Wohnsituation

Eigentumswohnungen

  • 20.06.2017, 20:14
Während manche Studierende über 50 Prozent ihres Budgets für die Miete aufbringen, leben Studierende aus „gutem Hause“ in Eigentumswohnungen. Das wirkt sich nicht nur auf den Geldbeutel aus.

Während manche Studierende über 50 Prozent ihres Budgets für die Miete aufbringen, leben Studierende aus „gutem Hause“ in Eigentumswohnungen. Das wirkt sich nicht nur auf den Geldbeutel aus.

Räumen wir gleich einmal zu Beginn mit einem Mythos auf: Student*innen sind nicht arm! Sie tun so, die meisten inszenieren sich so, aber sie sind es nicht! Die größte Gruppe der Studierenden (52 Prozent) sind laut Studierendensozialerhebung 2015 Teil der gehobenen oder hohen Schicht! Ihre Eltern haben großteils Universitätsabschlüsse und höhere Einkommen als der Durchschnitt.

Der Mythos, dass Studierende am Hungertuch nagen und kaum über finanzielle Mittel verfügen, mag mit halblustigen Sprüchen wie „Warum ist am Ende des Geldes noch so viel Monat übrig?“ zusammenhängen. Aber was Pulp in den 90er Jahren sangen, „if you called your dady he could stop it all, yeah“, trifft heute noch auf die meisten Student*innen zu. Ihre Armut ist eine eingebildete, oder zumindest eine vorübergehende. Kann die Miete nicht gezahlt werden, kommt es im Studifall wohl in den seltensten Fällen zur Delogierung, sondern in den meisten Fällen hilft ein Anruf bei den Eltern, dass das für die Miete überwiesene Geld für den neuen Herschel-Rucksack und Fusion-Tickets draufgegangen sei, und man nun ein bisschen „Vorschuss“ brauche. Gleichzeitig gefällt man sich in der Rolle des armen „Bettelstudenten“ und fraternisiert mit den tatsächlich ärmeren Student*innen, die das System trotz sozial gestaffeltem Bildungssystem und Zugangsbeschränkungen nicht davon abhalten konnte, zu studieren. Alle studieren, alle haben irgendwie die gleichen Probleme und man nimmt nur zu leicht an, dass auch alle irgendwie arm sind. Schließlich meint Benjamin-Alexander* auch, dass er kein Geld mehr habe diesen Monat. Und während die ärmsten zehn Prozent der Studierenden laut Studierendensozialerhebung nur 500 Euro im Monat für ihre Grundbedürfnisse haben, und nicht wissen, wie sie ihre Miete zahlen sollen, weiß Benni nicht, ob es diesen Monat noch reicht für den Segeltrip in der Ägäis. Benni hat auch nicht das Problem, 36 Prozent seines Gesamtbudgets für Miete auszugeben. Noch drastischer wird die Situation für Studierende, die unter 700 Euro im Monat zur Verfügung haben. Dort beträgt der Anteil der Miete am Gesamtbudget laut Studierendensozialerhebung über 50 Prozent.

Die Mieten steigen und der Anteil des Einkommens, der dafür draufgeht, wird immer größer. Jene, die es sich leisten können, neigen deshalb eher dazu, die monatliche Kreditrate zu bedienen und sich eine Wohnung zu kaufen. Dann ist man in ein paar Jahren Eigentümer*in und muss nur mehr für die Betriebskosten aufkommen.

In Österreich wohnen 39 Prozent im Eigenheim und 11 Prozent in Eigentumswohnungen, also über die Hälfte der Bevölkerung, wie aus dem Endbericht 2014 der Forschungsgesellschaft für Wohnen, Bauen und Planen hervorgeht. In der Hauptstadt wohnen 13 Prozent in Eigentumswohnungen. Eigentumswohnungen sind kostspielig. In der kleinsten Kategorie (Wohnungen unter 59 m²) schwanken die Preise an den meisten österreichischen Hochschulstandorten zwischen 95.000 und 200.000 Euro. Man braucht also schon einiges an Eigenkapital, um sich auch nur eine kleine Wohnung leisten zu können. Oder man erbt sie. Denn in Österreich werden nicht nur Bildungsabschlüsse vererbt, die Immobilien bekommt man auch noch mit dazu.

