Studierendenvertretung

Zwischen Widerstand und Kompliz*innenschaft

  • 12.05.2017, 22:34
Bei der Arbeit an der Basis der Studienvertretung macht man immer wieder Erfahrungen mit widersprüchlichen Verhältnissen und schwierigen Situationen.

Bei der Arbeit an der Basis der Studienvertretung macht man immer wieder Erfahrungen mit widersprüchlichen Verhältnissen und schwierigen Situationen.

Die Arbeit in einer Studienvertretung ist anders als die in den höheren Ebenen der ÖH. Alles passiert nur im kleineren Rahmen und viel unvermittelter: Die Menschen, denen du gerade noch in einer Sitzung volle Opposition geben musstest, geben dir in der Woche darauf vielleicht schon entscheidende Noten. Personen, denen du vielleicht ihr unfaires Verhalten gegenüber anderen Studierenden vorwerfen musstest, entscheiden später über deine Zukunft im wissenschaftlichen Betrieb. Oder es fragen dich Lehrende, mit denen du persönlich gut auskommst, deren Lehre aber grottig schlecht ist, warum du gegen ihre Lehrveranstaltung im kommenden Semester gestimmt hast.

Manche Studienvertretungen organisieren sich dabei auch noch als Basisgruppen. Das bedeutet, dass sie versuchen, möglichst ohne Hierarchien zu arbeiten. Die durch die Wahlen gewonnenen Mandate sind dabei irrelevant, denn Entscheidungen werden in der Gruppe getroff en und der Diskussionsprozess ist dabei wichtig: Jede*r darf mitdiskutieren, und gegebenenfalls ein Veto einbringen, und dann muss eine andere Lösung für ein Problem gefunden werden. Klassische Kampfabstimmungen sind nicht Teil des Selbstverständnisses solcher Basisgruppen.

Diese Gruppen verstehen sich also nicht als Vertreter*innen, die für die anderen Studierenden sprechen. Sie wollen einen off enen Raum schaff en, in dem sich alle, die das möchten, einbringen können. Oft sieht man sich dann leider mit einer passivierten Studierendenschaft konfrontiert. Ob durch den Neoliberalismus im Allgemeinen oder durch den Bologna-Prozess im Speziellen, die Universitäten werden nicht mehr als Raum gesehen, in dem Mitgestaltung möglich ist. Davon zeugt auch die weiterhin sinkende Wahlbeteiligung bei den ÖH-Wahlen. Das durch die Reformierung der Universitäten erzeugte Selbstbild der Studierenden ist nicht mehr das eines gleichberechtigten Teils dieser Institution, sondern im besten Falle noch das von Kund*innen: Wir nehmen nur mehr eine Dienstleistung in Anspruch, und es gibt kein besseres Mindset, um für Studienplatzfinanzierung oder Studiengebühren zu argumentieren.

GREMIEN, KURIEN, DISKUSSIONEN. Zu den Rechten von gewählten Mandatar*innen einer Studienrichtungsvertretung gehört die Teilnahme an Curricular-Arbeitsgruppen, in denen einzelne Institute die konkrete Gestaltung ihrer Studienpläne erarbeiten. Und das kann ein langer Prozess sein. Zwischen persönlicher Abneigung und internen Grabenkämpfen wird dort jede einzelne Formulierung diskutiert, wird darüber entschieden, welche Module von Studierenden wie absolviert werden müssen und jedes administrative Detail des Curriculums geklärt. Es ist zwar selbstverständlich, dass die Studierendenkurie Teil dieser Gremien sein darf, aber nicht, dass sie dort auch gehört wird.

Je nach Verhältnis zum jeweiligen Gegenüber gibt es genügend Situationen, in denen Beiträge von Studierendenvertreter*innen einfach belächelt oder schlicht ignoriert werden. Wurde dem Institutsvorstand schon einmal Sexismus vorgeworfen? Musste man schon mehrmals Konflikte von Studierenden mit der Studienprogrammleiterin ausfechten? Dann kann es gut sein, dass studentische Einwände prinzipiell überstimmt werden. Denn viele Institutionen des Studienrechts sind mittlerweile in einer Form gestaltet, die es leicht macht, solche Anliegen zu übergehen. Es scheint fast so, als sollten es sich Studierende zweimal überlegen, die übergriffi ge Sprache eines Professors zu kritisieren, um im nächsten Gremium überhaupt noch gehört zu werden, oder sogar eine Chance auf Mitgestaltung zu bekommen.

Die Studienkonferenz ist dagegen das einzige Gremium, in dem Studierende tatsächlich eine Mehrheit stellen können. Dort werden konkrete Fragen der Lehre diskutiert, zum Beispiel welche Lehrveranstaltungen im nächsten Semester angeboten werden und welche auf gar keinen Fall Teil des Angebots sein sollen. Das klingt nach einer sehr mächtigen Position, und wenn das Verhältnis zum Institut gut läuft, kann dort tatsächlich ernsthafter Einfluss auf die Ausrichtung der Lehre genommen werden. Aber letztlich hat die Studienkonferenz nur mehr eine beratende Funktion, das letzte Wort hat immer noch die Studienprogrammleitung.

In diesem Kontext ist es oft schwierig, den Sinn der eigenen Arbeit noch zu sehen. Ist es wirklich alles, mit dem eigenen Budget spannende Projekte zu fördern und jedes zweite Semester eine Party zu organisieren? Oder noch viel schlimmer: Sind wir hier unfreiwillige Kompliz*innen im neoliberalen Umbau der Universitäten, wenn wir mit unserer Anwesenheit in diesen Gremien auch noch deren Entscheidungen legitimieren, selbst wenn wir dagegen sind? Erlauben wir der Universität, sich hier mit den Federn der Studierendenbeteiligung zu schmücken, auch wenn von den guten Ideen der Curricular- Arbeitsgruppe nach der Überarbeitung durch die Senats-Kommission nicht mehr viel übrig ist?

DESHALB BETEILIGEN. Wahrscheinlich müssten diese Fragen mit einem Ja beantwortet werden. Aber diese Universitäten und ihre Teile, sowie deren einzelne Kurien und Fraktionen sind eben keine geschlossenen Gefäße, keine starren Einheiten. Immer wieder lassen sich kleine Allianzen fi nden, mit denen manchmal eine Mitgestaltung im kleinen Rahmen möglich wird. Die Position, durch die Studierende in Konfl ikten gegenüber Lehrenden und ihrer Autorität solidarisch unterstützt werden können, ist notwendig. Denn ob nun die Studienvertreter*innen in den Gremien und Kurien anwesend sind, kann den Instituten und Fakultäten egal sein. Sie können auch ohne die Zustimmung der Studienvertreter*innen Entscheidungen treff en. Eine Totalverweigerung hätte also keinen Stillstand der Institution zur Folge, sondern würde nur bedeuten, dass Studierende gar keine Stimme mehr hätten. Und auch wenn es nicht immer die gewünschte Wirkung hat, ist ein konsequentes Betonen der spezifi schen Bedürfnisse von Studierenden wichtig. Wenn es nicht Teil der Lebensrealität von Lehrenden ist, oder nicht ihrem Bild von Studierenden entspricht, wird nie mitbedacht werden, was bestimmte Änderungen für Studis mit Betreuungspflichten, in Lohnarbeitsverhältnissen oder mit psychischen Schwierigkeiten bedeuten. In diesen Gremien zu sitzen, bedeutet das Schlimmste zu verhindern, oder es zumindest zu versuchen. Es ist eine anstrengende, oft undankbare und meistens gar nicht bezahlte Arbeit, aber sie ist wichtig.

