WKR-Ball

Unseren Bass den könnt ihr haben

  • 13.01.2016, 21:51

Seit fünf Jahren gibt es nicht nur Demos und Blockaden gegen den Akademikerball der FPÖ (ehemals WKR-Ball), sondern auch einen Gegenball. Wir haben mit dem „Ballkommitee” des WTF?!-Ball über politische Partys, Barrierefreiheit und Mitternachtseinlagen gesprochen.

Seit fünf Jahren gibt es nicht nur Demos und Blockaden gegen den Akademikerball der FPÖ (ehemals WKR-Ball), sondern auch einen Gegenball. Wir haben mit dem „Ballkommitee” des WTF?!-Ball über politische Partys, Barrierefreiheit und Mitternachtseinlagen gesprochen.

progress: Am 15.1. findet der WTF-Ball zum 5. Mal statt. Wie kam es vor fünf Jahren zum ersten WTF-Ball?

WTF-Ballkomitee: Vor 5 Jahren gab es von einigen Personen aus dem Umfeld des backlab-Kollektivs und einigen weiteren die Idee, die Proteste gegen den damaligen WKR-Ball um eine Facette zu erweitern und eine Art Gegenball zu machen, der Protest, Demoaufruf und gleichzeitig Party sein sollte. Natürlich wollten wir uns aber nicht in die Reihe der „normalen” Bälle einordnen, sondern das Konzept eines Balles auch gewissermaßen persiflieren. Außerdem war es uns wichtig, mit dem Ball Zeichen gegen jene Dinge zu setzen, die den WKR-Ball und jetzt den Akademikerball auszeichnen, also entschieden gegen Antisemitismus, Rassismus, Sexismus und Homophobie aufzutreten.
 

Wie ist das Team hinter dem Ball organisiert? Ist es „nur" eine weitere Party vom backlab-Kollektivs oder ist das Organisationsteam größer?
Das „Ballkommitee” hat sich über die Jahre hinweg etwas verändert. Im Kern gibt es immer noch Menschen, die auch bei backlab engagiert sind. Das war aber nicht vorrangig für das Entstehen des Orga-Teams: Es handelte sich vorrangig um das Umfeld der früheren discolab-Party, die sich immer als Event mit politischem Anspruch verstanden hat. Über die Jahre kamen interessierte Freund_innen und Genoss_innen dazu. Das Künstler_innenkollektiv backlab, welches ja ursprünglich auch aus Oberösterreich stammt, veranstaltet heuer zudem erstmals  den WurstvomHund-Ball, der als Gegenball zum Linzer Burschenbundball konzipiert ist und am 6. Februar in Linz stattfindet.


Wie wählt ihr die Künstler_innen aus, die am WTF-Ball auftreten? Was ist euch dabei wichtig?
Wir versuchen einerseits immer einen Mainact zu haben, der_die in das politische Konzept des WTF?!-Balls passt und auch einen gewissen Bekanntheitsgrad mit sich bringt. Wichtig ist auch, dass sich die Kosten der Acts in Grenzen halten und durch solidarische Auftritte der Spendenbetrag größer wird. Wir bemühen uns auch so gut es geht, nicht nur Männer als Mainacts zu haben. Das ist uns in den meisten Jahren geglückt. Auch heuer gibt es in der Fluc Wanne keinen Slot ohne mindestens eine Frau.


Viele Partys sind nicht für alle zugänglich, weil an Barrierefreiheit oder an Awarenessteams nicht gedacht wird. Wie geht ihr mit diesen Themen um?
In den ersten beiden Jahre des WTF?!-Balls mussten wir organisatorisch noch einiges lernen und schafften es noch nicht ausreichend Engagement in Barrierefreiheit und Awareness zu setzen. Seit wir im Fluc sind und auch schon etwas Routine bekommen haben, haben wir uns verstärkt auf diese Themen konzentriert. Das Fluc selbst ist überwiegend barrierefrei. Bezüglich der Awareness haben wir uns dafür entschieden, das Thema auf dem gesamten Ball präsent zu haben. Schon beim Eintritt bekommen alle Besucher_innen einen Flyer und eine kleine „Ballspende”, die sie auf die Thematik aufmerksam machen sollen. Außerdem haben wir über die gesamte Zeit der Veranstaltung an der unteren Kassa eine zusätzliche Person aus dem Orga-Team als Ansprechperson, auf die auch auf dem Flyer verwiesen wird. Die Ansprechperson hat die Aufgabe, im Fall von Übergriffen oder Grenzüberschreitungen gemeinsam mit den Securities vom Fluc einen Rauswurf zu veranlassen, wenn die belästigte Person dies wünscht. Darüber hinaus gibt es an vielen Orten im Fluc Plakate, die noch einmal auf die “no means no”-Policy und die Vorgehensweise hinweisen. Wir freuen uns außerdem sehr, dass das Fluc seit einem Jahr auch abseits des WTF-Balls bemüht ist, eine „no means no”-Policy umzusetzen.


 

Wie sorgt ihr dafür, dass sich am WTF-Ball alle sicher fühlen können?
Die genannten Maßnahmen sind der Beitrag den wir leisten können, um den Ball für alle Besucher_innen so angenehm und sicher wie möglich zu gestalten. Wir sind uns aber bewusst, dass wir es mit unserem Konzept nicht schaffen werden, den Ball als Gesamtes zum einem „Safe-Space” zu machen. Es ist uns wichtig von vornherein eine eindeutige Botschaft auszusenden, dass Übergriffe, Belästigung und Gewalt auf unserem Ball nichts verloren haben. Wir hoffen und vertrauen darauf, dass diese Botschaft auch bei den Besucher_innen ankommt und dass es, falls es doch zu Problemen kommen sollte, diese schnell an uns herangetragen werden, damit wir reagieren können.