Über eine Eigentumswohnung zu verfügen, wirkt sich nicht nur auf den Geldbeutel im Studium aus: Viele Studierende klagen über psychische Probleme und haben Existenzängste. Falls man in einer anderen Stadt studiert und sich nicht auf die monatlichen Geldzuwendungen aus dem Elternhaus verlassen kann, bleibt einem gegebenenfalls nichts anderes übrig, als das Studium abzubrechen, um die Miete zahlen zu können. Der elementare Stress, die Miete nicht zahlen zu können, beherrscht schließlich jeden Aspekt des Lebens. Das Studium leidet unter dem „Nebenjob“, der im Ernstfall zum Haupterwerb wird.

Der Sommer naht und auf Facebook und auf den Wohnungsportalen sprießen die Untermietanzeigen aus dem Boden. „WG-Zimmer für 3 Monate zur Untermiete“. Während kurzfristige Untervermietung für manche bittere Notwendigkeit ist, stellt es für Studierende mit Eigentum kein Problem dar, eine Wohnung für mehrere Monate leerstehen zu lassen. Oder besser: sie trotzdem zu vermieten und so von der Eigentümer*in zur Vermieter*in zu werden. Schließlich lässt sich der Segeltrip in der Ägäis viel leichter finanzieren, wenn man noch ein paar hundert Euro mehr zur Verfügung hat. Vermietet wird dann bisweilen weit über dem Richtwert, man soll ja sein Eigentum auch nicht zu billig zu Markte tragen. Miethöchstzins und reale Mieten liegen ja auch bei anderen Wohnungen weit auseinander, meint Benni. Und so wird man als Student*in schnell zur Marktkenner*in, die nur das Beste aus dem Möglichen macht.

*Bei Menschen mit einem Einkommen unter 1.000 Euro, die Benjamin-Alexander heißen, entschuldige ich mich hiermit für den Klassismus, ihren Namen mit der Oberschicht gleichzusetzen – ich bezweifle allerdings, dass es sie gibt.

Anne-Marie Faisst studiert Internationale Entwicklung an der Universität Wien.

„Das Essen hier ist gut.“

  • 07.11.2013, 15:34

Während die einen nach durchzechten Partynächten in den frühen Morgenstunden in ihre WG-Zimmer torkeln, schleichen die anderen leise zurück in ihre alten Kinderzimmer. Wie ist es eigentlich, wenn man als StudentIn noch bei den Eltern wohnt?

Während die einen nach durchzechten Partynächten in den frühen Morgenstunden in ihre WG-Zimmer torkeln, schleichen die anderen leise zurück in ihre alten Kinderzimmer. Wie ist es eigentlich, wenn man als StudentIn noch bei den Eltern wohnt?