Rem Bibischew studiert an der Universität Wien und engagiert sich in einer Basisgruppe.

Eine zerrissene Generation

  • 08.03.2016, 12:58
Polnische Studierende zwischen Patriotismus, Protest, Gehen und Bleiben inmitten einer gespaltenen Gesellschaft.

Polnische Studierende zwischen Patriotismus, Protest, Gehen und Bleiben inmitten einer gespaltenen Gesellschaft.

Was ist eigentlich in Polen los? Seit November regiert dort die „Prawo i Sprawiedliwość“ (PiS), auf Deutsch „Recht und Gerechtigkeit“, die irgendwo zwischen christlichem Konservatismus und Nationalismus zu verorten ist. Ihr Wahlsieg – die PiS erreichte 37,58 Prozent – verdeutlicht den aktuellen Rechtsruck im Land. Einige der Reformen, die von der neuen Regierung beschlossen wurden, werden als antidemokratisch angesehen. Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments, spricht von „Staatsstreich-Charakter“, der ehemalige Solidarność-Aktivist und Ex-Präsident Lech Wałęsa warnt gar vor einem „Bürgerkrieg“ angesichts der Spaltung der Gesellschaft. Schlagworte wie diese haben in den letzten Monaten für viel Aufmerksamkeit in Europa gesorgt. Wir haben versucht hinter die großen Worte zu blicken und polnische Studierende um ihre Meinung zur aktuellen politischen und gesellschaftlichen Lage sowie deren Auswirkungen auf die Unis gebeten.

Wählerinnen. Konrad hat im vergangenen Oktober PiS gewählt. Er ist 31, macht einen PhD auf der Wirtschaftsuniversität Warschau und geht jeden Sonntag in die Kirche. Konrad spricht viel über Werte, Familie und Patriotismus. „Nationalismus heißt in Polen Patriotismus. Und der hat hier keinen so negativen Beigeschmack wie in Deutschland oder Österreich. Es bedeutet, für sein Land zu sorgen und schließt dabei niemanden aus“, sagt er. Mit der PiS als regierende Partei erwartet er tatsächliche Reformen, die die Solidarität im Land erhöhen und die Korruption und Ineffizienz der staatlichen Institutionen eindämmen sollen. Auch Förderungen für Familien wünscht er sich: „Ich hoffe, es wird bald Geld für junge Paare, die sich Kinder wünschen, geben. Polen braucht neue Generationen, aber Kinder sind teuer.“ Der 23-jährige Piotr bekennt sich dreihundert Kilometer weiter südlich, in Krakau, zum entgegengesetzten politischen Flügel. An der Jagellonian Universität studiert er Interdisziplinäre Geisteswissenschaften und ist Mitglied der sozialdemokratisch-linkssozialistischen Partei „Razem“, die im Mai 2015 gegründet wurde und unter ihren AnhängerInnen viele Studierende versammelt. „Als ein Geistes- und Sozialwissenschaftsstudent in einer Großstadt bin ich von einem ziemlich unrepräsentativen Teil der Gesellschaft umgeben“, sagt Piotr: „Und trotzdem kann ich eine wachsende Beliebtheit der nationalistischen historischen Erzählung beobachten – vor allem unter den weniger privilegierten Studierenden. Sie ist für viele die einzige Alternative zur neoliberalen europäischen Erfolgsstory.“

Umfragen des Meinungsforschungsinstituts CBOS zeigen, dass sich deutlich mehr junge Menschen seit 2014 politisch rechts verorten. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2015 beschrieb ein Drittel der 18- bis 24-Jährigen ihre politische Einstellung als rechts. Eine IPSOS-Umfrage am Wahltag im Oktober 2015 bestätigt dieses Phänomen: Die PiS ist unter den 18–29-Jährigen zwar am schwächsten, konnte aber dennoch knappe 26 Prozent ihrer Stimmen erreichen. Auch andere Parteien der rechten politischen Sphäre konnten in der Altersgruppe punkten: Janusz Korwin- Mikke, der als exzentrischer EU-Skeptiker des rechten Randes gilt, ist mit 16,7 Prozent Stimmanteil in der jungen Generation am beliebtesten. Seine Partei befürwortet die Einführung der Todesstrafe und der Monarchie. „Die jungen Leute wollen etwas Neues, sie haben die alten Parteien satt“, sagt Adrianna. Sie ist 22 Jahre alt, lebt in Szczecin an der Grenze zu Deutschland und schreibt an ihrer Bachelorarbeit in Slawistik. Den PiS-Sieg verbindet sie mit der starken Position der Kirche im Land: „Viele junge Menschen sind konservative KatholikInnen. In der Kirche lassen sie sich von der PiS überzeugen.“ Mit ihren Freundinnen hat sie vor den Wahlen noch über einen PiS-Sieg gescherzt. Heute tut sie das nicht mehr – der Witz ist Realität geworden.

Förderungen. Die PiS hat im Parlament nun die absolute Mehrheit, die Opposition damit kaum Spielraum. Die neuen Wahlsieger werden von Jarosław Kaczyński gesteuert, dem Parteigründer und ehemaligen Ministerpräsidenten des Landes. Im Hintergrund fungiert er als Chefideologe und Fadenzieher der Regierung. Diese muss sich gegenwärtig aufgrund von verabschiedeten Gesetzen, die den Verfassungsgerichtshof, die Staatsanwaltschaft sowie den öffentlichrechtlichen Rundfunk betreffen, dem Vorwurf der schleichenden Entdemokratisierung stellen. Konrad sieht darin kein Problem: „Die vorher regierende Partei (Anm.: die liberal-konservative „Platforma Obywatelska“) hatte noch viel zu viel Einfluss auf die Medien, man musste etwas ändern, um das Land überhaupt regieren zu können.“ KritikerInnen sehen die rechtlichen Änderungen jedoch als Versuch, den Parteiwillen in diversen staatlichen Institutionen und Einflusssphären durchzusetzen. Die Einflussnahme geht bereits über Gerichtshöfe und Rundfunk hinaus: Der Kulturminister versuchte Ende November, die Premiere eines Jelinek-Stücks aufgrund von vermeintlich pornographischen Inhalten zu verhindern.

Auf die Hochschulen hat der Regierungswechsel noch keine rechtlichen Auswirkungen. Die polnischen Unis haben seit 1990 einen von staatlichen Weisungen unabhängigen Status. „WissenschaftlerInnen und ProfessorInnen sind trotzdem angreifbar – und zwar durch Förderungen, die der Staat vergibt. Es besteht die Gefahr, dass die Finanzierung für Journals oder Studienprogramme, die nicht der Ideologie der regierenden Partei entsprechen, wie zum Beispiel Gender Studies, abgedreht werden könnte“, sagt Piotr.

