Die eigenen Verbrechen ausstellen, Ausstellungs-Rezension

  • 18.07.2018, 12:35

Die Sonderausstellung „Die Wiener Medizinische Fakultät 1938 bis 1945“ im Josephinum, der Sammlung der Medizinischen Universität Wien direkt hinter dem Campus, sollte man sich nicht entgehen lassen. In nur eineinhalb Räumen schaffen es die Kuratoren Herwig Czech und Niko Wahl in aller Kürze – aber dennoch repräsentativ – auf unterschiedlichste Bereiche der Medizin vor, während und nach der NS-Zeit einzugehen. Von der „Volksgesundheit“, über die Diskriminierung und Verfolgung von jüdischen Student_innen, die Militarisierung der Medizin und dem Berufsverbot für jüdische Ärzt_innen wird ein weiter Bogen gespannt, der bis zur heutigen Zeit reicht. Auch aktuelle und noch offene Fragen, wie etwa der Umgang mit dem Geschehenen, werden angesprochen. Besonders positiv hervorzuheben ist es, dass die Ausstellung umfangreich auf die Karrieren der Täter_innen nach 1945 eingeht, die unter anderem auf dem Mangel an Mediziner_innen aufbauten, der durch Vertreibung und Ermordung geschaffen worden war. Die Auswahl der gezeigten Objekte ist bemerkenswert: Statt mit plakativen Zeugnissen der Gräueltaten, die unter dem Deckmantel der Medizin in der Zeit des Nationalsozialismus begangen wurden, und die man in einer solchen Ausstellung vermuten mag, werden Dinge gezeigt, die deutlich differenzierter – aber keinesfalls weniger deutlich – an die Thematik heranführen. Nicht nur deshalb ist es erfreulich, dass die Ausstellung nach den geplanten Renovierungsarbeiten 2019/20 als permanente Ausstellung erhalten bleiben soll. Die Texte und Objektbeschreibungen fallen knapp aus, was den Besuch in einer ein- bis zweistündigen Pause zwischen zwei Lehrveranstaltungen ermöglicht. Im Eintrittspreis enthalten ist auch der Zugang zur Sammlung anatomischer Wachsmodelle aus dem 18. Jahrhundert, die man sich alleine schon aufgrund der Stimmung in den Sälen und der Vitrinen aus Rosenholz und venezianischem Glas kurz ansehen sollte.

Die Wiener Medizinische Fakultät 1938 bis 1945, noch bis zum 6. Oktober 2018 im Josephinum (Währinger Straße 25, 1090 Wien) Mi. 16 – 20 Uhr, Fr. und Sa. 10 – 18 Uhr Eintritt (nur Barzahlung): 8 Euro, ermäßigt für Student_ innen (bis 26) 5 Euro

Andrea Berger studiert Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und Zeitgeschichte und Medien an der Universität Wien.

AutorInnen: Andrea Berger