 

Der Reinerlös des Balls geht heuer an die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung Wien und die QueerBase. Warum?
Diese beiden Organisationen unterstützen jene Menschen, die unter der Hetze der Besucher_innen des Akademikerballs am meisten zu leiden haben. Wir kennen und schätzen die Arbeit beider Organisationen und es ist uns ein Anliegen, sie mit dem Reinerlös des Balls zu unterstützen. Wir spenden generell vorwiegend an Organisationen, die kritsche und/oder emanzipatorische Unterstützung für Geflüchtete und Flüchtende anbieten. Die meisten davon sind auf private Spenden angewiesen.

 

Von der Party zur Politik: Seit letztem Jahr gibt es neben dem Akademikerball der FPÖ auch den „Wiener Ball der Wissenschaften". Letzterer ist eine Reaktion auf den Akademikerball. Seht ihr darin einen weiteren Gegenball?
Der “Wiener Ball der Wissenschaften” ist eher nicht als Gegenball einzuschätzen. Viel mehr ist er eine Reaktion, in der es darum geht sich den Ball als bürgerliches Konzept nicht wegnehmen zu lassen und auch das Wort „Akademiker” im Kontext eines Balles nicht der FPÖ zu überlassen. Gleichzeitig ist es vorstellbar, dass es Besucher_innen gibt, die sich auf beiden Bällen wohl fühlen. Immerhin reproduziert der Wissenschaftsball auch klassische Geschlechterrollen und ein gewisses Elitendenken. Für den WTF?!-Ball können wir ausschließen, dass sich FPÖler_innen und Burschenschafter wohlfühlen.Dafür sollen sich bei uns alle wohl fühlen, die sich nicht in irgendwelche Rollen oder Konzepte zwängen lassen.

 

Der Akademikerball wird, so heißt es zumindest, in der rechten Szene weniger wichtig. Das Bündnis NOWKR hat sich – unter anderem deswegen – 2015 aufgelöst. Könnt ihr euch vorstellen, dass sich der Fokus des WTF-Balls verschiebt?
Sollten sich die Proteste gegen den Akademikerball gänzlich auflösen, würde der WTF?!-Ball in seiner derzeitigen Form nicht mehr funktionieren. Der WTF?!-Ball soll eben nicht nur eine Party sein, sondern auch Protest und Mobilisierung zu Protesten, weswegen wir auch immer den Organisationen, die zu Demonstrationen und Blockaden gegen den Akademikerball aufrufen, anbieten, mit einem Infostand am Ball vertreten zu sein. Unserer Einschätzung nach ist es nach wie vor notwendig, gegen diesen Ball zu protestieren und so lange es größere organisierte Proteste gibt, macht auch der WTF?-Ball Sinn.

 

Wie viel kann eine Party wie der WTF-Ball in der Szene, der Gesellschaft verändern und bewirken? Was sind eure Erfahrungen aus den letzten fünf Jahren?
Indem wir immer wieder Mainacts und sonstige Künstler_innen haben, die auch abseits des politischen Kontextes Menschen anziehen, denken wir, dass wir es sehr gut schaffen, mit dem WTF?!-Ball auch Menschen zu mobilisieren, die ansonsten keinen direkten Zugang zu den Protesten gegen den Akademikerball haben. Natürlich ist es für uns schwer nachvollziehbar, wie viele Menschen wir tatsächlich mobilisieren, aber eine gewisse Medienöffentlichkeit und die Verbreitung über Social Media tragen gewiss einen Teil zur Wirksamkeit bei. Auch die Wahl unserer Locations und Acts soll vor allem Menschen abseits der Politszene und junge Leute ansprechen, sich als Teil einer Gegenöffentlichkeit zu verstehen und ein niederschwelliger Einstieg ist nun einmal das gemeinsame Feiern.

 

Für alle, die noch nie auf einem Ball waren: WTF ist eine Mitternachtseinlage und warum lässt ihr da eine Partei auftreten?
Unsere Mitternachtseinlage ist Teil der Persiflage von herkömmlichen Bällen und immer irgendeine künstlerische Darbietung, die auf normalen Bällen wohl für Kopfschütteln sorgen würde. Am WTF?!-Ball funktioniert sie jedoch gut und passt auch in unser Konzept. Wir verbinden die Mitternachtseinlage immer mit einem expliziten Aufruf, sich an den Protesten zu beteiligen. Der Cut zwischen den Acts gibt uns die Möglichkeit dazu. Obwohl wir uns als WTF?!-Ball als politische Veranstaltung verstehen, haben wir uns von Parteipolitik bisher distanziert. Dass sich das heuer ändert, liegt wohl an der performativen Kompetenz der Perversen Partei Österreichs (PPÖ).

Links:
Webseite
Facebookevent
Gewinnspiel der ÖH-Bundesvertretung für Eintrittskarten zum Ball.
 

Das Interview führte Joël Adami.

„Akademikerball“? Nein, danke!

  • 05.12.2015, 12:58

Am 29. Jänner 2016 ist es wieder so weit: Rechtsextreme, deutschnationale Burschenschafter, FPÖ-PolitikerInnen, AntisemitInnenund RassistInnen kommen in der Hofburg zusammen, um auf sich und ihre reaktionäre Ideologie anzustoßen.

