Väterrechtler

„Da werden Gewalttäter bedient.“

  • 03.01.2013, 11:51

Irma Zenacek und Brigitte Hornyik engagieren sich seit Jahrzehnten für die Rechte von Frauen in Österreich. Aktuell wirken sie am Blog muetterohnerechte.noblogs.org mit, auf dem entrechtete Mütter Raum für ihre Fallgeschichten bekommen. Claudia Aurednik hat mit den beiden über Problematiken der jüngsten Änderungen im Familienrecht sowie den Einfluss der Väterrechtler gesprochen.

Irma Zenacek und Brigitte Hornyik engagieren sich seit Jahrzehnten für die Rechte von Frauen in Österreich. Aktuell wirken sie am Blog muetterohnerechte.noblogs.org mit, auf dem entrechtete Mütter Raum für ihre Fallgeschichten bekommen. Claudia Aurednik hat mit den beiden über Problematiken der jüngsten Änderungen im Familienrecht sowie den Einfluss der Väterrechtler gesprochen.

progress: Das Parlament hat vergangenen Dezember das Familienrecht novelliert. In den Medien wurde unter anderem von einem „Obsorgegesetz“ gesprochen, bei dem das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen würde. Was sagen Sie dazu?

Brigitte Hornyik: Das Gesetz heißt eigentlich nicht Obsorgegesetz, sondern „Kindschafts- und Namensrechtsänderungsgesetz“. Es umfasst unter anderem solche Fragen wie: Welche Position haben die Kinder? Welche Rechte und Pflichten herrschen zwischen Eltern und Kindern? Und unter welchen Bedingungen kann man Kinder adoptieren? Aber natürlich sind bei Dingen, die Kinder betreffen auch Frauen mitbetroffen. Nicht zuletzt deshalb, weil in über 90 Prozent der Fälle die Kinder nach einer Trennung bei ihren Müttern bleiben.

Irma Zenacek*: Für mich stellt sich die Frage was der Begriff „Kindeswohl“ überhaupt bedeutet. Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass ich den Einfluss der Gesellschaft und der anderen Familienmitglieder unterschätzt hatte. Um ein Kind gut aufzuziehen, bräuchte es eine komplett andere Familienstruktur. Heute ist meine mittlerweile erwachsene Tochter zwar sehr stolz auf mich, aber die Rolle als Alleinerzieherin hat mich sehr viel Kraft gekostet.

progress: Auf dem Blog muetterohnerechte.noblogs.org wird das Gesetz kritisiert. Welche Problematik steckt hinter dem „Kindschafts- und Namensänderungsgesetz“?

Hornyik: In dem „Kindschafts- und Namensänderungsgesetz“ stehen schöne Worte zum Kindeswohl. Und auf der anderen Seite werden gerichtlich Verfügungen ermöglicht, die in meinem Augen nicht im Sinne des Kindeswohls sein können. Demnach kann ein Gericht eine sechsmonatige Abkühlphase sowie eine gemeinsame Obsorge während dieser Zeit anordnen. Da frage ich mich, inwiefern das kongruent sein soll. Das kann nur mörderisch für die Psyche der Kinder sein. Ich kenne selbst einige PsychotherapeutInnen die meinen, dass die neue Gesetzesregelung super für ihr Geschäft sei. Denn die Kinder, die Frauen und so manch sensibler Mann werden traumatisiert sein und Therapiebedarf haben.

Obsorge bedeutet nach der gesetzlichen Definition: das Kind pflegen, das Kind erziehen und das Kind vertreten. Und Vermögensverwaltung kommt als Sonderaspekt der Vertretung hinzu. Gemeinsame Obsorge heißt im Vertretungsbereich, dass jeder für sich alleine vertretungsbefugt ist. Das heißt, beide können zwei völlig verschiedene Dinge für das Kind entscheiden. Bereits vor mehr als zehn Jahren haben wir vor einer derartigen Regelung gewarnt. Damals wurde unter der schwarz-blauen Regierung die gemeinsame Obsorge beschlossen. Wahnsinnig gute Erfahrungen haben die RechtsanwältInnen mit dieser Gesetzesnovelle 2001 nicht gemacht. Und jetzt wurde das Gesetz auch noch aufgemotzt. Ich kann nur hoffen, dass es RichterInnen geben wird, die das Gesetz vernünftig vollziehen werden. Als Mutter und Vater wird man darauf angewiesen sein an welche RichterInnen man kommt.

In der Theorie klingt das Gesetz ja gut. Aber man soll sich bitte die Praxis anschauen: Da sind zwei Menschen, die können nicht miteinander. Er schlägt sie, sie kratzt und beißt meinetwegen und zudem haben sie ein schwieriges Scheidungsverfahren miteinander. Und dann sollen die beiden zur Besuchsmittlung und Mediation gehen. Und dann kommt noch die Familiengerichtshilfe und macht Anordnungen. Wie soll sich das in der Praxis bewähren? Ich bin da skeptisch.