Über selektivere Förderungen macht sich Konrad keine Sorgen. Er möchte selbst eine Laufbahn an der Universität einschlagen. Von der PiS erwartet er dafür ein „offeneres System“, wie er sagt. „Wir haben viele ProfessorInnen, die fachlich nicht sehr gut sind, aber im alten kommunistischen System eingesetzt wurden. Es braucht einen Generationenwechsel.“

Vertretung. Der Hochschulzugang in Polen ist grundsätzlich kostenlos und unbeschränkt. Es gibt aber Ausnahmen. Zum Beispiel werden beim Verstreichen einer Abgabefrist für Seminararbeiten Gebühren eingezogen. An der Universität in Warschau formierte sich 2015 die Bewegung „Engaged University“, die gegen die Kommerzialisierung der Hochschulbildung protestiert. In Krakau folgte kurze Zeit später eine ähnliche Initiative. Diese Bewegung ist nicht als Reaktion auf die jüngsten politischen Entwicklungen zu sehen, sondern befasst sich vielmehr allgemein mit Studierendenrechten. „Diese Leute nehmen sich Dingen an, die eigentlich Aufgaben der Studierendenvertretung sein sollten“, sagt Piotr: „Die polnischen Bildungsinstitutionen sind völlig apolitisch. Die Studierendenvertretung beschränkt sich auf die Organisation von Ausflügen und Partys. Kritik an Autoritäten fehlt oft.“

Adam Gajek, selbst BWL-Student in Warschau, vertritt die polnische Studierendenvertretung in internationalen Belangen und sieht das anders: „Wir kooperieren mit jeder demokratisch gewählten Regierung, auch mit der aktuellen. Wir streiten nicht über politische Ideologien.“ Die apolitische Ausrichtung betrachtet er als Stärke: „Die polnische Studierendenvertretung ist eine Art Parlament von ExpertInnen, die Erfahrung mit Hochschulthemen haben. All die Themen, die gerade diskutiert werden, haben nichts mit Bildung zu tun. Die Leute erwarten daher auch nicht, dass wir sie kommentieren.“ Adam bemerkt auch abseits der Studierendenvertretung keine Gruppierungen an den Unis, die sich aktuell bei Demos engagieren.

Spaltung. „Es könnte nur die Ruhe vor dem Sturm sein, aber bisher gibt es keinen organisierten Widerstand an den Universitäten. Manche ProfessorInnen und StudentInnen nehmen an Demonstrationen teil, die gehen aber nicht von den Unis aus“ – die Jagellonian Universität in Krakau, über die Piotr hier spricht, ist keine Ausnahme. Auch Adrianna bemerkt unter ihren StudienkollegInnen in Szczecin keine zivilgesellschaftliche Aktivierung. Die aktuelle Regierung hält sie zwar für „verrückt“, Demonstrationen bekommt die 22-Jährige aber nur über Facebook mit. Weder sie, noch ihre FreundInnen sind bisher auf die Straße gegangen. Offener Protest, der sich explizit gegen die neue Regierung richtet, kommt vor allem vom „Komitee zur Verteidigung der Demokratie'“(KOD), das bereits mehrere Großdemonstrationen in polnischen Städten organisiert hat. Demonstriert wird auch von der anderen Seite, den PiS-UnterstützerInnen, die sich im Rahmen von Gegenkundgebungen mit der Regierung solidarisieren. Die Demos der KOD sieht Piotr kritisch. Diese würden lediglich auf formale demokratische Missstände hinweisen, aber tieferliegende soziale Probleme völlig außer Acht lassen.

Die soziale Ungleichheit hat in Polen auch eine regionale Komponente, verdeutlicht durch die Zweiteilung des Landes. Polska A und Polska B stehen für eine tiefe soziale, wirtschaftliche, aber auch politische Spaltung. Vom Aufschwung hat vor allem der westliche Teil profitiert. Das rural geprägte Polska B hinkt wirtschaftlich und strukturell hinterher. Die PiS ist im Osten besonders stark. Auch Konrad, der im Oktober Recht und Gerechtigkeit angekreuzt hat, wurde in Białystok, einer Stadt im äußersten Osten nahe der weißrussischen Grenze, geboren. Polska B kehrte er vor elf Jahren den Rücken, als er für sein Studium nach Warschau zog. Den PiS-Triumph im Osten kann er dennoch nachvollziehen. “Die Menschen haben konservativere Werte als der Rest des Landes, sind mehr an Familie und Land gebunden. Durch das Leben an der Grenze haben sie eine starke lokale Identität entwickelt.“

Unzufriedenheit. Der Rechtsruck, der Polen nicht erst seit den Wahlen im Oktober erfasst hat, entsteht auch aus einer Unzufriedenheit heraus. Nicht alle im Land haben vom Aufschwung und der relativ stabilen wirtschaftlichen Lage profitiert. „Nach dem Ende des Staatssozialismus ging alles sehr schnell. Viele Leute sind plötzlich aufgestiegen, andere haben ihren Job verloren. Die Menschen sehnen sich heute nach Stabilität. Eine der größten Herausforderungen wird es sein, die Emigration zu stoppen. Einige meiner FreundInnen sind schon weggegangen“, sagt Konrad. Ein abgeschlossenes Studium ist noch lange keine Garantie für einen angemessen bezahlten Job. Daher suchen viele junge PolInnen im Ausland eine bessere Lebensgrundlage. Emigration ist allgegenwärtig – vor allem in der jungen Generation. „Die Löhne sind ein Witz“, sagt die Slawistik-Studentin Adrianna. Als Nebenjob arbeitet sie in einer Drogerie in Szczecin und bekommt dafür 7 Zloty die Stunde. Das sind etwa 1,50 Euro. „Es ist nicht gut für junge Leute, hier zu leben“, sagt sie. Adrianna will weg – auch von der „Polit-Talkshow“, wie sie die aktuellen politischen Auseinandersetzungen bezeichnet. Am besten nach Skandinavien. Die polnische Zukunft sieht sie trotz allem optimistisch: „Die junge Generation wird Polen bald übernehmen und das Land zum Besseren verändern.“ Sie selbst wird dann aber wohl nicht mehr dort sein.

Elisabeth Schepe studiert Zeitgeschichte an der Universität Wien.

Studierendenvertretung à la Luxembourgeoise

  • 12.08.2014, 17:00

Sie hat nur wenige aktive Mitglieder und die sind dazu noch über den Globus verstreut. Dennoch gelingt es der UNEL, tausende Studierende für Demonstrationen zu mobilisieren. Wir werfen einen Blick auf die luxemburgische Studierendenvertretung.

Sie hat nur wenige aktive Mitglieder und die sind dazu noch über den Globus verstreut. Dennoch gelingt es der UNEL, tausende Studierende für Demonstrationen zu mobilisieren. Wir werfen einen Blick auf die luxemburgische Studierendenvertretung.

In einer Artikelserie wollen wir verschiedene Studierendenvertretungen, die neben der ÖH in der gemeinsamen europäischen Studierendenorganisation European Student‘s Union (ESU) vertreten sind, vorstellen. Wir fangen mit einem Land an, das bis vor zehn Jahren noch überhaupt keine Uni hatte: Luxemburg. Die Studierendenvertretung Union Nationale des Étudiant-e-s du Luxembourg (UNEL) ist dennoch schon beinahe ein Jahrhundert alt.