Am 29. Jänner 2016 ist es wieder so weit: Rechtsextreme, deutschnationale Burschenschafter, FPÖ-PolitikerInnen, AntisemitInnenund RassistInnen kommen in der Hofburg zusammen, um auf sich und ihre reaktionäre Ideologie anzustoßen.
Der Akademikerball, der mittlerweile offiziell nicht mehr vom Wiener Korporationsring, sondern von der Wiener FPÖ organisiert wird, ist keineswegs das harmlose, unpolitische Tanzevent, als das es Rechte in der Öffentlichkeit gerne darstellen. Rechtsextreme Eliten vernetzen sich und der Veranstaltungsort der Wiener Hofburg soll dies gesellschaftlich legitimieren. Damit der Rechtswalzer nicht unbehelligt abläuft, haben sich in der Vergangenheit drei antifaschistische Bündnisse zusammengeschlossen, um das rechtsextreme Treiben zu thematisieren und/oder zu verhindern. Auch heuer mobilisieren die „Offensive gegen Rechts“ und das Bündnis „jetztzeichensetzen“ gegen den FPÖ-Akademikerball. Das Bündnis „nowkr“ hat sich nach der Mobilisierung 2015 aufgelöst und erklärt hier, warum.

NOWKR. Das NOWKR-Bündnis versteht sich als linksradikales antifaschistisches Bündnis, das von 2008 bis 2014 Proteste gegen den WKR-/Akademikerball organisierte. Die Kampagnen setzten jedes Jahr unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte, zuletzt wurden Gewaltverhältnisse in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft thematisiert. Unsere kontinuierliche Arbeit schaffte es, den WKR-Ball ins Rampenlicht der medialen Öffentlichkeit zu zerren, und hatte dabei mehrere Erfolge zu verbuchen: Neben einer Delegitimierung des Balls und deutschnationaler Burschenschaften im Allgemeinen hat der Ball mit sinkenden Teilnehmer_ innenzahlen zu kämpfen und musste 2012 in Akademikerball umbenannt werden. Seitdem wird der Ball offiziell nicht mehr vom Dachverband der völkischen Verbindungen in Wien ausgerichtet, sondern von der Landesgruppe der FPÖ. Auch den Charakter des Balls als „größtes couleurstudentische Gesellschaftsereignis im deutschsprachigen Raum” (WKR) und als Vernetzungstreffen der europäischen Rechten konnten ihm die antifaschistischen Proteste streitig machen. Zudem gelang es die Proteste zu verbreitern. Den Ball unmöglich zu machen bedeutet für uns auch eine Gesellschaftsform unmöglich zu machen, die reaktionäre Ideologien aller Couleur erst hervorbringt. Deshalb war es für uns immer zentral, eine linksradikale Gesellschaftskritik in den Vordergrund unserer politischen Arbeit zu stellen und dabei Werbung für das Projekt der Überwindung der bestehenden Verhältnisse zu machen. Wir lösten uns als Bündnis im Februar 2015 auf, warum könnt ihr auf nowkr.at nachlesen.

OFFENSIVE GEGEN RECHTS. Auch heuer mobilisieren wir als „Offensive gegen Rechts“ wieder gegen den FPÖ-Burschenschafterball in der Wiener Hofburg. 2014 verweigerte die Hofburg Betriebsges.m.b.H. dem Wiener Korporationsring (WKR) die Ball-Räumlichkeiten in diesem repräsentativen Gebäude. Die FPÖ zögerte nicht lange und meldete das Event unter ihrem Namen an. Ein eindeutiges Signal von der Freiheitlichen Partei, die sich erneut offen und selbstbewusst zu rückschrittlichen, elitären und rechtsextremen Männerbünden bekennt. Burschenschaften stellen die Mehrheit der FPÖ-Abgeordneten im Nationalrat und im Wiener Landtag. Ihre Lebensrealitäten haben nichts mit den Problemen des Großteils der Bevölkerung zu tun, aber der FPÖ gelingt es, die aktuelle gesellschaftliche Lage dafür zu nutzen, ihr rückschrittliches Weltbild wieder salonfähig zu machen. Die Ablehnung von erkämpften Frauenrechten und Arbeiter_innenrechten, ihr offener Antisemitismus, die Ablehnung von Andersdenkenden und Minderheiten zählen seit jeher zum fixen Bestandteil des deutschnationalen Weltbildes und damit auch der FPÖ. Gehen wir also gemeinsam auf die Straße und sagen klar: Nie wieder Faschismus, nie wieder FPÖ! Zeigen wir, dass es keine Burschenschafter braucht, sondern eine echte Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von oben nach unten! Mehr Infos zur Demonstration gegen den FPÖ-Burschenschafterball und die Aktivitäten der „Offensive gegen Rechts“ gibt es auf Facebook und unter offensivegegenrechts.net.

ZEICHENSETZEN. Die Vernetzungsplattform „jetztzeichensetzen“ macht sich für die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus, gegen rassistisches, antisemitisches und sexistisches Gedankengut, gegen rechte Hetze und gegen Diskriminierung und Gewalt stark. „jetztzeichensetzen“ organisiert seit Jahren am 27. Jänner, dem Tag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz und internationalen Holocaust-Gedenktag, Gedenkveranstaltungen, um die Öffentlichkeit auf diesen wichtigen Tag aufmerksam zu machen. Ziel ist es die politischen Hintergründe, die u.a. Auschwitz ermöglichten, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und dazu beizutragen, dass sich etwas Derartiges oder Ähnliches niemals wiederholt. „jetztzeichensetzen“ tritt auch entschieden gegen den Ball des Wiener Korporationsringes auf. Der WKR Ball ist für „jetzzeichensetzen“ Symbol dafür, dass nach wie vor rechtsextremes Gedankengut wie auch rechtsextreme Vernetzung in der Mitte der Gesellschaft akzeptiert sind. Infos zu den Veranstaltungen im Jänner 2016 kommen bald auf jetztzeichensetzen.at.

