#unibrennt

24 Stunden Sicherheit?

  • 24.06.2015, 17:40

Ob auf Segways, am Gang oder am Campusgelände - Securities gehören oftmals zum Hochschulalltag dazu. Über öffentlichen Raum, lntransparenz und Millionenbeträge.

Ob auf Segways, am Gang oder am Campusgelände - Securities gehören oftmals zum Hochschulalltag dazu. Über öffentlichen Raum, lntransparenz und Millionenbeträge.

Vor einer der Türen der Universität Wien steht ein Sicherheitsbeamter. Sein Kopf ist kahl rasiert und in seinem Ohr steckt ein Kabel, das ihn mit dem restlichen Sicherheitspersonal über Funk verbindet. Er ist groß, ungefähr 1,80 Meter, sein Körper wirkt mus- kulös. Er trägt seine Arbeitskleidung: weißes Hemd, Hose und Schuhe sind schwarz. Er ist einer von zehn Securities an der Universität Wien, die in Zweier-Teams, 24 Stunden täglich, im Einsatz sind: sieben Männer und drei Frauen. „Die Universität besteht aus insgesamt 70 Gebäuden und unsere Sicherheitsteams haben Rundendienste", sagt Josef Scheibenpflug, Sicherheitskoordinator der Universität Wien. Bevor er sich der Sicherheit der Uni Wien verpflichtete, war er 35 Jahre lang im Polizeidienst tätig. Bei ihren Rundgängen müssen die Securities überprüfen, ob alle Lichter abgedreht und die Türen verschlossen  sind. Im Falle von Diebstahl, Belästigung oder Verletzungen sei das Sicherheitspersonal zuständig.

PRIVATANGELEGENHEIT. Es gibt zwar gesetzliche Regelungen zu Brand- und Arbeitnehmer*innenschutz, aus denen die Anwesenheitspflicht von entsprechendem Personal abgeleitet werden kann. Das heißt aber nicht, dass diese Aufgaben durch Sicherheitsdienste verrichtet werden müssen.

Foto: Mafalda Rakos

Die Anstellung der Sicherheitsfirmen selbst folgt einem durch das Bundesvergabegesetz geregelten Verfahren: Die Stelle wird öffentlich von der Universität ausgeschrieben, verschiedene Firmen erhalten die Möglichkeit der Bewerbung und das Rektorat wählt eine Firma aus. Die jeweilige Sicherheitsfirma erhält den Zuschlag für ein Jahr. Die Ausbildung, für die es in Österreich zurzeit keine Regelung gibt, findet durch Schulungen innerhalb der privaten Sicherheitsfirmen statt. Auch für die Wirtschaftsuniversität Wien sind „einschlägige und nachzuweisende Ausbildungen und Kenntnisse" erforderlich. Die Sicherheitskräfte sind für Scheibenpflug vor allem auch Serviceleistende und Repräsentant*innen der Universität. Auf die Frage, welche Sicherheitsfirmen momentan einen Vertrag mit der Uni Wien haben, gab es seitens der Universität keine klare Antwort.

„Das sind viele. Wir haben schon mit allen größeren Sicherheitsfirmen in Österreich zusammengearbeitet." Die drei größten Sicherheitsfirmen in Österreich sind G4S, der Österreichische Wachdienst (ÖWD), der an der Universität Innsbruck unter Vertrag ist, und Securitas. Diese drei setzten 2013 gemeinsam über 150 Millionen Euro bei über 7.500 Angestellten um.

2,1 MILLIONEN. Für die  Sicherheitsmaßnahmen an der Universität Wien stehen 500.000 Euro und ein zehnköpfiges Sicherheitsteam zur Verfügung. An der Technischen Universität Wien ist der Etat sogar mit 2,1 Millionen Euro bemessen. „Der Sicherheits- und Informationsdienst der TU Wien besteht aus 65 Mitarbeiter"'innen", weiß Gerald Hodecek, Leiter der Abteilung Gebäude und Technik. „Die Aufgabenbereiche der Securities an der TU sind denen an der Hauptuni und auch der Universität Innsbruck sehr ähnlich: Brandschutzwartung, Auskunft und Schlüsselverwaltung", sagt Hodecek. Dabei werden teilweise rund um die Uhr Leistungen erbracht.