25. April 2014, Luxemburg-Stadt. 17.000 Studierende und Schüler_innen demonstrieren gegen die geplanten Kürzungen der Studienbeihilfe. Innerhalb weniger Wochen wurde in sozialen Netzwerken und in Schulen für den „Streik“ mobilisiert. Die Demonstration ist ein voller Erfolg, die pittoreske Altstadt Luxemburgs platzt aus allen Nähten. Aus dem ganzen Land sind Schüler_innen und Studierende angereist, um ihren Unmut gegen die Reform der Studienbeihilfen, die im Gesetz mit der Nummer 6670 beschlossen werden sollen, kundzutun. Sprüche wie „Dir soot kierzen, mir soe stierzen“ (Ihr sagt kürzen, wir sagen stürzen) oder „Wem seng Bildung? – Eis Bildung!“ (Wessen Bildung – Unsere Bildung!) lassen erkennen, dass die Demonstrierenden von den #unibrennt-Protesten inspiriert wurden. Die ehemals großzügige Beihilfe, die fast alle Studierenden beziehen konnten, soll von der neuen sozialdemokratisch- liberal-grünen Regierung massiv gekürzt und in ein bürokratisches Ungetüm verwandelt werden. Es ist die erste Sparmaßnahme der Regierung, sie findet ausgerechnet im Bildungsbereich statt. Hinter den Protesten steht das „Streikkomitee 6670“, ein Zusammenschluss aus verschiedenen Studierenden- und Schüler_innenorganisationen. Eine der wichtigsten Organisationen in diesem Bündnis ist die UNEL, die nationale Union der luxemburgischen Studierenden.

Einzigartige Situation. „Unsere Situation ist einzigartig. Nur 20 Prozent der luxemburgischen Studierenden bleiben in ihrem Heimatland, alle anderen studieren im Ausland“, erklärt Pol Reuter, Präsident der UNEL. Er selbst studiert Politikwissenschaften in Nancy. „Wir kümmern uns aber nicht nur um Studierende aus Luxemburg, sondern auch um jene aus der Grenzregion. Außerdem vertreten wir die Rechte von Schüler_innen in Luxemburg“, ergänzt Reuter. Viele Bewohner_innen der grenznahen Gebiete in Deutschland, Frankreich und Belgien pendeln jeden Tag nach Luxemburg, um dort zu arbeiten. Damit haben sie und ihre Kinder auch Anrecht auf luxemburgische Sozialhilfen, zum Beispiel auch Studienbeihilfen. Deswegen ist es der UNEL wichtig, auch deren Rechte zu vertreten: „Wenn wir über Studienbeihilfen reden, müssen wir auch über die Kinder der Pendler_innen reden. Ihre Eltern tragen zum Reichtum Luxemburgs bei, also sollten sie auch von den Beihilfen profitieren können!“, meint Reuter. Der EuGH hat der UNEL Recht gegeben: 2013 erklärte er die Regelung, dass die Kinder von Pendler_innen keine Studienbeihilfen erhalten, für rechtswidrig.

Turbulente Geschichte. Die Universität Luxemburg ist erst zehn Jahre alt, die UNEL vertritt die Rechte der luxemburgischen Studierenden aber schon viel länger, wie Pol Reuter erzählt: „Wir wissen gar nicht, wie alt die UNEL wirklich ist, die ganzen Einträge im Vereinsregister sind verloren gegangen. Es müssen aber schon mehr als 90 Jahre sein.“ In den 1960ern erlebte die UNEL turbulente Zeiten: „Es gab Flügelkämpfe zwischen verschiedenen linken Gruppierungen wie Leninist_innen, Trotzkist_innen und Sozialdemokrat_innen. Die UNEL war damals in verschiedene Ortsgruppen unterteilt, von denen sich einige abspalteten und einen eigenen Verein gründeten, die ACEL.“ Die Association des Cercles d‘Étudiants Luxembourgeois (ACEL) sei als Vertretung der Vereine luxemburgischer Studierender in Hochschulstädten aber seit jeher sehr unpolitisch und beschränke sich beinahe ausschließlich auf die Organisation von Partys. „Die UNEL war damals auch Teil der Friedensbewegung und hat es geschafft, dass die Wehrpflicht 1967 in Luxemburg abgeschafft wurde. In den 1980ern waren hingegen eher konservative Kräfte in der UNEL aktiv. Heute sind wir eine progressive Bewegung und arbeiten neben den Studierenden- und Schüler_innenrechten auch zu Themen wie Gender, Rassismus und Jugendarbeitslosigkeit“, fasst Reuter die Geschichte der Studierendenvertretung zusammen.

International vernetzt. Die unpolitische ACEL ist nicht in der ESU vertreten, dennoch ist die UNEL nicht die einzige luxemburgische Organisation dort: Die Luxembourg University Students’ Organization (LUS) ist als eigene Vertretung der Studierenden der Universität Luxemburg seit einigen Jahren ebenfalls Mitglied in der europäischen Studierendenorganisation. „In den letzten Jahren ist die LUS merklich weniger aktiv. Wir sind oft gleicher Meinung und stimmen in der ESU auch in den meisten Fällen gleich ab“, so Reuter, der auch im Rahmen des Streikkomitees mit Aktivist_innen der LUS zusammengearbeitet hat. Eine Vertretung zu organisieren, deren Mitglieder in ganz Europa und der halben Welt verstreut sind, ist keine leichte Aufgabe. „Wir sehen uns vielleicht vier Mal im Jahr. In den Weihnachtsferien organisieren wir unseren Kongress, auf dem die Vorstandsmitglieder gewählt werden. Auf dem Papier sind das neun Leute, in Wirklichkeit können aber alle kommen, die interessiert sind, die UNEL aktiv mitzugestalten“, erklärt Pol Reuter. Die Kommunikation zwischen den rund 20 aktiven Mitgliedern läuft vor allem online ab, in sozialen Netzwerken oder per Skype werden die nächsten Kampagnen geplant. Je nach Thema verwendet die UNEL verschiedene Taktiken, um ihr Ziel zu erreichen: „Wir fangen meist mit Unterredungen mit Politiker_innen an. Wenn solche Verhandlungen zu nichts führen, beginnen wir mit Protesten oder anderen Aktionsformen“, so Reuter. Bisher haben jedoch weder die Proteste noch Verhandlungen die Kürzung der Studienbeihilfen kippen können. Nun soll eine selbst durchgeführte Studie, in der erstmals die Lebenshaltungskosten luxemburgischer Studierender erfasst wurden, Argumente liefern, um den Gesetzesvorschlag doch noch in ihrem Sinne zu ändern.

Nachtrag: Nach Redaktionsschluss teilte uns Pol Reuter mit, dass die UNEL erstmals 1920 von der linken Studierendenvertretung ASSOSS und der rechten Studierendenvertretung AV gegründet wurde.
Die Kürzungen der Studienbeihilfen wurden am 10. Juli 2014 von den Abgeordneten der Regierungsparteien im luxemburgischen Parlament beschlossen. Die Opposition stimmte geschlossen dagegen.

Linktipps:

http://www.unel.lu
http://www.streik.lu

Joël Adami studiert Umwelt- und Bioressourcenma­nagent an der Universität für Bodenkultur Wien.

Wer braucht eigentlich diese ÖH?

  • 21.03.2014, 12:18

Es ist ein hartnäckiges Problem, dass gute politische Arbeit selten wahrgenommen oder gar gewürdigt wird, Kritik ungeachtet ihrer Legitimation allerdings schnell und ausführlich breitgetreten wird. Die Medienberichte der letzten Wochen zur ÖH verlangen nach einer ausführlichen Antwort. Ein Kommentar des Vorsitzteams der ÖH-Bundesvertretung.