Partykommunismus am WTF-Ball

  • 16.01.2014, 14:57

Am 17. Jänner, eine Woche vor dem Akademikerball, findet im FLUC in Wien der WTF-Ball statt. progress online hat mit Andreas Peham vom WTF-Ballkomitee über Politik und Hedonismus, Burschenschaften und politische Partys an kommerziellen Orten gesprochen.

Am 17. Jänner, eine Woche vor dem Akademikerball, findet im FLUC in Wien der WTF-Ball statt. Progress sprach mit Andreas Peham vom WTF-Ballkomitee über Politik und Hedonismus, Burschenschaften und politische Partys an kommerziellen Orten.

Das Interview ist der erste Teil der progress Online-Interviewserie mit dem Thema Gegenbewegungen zum Akademikerball.

progress: Ihr organisiert eine Woche vor dem Wiener Akademikerball, der Nachfolgeverstaltung des WKR-Balls, den WTF-Ball. Was ist das für eine Veranstaltung?

Andreas Peham: In der Namensgebung und durch die zeitliche Nähe wird die Gegner_innenschaft zum WKR- oder Akademikerball ja schon deutlich. Es ist eine antifaschistische Veranstaltung. Andererseits ist es eine Antithese in Partyform zur Steifheit, zum Unspontanen und Elitären des WKR-Balls und der Burschenschaften. Die Party soll politischen Charakter haben und möglichst frei sein von dem, wofür der WKR-Ball steht. Es geht darum, Politik und Feiern zusammenzubringen.

Was habt ihr eigentlich gegen den Akademikerball?

Peham: Wir haben etwas gegen die Veranstaltenden, also Burschenschaften und deutschnationale Korporationen und das, wofür sie stehen: Männerbündelei, Antisemitismus und das ambivalente Verhältnis zum Nationalsozialismus. Sie sind zwar nicht pauschal rechtsextrem, aber gerade im WKR geben die rechtsextremen Verbindungen den Ton an. Die deutschnationalen Verbindungen repräsentieren eine Kontinuität, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht, durch den Nationalsozialismus hindurchgeht und nach 1945 ihre Fortsetzung findet. Man kann mit gutem Recht sagen, dass Burschenschaften gerade in Österreich an der Wiege des Nationalsozialismus standen. Zunächst durch den Arierparagraphen in den Verbindungen, dann an den Universitäten. Noch in den 1990er Jahren waren honorige Persönlichkeiten wie Rektoren und Politiker im Ehrenkomitee. Seit die Kritik stärker geworden ist, ist das nicht mehr möglich.

Außerdem dient der Ball einer europäischen extremen Rechten zur Vernetzung. Jedes Jahr sind sehr hochrangige Vertreter dieser europäischen Rechten auf dem Ball – vom Front National über Vlaams Belang bis hin zu noch weiter rechts stehenden Gruppen. Bezüglich des Veranstaltungsortes des Balls kritisieren wir das offizielle Österreich: Auch wenn die Hofburg-Betreibergesellschaft eigenständig ist, ist so ein symbolträchtiger, repräsentativer Ort in unserer Sicht nicht diesen Kräften zu überlassen. Hier wünschen wir uns klare Zeichen der Republik.

Wer ist das WTF-Ballkomitee und seit wann gibt es euren Ball?

Peham: Dieses Jahr findet der dritte WTF-Ball statt. Hervorgegangen ist er aus dem links politisierten Teil der Wiener Partykultur. Man könnte es Feierkommunismus nennen, ohne dass alle, die kommen oder das organisieren, Kommunist_innen wären. Die Party soll für die Utopie stehen, ihr Vorwegnehmen in der täglichen Praxis und im Feiern. Wir sind ein bunter Haufen, es sind Leute aus verschiedensten politischen Milieus dabei. Vom jungen linken Flügel der Sozialdemokratie über Grüne bis hin zum autonomen, feministischen, linksradikalen, queeren Milieu. Im Vordergrund des Bündnisses stehen lauter Einzelne, die ein gemeinsames Interesse kollektiv umsetzen wollen.

Der Erlös des Abends geht an die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung (Dessi) und das Projekt Schule für alle – PROSA. Was sind das für Organisationen?

Peham: Die Dessi berät Menschen, die in die Fänge des österreichischen Migrationsregimes kommen und illegalisiert werden. PROSA versucht, jungen Menschen Schulbildung zukommen zu lassen, die aufgrund ihrer Herkunft vom rigiden Migrationsregime von notwendiger schulischer Bildung ausgeschlossen und sehr früh – und ich verwende diesen Begriff bewusst – „selektiert“ werden.

Warum findet der WTF-Ball an kommerziellen Orten statt?

Peham: In Wien fehlt es an großen, nichtkommerziellen Räumen. Natürlich verdienen die Locations an Getränken, aber sie sind uns bei der Miete sehr entgegen gekommen. Es gibt auch dort ein Interesse, Politik in die Locations hineinzubringen. Viele Orte in Wien, die mittlerweile kommerziell sind, kommen aus der Linken. Ich finde es gut, solche Orte in die Pflicht zu nehmen.

Ist eine Party gegen Rechtsextremismus nicht etwas hedonistisch und unpolitisch?

Peham: Feiern und Protestieren gehören zusammen. Wir sehen die Chance, Leute über das Feiern gut organisierter Partys zu politisieren. Dabei ist ein gutes Line-Up wichtig, das auch unseren politischen Ansprüchen gerecht werden muss: Mindestens 50 Prozent des Artists sollen beispielsweise Frauen sein, es muss bis ins kleinste Detail erkennbar sein, dass es nicht einfach irgendeine Party ist. Für uns gehört Hedonismus und Kämpfen zusammen.