Foto: Mafalda Rakos

Warum das nötig ist, erklärt die Universität Innsbruck: „Universitäten sind öffentliche Gebäude mit sehr großzügigen Öffnungszeiten. Das kann zum Problem werden, wenn Menschen die Räumlichkeiten ohne Rücksicht auf andere benutzen wollen und aggressiv oder zerstörerisch agieren. Das ist eher in den Wintermonaten hin und wieder problematisch. Daher betreut die Sicherheitsfirma in dieser Zeit auch tagsüber unsere Gebäude."

Die Handlungsrechte der Securities sind beschränkt. Laut eigenen Angaben spricht der Innsbrucker Wachdienst Personen an, die das Gastrecht missbrauchen, und bitten diese, das Gebäude zu verlassen. Das betrifft vor allem auch Obdachlose. Hier bewegen sich die Securities innerhalb der gesetzlichen Möglichkeiten, verfügen aber nicht über polizeiliche Rechte. Das heißt, sie dürfen nicht viel mehr, als auf die bestehende Hausordnung verweisen, aus Notwehr handeln und Nothilfe leisten. Deshalb ist es der Universität Wien wichtig, dass die Sicherheitskräfte Probleme durch Kommunikation lösen können. In unklaren Situationen sei es Scheibenpflug lieber, wenn das Sicherheitspersonal einmal mehr nachfragt. „Bei gröberen Sachen, wie zum Beispiel unangemeldeten Veranstaltungen, fragen sie automatisch nach, was zu tun sei", sagt  Scheibenpflug.

,,SAFETY“ FIRST. Die Rektorate greifen nicht nur dauerhaft auf Sicherheitskräfte des sogenannten dritten Sicherheitssektors zurück, wenn es um die Ordnung ihrer Hochschulen geht. Auch bei  akuten „Problemen" zögert man nicht, private Ordnungshüter_innen einzusetzen. So zum Beispiel bei einer gewaltsamen Räumung der BOKU-Flächen in Jedlersdorf. 2012 besetzte „SoLiLa - Solidarisch Land- wirtschaften in Jedlersdorf", eine Gruppe, die unter anderem aus Student innen der BOKU Wien bestand, ein brachliegendes Feld in einem ehemaligen Versuchsgarten der Universität. Der Widerstand, der sich für eine kollektive Nutzung der Flächen und Ermöglichung der partizipativen Landwirtschaft einsetzte, währte jedoch nicht lange. Nach zehn Tagen ließ das Rektorat die Fläche in Jedlersdorf durch Sicherheitsbeamt innen des Sicherheitsdientes Hellwacht gewaltsam räumen. Laut attac wurde auch die bereits davor von anderen Organisationen jahrelang aufge- baute Infrastruktur mit Motorsägen, Fräsen, LKWs und Containern zerstört und weggebracht. Auch bei #unibrennt wurden Sicherheitskräfte eingesetzt, um eine (erneute) Besetzung des Audimax der Universität Wien zu verhindern.

Viktoria Spielmann vom Vorsitzteam der ÖH-Bundesvertretung wünscht sich keine Zukunft mit Sicherheitskräften privater Firmen an Hochschulen. „Securities gehören raus aus der Hochschule. Soziale und gesellschaftliche Probleme müssen woanders als auf dem Unicampus oder in den Hochschulgebäuden bekämpft und gelöst werden. Zum Beispiel im Nationalrat."

(red)

„Der Gewöhnungseffekt ist ein Hund“

  • 10.03.2014, 21:51

Die Abschaffung des Wissenschaftsministeriums war zwar ein zufälliges Produkt der Koalitionsverhandlungen, fügt sich aber dennoch in einen Wandlungsprozess der österreichischen Hochschullandschaft ein, der bereits vor mehr als zehn Jahren seinen Anfang genommen hat. Eine Chronologie der Bildungsökonomisierung.

Die Abschaffung des Wissenschaftsministeriums war zwar ein zufälliges Produkt der Koalitionsverhandlungen, fügt sich aber dennoch in einen Wandlungsprozess der österreichischen Hochschullandschaft ein, der bereits vor mehr als zehn Jahren seinen Anfang genommen hat. Eine Chronologie der Bildungsökonomisierung.

Die Bestürzung war groß, als am Abend des 12. Dezember 2013 bekannt wurde, dass das Wissenschaftsministerium die Koalitionsverhandlungen nicht überlebt hat und die Agenden des bisherigen Ministers Karlheinz Töchterle (ÖVP) in das Wirtschaftsministerium unter der Führung von Reinhold Mitterlehner (ÖVP) wandern. Als „schäbig, armselig und dumm“ bezeichnete etwa Spitzen-Forscherin Renée Schroeder dieses Ergebnis gegenüber dem Nachrichtenmagazin profil. RektorInnen, Uni-Personal, ForscherInnen, Studierende und selbst große Teile der ÖVP waren entsetzt über die Entscheidung von Parteiobmann Michael Spindelegger, das Wissenschaftsministerium zugunsten eines neu geschaffenen Familienministeriums aufzulösen. Eine Unterordnung der Wissenschaft unter das „Diktat der Wirtschaft“ war und ist eine der zentralen Befürchtungen der KritikerInnen dieser Entscheidung. Vor einem „Aushungern der Grundlagenforschung“ warnen zahlreiche namhafte WissenschaftlerInnen, RektorInnen-Chef Heinrich Schmidinger forderte Bundespräsident Heinz Fischer auf, die Regierung nicht anzugeloben, die Universitäten wurden kurzzeitig schwarz beflaggt und StudierendenvertreterInnen aller Fraktionen riefen zu Protest- und Trauerkundgebungen auf. Sie warnten auf Transparenten und in Aussendungen vor einer weiteren „Ökonomisierung der Bildung“.

Und dennoch: Nach ein paar Tagen der Empörung war die Aufregung auch schon wieder vorbei. Für Sigi Maurer, ehemalige ÖH-Vorsitzende, inzwischen Wissenschaftssprecherin der Grünen, zeigt das, „wie weit wir schon sind. Das Wissenschaftsministerium arbeitet seit vielen Jahren auf eine stärkere Integration in die Wirtschaft hin. Jetzt sind die Wissenschaftsagenden dort angesiedelt – das macht für viele keinen Unterschied mehr. Ein Stück weit ist so etwas wie informierte Resignation eingetreten“, analysiert Maurer.

Mangelnde Wertschätzung. Offensichtlich war die Eingliederung der Wissenschaftsagenden in das Wirtschaftsministerium aber kein von langer Hand geplanter Schritt, sondern ein zufälliges Produkt der Koalitionsverhandlungen. „Dennoch zeigt diese Entscheidung klar, welches Bild die ÖVP von Wissenschaft hat und welche Wertigkeit sie ihr beimisst“, sagt Maurer. Damit ist sie ausnahmsweise einer Meinung mit Karlheinz Töchterle. „Die Einführung eines neuen Familienministeriums soll ein Zeichen sein, dass der ÖVP dieser Bereich besonders wichtig ist. Im Umkehrschluss sind ihr demnach Wissenschaft und Forschung nicht so wichtig. Das ist für mich angesichts der Bedeutung dieses Bereichs nicht plausibel“, so Karlheinz Töchterle gegenüber progress. Der Ex-Minister teilt die Sorgen der KritikerInnen: „Neben der symbolischen Wirkung sind auch faktische zu befürchten. Wissenschaft und Forschung bekommen schlicht weniger Zuwendung.“ Das vielzitierte „Diktat der Wirtschaft“ befürchtet der ehemalige Minister zwar weniger, ganz auszuschließen sei es aber dennoch nicht, so Töchterle.

Pacman frisst die Bildung. Die Jagd nach ECTS-Punkten erinnert Studierende an das Computerspiel Foto: Martin Juen

Nicht erst seit der Übersiedelung der Wissenschaft ins Wirtschaftsministerium ist eine immer stärkere Verstrickung von Wirtschaft und Bildung in Österreich Thema, denn die Universitäten befinden sich seit Langem in einem Wandlungsprozess, der nicht zuletzt unter europapolitischen Vorzeichen begann. Einerseits durch den Bologna-Prozess, der europäische Mobilität und einheitliche Abschlüsse bringen sollte, andererseits durch die Lissabon-Strategie, mit der Europa bis zum Jahr 2010 zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt“ werden sollte, begann spätestens ab dem Jahr 2000 auch in Österreich ein drastischer, struktureller Umbau der Universitäten. Zentral war dabei das Universitätsgesetz 2002 (UG 02, inzwischen wird es nur mehr UG genannt), mit dem die Universitäten in die seither vielbeschworene „Autonomie“ entlassen wurden. Luise Gubitzer, Ökonomin und Professorin an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) und seit den 80er- Jahren im Wissenschaftsbetrieb tätig, konstatiert, dass rund um das Jahr 2000 ein Prozess in Gang gesetzt wurde, der bis heute andauert und vor allem durch eine „Übernahme des Vokabulars, der Denkweise und der Organisationsform“ aus der gewinnorientierten Wirtschaft geprägt sei. Unter dem Dogma des „New Public Managements“ wurden unternehmensähnliche Strukturen geschaffen und marktwirtschaftliche Bewertungskriterien eingeführt: Evaluierung, Kennzahlen, quantifizierbare Leistungs- und Zielvereinbarungen, Wissensbilanzen und Rankings – all das sollte „outputorientierte“ Arbeit ermöglichen. RektorInnen wurden als UniversitätsmanagerInnen mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet.

Dahinter stecke eine „industrielle Vorstellung“ der Institution Universität, so Gubitzer: Sie werde als Betrieb gesehen, der Waren produziert und stets seinen Output zu steigern hat – mehr Publikationen, mehr AbsolventInnen, etc. „Dabei handelt es sich aber nicht um einen fruchtbaren Forschungswettbewerb, sondern im Grunde um einen Statuswettbewerb. Es ist nicht die Konkurrenz darum, wer den besseren Master anbietet, sondern wer besser dafür wirbt“, kritisiert sie.

Entdemokratisierung. Darüber hinaus brachte das UG 02 große Einschnitte in die demokratischen Strukturen der Universitäten: Die Möglichkeiten der Mitbestimmung von Studierenden und des wissenschaftlichen Personals wurden massiv eingeschränkt. Ihre Stimmen im Senat, dem einzig verbliebenen Uni-Gremium, das gewählt wird, wurden zugunsten des Stimmanteils der ProfessorInnen verringert. Das und die hierarchischen Organisationsstrukturen, die auf allen Ebenen sichtbar wurden, führten damals zu Protesten. Nicht nur Studierende gingen auf die Straße, auch viele progressive Lehrende solidarisierten sich mit den Studierenden, erinnert sich Barbara Blaha, die ein paar Jahre später als ÖH-Vorsitzende eine neue Protestwelle anführen sollte. „Aber es ist auch erstaunlich, wie schnell das wieder vorbei war. Zehn Jahre später kann sich keiner mehr vorstellen, dass Unis anders funktionieren können als heute. Das Gedächtnis der Institutionen ist offenbar sehr kurz“, sagt Blaha.

Aber auch die Proteste gegen das Universitätsgesetz waren nicht die ersten, die sich gegen den Einzug von Verwertungslogiken in den Hochschulbereich richteten. Nach den Sparpaketen der 90er-Jahre und der in diesem Kontext beschlossenen Senkung der Familienbeihilfe gingen auch im Jahr 2000 Studierende auf die Straße, um gegen die erstmalige Einführung von Studiengebühren unter der damaligen Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) zu protestieren. In den folgenden Jahren sollten die Studiengebühren wieder abgeschafft, eingeführt, doch nicht abgeschafft, autonom eingehoben und wieder rückerstattet werden. Luise Gubitzer sieht Studiengebühren als einen Schritt der Verankerung einer marktwirtschaftlichen Logik im Bildungssystem: Mit ihnen kommt das Element „Preis“ ins Spiel. „Als öffentliches Gut muss Bildung aber allen zugänglich sein und darf keinen Preis haben“, so Gubitzer.  

Liberalisierung und Protest. Zu den Protesten gegen Studiengebühren und gegen das umstrittene UG kam außerdem bald ein weiteres Thema hinzu, das weit über die Grenzen der Universität hinaus ein breites Bündnis von zivilgesellschaftlichen AkteurInnen auf den Plan rief: das GATS-Abkommen – das „General Agreement on Trade in Services“ der Welthandelsorganisation (WTO), das den weltweiten Handel mit Dienstleistungen und dessen Liberalisierung zum Ziel hatte.

Bildung, Gesundheit, Energie- und Wasserversorgung sollten dem freien Markt zugänglich gemacht und staatliche Regulierung in diesen Bereichen eingeschränkt werden. „Bildung ist dann nicht mehr Aufgabe des Wissenschaftsministeriums, sondern des Wirtschaftsministeriums“, warnte im Studienjahr 2002/03 die Fakultätsvertretung für Geistes- und Kulturwissenschaften der Uni Wien – ironischerweise auf einer Informationsseite, die heute noch online ist. Unter dem Motto „Education not Profit“ startete die ÖH eine groß angelegte Kampagne gegen das Handelsabkommen und war damit Teil eines breiten Bündnisses, das unter dem Slogan „Stopp GATS“ zahlreiche Organisationen unter einem Dach vereinte: von den Gewerkschaften bis zu ATTAC, von SchülerInnenorganisationen über die Armutskonferenz bis hin zu Umweltorganisationen. Die WTO wollte die Verhandlungen zum GATS bis zur Doha-Runde 2005 abschließen. Aufgrund von Uneinigkeiten zwischen den Mitgliedsstaaten ist das aber bis heute nicht gelungen.