Es ist ein hartnäckiges Problem, dass gute politische Arbeit selten wahrgenommen oder gar gewürdigt wird, Kritik ungeachtet ihrer Legitimation allerdings schnell und ausführlich breitgetreten wird. Die Medienberichte der letzten Wochen zur ÖH verlangen nach einer ausführlichen Antwort. Ein Kommentar des Vorsitzteams der ÖH-Bundesvertretung.

Die ÖH durfte sich in letzter Zeit nicht wenige Zweifel an ihrer Sinnhaftigkeit, ihrer Kompetenz und ihrer Bereitschaft zu „sinnvoller“ Arbeit anhören. Stein des Anstoßes waren ursprünglich die Demonstrationen gegen den sogenannten „Akademikerball“, dessen Funktion als rechtes Vernetzungstreffen kaum noch bestritten wird. Die ÖH beteiligte sich, wie auch viele andere Organisationen, am Aufruf, gegen die Abhaltung dieses Balls in den repräsentativsten Räumlichkeiten der Republik, der Wiener Hofburg, zu protestieren. Nachdem es am Rande der Demonstrationen, bei denen sich tausende Menschen friedlich auf der Straße versammelt hatten, zu Ausschreitungen kam, wurden alle Organisationen, die sich für die friedlichen Demonstrationen ausgesprochen hatten, unter den Generalverdacht gestellt, gewaltbereite Gruppen zu sein oder diese zumindest zu schützen.

Auch der Geschichte rund um den Facultas-Verlag wurde immense mediale Aufmerksamkeit geschenkt. Dieser ist als Aktiengesellschaft organisiert und gehört je zur Hälfte den Hochschüler_innenschaften an der Universität Wien und an der Wirtschaftsuniversität. Im Kreuzfeuer der Medien stand das Bruttoeinkommen des Alleinvorstandes des Verlages. Dieser erhielt 2012 tatsächlich eine astronomisch hohe Gage, was von den betroffenen Hochschüler_innenschaften auch kritisiert wurde. Der Tenor der daraufhin über die ÖH hereinbrechenden Berichte war aber ein anderer: Da ging es plötzlich um Korruption, Selbstbereicherung, Günstlingswirtschaft. Ein nicht haltbarer Vorwurf, denn der Verlagsvorstand ist kein ÖH-Funktionär – dazu müsste er nämlich erstens noch studieren und zweitens ehrenamtlich arbeiten. Darüber hinaus fließen keine ÖH-Beiträge in die Gesellschaft.

Absurde Vorwürfe. Die Aufregung gipfelte schließlich in einem Kommentar von Martina Salomon im Kurier, den sie mit den Worten „Wer braucht eigentlich die Hochschülerschaft?“ eröffnete. Kernaussage: Statt die Interessen der Studierenden zu vertreten, habe die ÖH „in erster Linie Gesellschaftspolitik im Sinn“. Ein Vorwurf, dessen Absurdität bereits ein Blick in den Alltag jener tausender Studierender, die sich in Studierendenvertretungen, Universitätsvertretungen und der ÖH-Bundesvertretung engagieren, zeigt: Allein in der ÖH-Bundesvertretung arbeiten 86 Studierende ehrenamtlich. Im Jahr 2013 fanden in der Studien- und Maturant_innenberatung, der Sozial-, der Wohnrechts- und der studienrechtlichen Beratung sowie der Beratung für ausländische Studierende ca. 2.000 persönliche und 5.700 telefonische Gespräche statt, etwa 5.000 Studierende wurden schriftlich beraten. Im Rahmen der Studien- und Maturant_innenberatung fanden 297 Schulbesuche statt, am Projekt Studieren Probieren nahmen 1.178 Schüler_innen teil – das alles nur im Rahmen der ÖH-Bundesvertretung, die Arbeit der lokalen Vertretungen miteinzubeziehen würde die Zahlen noch um ein Vielfaches steigern.

Es ist aber nicht nur Aufgabe der ÖH, Service zu bieten, sondern auch Politik mitzugestalten. Für uns ist ÖH mehr als ein Kopiershop; mit einem Skriptenverleih etwa lassen sich keine Gesetze für die Verbesserung der Studienbedingungen erwirken. Studierendenvertreter_innen kämpfen auf allen Ebenen – von Curricularkommissionen, Rektoraten bis zu Ministerien – für die Rechte von Studierenden und setzen sich für Verbesserungen in der Hochschullandschaft ein.

Wenn Salomon in ihrem Kommentar behauptet, die schlechter werdenden Studienbedingungen würden die ÖH nur am Rande interessieren, greifen wir uns an den Kopf, besteht unsere Arbeit doch zum allergrößten Teil darin, uns gegen solche Verschlechterungen einzusetzen – in Zeiten knapper Budgets sowohl der Bundesregierung als auch der Hochschulen eine undankbare Aufgabe. Wenn es der ÖH dann nicht immer gelingt, durch konstruktive Gespräche ein Bewusstsein bei der Gegenspielerin zu schaffen, muss vor Gericht gezogen werden, was zum Beispiel bei den autonomen Studiengebühren der Fall war. Ohne die ÖH wäre hier bis heute keine Rechtsicherheit gewährleistet und Universitäten würden immer noch zu Unrecht Geld von Studierenden einheben. Ohne die ÖH gäbe es keine Stimme der Studierenden in Studienkommissionen, Senaten, FH-Kollegien oder der Hochschulkonferenz, dem Beratungsgremium des Ministeriums.

Hochschulpolitik ist Gesellschaftspolitik. Darüber hinaus nimmt die ÖH auch ihr gesetzlich verankertes, allgemeinpolitisches Mandat wahr. Als engagierte Studierende sehen wir es als unsere Aufgabe, nicht einfach nur zuzuschauen, wie es Politiker_innen allzu oft tun, wenn die Rechte von Schwächeren beschnitten werden. Auch dann nicht, wenn Rechtsextremist_innen aus ganz Europa in der Hofburg tanzen und sich als „Akademiker“ bezeichnen. Gerade weil Hochschulen eine ausgesprochen braun durchsetzte Vergangenheit haben.

Hochschulen schweben nicht im luftleeren Raum und Probleme der Gesellschaft verlieren an ihren Eingangstoren nicht an Wirkung, sondern setzen sich in ihnen fort – man beachte die Frauenquoten unter Studierenden (ca. 54 Prozent), vergleiche sie mit jener bei Universitätsangestellten insgesamt (ca. 39 Prozent) und diese wieder mit jener bei Universitätsprofessor_innen (ca. 22 Prozent). Wer dann noch der Meinung ist, Feminismus gehe Studierende und ihre Vertretung nichts an, muss gegen Gesellschaftspolitik die gleiche unverständliche Abneigung hegen wie Frau Salomon, die dazu sagt, „da geht es um die Verbesserung der Welt“ und das scheinbar auch noch negativ meint. Ja, genau darum geht es – und wenn schon nicht um die Welt als Ganze, dann doch zumindest um den kleinen Teil, in dem wir uns täglich bewegen.

Vor allem sollten wir aber nicht die vielseitige, ehrenamtliche Arbeit und das Engagement von über 1.000 Studierenden in populistischer und destruktiver Kritik untergehen lassen. Wir möchten hier unseren Appell an alle engagierten Studierenden richten, die tagtäglich ehrenamtlich für die Interessen von Studierenden einstehen und kämpfen: Macht weiter so.

 

Die Autor_innen, Florian Kraushofer, Julia Freidl, Bernhard Lahner und Viktoria Spielmann, bilden gemeinsam das Vorsitzteam der ÖH-Bundesvertretung.