Mitternachtseinlage Geschichtsrevisionismus

  • 16.01.2014, 14:49

Am 24. Januar tanzen auf dem „Akademikerball“ wieder Burschenschafter und andere Kameraden in der Wiener Hofburg. Wes Geistes Kind diese Folgeveranstaltung des WKR-Balls ist, zeigt sich in ihrem Verhältnis zum Holocaust,ihren Geschlechterbildern und ihren Personalüberschneidungen mit der FPÖ.

Am 24. Januar tanzen auf dem „Akademikerball“ wieder Burschenschafter und andere Kameraden in der Wiener Hofburg. Wes Geistes Kind diese Folgeveranstaltung des WKR-Balls ist, zeigt sich in ihrem Verhältnis zum Holocaust,ihren Geschlechterbildern  und ihren Personalüberschneidungen mit der FPÖ.

Rechte Burschenschaften und antifaschistische Gruppen haben einen zentralen gemeinsamen Termin: Den Ball der Burschenschaften in der Wiener Hofburg Ende Januar. Jedes Jahr beginnt einige Wochen vorher eine öffentliche Debatte um diesen Ball, der sich von vielen anderen Veranstaltungen der Wiener Ballsaison dadurch unterscheidet, dass er ein Treffen reaktionärer Eliten ist. Mehrere Organisationen veranstalten Gegendemonstrationen, Kundgebungen und Blockaden, allesamt mit dem Ziel, dass der Ball in Zukunft nicht mehr – oder zumindest nicht mehr in der Hofburg – stattfindet.

Bis 2012 organisierte der Wiener Korporationsring (WKR) den Ball, der Name WKR-Ball hat sich bis heute inoffiziell gehalten. Der WKR ist ein Zusammenschluss von meist schlagenden Wiener Studentenverbindungen. Dort wird die Mensur gefochten, ein Kampf zwischen Mitgliedern der Männerbünde mit scharfen Waffen, der zumindest ohne Kopf- und Gesichtsschutz ausgetragen wird. Sie führt oft zu Narben im Gesicht, die im burschenschaftlichen Milieu nicht als gefährliche Verletzungen, sondern als Zeichen von „Ehre“ gelten.

Die Mitgliedsverbindungen des WKR sind selbst im konservativen Milieu der Studentenverbindungen als rechts bis rechtsextrem einzustufen. Die akademische Burschenschaft Olympia beispielsweise hatte 2005 den britischen Holocaustleugner David Irving zu einem Vortrag eingeladen, dieser wurde aber kurz vorher verhaftet. 2003 lud die Olympia am Folgeabend des WKR-Balls zu einem „nationalen Liederabend“ mit dem deutschen Neonazi-Liedermacher Michael Müller, von dem unter anderem eine Coverversion eines Klassikers von Udo Jürgens stammt: „Mit 6 Millionen Juden, da fängt der Spaß erst an. (...) Bei 6 Millionen Juden, ist noch lange nicht Schluss.“

Die FPÖ vermittelt

Nach breiten Protesten hat die Hofburg-Betreibergesellschaft aufgrund der „politischen und medialen Dimension“ des WKR-Balls 2012 angekündigt, ab 2013 nicht mehr als Veranstaltungsraum für den Ball der Korporierten zur Verfügung zu stehen. Seit 2013 mietet die Wiener Landesgruppe der FPÖ für den „Wiener Akademikerball Ballausschuss“ die Hofburg. Der „Wiener Akademikerball“, wie er seitdem heißt, ist die direkte Nachfolgeveranstaltung des WKR-Balls. Organisator Udo Guggenbichler sitzt für die FPÖ im Wiener Gemeinderat und ist Mitglied der schlagenden Burschenschaft Albia, die, wie die Olympia, neben ihrer Mitgliedschaft im WKR auch in der Deutschen Burschenschaft organisiert ist.

Gäste der vergangenen Jahre waren unter anderem Marine Le Pen, Vorsitzende des französischen Front National, Kent Ekeroth von den Schwedendemokraten und Philip Claeys vom belgischen Vlaams Belang sowie Anhänger der NPD. Die internationale Prominenz hielt sich 2013 allerdings zurück, nachdem beispielsweise Le Pen in Frankreich für ihren Besuch öffentlich Kritik einstecken musste. Auch Heinz-Christian Strache, Vorsitzender der FPÖ, war 2013 nicht auf dem Ball, hatte aber im Jahr davor, am 27. Januar 2012, dem internationalen Holocaust-Gedenktag und Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee, gemeinsam mit Guggenbichler die Eröffnungsrede des WKR-Balls gehalten. Auch sagte er dort Standard-Berichten zufolge, die Ballgäste seien „die neuen Juden“ und Attacken auf Burschenschafterbuden seien „wie die Reichskristallnacht gewesen. Diesen Vergleich mit der Reichspogromnacht wollte Strache im Nachhinein nicht als solchen verstanden wissen und wiederholte ihn dennoch im Zeit-im-Bild-Interview. Die Reichspogromnacht markierte im November 1938 den Beginn der systematischen Verfolgung von Juden und Jüdinnen im nationalsozialistischen Deutschland und Österreich. Trotz heftiger Kritik ist Strache weiterhin FPÖ-Vorsitzender und die FPÖ, deren Kanzlerkandidat er war, erreichte bei der vergangenen Nationalratswahl 20,5 Prozent der Stimmen. Nächste Woche, heißt es, wird er den Ball wieder besuchen.