Nach sechs Jahren schwarz-blauer Regierungspolitik, die unter anderem das UG02 und die Einführung von Studiengebühren gebracht hatten, keimte bei vielen Studierenden ein kleiner Hoffnungsschimmer, als die SPÖ 2006 als Wahlsiegerin aus den Nationalratswahlen hervorging und Alfred Gusenbauer Bundeskanzler wurde. Denkbar groß waren die Wut und die Enttäuschung, als klar wurde, dass auch diese Regierung, entgegen aller Ankündigungen, die Studiengebühren nicht abschaffen würde. Dieser Umstand und die Unzufriedenheit mit dem Gesamtergebnis der Koalitionsverhandlungen veranlassten die damalige ÖH-Vorsitzende Barbara Blaha aus der SPÖ auszutreten. Blaha sieht die damaligen Protesten, durchaus als Erfolg: „Wenn die Studierenden dieses Thema 2007 nicht so skandalisiert hätten und mein Partei-Austritt nicht so ein großes Thema gewesen wäre, wäre Werner Faymann nicht gezwungen, das Thema Studiengebühren als Symbolfrage zu behandeln. Mit dem Ergebnis, dass die Studiengebühren heute für einen Großteil der Studierenden Geschichte sind. Und solange Faymann Kanzler ist, werden sie das auch bleiben.“ Die Studierenden, die 2007 auf der Straße waren, sehen das aber nicht als ihren Erfolg, weil es zur geforderten Abschaffung der Studiengebühren erst Jahre später kam, so Blaha.

Schon im Jahr 2009 sollte es zu neuen Protesten kommen, die unter dem Titel #unibrennt – jedenfalls der medialen Rezeption nach – als die größten Bildungsproteste der vergangenen Jahre in die Geschichte eingehen sollten. „Die Proteste waren, abgesehen von der Besetzung als Protestform, weit nicht so radikal, wie sie nach außen vielleicht gewirkt haben“, erinnert sich Sigi Maurer, die damals ÖH-Vorsitzende war. „Der Fokus vieler Arbeitskreise war die Verbesserung der individuellen Situation an der Universität, mit der Zusatzforderung nach ECTS-Punkten für den Aktivismus im Audimax. Auch daran zeigt sich, wie weit die Durchdringung der Gesellschaft, auch der Studierenden, mit ökonomischen Prinzipien vorangeschritten ist“, stellt Maurer fest und ergänzt: „Das wäre eine Möglichkeit gewesen, darüber nachzudenken, was das Ziel von Lehre und Studium sein sollte – das haben die meisten Universitäten aber verabsäumt.“

Von Österreichs Universitäten bleibt nur noch ein Skelett. So sahen es Demonstrierende im Dezember 2013  Foto: Martin Juen

Neben der individuellen Unzufriedenheit mit dem Studium sei aber auch ein kollektives Unbehagen mit dem Wandel der Hochschullandschaft durch diese Proteste ersichtlich geworden, sagt Barbara Blaha: „Der Funke in der #unibrennt-Bewegung war dieses dumpfe Gefühl, dass die Unis derzeit in die falsche Richtung laufen.“ Das habe sich für die Studierenden an vielen Kleinigkeiten des Studienalltags bemerkbar gemacht: Voraussetzungsketten, verschulte Lehrpläne, eine möglichst effiziente Verwertbarkeit der Lehrinhalte und „Employability“. Nicht umsonst wird mit der Protestbewegung rund um das Audimax der Spruch „Bildung statt Ausbildung“ verbunden. Gefordert wurden unter anderem eine Demokratisierung der Universitäten, der freie Hochschulzugang, die Abschaffung bzw. Nicht-Einführung von Studiengebühren und nicht zuletzt die Ausfinanzierung der österreichischen Universitäten. Ob #unibrennt ein paar Jahre später auch noch funktionieren würde, ist sich Blaha nicht sicher. „Der Gewöhnungseffekt ist ein Hund. Und inzwischen ist der ökonomische Druck – etwa durch die weitere Verringerung der Familienbeihilfe und die Nicht-Anpassung der Studienbeihilfe – so hoch, dass ich von niemandem verlangen kann, links oder rechts zu schauen. Die Menschen rennen durch ihr Studium – weil sie müssen.“

In wessen Auftrag? Längst hat also eine ganze Reihe von Mechanismen dazu geführt, dass marktwirtschaftliche Logiken Einzug in das Hochschulwesen gehalten haben. Laut Luise Gubitzer wird eine Ökonomisierung von Bildung und Bildungsinstitutionen auf mehreren Ebenen sichtbar. Nicht zuletzt hat auch die chronische Unterfinanzierung der Universitäten durch den Staat zunehmend private AkteurInnen auf den Plan gerufen. Dass die erste Ankündigung Mitterlehners war, die Finanzierung von Forschung durch Drittmittel noch stärker ausbauen zu wollen, sieht Gubitzer als Problem: „Das bedeutet, dass der Staat sich zunehmend aus seiner Aufgabe, universitäre Bildung zu finanzieren, zurückzieht und sie immer mehr auf eine Basisfinanzierung reduziert. Den Rest müssen sich die Unis dann anderswo holen. Das halte ich für eine riesige Gefahr.“ Die komplette Ausfinanzierung der öffentlichen Universitäten ist aus Gubitzers Sicht nämlich Aufgabe des österreichischen Staates. Warum? „Weil öffentliche Bildung vielfach positive, multiplikative Effekte hat“, so Gubitzer – etwa das Reflektieren von gesellschaftlichen Prozessen, aus denen sich wiederum Forschungsaufgaben und Lehrgegenstände für die Universität ergeben. „Die öffentliche Uni muss sich immer wieder mit den Aufgaben, die sie gegenüber der Gesellschaft wahrnehmen muss, in Beziehung setzen“, so Gubitzer.

Auch die Rolle von Sponsoring gelte es kritisch zu beobachten. Nirgendwo wird die wachsende Bedeutung von privaten Geldern so gut sichtbar wie bei einem Spaziergang durch den neuen WU-Campus mit seinem OMV Library Center und seinem Red Bull-Hörsaal. Die ständige Präsenz der Firmennamen mache ein kritisches Hinterfragen dieser Unternehmen schwieriger, so Gubitzer. Außerdem sei problematisch, dass es zunehmend zur Selbstverständlichkeit werde, dass sich Universitäten auf diese Weise finanzieren. „Die WU wurde ja mit öffentlichen Mitteln gebaut. Die Frage ist, wofür das Hörsaalsponsoring eigentlich verwendet wird.“ Wenn damit etwa ein Kongress finanziert wird, werde dorthin wohl niemand eingeladen, der dem sponsernden Unternehmen kritisch gegenübersteht, befürchtet Gubitzer.

Keine Studierendendemo ohne Popkultur – gegen die Abschaffung des Wissenschaftsministeriums 2013 demonstierten die Space Invaders mit. Foto: Luiza Puiu

Über die Konsequenzen dieser Entwicklungen gelte es nicht nur innerhalb der Universitäten, sondern auch als Gesellschaft nachzudenken. „Die Unternehmen wissen ganz genau, was sie von der Uni verlangen, während die gesellschaftlichen Gruppen viel zu wenig fordern“, sagt Gubitzer. Statt die Unis zunehmend darauf zu reduzieren, dass sie Studierende ausbilden, müsse sich die Gesellschaft bewusst machen, was sie von einer Universität, die aus Steuermitteln finanziert wird, erwartet. Eine öffentliche Universität habe nämlich komplett andere Aufgaben als ein gewinnorientiertes Unternehmen, so Gubitzer. Statt die Universitäten also dem Wettbewerb um gutes Abschneiden bei Rankings zu überlassen, müsse die Öffentlichkeit fragen, was sie eigentlich von der Forschung hat. „Menschen, die in den Universitäten sind und noch etwas anderes wollen, als Studierende für den Arbeitsmarkt auszubilden, müssen gestärkt werden, um Lehre und Forschung voranzubringen.“ Das und eine Wiederaufwertung der internen Mitbestimmung an den Universitäten wären laut Gubitzer erste dringende Voraussetzungen, um die Unis wieder auf einen anderen Kurs zu bringen.

Theresa Aigner ist freie Journalistin in Wien. Ein ausführliches Interview mit der Ökonomin Luise Gubitzer findest du hier: „Die öffentliche Uni hat der Gesellschaft etwas zurückzugeben“.