 

Vertreten auf bayrisch

  • 27.10.2014, 13:08

In 15 von 16 deutschen Bundesländern gibt es sogenannte „Verfasste Studierendenschaften“, nur in Bayern nicht. StudierendenvertreterInnen kämpfen dort schon seit Jahrzehnten für mehr Mitspracherecht an den Hochschulen.

In 15 von 16 deutschen Bundesländern gibt es sogenannte „Verfasste Studierendenschaften“, nur in Bayern nicht. StudierendenvertreterInnen kämpfen dort schon seit Jahrzehnten für mehr Mitspracherecht an den Hochschulen.

Nach der luxemburgischen Studienvertretung werfen wir in unserer Serie diesmal einen Blick auf Deutschland und besonders Bayern.

Im Unterschied zu Österreich, wo die Studierendenvertetung an den öffentlichen Hochschulen bundesweit einheitlich organisiert ist, sieht die Situation in Deutschland etwas anders aus. In den letzten Jahrzehnten haben sich dort verschiedene Formen der Studierendenvertretung herausgebildet. Diese Entwicklung gilt als Resultat des sogenannten „Bildungsföderalismus“ – also des auf Bundesebene noch immer eingeschränkten deutschen Hochschulrechts. Die bundesweite Vertretung, die mit der Bundesvertretung der ÖH vergleichbar ist, bildet in Deutschland der Verein freier zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs). Mit rund 90 Mitgliedsorganisationen vertritt der fzs etwa eine Million Studierende.

Darüber hinaus hat in der Regel jede deutsche Hochschule eine sogenannte „Verfasste Studierendenschaft“. In den meisten deutschen Bundesländern bildet der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) an den Hochschulen deren geschäftsführendes Organ. Der AStA wird in der Regel vom Studierendenparlament gewählt. In machen Teilen Deutschlands, etwa in Ostdeutschland, gibt es anstatt der AStAs sogenannte Studierendenräte. Die AStAs vertreten die politischen Interessen sowie die sozialen und wirtschaftlichen Belange der Studierenden. In der Regel ist die Mitgliedschaft in den Verfassten Studierendenschaften gesetzlich geregelt und beginnt mit der Immatrikulation. Die Verfassten Studierendenschaften finanzieren sich, wie die ÖH, weitgehend über die Beiträge ihrer Mitglieder.

Kein Mitspracherecht. Verfasste Studierendenvertretungen gibt es in allen deutschen Bundesländern bis auf Bayern. Auch dort ist die Vertretung der Studierenden zwar im Landeshochschulgesetz verankert – jedoch sind dafür weit weniger Kompetenzen vorgesehen. Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist ihre Funktion stark eingeschränkt: Die Studierendenvertretungen organisieren sich in Bayern im Studentischen Konvent und haben kein allgemeinpolitisches Mandat. Daneben existieren zahlreiche Vereine, die von Studierenden gegründet
wurden, um die Studierendenvertretungen zu unterstützen.

Daniel Gaittet, 22, Student der Medienwissenschaft, Politikwissenschaft und Philosophie, war jahrelang in der Studienvertretung an der Uni Regensburg aktiv, heute ist er im Vorstand des fzs tätig. Während seiner Arbeit als Studierendenvertreter wurden die Probleme der Situation in Bayern für ihn immer wieder spürbar: „Eine der Herausforderungen für die Arbeit von Studierenden in nicht verfassten Studierendenvertretungen ist ihre miese finanzielle Situation, die die Vertretungsarbeit erschwert“, meint Daniel.

Hilfe für Bayern. Denn während Verfasste Studierendenschaften von ihren Mitgliedern Beiträge erheben dürfen, um ihrer Vertretungsaufgabe nachzukommen, müssen sich die Studienvertretungen in Bayern bei der Finanzierung von Projekten ganz auf das Budget und den Willen ihrer Hochschulen verlassen. Vor allem im Streit um Studiengebühren wurde sichtbar, was das in der Realität bedeutet: „Im Kampf gegen die allgemeinen Studiengebühren waren wir oft auf finanzielle Unterstützung aus anderen Bundesländern angewiesen. Denn Geld gibt es in Bayern nur für Projekte, die die Hochschule auch unterstützt.“ Weil sie diesen Einfluss auf die Studierendenvertretungen nicht verlieren wollen, wehren sich manche RektorInnen bayrischer Hochschulen gegen die Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaften.

Finanzielle Unterstützung aus anderen Bundesländern bekommen die bayrischen Studierenden glücklicherweise aber immer wieder, etwa aus den Solitöpfen des fzs oder gar von einzelnen Studierendenschaften. Sie greifen den bayrischen Vertretungen immer wieder unter die Arme, damit auch sie politische Arbeit leisten können. Für Daniel bedeutet das, Projekte wie etwa die bundesweiten Aktionstage gegen Sexismus und Homophobie oder antirassistische Aktionswochen wie das festival contre le racisme realisieren zu können.

Die Politik blockiert. Dass die Ablehnung eines politischen Mandats der Studienvertretung
in Bayern aber nicht nur an vielen regionalen Hochschulen, sondern auch und vor allem in der Landespolitik groß ist, zeigte sich immer wieder in der Vergangenheit. Es ist bezeichnend, dass es nur in den Bundesländern Bayern und BadenWürttemberg überhaupt zu einer Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft gekommen ist. Auch der Fall Baden-Württemberg zeigt, wie die Landespolitik die Hochschulpolitik blockieren kann. 58 Jahre lang gab es dort keine Verfasste Studierendenschaft. 58 Jahre lang war die CSU an der Macht. Erst ein Regierungswechsel 2011 brachte Veränderung und eine Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaften.

In Bayern kommt immer dann der lautstarke Protest der konservativen CSU auf, wenn die Forderung nach einer Wiedereinführung vorgebracht wird. „Der Begriff der Verfassten Studierendenschaft ist zu einem Kampf begriff geworden, den vor allem ihre GegnerInnen ideologisch aufladen“, meint Daniel. „Der Begriff allein sorgt bei der CSU inzwischen für Gesprächsblockaden. Im Moment ist die Diskussion über die Wiedereinführung einer Verfassten Studierendenschaft in Bayern erstarrt.“

In den letzten Jahren wurde in den meisten deutschen Bundesländern die Rechtslage in Hinblick auf das politische Mandat der Studienvertretungen erweitert – nur eben in Bayern nicht. Dass die Verfasste Studierendenschaft dort 1973 – also nach den berüchtigten 68ern – gekappt wurde, war kein Zufall. Vielmehr ist ihre Abschaffung als ein klarer Bruch mit einer Zeit zu verstehen, in der es normal war, dass Studierende sich zu gesellschaftspolitischen Verhältnissen äußerten und dagegen protestierten. Daniel ist überzeugt, dass sich an der aktuellen bayrischen Situation aber so schnell nichts ändern wird: „Ich glaube nicht, dass es mit der CSU eine Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft in Bayern geben wird. Aber der Kampf dafür geht weiter.“   

Simone Grössing studiert Politikwissenschaft an der Uni Wien.

 

Ausgebremste Beschleunigungsreform

  • 11.04.2014, 19:32

Das Beispiel Dänemark zeigt, dass eine linke Minderheitsregierung, Studienplatzfinanzierung und Zugangsbeschränkungen nicht gegen Einsparungen bei Universitäten und Stipendien schützen. Der Widerstand einer aktiven Studierendenbewegung aber möglicherweise schon.

