Studiengebühren

Die kommenden Herausforderungen der ÖH

  • 12.05.2017, 22:26
Alle zwei Jahre wählen Österreichs Studierende ihre Vertretung, seit 2015 wird auch die Bundesvertretung wieder direkt gewählt. Welche Probleme und Herausforderungen werden sich der künftigen ÖH-Spitze stellen und wie wollen die Fraktionen damit umgehen?

Alle zwei Jahre wählen Österreichs Studierende ihre Vertretung, seit 2015 wird auch die Bundesvertretung wieder direkt gewählt. Welche Probleme und Herausforderungen werden sich der künftigen ÖH-Spitze stellen und wie wollen die Fraktionen damit umgehen?

In den letzten Jahren haben sich große Demonstrationen oder Aktionen zum Thema österreichische Bildungspolitik rar gemacht. Das heißt aber leider nicht, dass sich die Situation an den Hochschulen entspannt hätte – es haben nur alle gelernt, damit zu leben. Maßnahmen wie die Studieneingangs- und Orientierungsphase (StEOP), gegen deren Einführung 2009 noch heftig protestiert wurde, sind heute für Studienanfänger_innen Normalität geworden, die nicht unbedingt hinterfragt wird.

STUDIENPLATZFINANZIERUNG. Mit der sogenannten „Studienplatzfi nanzierung“ will die Regierung die Unis fi nanziell entlasten. Seit das Regierungsprogramm eine Überarbeitung erfahren hat, ist fi x, dass berechnet werden soll, wie viel ein Studienplatz kostet. Danach soll dann auch entschieden werden, nach welchem Schlüssel die Unis Geld für eben jene Studienplätze bekommen sollen. Vermutlich werden dabei genau so viele „Studienplätze“ herauskommen, wie Budget da ist. Sprich: Flächendeckende Zugangsbeschränkungen und die Reduktion von Studierendenzahlen sollen die Unis „entlasten“. Da die Details noch nicht ausgehandelt sind, hat die zukünftige Bundesvertretungsspitze einige Einfl ussmöglichkeiten. Ob die ÖH allerdings viel verhandeln können wird, ist fraglich. Die meisten Fraktionen lehnen flächendeckende Zugangsbeschränkungen ab. Sowohl Grüne und Alternative Studierende (GRAS), der Verband sozialistischer Student_innen Österreichs (VSStÖ), die Fachschaftslisten (FLÖ) und die beiden kommunistischen Listen KSV-KJÖ und KSV-LiLi fordern stattdessen einen off enen Hochschulzugang, der staatlich fi nanziert werden soll. Die AktionsGemeinschaft (AG) begrüßte die „kapazitätsorientierte Studienplatzfi nanzierung“, lehnt Studiengebühren jedoch ab – Zugangsbeschränkungen nennt die AG „Zugangsmanagement“ und fordert „faire und transparente Aufnahmetests“. Die Jungen Liberalen Studierenden (JUNOS) hingegen sind begeistert von den Ideen des sozialdemokratischen Kanzlers: „Christian Kern setzt mit der Studienplatzfi nanzierung erste richtige Schritte in Richtung fairer Zugangsbeschränkungen.“ Die Fraktion fordert „nachgelagerte Studiengebühren“ in der Höhe von bis zu 500 Euro im Semester, die nach dem Studium bezahlt werden sollen. Der RFS will ausländischen Studierenden nur dann einen Studienplatz gönnen, wenn sie in ihrem Herkunftsland ebenfalls einen vorweisen können, was für Drittstaatenangehörige allerdings bereits Realität ist.

UNIS UND ANDERE HOCHSCHULEN. Seit der letzten Wahl 2015 sind alle Studierenden von Universitäten, Privatunis, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen Mitglieder der ÖH. Rechtlich gesehen sind sie aber nicht gleichgestellt, da sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen je nach Hochschultyp stark unterscheiden. Während die Regierung keine Pläne hat, einen einheitlichen Hochschulraum zu schaff en, sehen die Listen, die sich zur ÖH-Wahl stellen, das anders. Die GRAS schreibt zum Beispiel: „Das Problem liegt vor allem in den rechtlichen Grundlagen: Welche Rechte Student_innen haben, ob und wenn ja wo sie diese einfordern können, hängt maßgeblich vom Hochschulsektor ab. Bei einem einheitlichen Hochschulraum wären auch Wechsel zwischen den Sektoren wesentlich einfacher und unbürokratischer möglich“, und fasst damit die Meinung fast aller Fraktionen zusammen. Der KSV-KJÖ stellt die Privatuniversitäten jedoch in Frage, „denn von kritischer Lehre und Bildung kann dort nicht die Rede sein“. Der KSV-LiLi will sie nicht weiterhin öff entlich bezuschussen lassen. Die FLÖ betont, „Österreich braucht keinen einheitlichen Hochschulraum, aber ein klares bundesweites Studienrecht für alle Studierenden“. Auch die AG begrüßt den Status quo: „Eine Trennung ist durchaus sinnvoll, da so eine Vielfalt von ‚Systemen‘ erhalten bleibt und man für sich selbst entscheiden kann, welches für einen selbst das beste ist.“

