Der akademische Adel

  • 13.07.2012, 18:18

Das Elternhaus spielt eine entscheidende Rolle dafür, wer ein Hochschulstudium absolvieren kann. Bildungsstand und ökonomische Situation der Eltern beeinflussen uns alle weit mehr, als wir uns das oft eingestehen wollen.

Das Elternhaus spielt eine entscheidende Rolle dafür, wer ein Hochschulstudium absolvieren kann. Bildungsstand und ökonomische Situation der Eltern beeinflussen uns alle weit mehr, als wir uns das oft eingestehen wollen.

Deine Eltern haben keinen akademischen Abschluss? Pech gehabt. Noch immer bestimmt in Österreich die soziale Herkunft der Eltern entscheidend über den Bildungsgrad ihrer Kinder. So besuchen mehr als achtzig Prozent der AkademikerInnenkinder das Gymnasium, aber nur jedes zehnte Kind von Eltern mit einem Pflichtschulabschluss. Die aktuellste Studierenden- Sozialerhebung des Wissenschaftsministeriums untersuchte die soziale Herkunft von Erstsemestern auf der Hochschule. Fast die Hälfte hatte einen Elternteil mit Matura, ein Fünftel kommt aus einem AkademikerInnenhaushalt (berücksichtigt wurde der Bildungsstand des Vaters). Vor allem an Universitäten sind überproportional wenige Studierende aus bildungsfernen Schichten zu finden.

Stadt-Land-Gefälle. Besonders signifikant ist der Unterschied bei jungen Frauen. Eine AkademikerInnen- Tochter, die in der Stadt aufgewachsen ist, wird mit einer Wahrscheinlichkeit von über sechzig Prozent einen Hochschulabschluss erhalten. Umgekehrt schließen nur zwei von hundert Mädchen vom Land, deren Eltern lediglich eine Pflichtschule beendet haben, ein Studium ab. Daraus lässt sich schließen, dass soziale Selektion eben nicht erst auf der Universität beginnt, sondern bereits in frühen Kinderjahren. Und dass Schulerfolg bei weitem nicht nur von Intelligenz und Fleiß abhängt, sondern auch vom Bildungsbewusstsein der Eltern, von Sprachkenntnissen, der finanziellen Situation der Familie oder vielleicht auch nur von einem eigenen ungestörten Raum zum Lernen. Oft sind es überhaupt die „weichen“ Faktoren, die am Ende den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg in der Schule ausmachen. Wird „Kopfarbeit“ von meinem Umfeld als anstrengende Arbeit akzeptiert? Überblicken meine Eltern meinen Schulstoff, um ihn mit mir zu Hause zu wiederholen? Widersprechen sie mir, wenn ich aus einer Laune heraus beschließe, die Schule abzubrechen? Oder sind sie froh, wenn ich möglichst früh mein eigenes Geld verdiene?

Schule als Ausgleich. Ein Raum, in dem diese Ungleichheiten ausgeglichen werden könnten, wäre die Schule. In Österreich passiert zur Zeit aber das Gegenteil: soziale Ungleichheit wird in der Schule verfestigt. Österreichs SchülerInnen werden bereits im Alter von zehn Jahren aufgeteilt zwischen Hauptschule und Gymnasium. Eine Differenzierung, die in Europa beinahe einzigartig ist. Barabara Ischinger, Bildungsdirektorin der OECD, sagte zu einer österreichischen Tageszeitung: „Unsere Studien, aber auch die von fast allen anderen Fachleuten kommen zu dem Schluss, dass diese frühe Trennung soziale Ungleichheit zementiert und dabei keine besseren Ergebnisse produziert.“ Niemand könne zuverlässig über Talent und Potential eines zehnjährigen Kindes urteilen. Diese Bildungspolitik führt dazu, dass Österreich derzeit mit einer AkademikerInnenquote von 18 Prozent noch neun Prozentpunkte unter dem Schnitt der OECD-Länder liegt. Noch schlechter sieht es mit den Zahlen bei jenen aus, die ihr Studium auch abschließen. Laut der aktuellen OECD-Studie „Education at a Glance“ erwerben in Österreich nur knapp zwanzig Prozent eines Jahrgangs einen akademischen Abschluss. Damit liegt Österreich unter den 24 verglichenen Ländern auf Platz 22, nur Slowenien und Griechenland haben noch schlechtere Abschlussraten. Warum beenden so viele Studierende ihr Studium nicht? Die aktuellste Studierenden-Sozialerhebung legt eine Antwort nahe. Auf die Frage, was den Studienerfolg behindere, nannten die Meisten, sie könnten ihr Studium nicht mit ihrem Job vereinbaren. Und die erwerbstätigen StudentInnen stellen in Österreich keine Minderheit dar. Sechzig Prozent arbeiten neben dem Studium, vierzig Prozent davon während des gesamten Semesters. Ein Großteil der Befragten gab als Grund dafür finanzielle Schwierigkeiten an, nur wenigen ging es darum, Berufspraxis zu sammeln.

Zusammenfassend kann gesagt werden: Studierende aus finanziell schlecht gestellten Familien werden in Österreich von der Volksschule bis zum Studienabschluss strukturell benachteiligt. Dass Menschen aus einkommensschwächeren Schichten im Durchschnitt nur eine niedrigere Bildung erhalten, ist kein Naturgesetz – sondern zu einem gewichtigen Teil eine politische Entscheidung. Laut „Education at a Glance“ bringen AkademikerInnen dem Staat Österreich durch Steuern und weniger Ausgaben im Gesundheitssystem rund 40.000 Dollar mehr, als sie ihn kosten. Alleine das sollte eigentlich Anreiz genug sein, den Zugang zum Studium nicht zu beschränken – sondern auszuweiten.

 

AutorInnen: Kathi Wilding