Das Beispiel Dänemark zeigt, dass eine linke Minderheitsregierung, Studienplatzfinanzierung und Zugangsbeschränkungen nicht gegen Einsparungen bei Universitäten und Stipendien schützen. Der Widerstand einer aktiven Studierendenbewegung aber möglicherweise schon.

Als im November vergangen Jahres circa 8.000 Studierende in der Kopenhagener Innenstadt demonstrierten, drehte sich alles ums Thema Geschwindigkeit. Parolen wie „Schneller raus – Nein danke“, „Beeil dich langsam“ und „Freiheit zur Vertiefung“ waren zu lesen und zu hören. Die meisten Fakultäten und Institute der Universität Kopenhagen waren blockiert und auch an den Unis in Roskilde, Odense und Århus fanden Protestaktionen statt.

Vollzeitstudium als Pflicht. Die Slogans richteten sich gegen die im April 2013 vom Parlament fast einstimmig beschlossene „Beschleunigungsreform“, mit der die durchschnittliche Studienzeit der dänischen Studierenden verringert werden soll. Vorgesehen sind Verschärfungen im dänischen Stipendiensystem, neue Regeln für die Prüfungs- und Studienadministration und Änderungen bei der Finanzierung der Universitäten.

Derzeit haben dänische und gleichgestellte ausländische Studierenden, für die Mindeststudienzeit samt einer Reserve von zwölf Monaten Anspruch auf die mit circa 710 Euro bemessene Studienbeihilfe. Die Reform sieht jedoch vor dieses Recht strikt an den Studienerfolg zu koppeln: Wer mehr als 30 ECTS in Verzug gerät, verliert den Anspruch, bis die Verzögerung wieder eingeholt ist. Des Weiteren soll eine verpflichtende Anmeldung zu Kursen und Prüfungen im Umfang von 60 ECTS pro Jahr eingeführt werden. Wer ein Fach nicht besteht, muss dieses im darauffolgenden Semester zusätzlich wiederholen. Diese Maßnahmen werden von vielen Studierenden als Gängelung empfunden.

Auch die Universitäten werden durch die Reform in die Pflicht genommen, ihre Studierenden zu schnelleren Abschlüssen anzutreiben. Laut Angaben der Unis wurden die Mittel der Studienplatzfinanzierung im Laufe der letzten 20 Jahre um insgesamt 20 Prozent gekürzt. Dies hat sie zunehmend von anderen öffentlichen Mitteln abhängig gemacht, deren Vergabe jetzt an die Senkung der Durchschnittsstudienzeit gekoppelt wird. Für die Universität Kopenhagen beispielsweise stehen circa 46,2 Millionen Euro auf dem Spiel.

Die Universitätsleitung plante daher ein Verbot von Studienunterbrechungen und eine Verpflichtung, Lehrveranstaltungen im Ausmaß von mindestens 45 ECTS pro Jahr abzuschließen. Auch deshalb blockierten die Kopenhagener Studierenden ihre Universität und gingen zahlreich auf die Straße.

Neue Protestformen. Die Protestaktionen der Studierenden im November zeigten vorläufig Wirkung. Noch am selben Tag nahm das Rektorat der Universität Kopenhagen Abstand von den ursprünglichen Plänen und lud die Studierenden ein, gemeinsam an der Umsetzung der politischen Anforderungen zu arbeiten. Protestaktionen und Blockaden anlässlich öffentlicher Auftritte des Unterrichtsministers Morten Østergaard fanden aber weiterhin statt. Auch Universitätsleitungen äußerten sich vermehrt kritisch gegenüber der Reform, die sie als Bürokratisierung erleben. Als Reaktion wurde die Reform nun vorerst um ein Jahr verschoben.

Regierung und Studierende interpretieren diese Entscheidung jedoch unterschiedlich: Østergaard konstatierte trotzig, dass die „Demonstrationen an sich nichts bewegt haben“. Die Studierenden hingegen verbuchen die Verzögerung als Erfolg. Auch Magnus Pedersen, ehemaliger Vorsitzender der landesweiten Studierendenorganisation DSF, sieht den Aufschub als Reaktion auf die Proteste: „Das war ein wichtiger symbolischer Sieg. Es ist mit einer Ausnahme das erste Mal, dass die derzeitige Regierung eine politische Maßnahme nach öffentlichem Druck wieder zurückzieht.“

Magnus führt diesen Erfolg auf eine Änderung der Strategie der Studierendenbewegung zurück: „Bis 2003 waren außerparlamentarische Protestformen bei vielen Studierendenorganisationen statutenmäßig ausgeschlossen.“ Dies änderte sich nachdem die damalige konservative Regierung eine Entdemokratisierung der Universitäten beschloss: „Die Teilnahme in Gremien war bedeutungslos geworden. Plötzlich brauchte man neue Waffen.“ Auf Universitäts- und Institutsebene konnten mit Blockaden und Demonstrationen schnell Erfolge erzielt werden und es gelang mehrmals Stipendienkürzungen abzuwehren. Folgen waren eine gesteigerte Akzeptanz der neuen Protestformen und die Politisierung vieler Studierender. „Diese Entwicklung führte zu der kräftigen Beteiligung Ende des Jahres. Die Studierenden ernten jetzt die Früchte jahrelanger Mobilisierungsarbeit“, erklärt Magnus.

Weitere Reformen. Im Hintergrund der aktuellen Auseinandersetzung rund um die Beschleunigungsmaßnahmen stehen tiefergehende Veränderungen des dänischen Universitätssystems und des Arbeitsmarkts. 2012 gaben 80 Prozent der dänischen Studierenden an, neben ihren Studien zu arbeiten, und zwar durchschnittlich über 12 Stunden pro Woche. Lange Studienzeiten scheinen auch eine Konsequenz davon zu sein. Für viele Studierende ist die Berufstätigkeit aber notwendig – um ihren Unterhalt bestreiten zu können und um die eigenen Chancen am angespannten Arbeitsmarkt zu erhöhen. 27,9 Prozent der dänischen Uni-AbsolventInnen, deren Abschluss weniger als ein Jahr zurückliegt, sind derzeit arbeitslos. Diese Trends werden durch die Reform noch verstärkt, und damit der Druck auf die Studierenden erhöht.

Seit dem Aufschub der Reform bewegt sich die öffentliche Debatte nun in andere, nicht weniger umstrittene Richtungen. Ende Dezember vermeldete Østergaard, dass die Anzahl an Studienrichtungen reduziert werden müsse, um es ArbeitgeberInnen leichter zu machen AbsolventInnen anzustellen. Im Januar regte eine im Vorjahr eingesetzte Produktivitätskommission im Einklang mit mehreren Uni-RektorInnen an, die Vergabe von Studienplätzen direkt an den Bedarf am Arbeitsmarkt zu koppeln. Die im Februar neu bestellte Unterrichtsministerin, Sofie Carsten Nielsen, deutete bei ihrer Angelobung an, den Reformkurs ihres Vorgängers fortsetzen zu wollen. Dänische Studierende werden also wohl auch in Zukunft einige Gründe haben, auf die Straße zu gehen und auf die Reformbremse zu steigen.

Robin Tschötschel studiert Global Studies an der Universität Roskilde und lebt in Kopenhagen.