Für viele Studierende ist es selbstverständlich mit dem Ende der Schulzeit und dem Studienbeginn das Elternhaus zu verlassen. Man zieht nicht nur aus, um sich nicht enden wollenden Partynächten ungestört hingeben zu können und den nervigen Kommentaren der Eltern zu entgehen, sondern auch, weil man sich von ihnen abnabeln und die ersten Schritte in die eigene Existenz machen will. Wenn gleichaltrige Studierende noch bei den Eltern wohnen oder zu ihnen zurückzuziehen, kommt das denjenigen, für die das „ganz normal“ ist in einer WG oder einer eigenen Wohnung zu wohnen, eher seltsam vor. Denn schließlich kennt man das nur aus den wirtschaftlich durchrüttelten südeuropäischen Ländern wie Spanien, Italien oder Portugal, aber nicht aus Österreich! Denkt man vielleicht, stimmt aber nicht. Laut einer Studie des Österreichischen Instituts für Familienforschung, die 2011 durchgeführt wurde, wohnen 61% der 20-bis 24-Jährigen und 30% der 25- bis 29-Jährigen noch zuhause bei den Eltern. Knapp ein Drittel der 20-bis 24-Jährigen, die bei den Eltern wohnen, befinden sich noch in Ausbildung. Für die meisten spielen finanzielle Belastungen, wie beispielsweise die in die Höhe schnellenden Mietpreise  eine wichtige Rolle bei der Entscheidung nicht von zuhause auszuziehen oder wieder ins Elternhaus zurückzuziehen. So etwa auch bei Georg* (21), der noch bei seinen Eltern wohnt, und Isabel* (25), die sechs Jahre nach ihrem Auszug für ein paar Monate wieder bei ihren Eltern wohnte. Die beiden berichten, wie sie das Zusammenleben mit den Eltern erleb(t)en.

GEORG. Mit seiner überlegten Art zu Erzählen und seinem festen Händedruck wirkt der 21-Jährige reif für sein Alter. Man würde wahrscheinlich nicht annehmen, dass er noch zuhause bei seinen Eltern wohnt. Georg ist eines von acht Kindern und wohnt mit seinen drei kleinen Brüdern und seinen Eltern in einer Wohnung in Wien. Er studiert im dritten Semester Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der Universität für Bodenkultur. Dass er nicht wie die meisten seiner StudienkollegInnen die Studienzeit in einer eigenen Wohnung oder Wohngemeinschaft verbringt, hat er zu Beginn des Studiums entschieden: „Ich habe so mehr Zeit für die Uni. Wenn man drei Wochen im Labor arbeitet, bleibt oft keine Zeit mehr zum Arbeiten übrig“, erzählt er. Um sich aber das Studium leisten zu können, hätte er das machen müssen, denn Studienbeihilfe bekommt Georg nicht. Die ist sich, wie bei vielen seiner StudienkollegInnen „knapp“ nicht ausgegangen. Zu hoch war das Einkommen des Vaters, das über den Erhalt der Studienbeihilfe letztendlich entscheidend war. Mit seiner Entscheidung zuhause zu bleiben hat Georg zwar viel Zeit für sein Studium gewonnen, dafür muss er aber mit wenig Geld auskommen. Die Familienbeihilfe geht direkt an seine Eltern, die dafür für alle anfälligen Kosten aufkommen. Georg und seine Geschwister bekommen von ihnen ein wenig Taschengeld: „Alles was ich brauche bekomme ich von meinen Eltern. Das ist schon super.“ Auch um das Essen kümmern sie sich. Im, wie Georg betont, „sehr traditionellen“ Haushalt der Familie, kocht die Mutter für die ganze Familie. „Die hat immer Angst, dass wir den Herd versauen“, erzählt er schmunzelnd. „Deswegen darf ich nur kochen wenn die Eltern am Wochenende wegfahren, das finde ich manchmal schon ein bisschen schade.“ Sonst verläuft das Zusammenleben aber sehr harmonisch und vor allem organisiert. „Natürlich muss man sich den Platz mit so vielen Leuten in einer Wohnung gut aufteilen. „Zu sechst kann es manchmal schon eng werden“, meint Georg. Mit seinem 17-jährigen Bruder teilt sich Georg ein Schlaf- und Arbeitszimmer. Aber gerade in den ersten Semestern, die meist von nicht enden wollenden Partynächten begleitet werden, kann es passieren, dass man erst frühmorgens und sturzbetrunken nach Hause kommt und sich dabei in die Quere kommt. Aber auch hier weiß sich Georg zu helfen: „Wenn man um sieben in der Früh nach Hause kommt und nach Suff stinkt, während die kleinen Geschwister gerade in die Schule gehen, ist das natürlich nicht sehr angenehm. Aber dann kommt man halt eine Stunde später heim, um das zu umgehen.“

