissen. Umso wichtiger ist es, Gehirnforschung als politisch zu begreifen. Denn Politik wird nicht nur in Parteien und Institutionen gemacht, sondern auch durch gesellschaftliche Normen und Modelle. Zum Beispiel zieht die Frage, welche Verhaltensweisen und Präferenzen Frauen bzw. Männern zugeordnet werden, nicht nur Rück koppelungseffekte nach sich, sondern beeinflusst auch die Positionen, die Frauen und Männern in der Gesellschaft (zum Beispiel am Arbeitsmarkt) zugewiesen werden.

Wir sollten jedenfalls aufhorchen, wenn behauptet wird, dass Frauen und Männer „von Natur aus verschieden“ seien. Zum einen sollten Neurowissenschafter*innen kritisch damit umgehen, dass das, was sie untersuchen, auch nicht „einfach da“ ist, sondern erst produziert wird – zum Beispiel durch gesellschaftliche Normen, die Gehirne physisch verändern, oder Einstellungen an MRT-Geräten, die die (Gehirn-)Welt in zwei fundamental unterschiedliche Geschlechter teilen. Zum anderen dürfen sich aber Kritiker*innen auch nicht damit zufriedengeben, neurowissenschaftliche Forschung pauschal zu verurteilen. Stattdessen sollten wir im Kopf behalten, dass gesellschaftliche Normen, mediale Repräsentationen, wissenschaftliche Arbeit und tatsächliche Gehirne miteinander verkabelt sind, um Kurzschlüsse zu vermeiden.

Boka En hat Gender and Sexuality Studies an der University of London studiert und absolviert einen Master in „Science–Technology–Society“ an der Universität Wien.

 

Not your Manic Pixie Dream Girl

  • 20.08.2014, 09:46

Was auf den ersten Blick nach einer starken Frauenfigur aussieht, entpuppt sich schnell als sexistische Fantasie männlicher Filmemacher. Seit Jahren füllen Manic Pixie Dream Girls ganze Kinosäle.

Was auf den ersten Blick nach einer starken Frauenfigur aussieht, entpuppt sich schnell als sexistische Fantasie männlicher Filmemacher. Seit Jahren füllen Manic Pixie Dream Girls ganze Kinosäle.

Kaum ein Indie-Film mit männlichem Protagonisten und romantischen Plot-Lines kommt ohne diese Trope aus. Sei es Natalie Portman in „Garden State“ oder Zooey Deschanel in so gut wie jeder ihrer Rollen: Dem Manic Pixie Dream Girl zu entkommen, wird zur Herausforderung.

Indie-Chicks wie aus dem Bilderbuch. Der Begriff „Manic Pixie Dream Girl“ (MPDG) stammt vom US-amerikanischen Journalisten Nathan Rabin und kam zum ersten Mal 2007 in seiner Rezension von Cameron Crowes Indie-Klassiker „Elizabethtown“ vor. Das MPDG hat im Film die Funktion, dem verbitterten, desillusionierten Protagonisten die schönen Seiten des Lebens zu zeigen. Sie weckt in ihm den Hunger auf Abenteuer, Sorglosigkeit und gleichzeitig hilft sie ihm bei der Suche nach einem Lebenssinn. Stets tritt sie als attraktive, frappante, künstlerisch angehauchte Twenty-Something mit einem Hang zur Impulsivität und Verträumtheit auf. Ihre Garderobe ist Vintage, ihre Haare trägt sie in unkonventionellen Farben oder mit schickem Pony, ihr Musikgeschmack ist etwas off-beat – so außergewöhnlich, wie The Shins oder The Smiths eben sein können. Im Prinzip verkörpert sie das Gegenteil von Spießigkeit, gerne spielt sie mitten im mit Familien gefüllten Park das „Penis-Spiel“ oder „Mutter-Vater-Kind“ bei Ikea. Selbst labelt sie sich häufig als Feministin.

Sie kann sehr vieles sein, was sie aber definitiv nicht ist, ist ein mehrdimensionaler, durchdachter Charakter, dessen Funktion über den Bruch der Alltagsmonotonie des Protagonisten hinausgeht. Außerdem wird die Figur in der Regel von weißen Schauspielerinnen gespielt, was die stereotype Verknüpfung von Hipness mit Weißsein reproduziert. Während tätowierte, flamboyante Weiße als edgy und alternativ gelesen werden, werden People of Colour in selbiger Montur als „ghetto“ beschimpft.

Wrong on so many levels. Dabei wirkt das MPDG zunächst einmal autonom, selbstbestimmt und stark – sie verkörpert damit all jene Eigenschaften, die Frauen in Hollywoodstreifen oft abgesprochen werden. Doch das Einzige, was sie tatsächlich tut, ist Männern die Augen zu öffnen. Von ihren eigenen Erfolgen, Zielen oder ihrem Hintergrund erfahren wir wenig bis nichts. Stattdessen wird sie zum „Missing Piece“ idealisiert, ihre Makel und Macken werden romantisiert und eventuelle Hinweise auf Mental Health Issues werden banalisiert. Die unkritische Rezeption macht es schwer, die Problematik offenzulegen.