Zenacek: Heinisch-Hosek verdient den Titel Frauenministerin meines Erachtens nicht, weil sie ein derartiges Gesetz mit beschlossen hat und somit gegen Frauen agiert. Auch das Gewaltschutzgesetz wurde durch das neue Gesetz ausgehebelt. Deshalb haben auch die Frauenhäuser massiv dagegen interveniert. Selbst wenn Gewalt in einer Beziehung im Spiel war, so müssen sich Frauen und Männer nun in sogenannten Besuchskaffees treffen. Das ist dann natürlich eine gute Gelegenheit die Frau einfach abzumurksen. Das haben wir ja schon x-fach erlebt – nicht nur in Österreich. Und außerdem gibt es auch Erfahrungsberichte aus Deutschland, weil die dort das Obsorgegesetz schon viel länger haben. Die Feministin Anita Heiliger hat über die Problematik zwei Bücher geschrieben. Eines davon heißt „Vater um jeden Preis.“ Was sie in ihren Büchern schreibt, ist einfach unfassbar. Das ist ein unglaublicher Rückschritt für die Frauen. Und außerdem ist es ja so, dass die Scheidungen primär von Frauen eingereicht werden. Diese wissen aber ganz genau, dass sie als Alleinerzieherinnen in die Armut abrutschen. Nach dem neuen Gesetz dürfen uneheliche Väter nun auch das Sorgerecht für Kinder einfordern. Meiner Ansicht nach könnte das so ausschauen: Ein Mann sagt zuerst zu einer Frau, dass sie abtreiben lassen soll und später pocht er doch auf die gemeinsame Obsorge. Wie es dann einer Frau damit geht, dass überlasse ich Ihrer Fantasie.

progress: Warum hat man sich ausgerechnet jetzt für diese Gesetzesnovelle entschieden?

Hornyik: Die Initiative für eine Gesetzesnovelle ist von den Väterrechtlern ausgegangen, die einen sehr guten Draht zur ehemaligen Justizministerin Bandion-Ortner hatten. Diese wollte auch keine überparteilichen Frauenorganisationen an der vorhergehenden Arbeitsgruppe teilnehmen lassen. Wir haben damals vom Frauenring - der größten Dachorganisation von Frauenvereinigungen - ein Sit-in vor dem Justizministerium gemacht. Danach wurde der Frauenring sehr wohl zugelassen. Die Väterrechtler waren jedoch von Anfang in der Arbeitsgruppe drinnen. Die jetzige Justizministerin Karl hatte dann nicht so ein Näheverhältnis zu den Väterrechtlern und war schon gesprächsbereiter. Von Frauenorganisationen, Kinderrechtlern, den SPÖ-Frauen und zahlreichen ExpertInnen wurden dann verschiedene Dinge hinein reklamiert. So beispielsweise fortschrittliche Regelungen im Namensrecht, neue Adoptionsregelungen, ein neues Recht für Mündelgelder.

In einigen Randbereichen hat man sich auch bemüht die Patchworkfamilien zu berücksichtigen. Aber das war ein Resultat überaus zäher Verhandlungen und vieler Arbeitsgruppensitzungen. Wir haben wirklich versucht etwas Positives herauszuholen. Die Gewaltfrage ist auch erst dank der Intervention der Frauenhäuser ausreichend berücksichtigt worden. Das bedeutet, dass Gewalt an einem Ehepartner durchaus ein Grund für den Entzug von Kontaktrechten sein kann oder dass sie bewirkt, dass einem Sorgerechtsantrag nicht stattgegeben wird. Gewalt betrifft aber zu 90 Prozent die Ehefrauen – auch wenn Väterrechtler immer wieder Geschichten über Frauen, die mit den Messern auf sie losgegangen sind, erzählen.

progress: Wer steckt hinter den Väterrechtlern?

Zenacek: Das geht sehr stark in die rechte bis rechtsextreme Ecke hinein. Ein aktuelles Beispiel ist Martin Stiglmayr von „Väter ohne Rechte“, der ins BZÖ als Assistent oder Zuarbeiter von Ewald Stadler eingestiegen ist. Bei den Väterrechtlern treffen sich dann auch die Abtreibungsgegner und Hetzer gegen Homosexuelle. Sie beraten auch ihre Klienten darüber wie sie Unterhaltszahlungen umgehen, und wie sie ein Scheidungsverfahren so lange wie möglich hinauszögern.

Einer ihrer Hardliner ist bei der Initiative „Humanes Recht“ aktiv und betreibt gleichzeitig auch die Homepage www.justiz-debakel.com. Das ist die Fortsetzung der Seite www.genderwahn.com, die wegen strafrechtlich relevanter Tatbestände vom Netz genommen wurde. Diese Websites sind voll von purem Frauenhass. Auf der Website von justitz-debakel.com sind sogar die Wiener Frauenhäuser fein säuberlich aufgelistet, damit die Männer wissen, wo ihre Frauen untergebracht sind. Ich verstehe nicht, wieso da nichts dagegen unternommen wird. Da werden Gewalttäter bedient, damit sie ihren Frauen und Kindern auflauern können.

Hornyik: Ich habe die Informationen über die Website an die Frauenhäuser und an das Frauenbüro der Stadt Wien (MA 57) weitergegeben. Ich kann nur sagen, dass sie davon wissen aber nichts dagegen tun. Ich kann das wirklich nicht verstehen. An mangelnder Information kann es jedenfalls nicht liegen.

