Videospiel

Dwarf Fortress trifft Firefly

  • 18.06.2016, 15:15
Der vom Kultspiel Dwarf Fortress inspirierte Builder Rimworld überträgt Spieler*innen die Aufsicht über eine kleine Weltraumkolonie in einer atmosphärischen Sci-Fi-Western-Welt.

Der vom Kultspiel Dwarf Fortress inspirierte Builder Rimworld überträgt Spieler*innen die Aufsicht über eine kleine Weltraumkolonie in einer atmosphärischen Sci-Fi-Western-Welt. Es gilt, eine Gruppe Gestrandeter dabei zu unterstützen, in einer feindlichen Umgebung eine florierende Kolonie aufzubauen. Aus wenigen Anfangsmaterialien müssen die Bewohner*innen eine Basis errichten, Nahrungsmittel beschaffen und sich gegen wilde Tiere und feindliche Nachbar*innen verteidigen. Die an die Fernsehserie Firefly angelehnte Ästhetik von Rimworld kann mit wechselnden Wetterbedingungen und einem Tag-Nacht-Wechsel aufwarten, die sich auf das Spielgeschehen auswirken. Ein Gewitter kann schon einmal einen Kurzschluss auslösen und die Stromversorgung lahmlegen, und in heißen Umgebungen macht die Hitze den Kolonist*innen zu schaffen. Verschiedene Tiere können gejagt oder gezähmt werden.

Aber nicht nur die Umgebung ist detailliert simuliert, jeder Charakter weist ein individuelles Set von Eigenschaften auf. Darunter fallen nicht nur die verschiedenen Talente und Fähigkeiten, sondern auch Charakterzüge, Krankheiten und Verletzungen. So kann eine Bewohnerin beispielsweise eine talentierte Technikerin sein, aber durch eine Rückenverletzung in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt werden. Obwohl sich das Spiel erst in einer späten Alpha befindet, gibt es bereits eine aktive Modding-Community. Das kleine kanadische Ludeon Studio weiß um die Wichtigkeit von Mod-Unterstützung, die einem Projekt dieser Art Leben einhaucht.

Rimworld ist eine Sandbox, die der Kreativität und Fantasie der Spieler*innen bedarf. Mithilfe der Mods ist es möglich, das Spiel schwieriger zu machen, neue Gegenstände und Akteur*innen in die Welt einzuführen und sogar neue Spielmechaniken zu implementieren. Jede neue Alpha integriert neue Features in das schon jetzt abwechslungsreiche Spiel. Bei der gerade erschienenen Alpha 13 wurde etwa die Simulation der sozialen Beziehungen unter den Kolonist*innen vertieft, ein Permadeath-Modus eingeführt, der das Laden eines früheren Spielstands verunmöglicht, und eine Vielzahl neuer Tiere und Insekten bevölkern die detaillierte Welt, in der sich ein Besuch für Freund*innen des Genres auf jeden Fall lohnt.

Ludeon Studio: Rimworld
Einzelspieler*innen,
Windows, Mac und Linux ab 30 Dollar

Simon Sailer studierte Philosophie an der Uni Wien sowie Art & Science an der Universität für angewandte Kunst.

50 Cats, 1 App

  • 18.06.2016, 15:06
Das Spiel Neko Atsume, was übersetzt in etwa Hinterhofkatze heißt, gibt es schon längere Zeit für den japanischen Markt und wurde vor einiger Zeit auch auf Englisch veröffentlicht.

Das Spiel Neko Atsume, was übersetzt in etwa Hinterhofkatze heißt, gibt es schon längere Zeit für den japanischen Markt und wurde vor einiger Zeit auch auf Englisch veröffentlicht. Auf den ersten Blick ist es das langweiligste Spiel der Welt: Man sieht auf dem Screen einen wirklich schlecht gezeichneten Hinterhof, wie mit Paint erstellt, und hat nur eine Möglichkeit, das Spiel zu beginnen: Essen und Spielzeug für Katzen kaufen, die dadurch angelockt werden. Danach heißt es: Warten. Auch mich hat das Spieldesign zuerst sehr unterfordert. Ich dachte einen halben Tag lang, dass ich vielleicht das falsche Spiel runtergeladen hatte und nicht jenes, von dem all meine Freund*innen so schwärmen. Doch dann – endlich – kam nach dem dritten oder vierten Mal Schließen und Öffnen der App die erste Katze und spielte mit einem Wollknäuel. Es ist sehr schwer nachzuvollziehen, aber mein Herz hat einen kleinen Sprung gemacht. „Snowball“ spielte so verzückt mit der Wolle, lehnte sich nach links und nach rechts, sah so unglaublich putzig dabei aus und hatte noch dazu den Namen von Lisa Simpsons Katze. Ich war bis über beide Ohren verliebt.