In Michel Gondrys „Eternal Sunshine Of The Spotless Mind“ geht es hoch auf die Meta-Ebene. Auch hier gibt es ein MPDG. Clementine, die von Kate Winslet gespielt wird, passt in die typische Schablone der Trope, klärt den Protagonisten aber auch darüber auf, dass sie keine Lust hat, Typen aus ihrer Trübsal zu retten. Sie sagt im Film: „Too many guys think I'm a concept, or I complete them, or I'm gonna make them alive. But I'm just a fucked-up girl who's lookin' for my own peace of mind; don't assign me yours.“

Dass die Figur des MPDG eine Illusion ist, wird selten verstanden. So überträgt sich die Sehnsucht nach einer solchen Person von der Leinwand ins Leben. Die einen versuchen, in das Muster der MPDGs zu passen und sie zu imitieren, die anderen suchen nach ihrem MPDG – oder vielmehr ihrer Manic Pixie Dream Person.

Anspruch und Realität. Die britische Journalistin Laurie Penny schreibt in ihrer Kolumne „I was a Manic Pixie Dream Girl“ für New Statesman darüber, auf eine sexuelle Fantasie reduziert und wie eine seltene Pokémon-Karte gejagt zu werden. In der Vergangenheit passte sie selbst in das Klischee des MPDG. Es war keine Ausnahme, dass sie im Supermarkt oder auf Partys von wildfremden Typen angesprochen wurde. Spannenderweise verloren diese das Interesse, sobald sich herausstellte, dass sie eine erfolgreiche Autorin mit Ambitionen ist und kein planloses Mädchen, das gerne Joy Division-Lieder auf der Gitarre covert. Es ist nichts Schlimmes daran, eine solche Person zu sein. Aber Laurie Pennys Erfahrungen machen sexistische Ansprüche sichtbar: Solange der Typ erfolgreicher als sein MPDG ist, läuft alles nach seinen Vorstellungen. Sie bleibt ein hübsches Anhängsel, ein Prestige-Objekt zur Vervollständigung seines artsy Lifestyles. Könnte sie mit ihrer Karriere die seinige überschatten, ist sie allerdings instantly dismissed.

Diese Verhaltensmuster zeigten sich jahrelang in den Romanzen der Autorin, sodass sie es in Erwägung zog, ihren Intellekt und ihren Erfolg vor Typen nicht vollständig zu enthüllen, aus Angst, ihr würden ihre Weiblichkeit und ihre Attraktivität abgesprochen. Die Technik, „sich dumm zu stellen“, ist nichts Neues. Genau jene, die ein MPDG suchen, verachten sie gerne. Emanzipation schreiben sie sich dick auf die Fahnen, in der Praxis taucht sie nicht auf. Von Selbstreflexion keine Spur.

Durch die Reproduktion dieses Klischees verfestigt sich das Bild, Frauen seien stets zweitrangig und niemals mehr als eine Vervollständigung von Männern. Wie die Autorin Chimamanda Ngozi Adichies das in jenem Zitat formuliert, das auch Beyoncé aufgegriffen hat: „We say to girls: ‚You can have ambition, but not too much. You should aim to be successful, but not too successful. Otherwise, you will threaten the man.“

Kekse für den Typen, Knäckebrot für das Girl. Außerdem ist die Fantasie vom MPDG sehr heterosexuell geprägt. Obwohl einige MPDGs in der Vergangenheit auch lesbische Beziehungen geführt haben – sei es die College-Flamme Charlie von Zooey Deschanel in „(500) Days of Summer“ oder Ramona Flowers Exfreundin Roxie, die eine der sieben bösen Exe in „Scott Pilgrim vs. The World“ ist – werden diese nur als Phasen abgestempelt, der Begriff der Bisexualität fällt nie. Vielmehr sind diese „Eskapaden“ Ausdruck der Abenteuerlichkeit des MPDG und regen die männliche Fantasie weiter an.

Ein MPDG erscheint oft in Begleitung eines Nice Guys, eines leicht nerdigen Typen, der ein Frauenversteher™ ist und im Gegensatz zu Bad Boys stets in der Dauerschleife von Friendzones hängt – einfach, weil er zu „nett“ ist. „(500) Days of Summer“ ist ein Paradebeispiel dafür. Summer ist an keiner festen Beziehung interessiert und lässt trotzdem ein sexuelles Verhältnis zu. Für den Protagonisten ist das unlogisch, scheinbar kennt er nur die Dichotomie zwischen platonischer und romantischer_sexueller Beziehung. Als Summer letztlich einen anderen Mann heiratet, wird sie automatisch als kaltherzige „Bitch“ abgestempelt. Das typische Nice Guy-Denkmuster, in dem alle, die nicht an ihm interessiert sind, „Schlampen“ sind. Ihm wird von vielen Seiten applaudiert, das MPDG geht hingegen, dank tief verankerter Misogynie, leer aus. Offensichtlich muss noch viel getan werden, bis alle verstehen, dass Frauen nicht dafür da sind, die Schlüppis irgendwelcher Nerds nasswerden zu lassen.

Hengameh Yaghoobifarah studiert Medienkulturwissenschaft an der Universität Freiburg.

„Vögeln musst du, aber Geld hast du keines“

  • 30.04.2014, 14:10

Ein Interview mit Brigitte Hornyik, Verfassungsrechtlerin, Vorstandsmitglied im Österreichischen Frauenring und Mitbegründerin der Facebook-Gruppe Schwangerschaftsabbruch raus aus dem Strafrecht, über den Schwangerschaftsabbruch und die immer noch vorhandenen Hürden.