Ergänzend zu den Väterrechtlern möchte ich noch darauf hinweisen, dass diese sich gerne auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und den Verfassungsgerichtshof hinsichtlich einer besseren Rechtsstellung für uneheliche Väter berufen. Als Verfassungs- und Menschenrechtlerin kann ich nur dazu sagen, dass ich das für eine mögliche und ideologisch gefärbte Auslegung betrachte. Gleiches wird man mir vorwerfen. Aber eine so derart weitreichende Auslegung, dass der Vater eines Kindes die Mutter gerichtlich zu einer gemeinsamen Obsorge vergattern kann, ist meiner Ansicht nach nicht geboten gewesen. Ich habe daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass der österreichische Gesetzgeber da sehr weit vorgeprescht ist.

progress: Frau Hornyik, Sie waren an den Verhandlungen zur Gesetzesnovelle beteiligt. Wie sind diese verlaufen?

Hornyik: Ich war als Vertreterin des Frauenrings bei den letzten Sitzungen dabei und habe für diesen auch umfassende Stellungnahmen geschrieben. Diese sind auf den Parlamentsseiten nachzulesen. Ich möchte aber auf einen demokratiepolitischen Aspekt aufmerksam machen. Das Ende der Begutachtungsfrist der Gesetzesnovelle war am 5. November. Und bereits am 13. November ist die Regierungsvorlage im Ministerrat beschlossen worden. Jetzt soll mir mal jemand erklären, wie an die 50 abgegebenen Stellungnahmen innerhalb einer Woche berücksichtigt wurden. Ehrlich gesagt haben wir vom Frauenring ein bisschen das Gefühl gehabt, verscheißert worden zu sein. Und wir haben das maßgebliche Gefühl, dass da ein demokratiepolitischer Schaukampf abgehalten wurde. Ich glaube nämlich nicht, dass es möglich ist, in dieser kurzen Zeit alle Stellungnahmen zu lesen und zu überlegen, was man einbauen kann. Am 20.11. gab es dann ein Hearing im Parlament. Die Freiheitlichen haben natürlich Väterrechtler als Experten nominiert. Auch dieses Hearing war ein parlamentarischer Schaukampf, damit man sagen kann, wie demokratisch man nicht wäre. Das Gesetz wurde einfach durchgewunken. Das ist für mich eine demokratiepolitisch bedenkliche Sache. Denn wenn die zuständigen Bundesministerinnen in der Koalition sich einigen, dann hast du keine Chance mehr. Zivilgesellschaft, NGOs und Bürgerbeteiligung hin oder her. In der Vorphase im Juni und Juli haben wir aber noch etwas ändern können.

progress: Welche Punkte konnten von den Frauenorganisationen im Sommer verhindert werden?

Hornyik: Eine Forderung der Väterrechtler war die Doppelresidenz, diese konnten wir verhindern. Denn Doppelresidenz bedeutet, dass es keinen hauptsächlichen Aufenthaltsort für das Kind gibt. Und wenn das Kind zu beiden Teilen bei Papa und Mama wohnt, dann gibt es natürlich auch keine Unterhaltspflicht. Dies wäre ganz im Sinne der Väterrechtler gewesen. Doch das konnten wir verhindern. Aber im Bereich der gemeinsamen Obsorge hatten wir nicht viel Erfolg. Auch in anderen Bereichen konnten wir intervenieren. Beispielsweise wäre es nach der Geburt eines unehelichen Kindes möglich gewesen, dass der Vater am Standesamt einfach nur mit einer Unterschrift der Frau im Wochenbett die gemeinsame Obsorge festlegt. Das wäre ein Wahnsinn für all jene Frauen gewesen, denen es nach der Geburt nicht so gut gegangen wäre oder für Migrantinnen, die die deutsche Sprache nicht so gut beherrschen. Mittlerweile ist dieser Passus entschärft worden.

progress: Warum haben Väterrechtler so eine große Lobby?

Zenacek: Generell ist es so: Wenn Männer sich um Kinder kümmern würden, dann hätten es die Frauen viel leichter. Aber um diese Männer geht es den Väterrechtlern natürlich nicht. Es geht ihnen um jene, die sich aus der Verantwortung stehlen und keine Alimente zahlen wollen. Die Väterrechtler sitzen auch in allen Parteien – ich habe sie bis in die KPÖ in Österreich nachverfolgen können. Auch Grüne und Gewerkschafter sind bereits mit den Väterrechtlern gemeinsam aufgetreten.

Hornyik: Ich kann das nur bestätigen. Sobald Männer eine Scheidung hinter sich haben, sympathisieren sie politisch höchst unreflektiert mit den Väterrechtlern. Auch in der Praxis hab ich diese Erfahrungen gemacht. Und natürlich spielt die Tatsache, dass Männer in unserer Gesellschaft die ökonomische und politische Macht besitzen eine Rolle.

Zenacek: Eigentlich ist das ein politischer Revanchismus. Aber das hat natürlich alles gesellschaftliche Auswirkungen – auch wenn es sich im Privatleben abspielt. Denn das Private ist politisch – das ist nicht umsonst ein Slogan der feministischen Bewegung.

Hornyik: Wir werden immer gerne von jungen Frauen als Altfeministinnen und Männerhasserinnen dargestellt. Aber Recht ist – im Sinne der Rechtswissenschaft – ein Konfliktlösungsinstrumentarium. Dort wo Menschen es schaffen nach einer Trennung sich gemeinsam um die Kinder zu kümmern, da gratuliere ich ihnen. Da sage ich dann: fein, dass ihr das hingekriegt habt. Aber Recht muss praktikable Lösungen in Konfliktfällen anbieten. Und das hat wirklich nichts mit Altfeminismus und Männerhass zu tun.

Zu den Personen:

Irma Zenacek

ist seit über 35 Jahren autonome Feministin. Bereits mit 19 entschied sie sich dafür, sich gemeinsam mit Frauen zu organisieren und niemals in eine Partei einzutreten. Beruflich hat sie sich als Alleinerzieherin mit diversen Brotberufen über Wasser gehalten. Sie verfügt über ein jahrzehntelanges Know-how über die Probleme von Frauen in unserer Gesellschaft. Und sie findet, dass „für Abgehobenheit in den weiblichen Lebensrealitäten von Frauen kein Platz ist“. Schwerpunkte von Irma Zenaceks politischem Aktivismus sind: strukturelle und daher auch staatliche Gewalt gegen Frauen, Lesben und Mädchen, Sozialpolitik und Sozialraub, Alleinerzieherinnenrealitäten und die damit einhergehende Betätigung der Väter- und Männerrechtler, das Treiben militanter AbtreibungsgegnerInnen und das Selbstbestimmungsrecht der Frau in allen gesellschaftlichen Bereichen sowie Frauen im Widerstand und Krieg. Außerdem beschäftigt sie sich mit feministischer Kunst und Schmuckdesign. Irmas Lebensmotto: „ Ich möchte nicht, dass mir eines Tages das Patriarchat auf die Schultern klopft und sagt: "Das haben Sie aber gut gemacht, Frau Zenacek! Ich hasse den Mief der Anpassung!“

*da die Interviewpartnerin investigativ zu Väterrechtlern und AbtreibungsgegnerInnen forscht, wurde der Name von der Redaktion geändert.

Brigitte Hornyik

wurde 1957 in Wien geboren und ist in einer konservativ-bürgerlichen Familie aufgewachsen. Ihre Mutter war eine beruflich und ökonomisch selbstständige Frau, die als Mittelschulprofessorin und zuletzt als Direktorin am Gymnasium Wiedner Gürtel tätig war. Brigitte Hornyik studierte Rechtswissenschaft an der Universität Wien. Im Zuge ihres Studiums wurde sie mit der Diskriminierung von Frauen durch Professoren und Assistenten konfrontiert. Während ihrer Tätigkeit als Studienassistentin und Universitätsassistentin am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht lernte sie die feministische Rechtswissenschaftlerin Neda Bei kennen, die ihre Mentorin wurde. Bereits damals veröffentlichte Hornyik ihre erste Publikation zum Thema Geschlechtergleichheit im Schulrecht. Während der 1980er Jahre war sie im Staatssekretariat der Frauenministerin Johanna Dohnal tätig. Ihre Arbeitsschwerpunkte umfassten die Ratifikation der UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW), Vorbereitung und Durchführung der ersten Enquete zum Thema Frau und Recht sowie Rechtsberatung. Von 1982 an arbeitete sie bis zum Juli 2012 als wissenschaftliche Mitarbeiterin, Abteilungsleiterin und Bereichsleiterin am Verfassungsgerichtshof. Brigitte Hornyik ist Vorstandsmitglied im „Österreichischen Frauenring“, ehemalige Vorsitzende im Verein österreichischer Jurstinnen und Aktivistin der Plattform 20.000 Frauen.

Links:

Blog „Mütter ohne Rechte“: http://muetterohnerechte.noblogs.org/

Frauenring: www.frauenring.at

Verein österreichischer Juristinnen: www.juristinnen.at

Plattform 20.000 Frauen: zwanzigtausendfrauen.at

 

 

 

Ob-Sorge

  • 28.12.2012, 12:56

Warum die Obsorge mehr ist als ein Sonntagnachmittagsbesuch. Ein Kommentar von Elfriede Hammerl.

Warum die Obsorge mehr ist als ein Sonntagnachmittagsbesuch. Ein Kommentar von Elfriede Hammerl.

Zuerst: Obsorge ist nicht Fürsorge. Um mit seinem Kind zu spielen, zu lernen und zum Zahnarzt zu gehen, um ihm vorzulesen, mit ihm zu lachen und sich seine Sorgen anzuhören, muss man nicht unbedingt obsorgeberechtigt sein. Obsorge heißt auch nicht, seine  Kinder sehen zu dürfen. Der Kontakt zwischen Kindern und dem Elternteil, bei dem sie nicht leben, wird nämlich unabhängig von der Obsorge geregelt. Obsorge im juristischen Sinn bedeutet, ein Kind nicht nur pflegen und erziehen zu sollen, sondern auch, es gesetzlich zu vertreten und sein Vermögen zu verwalten. Wenn ein Elternteil um die gemeinsame Obsorge kämpft, dann kämpft er also nicht zuletzt darum, mitbestimmen zu dürfen. In welche Schule das Kind geht, zum Beispiel. Wieviel Taschengeld es kriegt. Ob es Sprachferien in Spanien machen darf. Was es nach der Schule studieren soll.

Das ist per se nichts Verwerfliches. Man kann durchaus aus lauterem Interesse am Kind bei solchen Entscheidungen mitreden wollen. Allerdings kann das Mitredendürfen auch als reine Machtausübung verstanden und praktiziert werden. Die gemeinsame Obsorge schafft also noch keine harmonischen Verhältnisse. Wenn zwei bestimmen dürfen, dann können sie entweder kooperieren oder einander ständig in die Suppe spucken. Um Letzteres zu vermeiden, war sie bis jetzt nur in beiderseitigem Einverständnis möglich. Nun sieht die Familienrechtsreform vor, dass sie nach Scheidungen auch gegen den Willen eines Elternteils gerichtlich angeordnet werden kann. Und anders als bisher sollen uneheliche Väter ebenfalls das Recht haben, sie unabhängig von der Zustimmung der Mutter zu beantragen. Das Gericht entscheidet dann, ob dem Antrag stattgegeben wird. Bei vielen Frauen – persönlich betroffenen, aber auch solchen, die beruflich viel mit Konfliktfamilien und Scheidungsfolgen zu tun haben – stößt das auf Unbehagen. Sie argumentieren: Eltern, die miteinander auskommen, wurden schon bisher nicht am gemeinsamen Obsorgen gehindert. Ob jedoch in Streitfällen die gerichtlich verordnete Kooperation funktioniere, sei zu bezweifeln.

Feministische Erungenschaften. Um ihre Bedenken besser zu verstehen, empfiehlt sich ein Blick in die Vergangenheit, und zwar in eine, die noch gar nicht so lange zurückliegt. Bis ins Jahr 1978, als die letzte große Familienrechtsreform in Österreich abgeschlossen war, hatten allein die Väter in den Familien das Sagen. Die elterliche Aufgabenteilung sah so aus: der Mutter die Pflichten, dem Vater die Rechte. Mütter betreuten, Väter erzogen. Mütter mühten sich, Väter schafften an. Nur mit väterlicher Unterschrift bekamen Kinder einen Pass, einen Schulplatz, einen Lehrvertrag. Geschiedene Mütter durften die Kinder zwar versorgen, gesetzlich vertreten durften sie sie nicht. Uneheliche Kinder unterstanden einem Amtsvormund.

Das war eine für Mütter und auch für Kinder demütigende Situation. Die Väter trafen die Entscheidungen, von den Bedürfnissen der Kinder – deren Alltag ihnen fremd war – wussten sie oft nichts. Deswegen: große Erleichterung, als Mütter von Gesetzes wegen endlich gleichberechtigt wurden. Und große Erleichterung, weil geschiedene Mütter die alleinige Obsorge zugesprochen bekamen und nun nicht mehr für jeden Schmarrn die gütige Erlaubnis des ehedem so genannten Familienoberhaupts einholen mussten.

Die neue Gesetzeslage wird, so befürchten KritikerInnen, den Möchtegern-Patriarchen wieder Aufwind geben. Gerade bei strittigen Scheidungen kann davon ausgegangen werden, dass noch emotionale Rechnungen offen sind. Was, wenn die zwangsweise verordnete gemeinsame Obsorge dazu benützt wird, der Ex immer wieder einmal eins auszuwischen, ihre Entscheidungen zu torpedieren, ihr den Alltag mit den Kindern zu erschweren? Mutter meldet Kinder in einer bestimmten Schule an, Vater meldet sie ab.Mutter bucht Urlaubsreise mit den Kindern, Vater legt Veto ein. Mutter erlaubt, Vater verbietet. Mutter verbietet, Vater erlaubt. Und so weiter. Derlei Szenarien sind durchaus realistisch, schon jetzt werden ja Beziehungsaltlasten nicht selten auf dem Rücken  der Kinder hin- und hergewälzt. Okay, sagen wir es geschlechtsneutral: Die Person, bei der das Kind überwiegend lebt, läuft Gefahr, dass die Person, bei der das Kind nicht lebt, sich ständig einmischt, sei es aus Rechthaberei, als Rache für alte Kränkungen oder aus Ärger über Unterhaltsverpflichtungen. Auch Tauschangebote sind vorstellbar: Verzichtest du auf Unterhalt, lasse ich dir die  Obsorge. Die Person, bei der das Kind überwiegend lebt, ist meistens die Mutter. Deshalb sind es Frauen, die eine Verschlechterung ihrer Situation befürchten, während Männer ins Treffen führen, ohne Obsorgeberechtigung wären umgekehrt sie dem guten Willen der Mütter ausgeliefert, Bittsteller, die nichts zu melden hätten im Leben ihrer Kinder.

Veränderung. Das hat grundsätzlich etwas für sich. Neue Rollenbilder verlangen neue Einstellungen, wenn Väter sich engagieren sollen, dann müssen sie auch entsprechend mitreden dürfen. In der Praxis ist es freilich oft schwer, die ehrlich engagierten von denen zu unterscheiden, die Engagement mit Herrschsucht verwechseln und sich als Opfer sehen, weil sie nicht Täter sein dürfen. Häufig geht es auch ums Geld: Ist einer, der klagt, dass er zahlen muss, obwohl er nicht genug zu reden hat, wirklich an seinem Kind interessiert oder bloß daran, Einfluss zu kriegen für seinen Zaster? Die Aufrichtigen von den Scheinheiligen, die Liebevollen von den Selbstsüchtigen, die Verantwortungsvollen von den Machtgeilen zu unterscheiden, das wird in Zukunft die Aufgabe der Gerichte sein. Sie können die gemeinsame Obsorge anordnen oder auch nicht. Sie können entsprechenden Anträgen stattgeben oder  sie ablehnen. Für jeden Fall eine maßgeschneiderte Lösung verhießen uns die Ministerinnen Heinisch-Hosek und Karl bei der Präsentation ihres Reformpakets.

Klingt gut. Fragt sich nur, wie die Schneiderwerkstatt Justiz das schaffen wird. Schon jetzt leiden unsere Gerichte unter einem gravierenden Personalmangel. Und woher das juristische Personal die Kompetenz für seine Entscheidungen nehmen soll, ist auch nicht so ganz geklärt, zumal es keine Verpflichtung zu einer einschlägigen Aus- und Weiterbildung gibt. Ja, man wird PsychologInnen und PädagogInnen beiziehen, aber die Bewertung ihrer Expertisen liegt beim Richter oder der Richterin. Gerade die Familiengerichte sind indes nicht selten erste Durchgangsstation für junge Leute auf dem Weg zu vermeintlich höheren Weihen. Auf welchen Erfahrungen wird sich ihr Urteilsvermögen gründen?

Elfriede Hammerl ist österreichische Journalistin und Schriftstellerin. Ihre letzten beiden Bücher sind „Kleingeldaffäre“ (Deuticke) und das Kinderbuch „Meine Schwester ist blöd“. Die Feministin war Mitinitiatorin des Frauenvolksbegehrens 1997 und kandidierte bei der Nationalratswahl 1999 für das Liberale Forum. Außerdem ist sie mit ihrer Kolumne der einzige verbliebene Grund, das Magazin profil noch aufzuschlagen.

„Um die Rechte der Kinder geht es nicht"

  • 29.09.2012, 19:54

Die Väterrechtsbewegung hat in Österreich in den letzten Jahren massiv an Bedeutung gewonnen. Zu den Interessen der Väterrechtler zählt jedoch nicht nur das Wohl des Kindes. progress hat sich in der Väterrechtsszene umgeschaut.

 

Die Väterrechtsbewegung hat in Österreich in den letzten Jahren massiv an Bedeutung gewonnen. Zu den Interessen der Väterrechtler zählt jedoch nicht nur das Wohl des Kindes. progress hat sich in der Väterrechtsszene umgeschaut.

Vergehen der gefährlichen Drohung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Verbrechen der Verleumdung, Nötigung, Vergehen der beharrlichen Verfolgung. So lautet die Anklage gegen Herwig Baumgartner, vierfacher Vater und Leitfigur der österreichischen Väterrechtsbewegung. Seit Jahren führt er einen erbitterten Kampf um die Obsorge für seine Kinder. Vor allem aber führt er einen Kampf gegen die Justiz – und gegen seine Expartnerin. Das Resultat: Seine Exfrau muss für längere Zeit mit ihren Kindern in einem Frauenhaus Schutz suchen. Auch RichterInnen und GutachterInnen werden von Baumgartner bedroht, verleumdet und gestalkt. Besonders auf Frauen hat er es abgesehen: Eine Verurteilung wegen 21 Delikten als geistig abnormer Rechtsbrecher und vier Jahre Haft sind die Folgen für den 58-jährigen Akademiker. Baumgartner ist kein inzelfall in der Väterrechtsbewegung. Viele der führenden Väterrechtler sind vorbestraft, Körperverletzung und gefährliche Drohung sind häufige Vergehen.

Anita Pirker* arbeitet für die Stadt Wien im Familienrechtsbereich und vertritt Kinder oder Elternteile in Pflegschaftsverfahren vor Gericht. Pirker erzählt von den Mitteln, mit denen radikale Väterrechtler arbeiten: „Wir hatten eine Klientin, eine Mutter, die hat sich mit ihren Kindern nicht mehr aus der Wohnung getraut. Die Väterrechtler sind immer vor ihr gegangen, neben ihr gegangen à la Big Brother is watching you.“ Stalking und Bedrohung sind nach Pirkers beruflicher Erfahrung keine Seltenheiten. Auch sie selbst wird bedroht, auf diversen Internetplattformen verleumdet und von Väterrechtlern zu Veranstaltungen verfolgt. Vor einigen Wochen gipfelte der Psychoterror in einer Morddrohung gegen Pirker. „Das war nicht ohne. Ich bin in kein Lokal mehr hineingegangen mit dem Rücken zum Fenster. Und ich bin kein ängstlicher Mensch.“

Genderwahn und Trennungsopfer. Internetplattformen spielen für die Vernetzung der Väterrechtsbewegung eine wichtige Rolle. Schnell verliert man den Überblick: väter-ohne-rechte.at, humanesrecht.com und trennungsopfer.at sind nur die bekanntesten Beispiele. Im von Herwig Baumgartner errichteten Forum genderwahn.com wird unter Synonymen wie Frauenhausjäger, EureHeiligkeit, Volk oder Hades gepostet. Unter der ursprünglichen Domain ist Genderwahn nicht mehr zu finden, da wiederholt strafrechtliche Tatbestände gesetzt wurden. Das Forum wird jedoch unter justiz-debakel.com unverändert weitergeführt. Das Spektrum der Einträge reicht von antidemokratischen, faschistoiden Aussagen bis zu Drohungen, Verleumdungen und Diffamierungen verschiedener Personen. Gemeinsam ist den meisten Postings der unverblümten Hass auf Frauen.

Charakteristisch für die Väterrechtsbewegung ist die starke Vernetzung untereinander: Personelle Überschneidungen und Links auf Homepages führen sehr schnell zur FPÖ, zur Männerpartei oder zum rechtspopulistischen Onlinemagazin Wien-Konkret. Einige Plattformen machen keinen Hehl aus ihrer sexistischen, zum Teil rechtsextremen Ausrichtung, andere geben sich liberaler. Norbert Grabner ist Obmann des Vereins Vaterverbot, neben Väter ohne Rechte der zweite große Akteur in der österreichischen Väterrechtsszene. Er versucht sich als gemäßigter Vertreter von Väterrechten zu positionieren.Offizielle Kontakte zu radikalen Väterrechtlern wie Herwig Baumgartner streitet er ab, gesteht aber ein: „Das heißt nicht, dass ich deren Telefonnummern nicht habe.“ Und auch Vaterverbot kann keine glaubhaft liberale Position vermitteln. Auch hier wird pauschal gegen Frauen agitiert und männliche Gewalt verharmlost. Und wie bei allen anderen Väterrechtsvereinen geht es nicht vorrangig um das Wohl des Kindes, sondern vor allem um eines: Macht.

Macht und Kontrolle. „Väterrechtler denken ausschließlich an ihre Rechte, um die Rechte der Kinder geht es dabei so gut wie gar nicht“, erzählt Maria Rösslhumer vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser. Eine der Hauptforderungen der Väterrechtler ist das Recht des Kindes auf beide Elternteile. Aber auf die Frage, welche weiteren Kriterien für das Kindeswohl wichtig seien, ist Norbert Grabner von Vaterverbot vorerst ratlos: „Was das Kindeswohl ausmacht? Jetzt auf Rechte von Vätern bezogen?“, fragt er unsicher.

Auch Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek sieht das Erlangen beziehungsweise den Erhalt von Kontrolle über Frauen sowie finanzielle Interessen als Hauptmotive der Väterrechtsbewegung. „Die Väterrechtsorganisationen zeichnen sich durchwegs durch antifeministische Inhalte aus“, kritisiert die Frauenministerin im Gespräch mit progress.

Viele Forderungen zielen auf die Einschränkung von weiblicher Selbstbestimmung und auf Macht über Frauen ab. So will Vaterverbot Frauen die Möglichkeit nehmen mit ihren Kindern den Wohnort zu wechseln: Entweder dableiben oder die Kinder aufgeben. „Die Mutter kann gerne ans Ende der Welt ziehen, aber sie darf das Kind nicht aus dem Familienverbund reißen“, setzt sich Grabner gegen weibliche Selbstbestimmung ein.

Ein Kind brauche einen Vater, so eine der Kernbotschaften der Väterrechtsbewegung. Andreas Kemper, kritischer Männlichkeitsforscher aus Deutschland, hält die Argumentationen von Väterrechtlern für biologistisch: Biologische Vaterschaft werde idealisiert und über soziale Elternschaft gestellt. Pseudowissenschaftliche Ansätze, die behaupten, Kinder von Alleinerzieherinnen würden sehr viel wahrscheinlicher an ADHS leiden und wären einer größeren Selbstmordgefahr ausgesetzt, stützen diese Argumentation. In Medizin und Wissenschaft sind solche Behauptungen allerdings nicht anerkannt. Die Qualität des Kontaktes zum Vater wird dabei von Väterrechtlern vollkommen außer Acht gelassen. Anita Pirker erzählt von einem neunjährigen Mädchen, das länger als ein Jahr gegen ihren Willen gezwungen wurde, einmal monatlich ihren gewalttätigen Vater zu besuchen. Gewalt sei der häufigste Grund, warum Besuchsrechte verweigert würden. „Kinder brauchen eine fixe Bezugsperson, eine stabile. Wenn es zwei sind, umso besser. Aber prinzipiell können Kinder mit einer guten Bezugsperson, mit jemandem, der für sie da ist, gut leben“, sagt Pirker. Sie hält nichts von der Behauptung, Kinder würden in jedem Fall einen Vater brauchen, und kritisiert, dass Besuchsrechtentscheide oft gegen das Wohl des Kindes getroffen würden.

Unterhalt und Männerarmut. Unterhaltszahlungen sind der Väterrechtsbewegung ein besonderer Dorn im Auge. Beim Durchstöbern diverser Foren entsteht das Gefühl, die Hauptbeschäftigung von Alleinerzieherinnen sei es, Männer bei jeder Gelegenheit finanziell auszunutzen und sich mit dem Unterhalt ein schönes Leben zu machen. So ist Norbert Grabner von Vaterverbot fest davon überzeugt, wesentlich mehr Väter würden aufgrund von Unterhaltszahlungen unter der Armutsgrenze leben als Mütter. Armutsstatistiken zeigen jedoch klar: Weibliche Alleinerzieherinnen sind die am stärksten von Armutsgefährdung betroffene Gruppe. In Väterrechtsforen wird oft debattiert, wie Unterhaltszahlungen umgangen werden können. Auch Grabner findet es in vielen Fällen gerechtfertigt, Unterhalt zu verweigern. Dass mit diesem Vorgehen nicht nur Frauen, sondern auch Kindern massiv geschadet wird, scheint dabei nebensächlich zu sein. Die Verweigerung von Alimenten und Unterhaltszahlungen bedeutet momentan für viele Frauen, Kinder und Jugendliche, am Existenzminimum zu leben. Warum dieser Missstand von Väterrechtlern nicht thematisiert wird? „Es gibt genug andere, die die Männer ankreiden, da müssen es wir nicht auch noch machen“, meint Grabner.

Väterrechtler wie Grabner sehen Männer selten bis nie im Unrecht. Rechte werden ingefordert – Pflichten werden jedoch nicht thematisiert. So fordern Väterrechtler auch erst zum Zeitpunkt der Trennung Väterrechte ein. „Ein Vater, der in einer aufrechten Beziehung lebt, hat überhaupt nicht das Bedürfnis, die Kinder regelmäßig zu Gesicht zu kriegen. Der kommt am Abend heim und seine Kinder sind jeden Tag bei ihm.“ Dieses Verständnis von Kinderbetreuung macht deutlich, dass Erziehungsarbeit in Österreich immer noch fast zur Gänze von Frauen geleistet wird und Väterrechtler effektiv nichts an diesem Umstand ändern wollen. Für Grabner ist es dennoch unverständlich, dass in Pflegschaftsverfahren in den meisten Fällen Frauen die Obsorge zugesprochen wird. Männer hätten keine Chance, selbst wenn sie einer der knapp fünf Prozent der Väter seien, die in Karenz gehen. Dem widerspricht Anita Pirker, die aus ihrer alltäglichen Erfahrung etliche Fälle kennt, in denen Männern die Obsorge zugesprochen wurde. Es sei jedoch nicht verwunderlich, dass Frauen auch nach einer Trennung Hauptbezugsperson des Kindes bleiben sollen: „Tatsache ist, dass Frauen die meiste Erziehungsarbeit leisten.“

Gemeinsamkeit Verordnen? Politisches Lobbying steht neben der Koordination von Internetforen längst im Mittelpunkt der Arbeit der Väterrechtsbewegung. Dies wird besonders in der Debatte um die automatische gemeinsame Obsorge sichtbar. Sowohl in der Medienberichterstattung als auch im Gesetzwerdungsprozess wird Väterrechtlern große Aufmerksamkeit geschenkt, indem sie zum Beispiel von Justizministerin Beatrix Karl in politische Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden. Der wohl strittigste Punkt in der Debatte ist die Forderung nach einer gemeinsamen Obsorge nach Scheidungen, worin sich ÖVP und Väterrechtler einig sind. „Meine Position und die der ÖVP hat sich nicht geändert – die gemeinsame Obsorge soll der Regelfall sein“, stellt Karl auf Anfrage von progress klar. Bei der Forderung nach einer automatischen gemeinsamen Obsorge geht es um zehn Prozent der Scheidungen – sogenannte strittige Scheidungen, die nicht einvernehmlich gelöst werden können. Ein Grund, warum Frauenministerin Heinisch-Hosek eine Automatik ablehnt: „Eine automatische gemeinsame Obsorge lehne ich ab, weil die Pflege und Erziehung eines Kindes nur im guten Einvernehmen der Eltern vernünftig funktionieren kann.“ Vielerseits wird kritisiert, dass Gemeinsamkeit nicht verordnet werden könne – vor allem in strittigen Fällen, in denen ein massiver Konflikt zwischen Vater und Mutter besteht. Kinder würden so oft zum Spielball eben jener Konflikte.

Bei strittigen Scheidungen spielt nicht selten auch Gewalt eine Rolle. Frauenhaus-Vertreterin Rösslhumer kritisiert an der Forderung, „dass Gewalt an Frauen und an Kindern bereits bei der derzeitigen Regelung kaum berücksichtigt wird, bei einer gesetzlich festgelegten und automatischen Regelung wird die Situation nicht besser. Die gemeinsame Obsorge ist oft eine Verlängerung der Gewaltspirale“.

Männer als Opfer von Gewalt. Gewalt ist in der Väterrechtsbewegung ein viel diskutiertes Thema. Mit falschen Zahlen wird argumentiert, Männer seien hauptsächlich Opfer. Vaterverbot.at behauptet, 53 Prozent der familiären Gewalt gehe von Frauen aus. Rösslhumer zeichnet ein anderes Bild und nennt zum Beispiel den Österreichischen Frauenbericht, in dem häusliche Gewalt als männliches Phänomen dargestellt wird: „Männer werden auch Opfer von Gewalt, aber häufig durch andere Männer in der Öffentlichkeit, seltener im privaten und Familienbereich. Frauen und die Kinder sind die Hauptbetroffenen von Gewalt in der Familie.“ Durch die von den Väterrechtlern vorgenommene Umkehrung der Täter und Opfer wird männliche Gewalt gegen Frauen und Kinder von diesen vollkommen negiert.

Die Verharmlosung von Gewalt geht auch mit der Diffamierung und offenen Bekämpfung von Frauenhäusern einher. Häufig wird die Abschaffung von Frauenhäusern gefordert, noch häufiger werden Adressen von Frauenhäusern mitsamt Fotos und Lageplänen im Internet verbreitet. „Es kann fatale Folgen für Frauen und deren Kindern haben, wenn Gewalttäter die Adressen herausfinden, den Betroffenen auflauern und sie in Lebensgefahr bringen“, berichtet Rösslhumer.

Es stellt sich die Frage, wie die Verharmlosung von Gewalt und der Kampf gegen Gewaltschutzeinrichtungen mit dem Wohl des Kindes vereinbar sind. Möglicherweise würde Norbert Grabner die Frage stellen: „Jetzt auf Rechte von Vätern bezogen?“.