SOZIALE LAGE. Die letzte Studierenden-Sozialerhebung zeigte: Obwohl 61 Prozent der Studierenden erwerbstätig sind, ist über ein Viertel von starken fi nanziellen Schwierigkeiten betroff en. Von der Familie wird nur ein Drittel fi nanziert – somit bleibt die staatliche Studienbeihilfe die wichtigste Unterstützung für Studierende. Erfolgreich ist sie auch: Die Studienabschlussquote ist bei jenen Studis, die eine Beihilfe beziehen, doppelt so hoch wie bei anderen. Die Beträge sind jedoch niedrig und der Kreis der potentiellen Bezieher_innen ist klein. So wundert es wenig, dass auch hier sämtliche Fraktionen Erhöhungen und Änderungen fordern. Dass die Studienbeihilfe seit 1999 nicht mehr an die Infl ation angepasst wurde, ärgert die wahlwerbenden Gruppen ebenso wie die diversen Altersgrenzen, die spätentschlossenen Studierenden das Leben schwer machen. Wie die Beihilfen künftig aussehen sollen, darüber sind die Fraktionen sich jedoch nicht eins: Während JUNOS mehr „Leistungsstipendien“ fordern, will die GRAS ein „existenzsicherndes Grundstipendium von 844 Euro im Monat für alle Student_innen“, der KSV-KJÖ sieht soziale Absicherung nur im Sozialismus als möglich an, FLÖ und AG wollen zusätzlich eine Aufstockung verschiedener Sachleistungen.

MOBILITÄT. In einem Thema sind sich alle Fraktionen, die in die Bundesvertretung wollen, einig: Sie fordern alle ein österreichweit gültiges günstiges Studiticket. Über diese Forderung – und darüber, dass der öff entliche Verkehr für Studierende in anderen europäischen Ländern gratis ist – haben wir in der letzten progress-Ausgabe ausführlich berichtet („Sparschiene“, S. 8). Eine andere Art der Mobilität ist jene zwischen den Hochschulen, sowohl in Österreich als auch im europäischen Hochschulraum. Mit einem FH-Bachelor einen Uni-Master zu belegen ist in der Praxis oft ein sehr steiniger Weg mit vielen Behördengängen. Sowohl VSStÖ als auch JUNOS schlagen deswegen die Schaff ung einer Informationsquelle vor, in der mögliche Anrechnungen und weiterführende Studien dokumentiert werden, die GRAS will diese Frage europaweit geklärt wissen. Bis auf eine Fraktion sind sich alle einig, dass das Bologna-System nicht durchlässig genug ist. Der KSV-KJÖ möchte das System dagegen abschaff en und zurück zu den Diplomstudien. Der KSV-LiLi möchte die Marktlogik des Bologna-Systems bekämpfen und so für mehr Mobilität sorgen.

BARRIEREN. Für eine ganze Reihe Studierender ist der Studienalltag von Barrieren geprägt. Diese können im Falle körperlicher Beeinträchtigungen ganz einfach baulicher Natur sein, andere Barrieren sind nicht so off ensichtlich. Alle Fraktionen begrüßen einen barrierefreien Ausbau der Infrastruktur, in den Details unterscheiden sich die Zugänge jedoch. Der KSV-LiLi sieht Nachholbedarf bei der Barrierefreiheit: „Während in anderen Ländern versucht wird, allen Menschen das Studieren zu ermöglichen, fangen österreichische Hochschulen gerade mal damit an, Aufzüge oder Rampen zu installieren.“ Die FLÖ hingegen ortet vor allem Mangel bei der Beratung und sieht auch die ÖH im Zugzwang: „Die ÖH kann sich dafür einsetzen, mehr Beratungen anzubieten und Anlaufstellen einzurichten.“ VSStÖ und GRAS erinnern daran, dass auch psychische Krankheiten wie Depressionen berücksichtigt werden müssen und fordern alternative Lern- und Prüfungsmodalitäten wie Online-Vorlesungen. Ebenfalls größtenteils unsichtbare Barrieren stellen sich für LGBTIQ-Studierende, vor allem für Trans- oder Inter-Studierende, deren Geschlecht nicht mit der Geschlechtsangabe in ihrem Pass übereinstimmt. Die Initiative #NaGeH fordert, dass Unis künftig unbürokratisch Vornamen und Geschlechtseintrag von inter*, trans und nichtbinären Menschen ändert. Diese Forderungen werden von den meisten Fraktionen geteilt, einzig die FPÖ-Vorläuferorganisation RFS äußert sich auf ihrer Homepage verächtlich über LGBTIQ-Studierende. Binäre Toiletten – also solche, die nach dem klassischen „Mann/Frau“-Schema aufgeteilt sind, nennt der RFS zwar „Unfug“, scheint sich der Bedeutung dieser Aussage jedoch nicht bewusst zu sein. Die AG hat sich nicht zu den Forderungen von #NaGeH geäußert, sieht die ÖH jedoch als zuständige Organisation, bei der sich Studierende bei Diskriminierungen melden könnten.

BILDUNG. Studierende und Hochschule sind nur der letzte Teil der Pipeline des österreichischen Bildungsystems und viele Probleme entstehen an anderer Stelle. Es ist daher wichtig, dass die ÖH einen genauen Blick auf die Reformen im Bildungsystem wirft – alleine schon deswegen, weil sie ja auch die zukünftigen Lehrer_innen vertritt, die momentan studieren. Zu der Frage, wie das Bildungssystem insgesamt organisiert werden soll, halten sich die Fraktionen eher bedeckt – die GRAS fordert aber z. B. die Einführung der Gesamtschule, der KSV-KJÖ will die Schulen demokratisieren. Schüler_innen sollten, da sind sich die Fraktionen einig, besser auf ein Hochschulstudium vorbereitet werden. Die JUNOS sagen dazu: „Der Wert der Bildung muss früh im Schulsystem vermittelt werden“, GRAS, VSStÖ, FLÖ und AG fordern mehr Informationen – das Referat für Maturant_ innenberatung der Bundesvertretung muss sich um seinen Fortbestand also keine Sorgen machen. GRAS und VSStÖ fordern zusätzlich ein Vorstudium, bei dem Fächer ausgetestet werden können, die AG einen freiwilligen Selbsteinstufungstest.