Sexismus verpflichtet zur Verschwiegenheit

„Hast du eine Freundin, die weder schön noch still ist, kurz: bist du auf irgendeine Weise abnormal oder unfröhlich, dann bleib lieber zuhause.“ Dieser Satz aus einem Flugblatt der Olympia verdeutlicht das reaktionäre Frauenbild und die sexistische Vorstellung des Geschlechterverhältnisses der Burschenschaft. „Damen“ können „mitgebracht“ werden, sollen aber bitte dekorativ sein und allerhöchstens zustimmend nicken. Jede Form von Geschlecht und Sexualität jenseits repressiv-traditionalistischer Normen hat bei den strammen Burschenschaftern keinen Platz. Sie selbst hingegen, „natürlich“ ausschließlich Männer, besuchen den Ball sicher nicht zuletzt, um zu den burschenschaftlichen Netzwerken und Seilschaften Zugang zu erlangen, die auch in der österreichischen Politik- und Wirtschaftslandschaft noch immer von Bedeutung sind. Auf dem Ball bündelt sich allerdings lediglich, was neben großdeutscher Agitation immer ein Zweck der Verbindungen war: Karriere schmieden durch Kontakte.

Seit etwa 2008 formiert sich immer breiterer Protest gegen WKR- und Akademikerball. Mit Informationsveranstaltungen, Demonstrationen und Blockaden machen bürgerliche und zivilgesellschaftlich ebenso wie linksradikale Initiativen darauf aufmerksam, wer sich da in den repräsentativsten Räumlichkeiten Österreichs trifft. Seither wird über das Thema öffentlich diskutiert. Anfang Januar haben NS- und Holocaustüberlebende einen offenen Brief an die Hofburg-Betreibergesellschaft, Kanzler und Bundespräsident geschrieben und gefordert, den Ball aus der Hofburg zu verbannen. Bisher reagierten diese nicht darauf. Im Brief erklären sich die Überlebenden „fassungslos, dass die im Eigentum den Republik stehende Hofburg noch immer ihre Tore für Vertreter und Vertreterinnen rechtsextremer Vereine aus Österreich und Europa öffnet“.

Es gibt verschiedene linke Gegenbewegungen zum Akademikerball. progress online stellt diese hier in Kurzinterviews vor:

Partykommunismus am WTF-Ball

Antifaschismus ist notwendig, aber nicht ausreichend - NOWKR

Menschenblockade gegen Burschenschaften - Offensive gegen Rechts

 

Der Autor studiert Internationale Entwicklung an der Universität Wien.

An Tagen wie diesem

  • 26.09.2012, 01:45

Am 27. Jänner 2012 ist der 67. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau durch sowjetische Truppen. Weltweit wird an diesem Tag der Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie gedacht. In Österreich jedoch findet ein anderes Ereignis statt

Am 27. Jänner 2012 ist der 67. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau durch sowjetische Truppen. Weltweit wird an diesem Tag der Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie gedacht. In Österreich jedoch findet ein anderes Ereignis statt: In der Hofburg, in den Prunksälen der Republik, feiert sich der Wiener Korporationsring (WKR) anlässlich seines alljährlichen Balles – unter Vorstand der Burschenschaft Olympia. Diese wird vom Dokumentationsarchiv Österreichischen Widerstands (DÖW) als rechtsextrem und revisionistisch eingestuft.
Am letzten Freitagabend im Jänner hat sich in der Wiener Innenstadt eine ungewöhnliche Tradition eingebürgert: Sie gleicht einer Geisterstadt, der oberirdische öffentliche Verkehr kommt zum Erliegen und ihre einzigen legitimen BewohnerInnen scheinen Polizeikräfte und schlagende Burschenschafter samt Begleitung zu sein. Dieses Jahr hat die dafür verantwortliche Veranstaltung einen besonders schalen Beigeschmack: Der Balltermin überschneidet sich mit dem internationalen Holocaust-Gedenktag, der seit dem Beschluss der UN-Generalversammlung im Jahr 2005 auf den 27. Jänner fällt.
An diesem Tag gelang es der sowjetischen Armee Auschwitz-Birkenau zu befreien, wo Schätzungen zufolge über eine Million Menschen, hauptsächlich Jüdinnen und Juden aus Ungarn, ums Leben kamen. Die sowjetische Armee fand jedoch nur mehr rund 7000 Inhaftierte im Lager vor. Unter den Befreiten befand sich auch Otto Frank, Anne Franks Vater. Weitere 60.000 waren in den Tagen und Wochen zuvor auf Todesmärsche in Richtung Westen geschickt worden.
An diesem Jahrestag wird der schlagende Burschenschafter und Klubchef der Wiener FPÖ Johann Gudenus wohl in der Hofburg tanzen. Für ihn stellt das kein Problem dar, denn er sieht deutschnationale Burschenschaften als bürgerliche Bewegungen. Die dem WKR vorsitzende Verbindung Olympia, welcher auch der dritte Nationalratspräsident Martin Graf angehört, zeigt allerdings mit ihrer Einladungspolitik mit Faible für prominente Holocaustleugner eindeutig, welchen Geistes Kind sie ist. Auf der Gästeliste standen bereits der wohl bekannteste revisionistische Historiker David Irving, der 2005 auf dem Weg zu einer Veranstaltung der Olympia in Wien festgenommen und später wegen Wiederbetätigung verurteilt wurde, sowie die rechtsextremen Liedermacher und NPD-Politiker Michael Müller („(...) mit sechs Millionen Juden fängt der Spaß erst richtig an“).
Hinter der bürgerlichen Fassade sind die antisemitischen und revisionistischen Botschaften leicht auszumachen. Und den schlagenden Verbindungen wird mit dieser Veranstaltung einmal mehr ermöglicht, ihre menschenverachtende Ideologie zu inszenieren. 2013 wird der WKR Ball nach momentanem Stand nicht in der Hofburg feiern dürfen. Damit reagierten die GesellschafterInnen der Hofburg auf den öffentlichen Druck, der sich in den letzten Jahren verstärkte.

Weitertanzen? Weiterkämpfen!

  • 13.07.2012, 18:18

Ende Jänner sorgte der Ball des Wiener Korporationsrings (WKR) für Aufsehen: AntifaschistInnen machten sich bereit, ihr Recht auf Demonstrationsfreiheit wahrzunehmen – die Polizei untersagte die Demonstration. Das PROGRESS betrachtet die Aufregung um die Symbolik des WKR-Balls und die österreichiche Erinnerungskultur.

Ende Jänner sorgte der Ball des Wiener Korporationsrings (WKR) für Aufsehen: AntifaschistInnen machten sich bereit, ihr Recht auf Demonstrationsfreiheit wahrzunehmen – die Polizei untersagte die Demonstration. Das PROGRESS betrachtet die Aufregung um die Symbolik des WKR-Balls und die österreichiche Erinnerungskultur.

Gestern (27.01) wurde unter dem Vorwand der „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ die für Freitag geplante Demonstration gegen den Wiener Korporationsball durch die Wiener Polizei untersagt. Gerade deswegen werden sich AktivistInnen aller Repression zum Trotz um 18:00 Uhr am Europaplatz treffen. Das geplante Straßenfest findet ebenfalls ab 18:00 Uhr statt, nun allerdings im Sigmund Freud Park. Diese Ankündigung fand sich am 28. Jänner 2010 auf indymedia.org, dem (nach Eigendefinition) multimedialen Netzwerk unabhängiger und alternativer Medien, MedienmacherInnen, engagierter Einzelpersonen und Gruppen. Die untersagte Demonstration gegen den Wiener Korporationsring (WKR), eine Vereinigung von schlagenden, deutschnationalen Burschenschaften, wurde mit allen Mitteln von der Polizei verhindert. 

Die Rechten wollen tanzen. Im WKR sind lokale Studentenverbindungen organisiert, die sich politisch in einem Spektrum zwischen völkisch-deutschnational und offen rechtsextrem bewegen. Bekanntes Mitglied ist die rechtsextreme Burschenschaft Olympia, die erst kürzlich wieder durch die Einladung des international bekannten Rassisten J. Philippe Rushton für Medienaufmerksamkeit sorgte. Heribert Schiedel vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) beschreibt die Burschenschaften im WKR in einem Standard-Interview 2006 folgendermaßen: „Weit rechts stehende Burschenschaften geben im Korporationsring den Ton an. Aber es gibt auch gemäßigtere, die sich immer wieder dagegen wehren, mit der Olympia in einen Topf geworfen zu werden. Umgekehrt aber stört es sie offenbar nicht, in einem Dachverband mit dieser Burschenschaft zu sein.“ Der WKR-Ball wird von Seiten des Veranstalters als „größtes couleurstudentisches Gesellschaftsereignis im deutschsprachigen Raum“ bezeichnet. Ihre Gesinnung feiern die Burschenschafter seit 1952 – die Proteste werden immer lauter, und für einige offenbar immer unangenehmer.

Das Recht zu demonstrieren? Nach der Untersagung der Demonstration durch die Polizei hagelte es heftige Kritik von AntifaschistInnen. indymedia.org fasst zusammen: „Fünf Grüne Nationalratsabgeordnete meldeten eine neue Demo eine Stunde früher mit leicht veränderter Route an. Die Polizei kommunizierte via Medien, dass eine Untersagung nicht automatisch eine Auflösung bedeute. Die Exekutive reagierte auf die neuerliche Anmeldung nicht.“
Die Kundgebung am 29. Jänner wurde vorerst zugelassen, gegen 18 Uhr versammelten sich friedliche DemonstrantInnen am Europaplatz. Das Polizeiaufgebot war beträchtlich, zur Machtdemonstration wurde der Wasserwerfer der Polizei sichtbar platziert. Viele ließen sich aber von der Einschüchterungstaktik der Polizei nicht davon abhalten, ihr Recht auf Versammlungsfreiheit und zum Aufschrei gegen die Salonfähigkeit Rechtsextremer in Österreich in Anspruch zu nehmen. Die polizeiliche Repression bei antifaschistischen Aktionen orten AktivistInnen nicht zum ersten Mal: „Die Polizei wird offenbar abgestellt, die Feiernden in der Hofburg zu schützen, anstatt unser Demonstrationsrecht zu gewährleisten,“ sagt Anna, die auch bei den WKR-Demonstrationen im letzten Jahr dabei war und die Polizeirepression bei der Demonstration am 1. Mai 2009 in Linz miterlebt hat.
Gegen Rechtsextremismus und Faschismus aufzutreten, erregt in Zeiten von Heinz-Christian Straches Hetze und Martin Grafs Nationalratspräsidentschaft viel Aufsehen.
Aufsehenerregende Demonstrationen gegen Faschismus sind aber in der Geschichte Österreichs nicht neu – ein Beispiel: die „Borodajkewycz-Affäre“ des Jahres 1965 – allerdings immer wieder von neuer Qualität. 

Die Borodajkewycz-Affäre. In der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und der Stellung der Entnazifizierung in Österreich brannte sich der Fall Taras Borodajkewycz, Professor an der Universität für Welthandel (heute Wirtschaftsuniversität Wien), in die österreichische Hochschulgeschichte ein. Der als „minderbelastet“ eingestufte NSDAPler ließ in den 1960er Jahren durch antisemitische und rassistische Aussagen in seinem Unterricht aufhorchen. Eine Protestwelle folgte. Tragischer Höhepunkt war die Ermordung des ehemaligen kommunistischen Widerstandskämpfers Ernst Kirchweger. Er wurde von einem rechtsradikalen Burschenschafter angegriffen und erlag seinen Verletzungen. Der Fall ging als typisch für die Auseinandersetzung der österreichischen Gesellschaft mit ihrer Vergangenheit in die Geschichte ein. Folge war unter anderem die Pensionierung Borodajkewycz’.

Österreich, das erste Opfer? Der scheinheilige Umgang Österreichs mit seiner Geschichte hat selbst Geschichte: Am 8. Mai 1945 kapitulierte das Dritte Reich, der Zweite Weltkrieg war vorbei.
Das Datum ist wohl der ambivalenteste Gedenktag der Zeit des Nationalsozialismus. In Frankreich, Tschechien und der Slowakei ist er ein offizieller Feiertag.  In Österreich ist er als Schlusspunkt des Nazi-Regimes, anders als der Tag der Erklärung der immerwährenden Neutralität, nicht zufällig kein offizieller Feiertag.  Das liegt vor allem an den noch immer nicht abgeschlossenen Auseinandersetzungen mit der Charakterisierung des 8. Mai. Von neuen und alten Ewiggestrigen wird er nicht als Tag der Befreiung sondern als „Tag der totalen Niederlage“ begangen, wie es die Wiener Burschenschaft Olympia nennt. Traditionell gibt es jährlich eine Kranzniederlegung einiger Burschenschaften bei einer Krypta am Wiener Heldenplatz, wo Rechte den „Helden“ des Krieges die Ehre erweisen wollen. Auf einschlägigen Internet-Seiten findet sich dazu: „Das große Ringen um die Freiheit unseres Volkes endete mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht.“
In den Jahrzehnten nach 1945 (und zum Teil noch heute) wurde die These von Österreich als „erstem Opfer des Faschismus“ hochgehalten. Brigitte Bailer-Galanda, wissenschaftliche Leiterin des DÖW, schreibt in einem Referat anlässlich eines Symposiums zur politischen Kultur in Österreich nach 1945: „Mit Hilfe der Opfertheorie erteilte die Zweite Republik nicht nur dem Staat Österreich die Generalabsolution, sondern auch der überwältigenden Mehrheit seiner Staatsbürger.“ Die Schuld an den Verbrechen unter der Schirmherrschaft des Nationalsozialismus wurde auf „die Deutschen“ abgeschoben, in einem Memorandum der Staatskanzlei für auswärtige Angelegenheiten heißt es dazu 1945: „Die Judenverfolgungen erfolgten während der Dauer der Besetzung Österreichs durch deutsche Truppen. Die Verfolgungen wurden durch reichsdeutsche Behörden angeordnet und mit ihrer Hilfe durchgeführt.“
Den „antifaschistischen Geist der Nachkriegszeit“ (so der Titel von Bailer-Galandas Text) sieht die Autorin als gerne herbeizitierten Gründungsmythos der Zweiten Republik, ebenso wie die „kollektive Unschuldserklärung“ Österreichs.
Der Bogen der österreichischen Erinnerungspolitik lässt sich aber bis heute spannen. So sieht Bailer-Galanda in der Politik der unmittelbaren Nachkriegszeit die Weichenstellung für die „Gegenwartsprobleme Österreichs“, nämlich beispielsweise „in der mangelnden Bereitschaft zur ehrlichen, über Gedenkrituale hinausgehenden Auseinandersetzung mit der NS-Zeit und in der gleichzeitig allzu schnellen Bereitschaft, eine Ausstellung über Verbrechen der Wehrmacht wegen einiger falscher Bildtexte als Propaganda abzutun“, womit sie auf die Diskussion um die Wehrmachtsausstellung verweist.

Gedenken ohne Gedanken. Nach 1955, mit dem Abzug der Alliierten, „verschwand [der Nationalsozialismus] aus den Reden der PolitikerInnen, auch wenn diese von den Jahren 1938 bis 1945 sprachen, er verschwand sogar aus dem Gedenken an die Opfer des Zweiten Weltkrieges (die Kriegerdenkmäler des Ersten Weltkriegs wurden durch die Namen der Gefallen des Zweiten Weltkrieges ergänzt, selbst wenn das Denkmal die Inschrift ‚Gefallen für die Heimat‘ trug)“, so Winfried Garscha in seinem Text Die verhinderte Re-Nazifizierung.
Vor allem seit den 1990er Jahren wird von rechtsextremer Seite immer wieder versucht, den 8. Mai selbst erinnerungspolitisch zu besetzen und konsequent den Aspekt der Niederlage an Stelle der Befreiung zu setzen – eine geschichtsvergessene Betrachtung, die versucht, die Folgen des von Nazideutschland begonnenen Angriffskriegs als Rechtfertigung für Revisionismus zu benutzen.
Der Umgang mit der Vergangenheit Österreichs und die Salonfähigkeit eines deutschnationalen Burschenschafters als Dritter Nationalratspräsident ist symbolisch für die Vergangenheits-„bewältigung“ Österreichs. Der WKR-Ball, sein Stattfinden in der Hofburg und die Verpflegung durch das Intercontinental ist Ausdruck dieser Politik.

Aufstehen und weiterkämpfen! Die NoWKR-Demonstrationen, die 2010 nicht zum ersten Mal stattfanden, richten sich gegen die deutschnationalen Burschenschaften und ihre wortwörtliche Salonfähigkeit. Es braucht starkes Auftreten gegen den WKR-Ball, der ein Symbol für das Eindringen der Burschenschaften in höchste Kreise der Gesellschaft darstellt. Dass Martin Graf, Mitglied der rechtsextremen Olympia, und viele andere deutschnationale, rechtsextreme Burschenschafter alljährlich in der Hofburg das Tanzbein schwingen dürfen, zeigt die Auswirkungen der Selbstverständlichkeit, es könne einem schlagenden Burschenschafter das Nationalratspräsidentenamt nicht verwehrt werden.