 

ISABEL. Für die 25-jährige Isabel verlief das gemeinsame Wohnen mit den Eltern hingegen weniger unproblematisch. Die bodenständige Grazerin war während ihres Studiums ins Ausland gegangen, um dort zu arbeiten. Als sie ihr Englisch-Studium in Österreich beenden wollte, kam sie wieder zurück und quartierte sich im Elternhaus ein, um sich  Geld und die anstrengende Wohnungssuche zu ersparen. “Wenn du eine Zeit lang selbstständig gelebt und auch schon dein eigenes Geld verdient hast, dann tust du dir auf einmal schwer wieder zuhause zu wohnen“, erzählt Isabel. “Das war ein bisschen wie wieder in der Pubertät zu sein. Zurück in der Zeit, in der man sich gegenseitig nicht wirklich versteht und manchmal auch ordentlich hasst, weil man nicht mehr aneinander gewöhnt ist und sich jeder auf seine Art und Weise weiterentwickelt hat.“ Man verliere jegliche Privatsphäre und auch das, gerade für die Studienzeit so wichtige, Freiheitsgefühl, meint Isabel, die sich in ihrer Freizeit oft mit ihren FreundInnen trifft und sich außerdem politisch engagiert.  „Sehr viel wird plötzlich kommentiert. Was man in seiner Freizeit macht, der Kleidungsstil oder auch die Essgewohnheiten. Etwa wenn im Kühlschrank 'zu teure' Produkte stehen. Oder wenn du dich mit wem triffst. Vor allem, wenn du vier Mal die Woche mit Freunden auf einen Wein gehst”, erzählt die 25-Jährige über den schwierigen Alltag mit ihren Eltern.
 

Diese Kommentare kennt auch Georg – immerhin haben seine Eltern das selbe Fach wie er auf der Boku studiert: „Da bekommt man manchmal schon etwas zu hören Aber es sind ja seit ihrem Studium fast 30 Jahre vergangen, da hat sich viel auf der Uni verändert. Natürlich nerven diese Ratschläge manchmal, aber sie sind eigentlich nur gut gemeint.“ Ausziehen möchte Georg deswegen nicht, denn mit seiner Situation ist er eigentlich „ziemlich zufrieden.“ Zwar meint Georg, dass es interessant wäre in einer Wohngemeinschaft zu wohnen, doch das das Gefühl etwas zu verpassen hat er nicht, und für WGs ist ja auch nach dem Studium noch Zeit: „Ich bleibe sicher noch bis zum Ende vom Bachelorstudium, wahrscheinlich sogar bis zum Masterabschluss zuhause wohnen. Dann kann ich noch länger das gute Essen hier genießen“.

Dass das Wohnen im Elternhaus mit einem gewissen Komfort verbunden ist, weiß auch Isabel zu berichten: „Wenn dein Gewand nicht mehr schön genug für die Eltern aussieht, dann spendieren sie dir auch mal ein paar neue Sachen, damit sie sich nicht schämen müssen“, erzählt sie. „Dass die Wäsche gewaschen wird, ist wahrscheinlich der größte Komfort überhaupt.“ Trotzdem hat sie nach drei Monaten die Flucht ergriffen und wohnt mittlerweile wieder im Ausland. Auf die Frage, ob sie es eigentlich komisch findet, wenn man in ihrem Alter noch zuhause wohnt, schüttelt sie den Kopf. „Das ist doch ganz normal“,  sagt sie. Viele ihrer FreundInnen würden zuhause wohnen. „Es ist mir aber ein Rätsel, wie diese es dort aushalten.“, fügt Isabel lachend zu hinzu. 

 

Text: Simone Grössing, Interviews: Margot Landl, Simone Grössing

*Namen von der Redaktion geändert