MAHLZEIT. Während in vielen Ländern das Essen in der Mensa zum Studierendenalltag gehört, ist das Angebot in Österreich dürftig und dazu noch recht teuer. Die AG nähert sich hier grünen Positionen an und fordert regionale Speisen. Vegetarische Optionen sind GRAS und KSV-KJÖ wichtig, die JUNOS wollen, dass das Mensapickerl auch bei privaten Gaststätten als Vergünstigung gilt, während der KSV-LiLi ein Problem mit Mensen als Privatunternehmen hat. FLÖ und VSStÖ fordern zusätzlich offene Küchen, in denen Studierende selbstständig kochen können.

ZUSAMMENGEFASST: Die Antworten auf die zukünftigen Fragen der ÖH unterscheiden sich nicht so sehr, wie man es zunächst vielleicht annehmen würde, gerade beim off enen Hochschulzugang jedoch gewaltig. Die Fraktionen haben nicht nur unterschiedliche Zugänge zu Themen, sondern auch zu der Art und Weise, wie sie als ÖH arbeiten wollen. Für Wähler_innen, die bisher wenig Kontakt mit der ÖH hatten, ist dies jedoch schwierig herauszuschälen. Es empfiehlt sich daher, sich umfassend zu informieren, bevor eins zwischen dem 16. und 18. Mai seine Stimme verteilt.

Redaktioneller Hinweis: Die Positionen der Fraktionen wurden mit einem Fragebogen und den jeweiligen Webseiten erarbeitet.

Joël Adami studiert Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der Universität für Bodenkultur Wien.

Zurückbleiben bitte!

  • 12.06.2013, 10:32

In Österreich erreichen nur fünf Prozent jener Kinder, deren Eltern einen Pflichtschulabschluss aufweisen, einen Hochschulabschluss. Claudia Aurednik hat mit dem Bildungssoziologen Ingolf Erler über die Probleme von Studierenden und AkademikerInnen aus der sogenannten „Workingclass“ sowie über die Fallstricke des österreichischen Bildungssystems gesprochen.

In Österreich erreichen nur fünf Prozent jener Kinder, deren Eltern einen Pflichtschulabschluss aufweisen, einen Hochschulabschluss. Claudia Aurednik hat mit dem Bildungssoziologen Ingolf Erler über die Probleme von Studierenden und AkademikerInnen aus der sogenannten „Workingclass“ sowie über die Fallstricke des österreichischen Bildungssystems gesprochen.

Ausschnitt aus dem Interview:

„Folgende Parameter sind für die Bildungslaufbahn entscheidend: der Geburtsort, der schulische Abschluss der Eltern und des sozialen Umfeldes, das Wohnviertel, die Lage der nächsten Schule, das Geschlecht des Kindes, das Einkommen der Eltern usw. Wenn man die Parameter weiß, so kann man relativ gut einschätzen wo das Kind einmal später landen wird. […]

Natürlich ist es ein Unterschied, ob man seine ganze Kindheit über AkademikerInnen am Sonntagstisch beim Essen gehabt hat, oder ob man AkademikerInnen nur als ÄrztInnen, ApothekerInnen und Lehrer in der Schule kennt. Kinder aus AkademikerInnenfamilien haben da einen ganz anderen Bezug. Sie merken, dass AkademikerInnen keine natürlichen Autoritäten sind, sondern Menschen mit denen man ganz normal reden kann. In Studien zeigt sich, dass gerade bei mündlichen Prüfungen dieser Unterschied ganz stark hervortritt. Denn bei in der Prüfungssituation ist die Inszenierung besonders wichtig. Zudem lassen sich Menschen aus unterprivilegierten Familien viel leichter einschüchtern und suchen die Fehler vor allem bei sich selbst. Auch die Autorität der Lehrenden wird von ihnen kaum hinterfragt. […]

Der universitätere Habitus wirkt auf „Workingclass Students" oft einschüchternd. Foto: Wolfgang Bankowski

Das Bildungssystem wird über Steuern finanziert und das ist auch sinnvoll. […] Aber da das Bildungssystem über Steuern finanziert wird, müssen die Universitäten und die höheren Schulen darauf achten, dass sie die öffentlichen Ausgaben auch wieder an die Gesellschaft zurückgeben. Eine der Grundvoraussetzungen dafür ist, dass sie halbwegs sozial und gleichberechtigt Leute aufnehmen und auch gleichberechtigt ihr Wissen an die Gesellschaft zurückgeben. Und das nicht nur einmal im Jahr bei einer ‚Langen nach der Forschung‘, sondern das ganze Jahr über. Das würde bedeuten, dass sich die Universitäten öffnen müssten, was wiederum dem Bild der Universität als elitäre Einrichtung widerspricht [...] Aber wenn Forschung und Lehre nur an wenige Gruppen in der Gesellschaft weitergegeben werden, dann darf man sich nicht wundern, dass die ÖsterreicherInnen so intellektuellen- und wissenschaftsfeindlich sind."

 

Ingolf Erler (Hg.): Keine Chance für Lisa Simpson? Soziale Ungleichheit im Bildungssystem. Wien: Mandelbaum Verlag 2007.

Ingolf Erler: http://www.ingolferler.net/

„Die gesetzliche Grundlage muss für alle Hochschultypen einheitlich sein“

  • 08.05.2013, 12:14

In drei Teilen stellt progress euch die Positionen der bundesweiten SpitzenkandidatInnen aller Fraktionen mit Klubstatus in der ÖH-Bundesvertretung vor. Florian Lerchbammer (AG), Anna Lena Bankel (FEST), Florian Kraushofer (FLÖ), Marie Fleischhacker (GRAS), Claudia Gamon (JuLis) und Julia Freidl (VSStÖ) diskutierten im ersten Teil Fragen zur Bedeutung von Hochschulen, deren Finanzierung und Qualität im Studium. Oona Kroisleitner und Georg Sattelberger moderierten die Runde.

In drei Teilen stellt progress euch die Positionen der bundesweiten SpitzenkandidatInnen aller Fraktionen mit Klubstatus in der ÖH-Bundesvertretung vor. Florian Lerchbammer (AG), Anna Lena Bankel (FEST), Florian Kraushofer (FLÖ), Marie Fleischhacker (GRAS), Claudia Gamon (JuLis) und Julia Freidl (VSStÖ) diskutierten im ersten Teil Fragen zur Bedeutung von Hochschulen, deren Finanzierung und Qualität im Studium. Oona Kroisleitner und Georg Sattelberger moderierten die Runde.

progress: Wir haben euch gebeten einen Gegenstand mitzubringen, den ihr mit Hochschule verbindet. Welche Bedeutung haben Hochschulen für euch? 

Marie Fleischhacker: Ich habe einen Kompass mitgebracht. Der passt für mich perfekt, da Orientierung an den Hochschulen oft fehlt. Die STEOP soll durch ein „Studium-Generale“ ersetzt werden, bei dem man sich während der ersten beiden Semester orientieren kann und Lehrveranstaltungen aus verschiedensten Bereichen absolvieren kann, um so verschiedene Studienrichtungen kennenzulernen. So sollen StudienanfängerInnen tatsächliche Orientierung bekommen.

Julia Freidl: Für mich und für uns als VSStÖ bedeutet Hochschule Bildung und vor allem kritische Bildung. An der Wirtschaftsuniversität habe ich erlebt, dass die Neoklassik am Serviertablett angeboten wird, es aber keinen Platz für andere Strömungen und Sichtweisen gibt. In der Wirtschaftskrise hat man gesehen, dass die Neoklassik nicht die Lösung für alles ist. Genau deswegen ist kritische Bildung wichtig. Ich habe Bücher von verschiedenen heterodoxen ÖkonomInnen mitgebracht. Besonders aus Sicht der Wirtschaftsuni soll heterodoxe Ökonomie kein Nischenangebot bleiben.

Florian Kraushofer: Ich habe ein Universitätsgesetz (UG) mitgebracht. Das ist meine deutlichste Assoziation mit Hochschulen. Am UG wird gerne sofort herumgedoktort, wenn man auch nur denkt einen Bruchteil einer Lösung zu haben. Das UG ist natürlich auch das Gesetz, das festlegt, wie Hochschulen funktionieren, was sie formt und dort muss man auch ansetzen. Hochschule bedeutet natürlich kritisches Denken, selbstständiges Lernen und sich Gedanken über das zu machen, was einem vorher nicht serviert worden ist – wo man etwas ausprobieren kann.

Florian Lerchbammer: Universität ist ein Ort von Bildung und nicht von Ausbildung. Wir sind aufgefordert die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass wir sorgenfrei studieren können. Für die AG habe ich eine überdimensional große Taschenlampe mitgebracht, weil wir einen Schwerpunkt auf Transparenz legen möchten. Wir wollen die Einbindung der Universitäten in das Transparenzgesetz, um eine effizientere Mittelverwendung zu erreichen, damit am Ende des Tages mehr Geld überbleibt und wir somit mehr ausfinanzierte Studienplätze haben. In Zukunft soll bei einer Mittelerhöhung nicht das Prinzip der Gießkanne zum Tragen kommen, sondern das Geld in den Hörsaal fließen, wo es hin sollte.

Anna Lena Bankel: Derzeit symbolisiert Hochschule für mich und für uns als FEST ein mit Ketten verschlossenes Buch. Hochschulen definieren sich darüber, wer nicht hinein soll, wer dementsprechend von den Hochschulen ausgeschlossen sein soll. Dabei wird dauernd die Kapazitätenfrage vorgeschoben, anstatt kreative Lösungen zu suchen. Hochschulen müssen das kritische Denken fördern. Das kann aber bereits im Kindergarten beginnen. Auf jeder Ebene von Bildung kann kritisches Denken gefördert werden, nicht erst bei Master und PHD.

Claudia Gamon: Ich habe von John S. Mill „Über die Freiheit“ mitgenommen. Die Uni ist für mich eine Bildungsstätte. Für mich als Landpomeranze war es eine tolle Erfahrung, andere Menschen kennenzulernen, mit denen man leidenschaftlich über Ökonomie diskutieren kann. Wissen bedingt die Freiheit und umgekehrt. Das Buch hat auch eine besondere Bedeutung: Ein Kurs über Ethik und Ökonomie war die einzige Wahlfreiheit, die ich in meinem Bachelor hatte. Dort habe ich das Buch das erste Mal gelesen. Im Nachhinein hätte ich mir mehr Freiheit im Studium gewünscht.

progress: . Zumindest zwei von Euch fordern verstärkte Hochschulfinanzierung aus dem privaten Sektor. Was sind die Für und Wider zusätzlicher Drittmittelfinanzierung?

Lerchbammer: Neben der Forderung, dass es mehr Geld von der Regierung braucht, gehen wir einen Schritt weiter: Wir sollten wirklich darüber nachdenken mehr private – also Drittmittel – in das Hochschulbudget zu integrieren. Es macht keinen Unterschied, ob der Hörsaal den Namen eines Unternehmens trägt, es macht aber sehr wohl einen Unterschied, wie viel Platz in einem Hörsaal ist und welche Infrastruktur wir vorfinden. Natürlich muss sichergestellt werden, dass sogenannte Orchideenfächer von der Regierung finanziert werden und nicht unter die Räder von wirtschaftlichen Interessen kommen.

Gamon: Solange die Regeln klar sind und Lehre und Forschung unabhängig sind, habe ich kein Problem damit. Ich glaube, dass Angst davor besteht, in eine Abhängigkeit zu fallen. Viele Studien können von einer größeren Involvierung der Wirtschaft und einem größeren Praxisbezug profitieren. Gerade in technischen Studien gibt es viele Möglichkeiten, bereits während dem Studium mit Unternehmen zusammenzuarbeiten. Auf der TU gibt es ja Beispiele für tolle Kooperationen und ich glaube, das könnte man weiter unterstützen.

Kraushofer: Prinzipiell ist für uns Drittmittelfinanzierung nicht das Feindbild schlechthin. Wenn die Unabhängigkeit der Universitäten garantiert ist, dann darf das ruhig auch passieren. Garantiert ist das aber natürlich nur, wenn die Universitäten bereits vom Staat ausfinanziert sind, was wir auch fordern. Dass man einen Hörsaal nach jemandem benennt und dafür Geld über Jahre hinweg Geld bekommt, ist illusorisch.

Lerchbammer: Das war ja nur ein plakatives Beispiel.

Kraushofer: Ja, eines wo offensichtlich ist, dass es harmlos ist. Wenn man aber an Forschung gebundene Drittmittel lukriert, dann sind die Ergebnisse oft nicht öffentlich und dürfen nur von dem Unternehmen, das die Forschung gesponsert hat, verwendet werden. Forschungsergebnisse, die auf einer Universität gewonnen werden, sollen aber der Gesellschaft zugutekommen.

Gamon: Das stimmt. Aber der Grund dafür ist die fehlende Grundfinanzierung. Deswegen fühlen sich Universitäten bis zu einem gewissen Grad gezwungen, solche Verträge einzugehen. Das ist eher das Problem und nicht die Drittmittelfinanzierung an sich.

Freidl: Es ist aber auch eine berechtigte Angst, dass durch Auftragsforschung die Grundlagenforschung zur Seite gedrängt wird und nur mehr jene Forschung, bei der Gewinn für Unternehmen rausschaut, im Vordergrund steht. Deshalb sollten wir uns in erster Linie um eine Ausfinanzierung der Hochschulen bemühen, dann können wir über Drittmittel sprechen.

Fleischhacker: Das Problem bei Drittmitteln ist, dass die Studierenden ausgebeutet werden. Zum Beispiel auf Fachhochschulen erbringen Studierende über Ausbildungsverträge Leistungen, die an Konzerne gehen und nur von diesen verwendet werden dürfen. Die Studierenden haben dann bis zu zehn Jahre überhaupt kein Recht mehr etwas von dem, was sie in ein Projekt hineingesteckt haben, zu verwenden. So dürfen Hochschulen nicht finanziert werden.

Bankel: Das Problem liegt besonders dort, wo Unternehmen in Infrastruktur investieren wollen. Das sind eben keine Spenden sondern Investitionen, für die eine Gegenleistung erwartet wird. Studiengänge, die Unternehmen mehr interessieren als andere, werden so immer besser ausgestattet. Warum kann es nicht möglich sein, in einen Fond einzuzahlen, aus dem dann über alle Hochschultypen und Studiengänge verteilt wird? Dann wird plötzlich klar, dass Unternehmen ihren eignen Interessen nachgehen und dass das Hauptinteresse eben nicht Bildung ist, sondern gewisse Ausbildungsarten zu fördern.

progress: Wenn die Differenz auf die zwei Prozent des BIPs nicht aus Drittmittel kommen soll, woher dann?

Freidl (lacht): Vom Staat braucht es zunächst ein Einsehen, dass in Bildung investiert werden muss – 1,3 Prozent des BIPs für die Hochschulen sind zu wenig. Vermögensbezogene Steuern könnten etwa 3 Milliarden Euro zum Budget beitragen. Es gibt eine Berechnung der AK, die zeigt, dass durch die Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer zusätzliche 500 bis 700 Millionen Euro in das Budget fließen könnten. Die Anpassung der Grundwerte bei der Grundsteuer, die seit den 1970er Jahren nicht mehr verändert wurden, könnte weitere 500 Millionen Euro bringen. Und dann die allgemeinen Vermögenssteuern.

Lerchbammer: Anstatt zu überlegen, wie wir irgendwelchen Leuten Geld wegnehmen, wäre es ein besserer Ansatz darüber nachzudenken, wie wir das Budget verteilen. Wir als ÖH könnten uns ja auch dafür einsetzen, dass Geld weg von den Pensionisten und Pensionistinnen hin zu den Studierenden kommt. Aber dass wir uns Gedanken über Vermögenssteuern machen, geht zu weit.

Freidl: Es geht nicht ums Geldwegnehmen sondern um Umverteilung, also um Verteilungsgerechtigkeit.

Kraushofer: Es sollte nicht Aufgabe der ÖH sein, sich ein Opfer zu suchen – seien es die Reichen oder die PensionistInnen. Bildung ist eine Investition, auch für den Staat Österreich. Es ist total bescheuert zu sagen, wir investieren in diesen Bereich nicht. Das wird auch Österreich teuer zu stehen kommen – in 30 oder 40 Jahren. Es muss für den Staat möglich sein dieses Geld aufzutreiben.

Gamon: Es muss um ein Bekenntnis für Wissenschaft und Bildung gehen, weil das die einzige nachhaltige Ressource ist, die der österreichische Wohlstand hat. Ich würde es aber ablehnen, dass die ÖH dazu Stellung bezieht, wo man das Geld abziehen soll. Vermögenssteuern würde ich aber ablehnen.

Fleischhacker: Es braucht den politischen Willen, mehr Geld in Bildung zu investieren. Bei den Vermögenssteuern gibt es mehrere Modelle. Es ist wichtig, dass umverteilt wird und dass das Geld in die Bildung fließt. Man kann das ja auch schön sehen an Ländern, in denen es progressivere Steuersysteme gibt, wo dann tatsächlich auch mehr in Bildung investiert wird.

progress: In der Hochschulfinanzierungsdebatte werden immer wieder Studiengebühren ins Feld geführt. Die JuLis fordern Studiengebühren, während die Koalitionsfraktionen die ersatzlose Abschaffung der noch bestehenden fordern. Von der AG gab es heuer keine deutliche Position.

Lerchbammer: Die AG lehnt Studiengebühren ab, weil nicht sichergestellt ist, dass ich in Mindestzeit studieren kann. Außerdem ist nicht sichergestellt, dass die Studiengebühren Studienplatz, -ort und –zweckgebunden verteilt werden. Verkürzt gesagt: keine Vignette ohne Autobahn. Dementsprechend lehnen wir Studiengebühren ab.

Gamon: Ich will das nicht so verkürzt sehen. Die Unis müssen natürlich ausfinanziert werden. Deswegen würde ich das, was wir fordern, als Selbstbehalt beschreiben, weil es ja auch nicht die gesamten Studienkosten decken soll, sondern ein gewisser Beitrag von 10 bis 30 Prozent der Studienkosten. Es ist auch eine Frage der Gerechtigkeit, ob z.B. jemand, der eine Lehre gemacht hat, unser Studium zur Gänze finanzieren muss – das ist auch der Grund für unser Plakat [„Deine Mutter finanziert mein Studium“ Anmk.]. Ich erachte Selbstbehalte als fair, weil ich auch überdurchschnittlich davon profitiere.

Freidl: Fair ist es nicht, wenn Kinder, deren Eltern nicht viel Geld haben, von den Hochschulen gedrängt werden. Oder ausländische Studierende, die über 700 Euro zahlen müssen. Das ist nicht fair. Was man auch sagen muss, ist das Studiengebühren keinen Beitrag zur Finanzierung der Hochschulen leisten können. Sie sind höchstens ein Tropfen auf dem heißen Stein. Außerdem zahlen AkademikerInnen später bis zum dreifachen wieder in den Steuertopf und damit an den Staat zurück.

progress: Stellen Studiengebühren eurer Meinung nach eine zusätzliche Barriere zum Hochschulzugang dar?

Gamon: Die Debatte darüber, dass Studiengebühren eine Hürde seien, ist ein wenig verkürzt, weil sie ignoriert, dass es genügend Studiengebühren- und Beihilfenkonzepte gibt. Diese stellen sicher, dass es trotzdem noch eine gute soziale Durchmischung an den Unis gibt. Ich kann grundsätzlich aber auch akzeptieren, dass die andere Seite sagt, dass Bildung gratis sein soll. Dann muss das aber auch konsequent gefordert werden und für alle Bildungswege gelten. Was ich aber nicht akzeptieren kann, ist, dass es verschiedene Hürden gibt, weil es doch genügend Evidenz dafür gibt, dass das eben nicht so ist, in den Ländern die das anwenden.

Kraushofer: Es ist unfair zu sagen, es gibt Länder, in denen funktioniert das, deswegen führen wir das auch bei uns ein. Wenn wir uns die Studierendensozialerhebung anschauen, dann sehen wir, anhand der Jahre, in denen die Studiengebühren eingeführt und abgeschafft wurden, dass es eben nicht funktioniert hat.

Gamon: In unserem Modell soll das Geld autonom eingehoben und direkt an die Unis ausgezahlt werden. Man kann sich Ideen von anderen Ländern hernehmen. Dass man diese dann aber für Österreich anpassen muss, steht außer Frage.

Fleischhacker: Skandinavische Länder zum Beispiel: Da gibt es ein progressives Steuersystem, keine Studiengebühren und fast keine Zugangsbeschränkungen. Also das funktioniert schon. Es ist kontraproduktiv zu sagen, man will Studiengebühren und trotzdem mehr Studierende. Es gibt Zahlen, die zeigen, dass Studiengebühren als Hürde gesehen werden. Und selbst wenn man von Studiengebühren befreit ist, muss man immer noch das Geld aufbringen, um sie zuerst einzubezahlen.

progress: Die FEST bekommt ihre Mandate vor allem von den FHs. Diese heben mehrheitlich Studiengebühren ein und haben alle Zugangsbeschränkungen. Wie steht ihr dazu?

Bankel:  Fachhochschulen fallen ins Privatrecht und sind keine öffentlichen Universitäten. Aber: Der Staat finanziert Fachhochschulen fast zur Gänze, die Beteiligung von Unternehmen liegt bei etwa 2 Prozent. Die Struktur einer Fachhochschule ist aber wie in einer Ausbildungsfirma. Die Rechtsform von Fachhochschulen ist extrem problematisch, wir fordern schon seit Jahren, dass es ein einheitliches Hochschulgesetz geben soll – darin kann es aber natürlich verschiedene Hochschultypen geben. Die Grundlage für alle Hochschultypen muss ein Gesetz sein und nicht drei.Aber grundsätzlich lehnen wir Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren ab. Bildung ist ein Menschenrecht und muss für jede und jeden frei zugänglich sein.

progress: Derzeit müssen, unter anderem, Drittstaatenangehörige doppelt so hohe Studiengebühren bezahlen. Wie steht ihr dazu?

Freidl: Das ist eine Katastrophe. Zu uns sind Studierende in die Sozialberatung gekommen und haben uns erzählt, dass sie nicht mehr wissen, wie sie ihr Studium finanzieren sollen. Wenn man schon von einem Hochschulraum und einer europäischen Hochschulpolitik redet, braucht es auch europäische Lösungen und da ist der Wissenschaftsminister ganz klar gefordert, sich für Ausgleichszahlungen zwischen jenen Ländern, zwischen denen es Studierendenströme gibt, einzusetzen. Es gibt ja beispielsweise bereits den nordischen Rat, wo das mit Ausgleichszahlungen ganz gut funktioniert. Da sollten wir ansetzen, anstatt Studierende, die sich ohnehin in einer sehr prekären Situation befinden, dann auch noch mit doppelten Studiengebühren zu belasten.

Kraushofer: Prinzipiell kann ich mich da anschließen. Was man vielleicht aber noch dazu sagen sollte ist, dass die doppelten Studiengebühren nicht das einzige Problem sind. Drittstaatsangehörige haben andere Aufnahmebedingungen. Sie dürfen zum größten Teil nur sehr wenig arbeiten. Oder etwa das passive Wahlrecht, das wäre nochmal ein eigenes Thema. Sie werden auf vielen Ebenen der österreichischen Hochschulen diskriminiert und das ist eine Frechheit.

Lerchbammer: Wir lehnen Studiengebühren unter diesen Studienbedingungen ab, auch die doppelten. Wir sollten uns nicht davor fürchten, dass jemand zu uns zum Studieren kommt, sondern die Rahmenbedingungen schaffen, dass er dann auch hier bleibt.

Bankel: Ergänzend muss man noch sagen, dass es nicht nur die rechtlichen Hürden, die doppelten Studiengebühren oder etwa Probleme bei Zulassungsprüfungen gibt. Drittstaatenangehörige müssen auch jedes Mal, wenn es darum geht, ihre Aufenthaltsgenehmigung zu verlängern, zittern, wem sie da jetzt am Amt gegenüber sitzen. Da wird oft mit reiner Willkür entschieden. Es braucht das Bekenntnis der ÖH sich gegen Rassismus zu engagieren, und zwar nicht nur auf legistischer Basis, sondern auf allen Gebieten – eben als gesellschaftspolitisches Programm.

Gamon: Die doppelten Studiengebühren gehen auf keinen Fall, das ist einfach diskriminierend. Es ist volkswirtschaftlich und menschlich ein Blödsinn jemanden hier studieren, aber später nicht in Österreich leben und arbeiten zu lassen.

Fleischhacker: Ich glaube, wir stimmen alle überein, dass die doppelten Studiengebühren eine große Diskriminierung darstellen. Wie auch schon gesagt, sind sie aber auch nur ein Faktor in einer Reihe von Diskriminierungen.

 

 

Unter Generalverdacht?

  • 09.02.2013, 17:21

Die österreichischen Universitäten werben damit, international vernetzt zu sein und ausländischen Studierenden eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Doch die meisten ausländischen Studierenden sind mit immensen Problemen konfrontiert. Claudia Aurednik gibt Einblick in ihre Schwierigkeiten und Herausforderungen.

Die österreichischen Universitäten werben damit, international vernetzt zu sein und ausländischen Studierenden eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Doch die meisten ausländischen Studierenden sind mit immensen Problemen konfrontiert. Claudia Aurednik gibt Einblick in ihre Schwierigkeiten und Herausforderungen.

„Ich habe wegen der Bürokratie an der Universität Wien drei Semester meines Studiums verloren“, erzählt Baraka Kimambo*: „Zuvor hatte zwar die Universität für Bodenkultur bereits alle Zertifikate der Republik Tansania anerkannt, aber die Uni Wien verweigerte die Zulassung. Sie forderte Bestätigungen, die es in Tansania gar nicht gibt.“ Nach einem langen Briefwechsel mit den Behörden in Tansania und zahlreichen erfolglosen Gesprächen mit der Zulassungsstelle war noch immer keine Lösung absehbar. Kimambo hatte jedoch das Glück, in einem Ministerium an einen Juristen zu geraten, der großes Interesse an Afrika hat. „Ohne Glück geht es nicht. Bei der Zulassungsstelle war das aber leider nicht so“, resümiert Kimambo. Von Tansania aus hatte er sich nach der Highschool an verschiedenen europäischen und amerikanischen Universitäten beworben. Als er nach einem Jahr aus Österreich eine positive Antwort erhalten hatte, beschloss er, in Wien zu studieren. Den Kampf mit der österreichischen Bürokratie konnte er letztlich  gewinnen. Seit dem Wintersemester 2011/12 studiert der mittlerweile 25Jährige an der Universität Wien Afrikawissenschaften.

Baraka Kimambo.

BARAKA KIMAMBO. Der Studienbeginn an der Universität für Bodenkultur war jedoch überaus schwierig: „Ich habe Umwelt- und Bioressourcenmanagement studiert. Der Stoff wurde sehr schnell durchgenommen und Kontakt mit den ProfessorInnen war nicht möglich“, sagt Kimambo. Ein Tutorium für ausländische Studierende habe es nicht gegeben. „Am Institut für Afrikawissenschaften ist das anders, denn es ist ein kleines Institut mit netten ProfessorInnen. Und auch die StudienkollegInnen sind dort netter und viel aufgeschlossener.“ Probleme hatte Kimambo aber mit den an der Universität Wien angebotenen Deutschkursen, weil in diesen nur Alltagssprache und nicht wissenschaftliche Sprache unterrichtet wurde. „Die meisten können sich gar nicht vorstellen, was ein Studierender, der nicht aus einem EU-Land kommt, innerhalb eines Jahres alles schaffen muss. Neben der bürokratisch aufwendigen  Inskription an der Universität musste ich eine Wohnung finden und Deutsch lernen. Und neben dem Studium musste ich auch arbeiten“, erzählt Kimambo.