Privatunis ohne Demokratie

  • 12.03.2014, 12:24

Aufgrund einer Gesetzesnovelle sind Studierende an Privatunis seit 2005 nicht mehr Teil der ÖH. Es folgte ein Kampf für eine gesetzliche Vertretung.

Aufgrund einer Gesetzesnovelle sind Studierende an Privatunis seit 2005 nicht mehr Teil der ÖH. Es folgte ein Kampf für eine gesetzliche Vertretung.

Studierende an einer Privatuniversität haben laut dem Privatuniversitätengesetz (PUG) die gleichen Rechte wie jene an öffentlich-rechtlichen Universitäten. Im Gegensatz zu öffentlichen Unis, FHs oder PHs ist die Vertretung Privatuni-Studierender jedoch nicht gesetzlich verankert, da sie als einzige nicht vom HochschülerInnenschaftsgesetz (HSG) erfasst werden. Durch die im Jahr 2005 erfolgte Novellierung des HSG durch die schwarz-blaue Regierung wurden Privatuni-StudentInnen aus der ÖH ausgeschlossen. Sie hätten „kein Interesse an der Mitgliedschaft in der Österreichischen HochschülerInnenschaftsgesetz“, so die offizielle Begründung für die Gesetzesänderung. Seitdem fehlt Studierenden an Privatunis nicht nur die studienrechtliche Absicherung, sondern auch eine bundesweite Vertretung. Viktoria Spielmann vom Vorsitzteam der ÖH-Bundesvertretung kann das nicht nachvollziehen: „Für uns ist nicht verständlich, warum Studierende der Privatunis weniger demokratische Rechte haben sollen. Wir kämpfen schon seit einiger Zeit dafür, dass an allen Privatunis Studierendenvertretungsstrukturen entstehen. Diese sind in den meisten Fällen bisher nicht vorhanden und daher sind Studierende permanent vom guten Willen der Studienleitung oder des Rektorats abhängig. Studentische Mitbestimmung im Alltag der Hochschule zu gewährleisten ist unter diesen Umständen äußerst schwierig.“

Privatunis können in Österreich seit 1999 gegründet werden, für deren Zulassung ist die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria (AQ Austria) zuständig. Diese sieht die studentische Mitbestimmung zwar als wichtig an, gibt für die Umsetzung aber nur eine Richtlinie vor: Jede Privatuniversität soll gemeinsam mit den Studierenden eine gewählte Studierendenvertretung einrichten. Wie diese genau aussieht, ist den Privatunis selbst überlassen. Die Rechte und Pflichten der StudentInnen sind in der jeweiligen Satzung oder den Aufnahmeverträgen festgehalten. So variiert etwa die Anzahl der StudierendenvertreterInnen in den Gremien von Universität zu Universität. Spielmann erläutert: „Die Rechtsverhältnisse zwischen Studierenden und der Privatuni sind privatrechtlicher Natur. Das bedeutet, dass Studierende der Privatunis sehr viel weniger Rechte haben als Studierende an öffentlichen Universitäten. Konkret heißt das auch, dass es Studierenden an Privatunis sehr viel schwerer gemacht wird, gegen ihre Universität rechtlich vorzugehen, etwa im Falle einer studienrechtlichen Überschreitung.“ Studierende an Privatuniversitäten können aber Beschwerden über Missstände und nicht rechtskonforme Vorgangsweisen schriftlich bei der AQ Austria einbringen.

Ombudsstelle. Einen Überblick über die Probleme der Privatuni-Studierenden liefert die Ombudsstelle für Studierende. Diese nimmt sowohl bei individuellen Problemfällen als auch bei systemischen Missständen eine vermittelnde Rolle ein, wenn die lokalen Studierendenvertretungen nicht weiterhelfen können. Trotz des Ausschlusses aus der ÖH wenden sich Studierende an Privatuniversitäten nicht öfter an die Ombudsstelle als andere Studierende: Zwei Prozent der bearbeiteten Anliegen wurden laut dem Tätigkeitsbericht der Ombudsstelle von Privatuni-Studierenden eingebracht. Nach ihrer Beratungstätigkeit im vergangenen Berichtsjahr schlägt die Ombudsstelle den RektorInnen der Privatunis vor, dass Privatuniversitäten nach erfolgter Aufnahme tatsächlich einen Ausbildungsvertrag mit den Studierenden abschließen sollten. Dieser soll unter anderem die Kosten der Ausbildung, Hinweise auf die Akkreditierung, das gültige Curriculum sowie Gründe für die Auflösung des Vertrages umfassen.

Kampf gegen Rechtlosigkeit. Für die rechtliche Absicherung und die bundesweite Vertretung der Privatuni-Studierenden machen sich verschiedene Personen und Institutionen stark: So forderte beispielsweise Michael Rosenberger, Rektor der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz (KTU Linz), in einer Stellungnahme zum Entwurf einer Novelle des HSG die Einführung einer Öffnungsklausel, die einen freiwilligen Beitritt von Studierendenschaften an Privatuniversitäten zur ÖH ermöglicht. Ein Großteil der Studierenden der KTU Linz – so Rosenberger – befände sich in einer ähnlichen Lebenssituation wie jene an den staatlichen Unis, und würde daher Angebote wie etwa die Unfall- und Haftpflichtversicherung sehr dankbar annehmen. Weiters möchte die Studierendenvertretung der KTU Linz auch auf Bundesebene politisch vertreten werden und wünscht sich daher, wieder in die ÖH eingegliedert zu werden. Die ÖH-Bundesvertretung würde eine erneute Eingliederung der Studierenden der Privatunis begrüßen, denn niemand sollte ohne gesetzliche Vertretung ein Studium bestreiten müssen. Spielmann formuliert das so: „Die ÖH-Bundesvertretung setzt sich für den einheitlichen Hochschulsektor ein, das bedeutet die rechtliche Gleichstellung aller vier Hochschulsektoren: öffentliche Universitäten, Fachhochschulen, Pädagogische Hochschulen und Privatuniversitäten. Unser langfristiges Ziel ist ein öffentlich finanzierter, gemeinsamer und moderner Hochschulsektor.“

Einen anderen Weg geht der 2011 gegründete Verein zum Aufbau und zur Förderung einer bundesweiten Studierendenvertretung der Privatuniversitäten. Dieser hat das Ziel, die Vertretungen zu verbessern, zu unterstützen und Kontinuität in der Arbeit der StudierendenvertreterInnen zu fördern. Die Funktionsperiode von Studierendenvertretungen an Privatuniversitäten beträgt nämlich nur ein Jahr, halb so lange wie jene der ÖH. Darauf wird der Mangel an Kontinuität zurückgeführt. Zudem sollen sich die Studierendenvertretungen der Privatuniversitäten untereinander vernetzen und geschlossen nach außen auftreten. Bis eine bundesweit gewählte und gesetzlich geregelte Studierendenvertretung in der Lage ist diese Arbeit zu übernehmen, will der Verein diese Aufgabe erfüllen. Da die 2012 erfolgte Neuregelung des Hochschul-Qualitätssicherungsgesetzes vorsieht, dass ein Vertreter des Vereins in der Generalversammlung der AQ Austria Mitglied ist, scheint der Status der Studierendenvertretung der Privatuniversitäten als Verein „einzementiert“ zu sein, sollte es nicht demnächst zu einer mutigen HSG-Reform kommen.

Andreas Freund studiert Romanistik sowie Publizistik - und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien.