Erschreckend und bizarr

  • 04.05.2013, 20:00

Man möchte es so schnell wie möglich weglegen. Der Bann, in den einen Kubans investigative Journale über die deutschsprachige Rechts-Rock-Szene ziehen, entspricht einer dualen Faszination.

Rezension.

Man möchte es so schnell wie möglich weglegen. Der Bann, in den einen Kubans investigative Journale über die deutschsprachige Rechts-Rock-Szene ziehen, entspricht einer dualen Faszination: Einerseits ist da die morbide Schaulust angesichts einer Gesellschaft, die so fremd und zugleich nah erscheint, und andererseits ist da das Erschrecken über die politische und soziale Vernachlässigung des – ohne Zweifel abscheulichen – Themas. Beides zwingt einen zum Weiterlesen. Ähnliche Diskrepanz muss Thomas Kuban gefühlt haben, als er Jahre seines Privatlebens geopfert und seine finanzielle Existenzgrundlage aufs Spiel gesetzt hat, um die musikalisch motivierte Neonazi-Szene zu unterwandern. Das Bild, das sich dem wagemutigen Journalisten dabei bot, war erschreckend und oft bizarr. Die Organisatoren der Nazi-Konzerte bewegen sich jenseits unserer scheinbar sicheren gesellschaftlichen Normen. Sie wirken über „politisch nicht motivierte“ Veranstaltungen der NDP bis in die Wohnzimmer konservativer Weltanschauungen hinein, stets mit dem Ziel, ihre menschenverachtenden Ideologien gängig zu machen. Die Vorgehensweise ist dabei oft konspirativ: Flugzettel als Wegweiser, Autobahnraststätten als Treffpunkte, geheime Telefonnummern etc. Der Weg des Reporters zu den Hasskonzerten hat dabei den Touch einer Schnitzeljagd, die bis hin zu Organisationen wie der NSU führt. Blut muss fließen, ist nicht zuletzt aufgrund der erschreckenden Szenarien während der Konzerte, sondern auch wegen des allgemeinen öffentlichen und medialen Desinteresses, auf das Kuban während seiner Recherchen stieß, überaus beklemmend.

Thomas Kuban, Blut muss fließen: Undercover unter Nazis, Campus Verlag: 2012, 317 S., EUR 19,99.

Federico Grössing studiert Vergleichende Literaturwissenschaften in Wien.

Link: Das Geschäft mit dem Rechtsrock