Ein Interview mit Brigitte Hornyik, Verfassungsrechtlerin, Vorstandsmitglied im Österreichischen Frauenring und Mitbegründerin der Facebook-Gruppe Schwangerschaftsabbruch raus aus dem Strafrecht, über den Schwangerschaftsabbruch und die immer noch vorhandenen Hürden.

Über vierzig Jahre ist es nun her, dass Frauengruppen mit Slogans wie „Mein Bauch gehört mir“ das Recht auf Schwangerschaftsabbruch verstärkt zum Thema gemacht haben und gegen Abtreibungsverbote auf die Straße gegangen sind. Damals waren Abtreibungen gemäß Paragraph 144 des Strafgesetzbuchs mit schwerem Kerker zu bestrafen (übrigens ein Relikt aus der Zeit Maria Theresias). Erst 1974 hat sich die Fristenlösung trotz heftigen Widerstands der ÖVP, der FPÖ, der Katholischen Kirche sowie der „Aktion Leben“, durchgesetzt. Die „Aktion Leben“ initiierte mit Unterstützung konservativer und katholischer Kreise sogar ein Volksbegehren zum „Schutz des menschlichen Lebens“, welches mit fast 900.000 Stimmen das vierterfolgreichste Volksbegehren der Republik Österreich war.

Seit dem 1. Jänner 1975 ist eine Abtreibung innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate straffrei, sofern diese von einem Arzt bzw. einer Ärztin durchgeführt wird und vorher eine ärztliche Beratung stattgefunden hat. Ab dem vierten Monat ist ein Schwangerschaftsabbruch nur bei medizinischer Indikation erlaubt. Diese Kompromissregelung aus den 1970er Jahren besteht auch heute unverändert weiter. Der Schwangerschaftsabbruch ist also nach wie vor strafgesetzlich verboten, unter bestimmten Bedingungen wird jedoch von einer Strafe abgesehen.

progress online: Seit 100 Jahren ist der Kampf um das Recht auf Schwangerschaftsabbruch bereits Teil der Frauenbewegungen. Wofür müssen wir heute noch kämpfen? Welche Forderungen müssen an die Politik gestellt werden?

Ich finde es problematisch, dass der Abbruch an sich verboten ist, aber der Vater Staat gnädig ein Äuglein zudrückt, wenn die Frau sich vorher beraten lässt und ihn  innerhalb der ersten drei Monate von einem Arzt vornehmen lässt. Eine ungewollte Schwangerschaft ist nicht lustig, da ist frau bereits in einer Konfliktsituation und muss sich dann auch noch sagen lassen: „Das ist eigentlich verboten und rechtswidrig und du wirst nur gnadenhalber nicht eingesperrt, wenn du dich für einen Abbruch entscheidest“. Was uns auch noch wichtig ist: Man könnte es den Frauen ganz pragmatisch leichter machen, man könnte Schwangerschaftsabbrüche vermehrt in öffentlichen Spitälern durchführen, man könnte Preisregelungen einführen, man könnte das entweder über die Krankenkasse finanzieren oder einen Fonds einrichten. Auch Empfängnisverhütungsmittel sind teuer, auch das gehört finanziell unterstützt. Wenn wir alle diese pragmatischen Forderungen stellen, dann kommt die Gegenseite mit dem Argument: „Der Staat kann nicht etwas finanzieren oder unterstützen, das doch eigentlich strafrechtlich verboten ist“. Da beißt sich die Katze leider wieder in den Schwanz. Auch deshalb gibt es unsere Forderung „Schwangerschaftsabbruch raus aus dem Strafrecht!“.

Wir wollen die Verankerung eines Selbstbestimmungsrechts der Frauen in der Verfassung und wir wollen auch einen Satz drinnen haben, dass Familienplanung bzw. Empfängnisverhütung, aber auch andere Maßnahmen, nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Frauen staatlich unterstützt werden sollten.

Brigitte Hornyik Foto: Dieter Diskovic

Welchen Stellenwert hat dieses Thema für die Politik?

Wir hatten von der Plattform 20000 Frauen aus im vergangenen Frühling einen Termin beim Gesundheitsminister Stöger und haben mit ihm über das Thema Schwangerschaftsabbruch geredet. Es war ein sehr freundliches Gespräch in sehr angenehmer Atmosphäre und der Herr Minister hat uns in allem Recht gegeben. Aber im Endeffekt hat er uns nur erklärt, warum das alles nicht geht: „Mit dem Koalitionspartner…“ und „Österreich ist ein katholisches Land“ und „Das geht einfach nicht“. Da denke ich mir: Wir haben seit vierzig Jahren die Fristenlösung, vor vierzig Jahren war es der einzig mögliche politische Kompromiss, aber vielleicht könnte man im Jahr 2014 auch politisch darüber hinaus denken.

Man könnte um einiges mutiger sein und ehrlich gesagt finde ich die Haltung der SPÖ sehr enttäuschend. Wien ist Jahrzehnte lang von der SPÖ allein regiert worden. Da wäre eine Wiener Lösung möglich gewesen, den Abbruch entweder ganz billig anzubieten oder über einen Fonds Zuschüsse zu zahlen. Vielleicht wäre das ein bisschen eine Vorreiterrolle für andere Bundesländer gewesen.

Aber das ist ein politisches Spiel. Die einen preschen vor, wie kürzlich wieder Ewald Stadler und Rudolf Gehring, und sagen „Die Fristenlösung gehört rückgängig gemacht und verboten“. Wir wollen nicht mit dem Herrn Stadler diskutieren, aber wir gehen mit unseren eigenen Forderungen hinaus. Wir fordern „Schwangerschaftsabbruch raus aus dem Strafrecht!“ nicht unmittelbar deswegen, weil wir glauben, dass es nächstes Monat oder im nächsten Jahr tatsächlich beschlossen werden wird, aber wir wollen das Thema wieder in die öffentliche Diskussion einbringen, wir wollen thematisieren, dass Frauen im Grunde nach wie vor kriminalisiert werden.

Warum eigentlich muss dieser Schwangerschaftsabbruch, der so eine intime Entscheidung von Menschen ist, überhaupt rechtlich geregelt und gar mit Strafe bedroht werden? Vertrauen wir doch den Frauen, vertrauen wir der Gewissensentscheidung der Frauen, denn keine Frau geht leichtfertig abtreiben. Ich halte Frauen für verantwortungsbewusste Menschen, die in der Lage sind, ihre eigenen Gewissensentscheidungen zu treffen.

Wie ist der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen in Österreich?
Das ist in Österreich leider bundesländerweit ziemlich verschieden. In Wien ist für Frauen tatsächlich ein relativ guter Zugang zum Schwangerschaftsabbruch gewährleistet. Es gibt in Wien einige Ambulatorien, die Abbrüche durchführen, das bekannteste und älteste ist der Fleischmarkt. Außerdem gibt es die Möglichkeit, einen Abbruch auch in einem öffentlichen Spital vornehmen zu lassen, das ist für die Frauen vielleicht vom Zugang her angenehmer, weil leider vor den bekannteren Ambulatorien wie Gynmed oder Fleischmarkt die selbsternannten „Lebensschützer“ stehen. Das kann manchmal ein Spießrutenlauf sein, zwischen den Rosenkranzmurmelnden oder denen, die grausliche gefakte Bilder verteilen, von zerstückelten Babyleichen, die sie irgendwo in einem Kriegsgebiet aufgenommen haben und die mit dem in der elften, zwölften Woche durchgeführten Schwangerschaftsabbruch absolut gar nichts zu tun haben. Das ist in den großen Wiener Spitälern natürlich nicht der Fall, dort stehen sie nicht.

Aber im Großen und Ganzen kann man sagen, dass es uns in Wien noch relativ gut geht. Was schon da ist, ist die finanzielle Hürde, in den Ambulatorien zahlt man jetzt schon fast 500 Euro. Eine Abtreibung ist nicht billig und finanzielle Unterstützung gibt es nicht. Für die künstliche Befruchtung gibt es eine finanzielle Unterstützung, da gibt es diesen In-Vitro-Fertilisations-Fonds. Für den Schwangerschaftsabbruch gibt es das nicht. Allenfalls über das Sozialamt. Aber da musst du nachweisen, dass du wirklich nichts hast. Und wenn du Pech hast, hast du irgendeine nette Beamtin oder einen netten Beamten, der dich von oben herab behandelt und dir das Gefühl gibt: „Vögeln musst du, aber Geld hast du keines“. Das ist keine angenehme Erfahrung.

Im Westen Österreichs ist die Situation eher dramatisch, in Tirol oder Vorarlberg gibt es weder ein Ambulatorium noch ein öffentliches Spital, das bereit ist, Abbrüche durchzuführen. Da bist du auf die Privatordinationen und die dementsprechende Preisgestaltung angewiesen. Im Süden von Österreich schaut es auch nicht wahnsinnig gut aus. Dieses Schlagwort, das mir eigentlich nicht so wahnsinnig gut gefällt, aber von dem alle wissen, was man darunter zu verstehen hat, also dieser „Abtreibungstourismus“ ist nach wie vor aufrecht. Aus den westlichen Bundesländern eher in die Schweiz und aus den übrigen Bundesländern herrscht ein gewisser Zug nach Wien. 

Glauben Sie, dass die österreichische Bevölkerung eine Krankenkassenfinanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen befürworten würde?

In der Schweiz ist über die Frage der Krankenkassenfinanzierung kürzlich abgestimmt worden und es haben fast 70% zugestimmt, dass die Krankenkassenfinanzierung von Abbrüchen beibehalten wird. Ich glaube, für die österreichische Bevölkerung wäre das kein großes Problem, aber die Sozialversicherungsträger, die Krankenkassen, die schreien angeblich furchtbar, wenn man mit diesen Ideen kommt, Verhütungsmittel auf Krankenschein oder Abtreibung auf Krankenschein. Das hat uns auch Alois Stöger gesagt: „Nein, das können wir uns nicht leisten, wir wollen keine zusätzlichen Kosten übernehmen“. Wie gesagt, in der Bevölkerung wären die Widerstände wahrscheinlich nicht besonders groß.

Die Fristenlösung als solche ist in Österreich breitest akzeptiert. Es werden immer wieder Umfragen gemacht: sowohl in der Bevölkerung als auch unter Politikerinnen und Politikern ist die Fristenlösung unumstritten. Für mich stellt sich dann eher die Frage: Nehme ich das so hin? Lassen wir die Dinge wie sie sind oder gehen wir vielleicht einmal einen Schritt weiter?

Wie sieht es in Österreich mit Schutzzonen aus?

Die Schutzzonen, so wie wir uns das gedacht hätten, nämlich dass man einen bestimmten Bereich im Umkreis des Ambulatoriums schützt, sind nicht umgesetzt worden. Im Innenausschuss im Parlament haben sie gemeint: „Naja, das können doch die Länder regeln“. Die Länder haben wiederum gesagt „Das soll doch der Bund regeln“. Und dann haben wir die beliebte österreichische Pattsituation, einer redet sich auf den anderen aus und es geschieht gar nichts. Das war's mit den Schutzzonen. Aber die Forderung ist an sich da. Wir stellen diese Forderung immer wieder und sie wird auch von Betreibern der Ambulatorien immer wieder gestellt. Das ist schon eine Frage des politischen Willens und deswegen haben wir immer in all unseren Pressemeldungen dazugesagt, dass es Dinge gibt, die nicht eine Frage des rechtlichen Könnens, sondern des politischen Wollens sind.

 

Manu Banu und Dieter Diskovic studieren Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien.

Einen Artikel über die Aktivistinnen von Marea Granate und deren Kampf gegen das spanische Abtreibungsgesetz könnt ihr hier lesen: Marea Granate: Raus aus meinen Eierstöcken!

Marea Granate: Raus aus meinen Eierstöcken!

  • 30.04.2014, 13:40

Über Marea Granate, eine Protestbewegung spanischer Migrantinnen und Migranten, und ihren Widerstand gegen die geplante Verschärfung des spanischen Abtreibungsgesetzes.

Über Marea Granate, eine Protestbewegung spanischer Migrantinnen und Migranten, und ihren Widerstand gegen die geplante Verschärfung des spanischen Abtreibungsgesetzes.

Es ist der 8. März, der Internationale Frauentag. Über den Lerchenfelder Gürtel hallt ein Megaphon: „Kathia, 38 Jahre, Ukraine. Verheiratet, vier Kinder. Sie lebt auf dem Land und kann kein weiteres Kind unterhalten. Sie treibt im Haus einer Frau ab, die Abtreibungen in dem Dorf vornimmt. Kathia stirbt an einer Entzündung nach der Abtreibung.“ Eine junge Frau fällt zu Boden.

Foto: Dieter Diskovic
Diese und viele weitere kurze Erzählungen rund um das Thema Abtreibung werden auf Deutsch, Spanisch und Englisch vorgetragen – schließlich soll die Botschaft so viele Menschen wie möglich erreichen. Die im Halbkreis um das Schauspiel stehenden Personen tragen Transparente und Plakate: „Selbstbestimmungsrecht“, „Mein Körper, mein Leben, meine Entscheidung“ oder „Gebären ist ein Recht, keine Auferlegung“.

Die weinrote Flut
Der Hintergrund dieses Schauspiels: Das Recht auf legalen Schwangerschaftsabbruch ist in Spanien massiv bedroht. Der mit absoluter Mehrheit regierende rechtskonservative Ministerpräsident Mariano Rajoy und seine Partido Popular („Volkspartei“) möchten das Abtreibungsgesetz derart verschärfen, dass nur nach Vergewaltigungen oder bei Gefährdung der Mutter abgetrieben werden darf. Raquel López, Aktivistin bei Marea Granate Viena: „97% der Abtreibungen des letzten Jahres wären mit diesem neuen Gesetz illegal. Mit unserer Performance am Internationalen Frauentag möchten wir auf diese Entwicklung aufmerksam machen.“

Marea Granate („Weinrote Flut“) ist eine transnationale Bewegung von Migrantinnen und Migranten aus Spanien, die ihr Herkunftsland meist wegen der wirtschaftlichen und sozialen Krise verlassen mussten: „Unsere Flut ist weinrot wie die Farbe unserer Pässe, als Symbol für erzwungene Migration“. Das Kollektiv entstand rund um andere soziale Bewegungen aus Spanien, zu deren bekanntesten wohl die Indignados („Empörten“) zählen, die noch vor Occupy zentrale Plätze besetzten und Protestcamps errichteten. Die „weinrote Flut“ ist mittlerweile weltweit vernetzt: Nicht nur in Wien, auch in New York, Paris und London, in Montevideo, München oder Montreal kämpfen Aktivist_innen gegen Austeritätspolitik, Korruption und Repressionen und die daraus entstehenden sozialen Ungerechtigkeiten. Da diese Problematiken nicht auf Spanien beschränkt sind, versucht Marea Granate, Brücken zu lokalen Gruppen aufzubauen.

„Freie Frau – kein Schritt zurück!“ Foto: Dieter Diskovic

„Raus aus meinen Eierstöcken!“
Mit ihrem Straßentheaterstück möchte Marea Granate Viena Frauen, die abgetrieben haben, eine Stimme und ein Gesicht geben. Die Gründe, sich für eine Abtreibung zu entscheiden, sind vielfältig: finanzielle Probleme, Krankheit, eine ungesicherte Zukunft, der Wunsch, seine Ausbildung zu beenden oder das Alter. Für Marea Granate sind die Gründe schlussendlich unerheblich – für sie gehört der legale Schwangerschaftsabbruch zum Selbstbestimmungsrecht der Frau. Eine hohe Akzeptanz scheint Ministerpräsident Rajoy mit seiner geplanten Gesetzesverschärfung in der spanischen Bevölkerung nicht zu haben. Laut Umfragen lehnen zwischen 70% und 80% der Spanier_innen den Gesetzesentwurf ab – selbst unter der Wähler_innenschaft der Partido Popular sind es weit über 50%. In Madrid gingen über hunderttausend Menschen auf die Straße und protestierten mit Slogans wie „Abgeordnete und Rosenkränze raus aus meinen Eierstöcken“ gegen die geplante Gesetzesänderung.

Bei einer weiteren Aktion versuchten hunderte Frauen, ihre Körper in das Handelsregister, in dem normalerweise Autos registriert werden, einzutragen – als Zeichen, dass nur sie selbst Eigentümerinnen ihrer Körper sind. Auf der neu gegründeten Plattform Wombastic werden Pro-Choice-Zeichnungen veröffentlicht. Doch was sind die Gründe für diese rückwärtsgewandte Politik? Die Aktivistin Raquel López hält einerseits den großen Einfluss der katholischen Kirche für einen wesentlichen Faktor, andererseits sieht sie auch einen Zusammenhang mit der Krise: „Sie wollen die Arbeiterinnen kontrollieren. Die Frauen, die es sich leisten können, werden es sowieso machen und die Armen, die kein Geld für Abtreibungen haben, werden entweder ihr Leben riskieren oder ein ungewolltes Kind bekommen. Das sind dann die Arbeiter und Arbeiterinnen der Zukunft.“ Eine Kriminalisierung von Abtreibungen kann einerseits zu „Abtreibungstourismus“, andererseits zur gesundheitlichen Gefährdung der betroffenen Frauen durch unprofessionell vorgenommene Abbrüche führen.

Mein Körper, mein Leben, meine Entscheidung!“ Foto: Dieter Diskovic

Europas Abtreibungsgegner_innen machen mobil
Wie sieht es im restlichen Europa aus? Abtreibungsgegner_innen haben eine große Lobby in der Politik. Die EU-Bürgerinitiative One of Us sammelte über eine Million Unterschriften für „den Schutz des menschlichen Lebens und der menschlichen Würde von der Empfängnis an“ und erreichte damit, dass die EU-Kommission den Antrag diskutieren muss. Die Initiative will einen Finanzierungsstopp von Aktivitäten bewirken, welche „zur Tötung menschlicher Embryonen führen“. Dahinter stecken Anti-Abtreibungsgruppen, welche u.a. von Vertreter_innen aus Kirche und Politik unterstützt werden. Über 30.000 Stimmen kamen aus Österreich. Brigitte Hornyik, Juristin und Vorstandsmitglied im österreichischen Frauenring, sieht die Ursache für die massive Unterstützung der Initiative vor allem in katholischer Anti-Abtreibungspropaganda. Selbst in Kirchen, so Hornyik, lagen Unterschriftslisten auf (siehe Interview: „Vögeln musst du, aber Geld hast du keines").

Immer noch gibt es Länder wie Polen, Irland oder Liechtenstein, die sehr restriktive Abtreibungsgesetze haben. In Malta, Andorra und San Marino gibt es sogar ein Totalverbot. In Spanien wurde die Fristenlösung erst 2010 von der damaligen sozialdemokratischen Regierung unter José Luis Rodríguez Zapatero eingeführt. Nur vier Jahre später soll sie nun wieder abgeschafft werden. Ob sich die geplante Gesetzesverschärfung abwenden lässt, ist fraglich. Die konservative und männlich dominierte Volkspartei verfügt im Parlament über eine absolute Mehrheit. Ein Abstimmungstermin steht noch nicht fest.

Manu Banu und Dieter Diskovic studieren Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien und engagieren sich bei der Screaming Birds Aktionsgruppe.
 

Sich dem Glück in den Weg stellen

  • 10.03.2014, 23:50

Die feministische Theoretikerin Sara Ahmed spricht im Interview über die Dynamiken affektiver Ökonomien, die rassialisierte Figur des_der Fremden und das ermächtigende Potential feministischer killjoys.

Die feministische Theoretikerin Sara Ahmed spricht im Interview über die Dynamiken affektiver Ökonomien, die rassialisierte Figur des_der Fremden und das ermächtigende Potential feministischer killjoys.

Seit Mitte der 1990er-Jahre lässt sich ein steigendes Interesse an den Themen Emotion und Affekt innerhalb der Geistes- und Sozialwissenschaften beobachten. Während Emotionen zuvor primär der Privatsphäre zugeordnet wurden, rückte nun die Wechselwirkung mit sozialen, politischen und ökonomischen Faktoren in den Vordergrund. Aber der sogenannte affective turn übersieht oft ein wichtiges Vermächtnis: die Arbeiten von queeren, feministischen, postkolonialen und Schwarzen Theoretiker_innen und Aktivist_innen. Sara Ahmed schließt diese Lücken und leistet gleichzeitig durch ihre eigenen Forschungen einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung dieses Themenbereichs. Zurzeit unterrichtet sie an der Goldsmith University (UK) und ist dort Direktorin des Centre for Feminist Research.

progress traf Ahmed während ihres Besuchs in Wien, wo sie im Rahmen des Workshops „Emotionen als Regierungstechnik“ und der „Gender Talks“-Reihe einen Vortrag zu „Diversity Work as Emotional Work“ hielt.

progress: Beschäftigt man sich mit Emotionen, zählen Ihre Publikationen zum Standardrepertoire. Was hat Sie an dem Thema gereizt?

Ahmed: Als ich angefangen habe über die Figur des Fremden – „the body out of place“ – nachzudenken, wollte ich auch meine eigenen Erfahrungen verarbeiten. Ich bin als Person of Colour in einer sehr weißen Nachbar_innenschaft in Australien aufgewachsen. Diese Umstände haben mich zu der Frage geführt, wie Emotionen in sozialen Interaktionen wirken und welche Rolle sie für die Konstruktion von einem „Wir“ spielen. Ein „Wir“, das begrenzt wird durch die Vorstellung, dass bestimmte Körper Quellen der Gefahr oder schlechter Gefühle seien. Meine Arbeit beschäftigt sich also mit der Frage, wie Emotionen auf bestimmte Objekte gerichtet werden. In meinen Untersuchungen zu Rassismus hat mich besonders die Beziehung zwischen der Figur des_der Asylwerber_ in und des_der potentiellen Terrorist_in interessiert. Und die Frage, wie diese Figuren „zusammengeklebt“ werden.

Sie verwenden den Begriff „affektive Ökonomien“, um diese Beziehungen und ihre Zirkulation in Gemeinschaften zu beschreiben.

Ja. Das ökonomische Vokabular erleichtert es, diese Bewegungen zu verstehen. Man kann sehen, wie verschiedene Emotionen als Technologien angewendet werden, um Menschen zu regieren. Im australischen Kontext ist das Gefühl der Scham sehr interessant, denn sich gegenüber der indigenen Bevölkerung für die Vergangenheit zu schämen, erzeugt ein neues nationales „Wir“. Diese Emotion wird so „performed“, als sei die Geschichte schon überwunden. Sie verdeckt eine Wunde, die aber bis heute präsent ist.

Eine von Europas Figuren des Fremden ist der Flüchtling. Wie beurteilen Sie die Diskussionen rund um den Tod so vieler Refugees im Mittelmeer, zum Beispiel im Kontext des tragischen Bootsunglücks vor Lampedusa im Oktober 2013?

Ich finde Judith Butlers Arbeiten hier sehr hilfreich. In ihrem Buch „Gefährdetes Leben“ fragt sie danach, was ein Leben „grievable“ – also betrauerbar – macht, welche menschlichen Verluste betrauert werden und welche vom politischen Horizont verschwinden. Das bleibt eine der dringendsten politischen Fragen. Aktivismus spielt hiereine wichtige Rolle, denn er macht diese Verluste sichtbar und stellt gleichzeitig die Art und Weise in Frage, wie der nationale Körper imaginiert wird. Im britischen Kontext steht das Thema Anti-Immigration momentan in engem Zusammenhang mit David Camerons „muscular liberalism“. Dieser Begriff geht von der Notwendigkeit körperlicher Stärke aus, um sich der Bedrohung durch die „Anderen“ entgegenstellen zu können. Und das hängt eindeutig mit der vermehrten Praxis der Inhaftierung von Flüchtlingen und der Ablehnung von Trauer zusammen.

Manche Wissenschaftler_innen und Aktivist_innen argumentieren, es habe in Bezug auf Themen wie Armut und Flucht eine Verschiebung von einem Menschenrechtsdiskurs hin zu einem emotionaleren Diskurs gegeben, der von Konzepten der Wohltätigkeit und des Humanitarismus geprägt ist. Würden Sie dem zustimmen?

Es lässt sich sicher argumentieren, dass es eine solche Verschiebung gibt. Wir brauchen dringend postkoloniale Kritiken von Wohltätigkeit und Humanitarismus. Die Idee der Wohltätigkeit ist sehr komplex. Sie kann bestehende soziale und ökonomische Beziehungen reproduzieren, weil der Akt des Gebens auf Großzügigkeit beruht. Das verschleiert oft die Geschichte des Diebstahls, der es manchen Personen überhaupt erst ermöglicht zu geben. Aber es gibt auch sehr viele Probleme in Bezug auf den Menschenrechtsdiskurs. Man müsste sich die Geschichte der Gewalt anschauen, die seine spezifischen Konzepte der Freiheit und des Individuums geschaffen hat. Das müssen wir im Rahmen einer Kritik des globalen Kapitalismus denken. Wenn wir also eine Verschiebung zu einem humanitären oder wohltätigen Modell identifizieren, sollten wir den Menschenrechtsdiskurs nicht nostalgisch glorifizieren.

Seit August 2013 betreiben Sie den Blog „Feminist Killjoys – Killing joy as a world making project“. Wie lässt sich dieser Titel verstehen?

Als ich anfing mein Buch über Glück zu schreiben, fiel mir auf, dass Glück immer als etwas Gutes imaginiert wird. Wenn man aber auf die Geschich te des Feminismus zurückblickt, zum Beispiel auf die Arbeiten von Simone de Beauvoir, Shulamith Firestone oder Audre Lorde, findet sich oft eine sehr starke Kritik an dieser Idee. Das habe ich als die „unglücklichen Archive des Feminismus“ bezeichnet. Die Figur des feminist killjoy sehe ich als Teil davon. Ich trage sie schon mein Leben lang mit mir herum. Ich bin häufig mit meiner Familie um den Esstisch gesessen und war dabei immer diejenige, die auf problematische Aussagen hingewiesen hat und dadurch selbst zum Problem wurde. Das war sehr anstrengend. Aber ich habe verstanden, dass es in solchen Situationen darum geht, dass sich jemand scheinbar dem Glück in den Weg stellt, in diesem Fall in Bezug auf die Familie, die sich als glücklich imaginiert. Und diese Zuschreibung der Rolle als killjoy ist eine klare Zurückweisung. Es ist also meist eine recht schmerzvolle Erfahrung. Aber viele Personen haben sich zu dieser Figur hingezogen gefühlt. Alle schienen eine killjoy-Geschichte zu haben. Das hat mir gezeigt, wie eine Figur, in der sich so viel Verletzung verdichtet, auch ein Ort des Potentials sein kann.

Sie sprechen von einer allgemeinen Hinwendung zum Glück auf gesellschaftlicher Ebene – Therapien und der Selbsthilfediskurs sind im Aufstieg begriffen, die Feel-good-Industrie wächst und wächst. Nichtsdestotrotz treten Sie für das Recht ein, unglücklich zu sein. Was meinen Sie mit dieser provokanten Forderung?
Ich folge hier einer langen feministischen Tradition. Meine Lieblingskritik am Glück sind Audre Lordes autobiografische „Cancer Journals“, das ist ein sehr starkes Buch. Lorde kritisiert die Betonung des positiven Denkens, quasi die Pflicht des_der Kranken, auf die heitere Seite zu schauen. Sie sieht das als Technik, die Ungleichheiten verdeckt, weil die Menschen für ihre Lebensumstände selbst verantwortlich gemacht werden. Das ist ein sehr moralisierender Diskurs, der bestimmte soziale Normen als Voraussetzung für ein gutes Leben definiert. Ein Sprechakt, der mich immer sehr interessiert hat, war der Ausspruch: „Ich will ja nur, dass du glücklich bist.“ Früher hörte ich das oft, meist wenn ich etwas gemacht hatte, was meinen Eltern nicht gefallen hat. Diese Idee, dass man den Weg verlässt, der einen zum Glück führen würde, findet sich überall in der queeren Literatur. Die Figur der unglücklichen queeren Person wurde daher sehr wichtig für mich. Wenn ich also von der Freiheit zum Unglücklichsein spreche, meine ich die Freiheit, nicht den vorgeschrieben Weg zu gehen.

Allen Warnungen zum Trotz haben Sie den queerfeministischen Weg gewählt. Von einer emotionalen Perspektive aus betrachtet, welche Gefühle haben Sie zum Feminismus bewogen?

Was mich bewegt hat, war sicher ein Gefühl der Ungerechtigkeit und der Wut, aber eine Wut, die auch eine Richtung hatte – denn wenn Wut keine Richtung hat, wird sie oft zu Frustration und das kann sehr entmächtigend sein. Auch das habe ich vor allem aus Audre Lordes Arbeiten gelernt; sie ist meine größte Inspiration. Aber es gab auch ein Wundern, eine Neugier sowie die Hoffnung, dass es Alternativen gibt. Einen großen Teil meiner positiven feministischen Energie habe ich von der pakistanischen Seite meiner Familie. Meine Tanten, die während der Teilung Indiens aufwuchsen, haben mein Verständnis von Feminismus als Selbstbestimmung sehr geprägt. Damit verbinde ich sehr viele positive Gefühle.

Nächstes Jahr erscheinen einige Monographien von Ihnen. Welche Themen beschäftigen Sie in letzter Zeit?

Jedes Buch ist eine Art Sprungbrett zum nächsten. „Willful Subjects“, das gerade in Druck ist, ist aus „The Promise of Happiness“ entstanden. Mich hat hier die Frage beschäftigt, wie Weiblichkeit mit dem Aufgeben von Willen verbunden wird. Mich interessiert daran auch die Vorstellung von Eigensinn als Problem, als Ursache dafür unglücklich zu sein. Außerdem arbeite ich an einem weiteren Projekt über die Geschichte des Konzepts des Nutzens. Was bedeutet es, wenn Nutzen eine Anforderung wird, zum Beispiel im Kontext von citizenship? Vor allem in der britischen Geschichte von citizenship gibt es einen sehr starken Diskurs über Arbeitsfähigkeit. Bürger_innen sollen eine angemessene Beschäftigung haben. Mein drittes Projekt – „Living a feminist life“ – wird auf ein größeres Publikum ausgerichtet sein. Ich möchte dafür einige Texte zu Sexismus, lesbischem Feminismus, killjoys und Eigensinn überarbeiten und in diesem Buch primär auf Alltagssituationen und Erfahrungen aufbauen. Obwohl ich die Philosophie liebe, erkenne ich an, dass sich nicht alle in ihr zuhause fühlen. Es sind also einige Projekte im Entstehen, das Schreiben belebt mich – es gibt mir Kraft gegen die Reproduktion von Machtstrukturen anzukämpfen.

Veronika Siegl hat in Wien Kultur- und Sozialanthropologie sowie Internationale Entwicklung studiert und ist Redakteurin von „PARADIGMATA. Zeitschrift fürMenschen und Diskurse“.

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