The XX – „I See You“

  • 11.05.2017, 09:00
Katja und Marie Luise haben sich The XXs "I see you" angehört.

Katja: Bei der Vorabsingle „On Hold“ musste ich mich doch sehr wundern, in welche Richtung sich The XX bewegen. Der Song klang extrem aufgesetzt nach 80er-Jahre-Synthieschnulze, vor allem durch das Vocalsample von Hall & Oates von „I Can’t Go For That (No Can Do)“ im Refrain, das mich extrem nervte. Auch inhaltlich bot der Track keinerlei Reiz, ganz im Gegenteil (ein Lovesong, der davon handelt, dass man dachte, man hätte jemanden „on hold“ – cringeworthy!). Doch zum Glück war „On Hold“ wirklich ein totaler Ausreißer und der Rest des Albums überzeugt mühelos. Die Kernkompetenz von The XX liegt einerseits im melancholischen, perfekt arrangierten Zweigesang zwischen Romy und Oliver und andererseits in den langsamen, minimalistischen Schleppbeats von Jamie. Von beidem gibt es auf dem Album mehr als genug. Ganz besonders „Say Something Loving“ hat es mir angetan. Dieses sehnsüchtige Duett zwischen zwei Liebenden, die nostalgisch in die Vergangenheit schauen und einen Funken Liebe einfordern, ist herzzerreißend schön. Die entschleunigten Sounds von The XX kann ich mir täglich anhören und es wird nicht langweilig.

Marie Luise: Mir fällt es beim Hören schwer, festzumachen, was das Neue auf „I See You“ von The XX ist. Es hat sich etwas verändert, soviel ist klar. Die Stimmung bleibt, aber musikalisch scheint vieles reicher geworden zu sein. The XX sind immer schon durch Ruhe und sensible Gefühlstexte aufgefallen. Wörter, die in einer Rezension in Kombination mit The XX aufzählbar sind: Elektronik, Soundscapes, Beatarchitektur, Stimmungen, Musikräume, Flächen. Auf ihren vorherigen Alben haben sie ihre Arrangements so gewählt, dass die Lieder live auf Bass, Gitarre und programmierter Drummachine zu spielen waren. Dieses Mal hatte der Produzent der Band, Jamie XX, der 2015 sein erstes Soloalbum („In Colour“) herausgebracht hat, viel mehr Freiheiten, an den Beats, den hier und dort unauffällig eingespielten elektronischen Strings und den Bläsern zu feilen. In den Liedern ist ein größeres Spektrum an Varianten dazugekommen, produktionstechnisch, aber auch im Gesang. Sie sind so ernst dabei, über die großen Gefühle zu singen, wie es auch Teenager sind. So ernst, wie die großen Gefühle sich auch anfühlen, wenn man verliebt ist. The XX zu hören ist schön. Es geht einem ein bisschen das Herz auf und man kann dazu großartig schmusen. Tanzen vielleicht weniger.

Katja Krüger-Schöller studiert Gender Studies an der Universität Wien, nur dieses Semester nicht.Marie Luise Lehner studiert
Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst und Drehbuch an der Filmakademie Wien.

AutorInnen: Katja Krüger, Marie-Luise Lehner