Und so kamen nach und nach immer mehr Katzen und spielten mit den Dingen, die ich im Shop erstand. Nach dem Spielen hinterließen sie mir Silber- oder gar Goldfische zum Dank, von denen ich dann wieder Futter und neue Spielsachen kaufen konnte. So geht es seitdem tagein tagaus. Das Ziel des Spiels ist es, ähnlich einem Panini-Album, alle Katzen der Nachbarschaft zu Gast gehabt zu haben und von ihnen ein Foto zu machen. Bedauerlicherweise kann man mit den Katzen nicht interagieren. Zu Beginn versuchte ich, die Katzen durch Anklicken zu streicheln, landete jedoch nur immer wieder auf den Profilseiten der Katzen. Besonders meine Cousine (4) findet das Fehlen dieser Funktion extrem frustrierend. Dennoch erklärte sie mir, dass man in einem Hinterhof eben vorsichtig mit Katzen umgehen müsse, denn meistens würden sie lieber wegrennen als sich streicheln zu lassen. Und dass man mit Katzen sehr viel Geduld brauche. Sie hat das Spiel schneller verstanden als ich.

Neko Atsume
Gratis, für Android und iOS

Katja Krüger-Schöller studiert Gender Studies an der Uni Wien.

Haarige Welten

  • 16.06.2016, 20:23
Die tschechischen Spieleentwickler_ innen Amanita Designs haben sich, was die Gestaltung des Computerspiels Samorost 3 angeht, viel angetan.

Die tschechischen Spieleentwickler_ innen Amanita Designs haben sich, was die Gestaltung des Computerspiels Samorost 3 angeht, viel angetan. Die eigenwillige Computerspielkreation legt ihren Schwerpunkt nicht auf die spieltechnische Herausforderung, sondern konzentriert sich auf das ästhetische Empfinden der Spieler_innen. Gefordert sind vor allem Augen und Ohren. Als weißer Gnom in einem reinweißen Ganzkörperanzug mit Zipfelmütze bewegt eins sich v ia Point-and-Click durch neun haarige, hölzerne, steinige oder bewaldete Welten: Planeten und Asteroiden, die von magischen Klängen bewohnt sind. Mittels einer Flöte interagiert der Gnom mit seiner Umwelt.

Die perfekte Gestaltung der Welten stellt auch die Herausforderung von Samorost 3 dar. Vom Bau eines primitiven Raumschiffs bis hin zur Vernichtung des Endgegners; die Struktur der Welten gibt selten einen Hinweis darauf, wo die Lösung der Rätsel liegt. Die vorherrschende Methode, um in Samorost 3 voranzukommen, ist Trial-and-Error. Selbst nachdem ein Rätsel gelöst wurde, ist nicht immer ganz klar, wie es dazu kam. Die Extra-Achievements lassen ebenfalls zu wünschen übrig: Meist lassen sie sich nur durch zufälliges Anklicken von irgendwelchen Gegenständen oder Tieren freischalten. Da Samorost 3 vollkommen auf die sprachliche Ebene verzichtet, sind die meisten Probleme im besten Fall bildlich dargestellt. Sonst zieht sich ein roter Faden durch das Spiel: Die Findung des Problems ist Teil des Rätsels. Deeep!

Das ist jedoch auch das große Manko von Samorost 3. Trotz der wunderschönen Welten wird die Spielfreude durch ein langsames Tempo und unnachvollziehbare, teilweise sogar frustrierende Spielerfahrung getrübt. Ungeduldige Spieler_innen werden, obwohl Samorost 3 ein kurzes Spiel ist, nicht ohne einen Blick in die Komplettlösung auskommen. Die Stärke von Samorost 3 liegt in der Wirkung von lebendigen Bildern, die von seltsamen Klarinettentönen begleitet werden. Anders als in herkömmlichen Spielen, stellt die Vernichtung des Endgegners, eines Mönchs mit schwarzer Rüsselnase, nicht den Höhepunkt dar, sondern ist ein Moment des Zurücklehnens. Wem das reicht, hat mit Samorost 3 eine Freude. An alle anderen: meh!

Amanita Designs: Samorost 3
Einzelspieler_in für Mac und Windows
19,99 Euro

Marlene Brüggemann studiert Philosophie an der Universität Wien.

Cyberpunk-Schnitzeljagd

  • 10.03.2016, 18:25
Read Only Memories entführt uns in eine retrofuturistische Cyberpunk-Welt. Ein Review.

Neo-San-Francisco, wenige Tage vor Weihnachten 2064. Ich schreibe ein lange aufgeschobenes Review über besonders intelligente Kopfhörer. Danach genieße ich endlich den gerechten Schlaf freischaffender Journalist_ innen. Aber nur kurz: Ein kleiner Roboter namens Turing ist in meine Wohnung eingedrungen. Schlaftrunken höre ich seine Erklärungen: Mein Wohnungsschloss ist unsicher, er ist die erste künstliche Intelligenz mit richtigem Bewusstsein und Emotionen, und außerdem ist mein Bekannter Hayden Webber, der Turing gebaut hat, entführt worden.

Meine Fähigkeiten als investigative_r Journalist_in werden also gebraucht, um Hayden wiederzufinden. Schnell erfahre ich, dass neben den großen Technologiekonzernen, die einen Großteil der staatlichen Funktionen wie Polizei oder Telekommunikationszugang übernommen haben, auch die Protestgruppe „Human Revolution“ zu den Verdächtigen zählt. Die Gruppe ist gegen jede Art von cybernetischen oder genetischen Veränderungen von Menschen, die 2064 an der Tagesordnung stehen. Ebenso wie die Konzerne sind sie wohl hinter Turings künstlicher Intelligenz her. Es beginnt ein Krimi, der mich und Turing in Nachtclubs, Medienunternehmen, Hinterhofkliniken führt. Allerdings scheint uns bei der Suche nach Hayden irgendwer immer einen Schritt voraus zu sein …

Read Only Memories ist ein klassisches „Point and Click“-Adventure in wunderschöner neonleuchtender Retro-Pixelgrafik mit passendem Soundtrack. Auch die dargestellte Zukunftsvision mit alles kontrollierenden Großkonzernen, genetisch modifizierten Katzenmenschen und sprechenden Robotern könnte aus den 1980er Jahren stammen. Aufgelockert wird die düstere Atmosphäre durch Turings naiven Humor. Die nicht-lineare, vielschichtige Story ist intelligent und beleuchtet nicht nur das Thema künstliche Intelligenz, sondern auch ethische Fragestellungen zu Transhumanismus und Gentechnik am Menschen. Ein besonderes Lob gibt es neben dem äußerst stimmigen Erscheinungsbild auch für die Möglichkeit, die Pronomen der Spielfigur am Anfang des Spiels selbst auszuwählen. Einziges Manko: Die hervorragende Sprachausgabe ist nur im Intro und Outro zu hören.

Joël Adami studiert Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der Universität für Bodenkultur Wien.

Links:
readonlymemori.es

Eis(Bären)Erlebnis!

  • 25.06.2015, 11:31

Schneesturm, der Kunuuksaayuka, in der arktischen Eiswüste: Die junge Iñupiat Nuna hat sich verlaufen und versucht zurück zu ihrer Familie zu finden. Ausgestattet mit einer Bola, einem Wurfzeug, begibt man sich als Nuna und/oder ihr treuer Freund, ein weißer Polarfuchs, auf eine Odysse durch Schnee, Eis und Wind und erlebt pulssteigernde Abenteuer.

Schneesturm, der Kunuuksaayuka, in der arktischen Eiswüste: Die junge Iñupiat Nuna hat sich verlaufen und versucht zurück zu ihrer Familie zu finden. Ausgestattet mit einer Bola, einem Wurfzeug, begibt man sich als Nuna und/oder ihr treuer Freund, ein weißer Polarfuchs, auf eine  Odysse durch Schnee, Eis und Wind und erlebt pulssteigernde Abenteuer.

Mal überlistet man das kleine Volk, um dem Eulenmann, eine Art Shamanen aus Nunas Dorf, seine Trommel zurückzubringen, dann schwimmt man im wassergefüllten Magen-Labyrinth eines Wals oder stellt sich dem grusligen Menschentöter. Bei allen Abenteuern hilft Nuna Sila, das Wetter: Gezeichnet in schön geschwungen, geisterähnliche Tierformen hält sich Nuna daran fest oder wird über Wasser und Abgründe getragen. Auch der Polarfuchs gehört diesen Naturkräften an und kann mit ihnen kommunizieren. Später in Gestalt eines Peter Pan mit Öhrchenkapuze, der durch die Lüfte flitzt, kann er sie  sogar lenken.

Ohne die anderen geht hier gar nichts. Das legt auch der Zwei-Spieler_innen-Modus nahe, in dem der die Mitspieler in in die gleichberechtigte Rolle des Fuchs schlüpfen kann. „Never Alone“ steht ganz im Zeichen der Gemeinschaft und des Respekts. Es ist bestechender Ausdruck der engen Zusammenarbeit mit 40 Iñupiat, den indigenen Bewohner_innen Alaskas, aus der das Videospiel entstanden ist.

In 24 in das Spiel integrierten, kurzen aber hochwertig produzierten Videoclips erzählen sie ihre Geschichten über das Leben im Schnee, Mythen über Polarlichter und ihr Wissen über die Natur. Letzteres schlägt sich auch in dem weichen, liebevoll gestalteten Artwork nieder, das eine Schneelandschaft nicht einfach weiß, sondern in differenzierten Eis- und Schneeformen und mit wechselnden Windstärken darstellt.

Die Macher_innen von „Never Alone" haben aus einem simplen Jump-and-Run eine epische Geschichte entwickelt, die man nur gemeinsam zu Ende bringen kann. „Never Alone“ beweist, dass es, ohne ins Kitschige, Verherrlichende oder belächelnd Herablassende zu verfallen, Spieler_innen spannend und lehrreich in das Leben der Iñupiat involvieren kann – auch im Sommer!

„Never Alone“ (Kisima Ingitchuna) Upper One Games
Einzel- oder Mehrspieler_innen für Windows, Mac,
PlayStation 4, Xbox One, (demnächst) Wii U 14,99 Euro

 

Marlene Brüggemann studiert Philosophie an der Universität Wien.