Gerade am Arbeitsmarkt spürt er die Diskriminierung. Immer wieder hat er Jobs nicht bekommen, weil ArbeitgeberInnen für ihn beim Arbeitsmarktservice (AMS) eine Arbeitsgenehmigung beantragen müssen. Diese Prozedur und die Unsicherheit, ob das Visum  für Kimambo verlängert wird, führen dazu, dass viele kein Interesse an seiner Arbeitskraft haben. Hinzu kommen rassistische Vorurteile gegenüber AfrikanerInnen. Gleichzeitig verlangen die MitarbeiterInnen der Wiener Magistratsabteilung 35 von Kimambo  den Nachweis einer Arbeitsstelle. „Die Probleme bedingen sich also gegenseitig“, resümiert Kimambo. Studierende, die nicht aus einem EU-Land kommen, dürfen erst seit Sommer 2011 auf Basis einer geringfügigen Tätigkeit ohne vorhergehende  Arbeitsmarktprüfung etwas dazuverdienen. „Ab dem 26. Lebensjahr muss ich für das Visum aber rund 7334 Euro pro Jahr als  Guthaben oder ein monatliches Plus von rund 815 Euro nachweisen können. Monatlich darf ich jedoch nur bis zur  Geringfügigkeitsgrenze etwas dazuverdienen – beides ist natürlich lächerlich und schier unmöglich“, erläutert Kimambo. Derzeit hat  er aus diesen Gründen Probleme mit seinem Visum. Seine Eltern können ihn finanziell kaum unterstützen. In Tansania beträgt  das Einkommen für Büroangestellte durchschnittlich 150 Euro im Monat und selbst ÄrztInnen verdienen maximal zwischen 300 und 400 Euro. Zumindest muss Kimambo aufgrund eines Abkommens zwischen der Republik Tansania und Österreich keine  Studiengebühren zahlen. „Ich habe aber viele kenianische FreundInnen, die ab dem Sommersemester 2013 380,86 Euro pro Semester zahlen müssen. Dabei zählt Kenia zu den ärmsten Ländern der Welt.“

ÖH-BERATUNG. Im „Referat für ausländische Studierende“ der ÖH-Bundesvertretung findet neben einer juristischen Beratung auch eine allgemeine Beratung in verschiedenen Fremdsprachen statt. Das Team berät auf Spanisch, Persisch, Türkisch, Kurdisch, Serbisch, Kroatisch, Bosnisch sowie Englisch und Deutsch. Tamiss Khorzad arbeitet hier als Sachbearbeiterin. „In letzter Zeit fragen viele KollegInnen verzweifelt bei mir in der persischen Beratung nach finanziellen Unterstützungen“, sagt sie.Aufgrund ihres Aufenthaltstitels dürfen auch Studierende aus dem Iran nur sehr beschränkt arbeiten. Die Problemlage ist bei ihnen dieselbe wie bei Kimambo: Die ArbeitgeberInnen müssten einen Antrag beim AMS stellen, das verursacht zusätzliche Kosten, weshalb viele lieber verzichten. „Neben den iranischen StudentInnen, die zum Studium nach Österreich gekommen sind, gibt es aber auch viele AsylwerberInnen aus dem Iran, die hier weiterstudieren möchten“, erzählt Khorzad. Am häufigsten erkundigen sich ausländische Studierende nach Stipendien, nach der Zulassung zu Studien, dem Arbeitsmarkt und Visafragen.

„Das Visum bereitet vielen Studierenden aus dem Nicht-EU-Raum große Probleme, die Erteilung des Aufenthaltstitels kann bis zu sechs Monate dauern“, berichtet der zuständige Referent Jens Marxen. Für eine Verlängerung müssen jährlich 16 ECTS-Punkte nachgewiesen werden. „Doch das ist gerade für Studierende, die eben erst Deutsch gelernt haben, besonders schwer“, sagt er. Studierende dürften bei einmaliger Nichterreichung der Punktezahl zwar noch auf die Nachsicht der Behörden hoffen. Beim zweiten Mal gäbe es hingegen keine Toleranz mehr. „Jeder Einzelfall müsste aber genau geprüft werden, denn wer den Aufenthaltstitel nicht erhält, muss das Studium abbrechen“, sagt Marxen: „Wenn jemand eine große Prüfung nicht besteht, so darf dies doch nicht das Ende des Studiums in Österreich bedeuten.“ Das Referat für ausländische Studierende bestätigt die von Kimambo angesprochene Problematik des Nachweises von Geldmitteln. Für die Erteilung eines Visums müssen Studierende aus dem Nicht-EU-Raum ein regelmäßiges Einkommen und ein Vermögen nachweisen, das den Lebensunterhalt für ein Jahr garantiert. Je nach Alter müssen  dementsprechend bis zu 830 Euro im Monat oder bis zu 10.000 Euro jährlich auf einem Konto nachgewiesen werden. Aber auch die doppelten Studiengebühren für Nicht-EU-BürgerInnen müssten abgeschafft werden, meint Marxen. Studierende aus anderen Ländern sollten nicht abgeschreckt oder gar ausgeschlossen werden. Auch die gesamte Verwaltung müsste Marxen zufolge lernen, den Unterschied zwischen einer BittstellerIn, und einem Menschen, dem rechtmäßig etwas zusteht, zu erkennen. Er ergänzt: „Viele StudentInnen aus dem Ausland haben das Gefühl, unter Generalverdacht zu stehen: Denn eigentlich dürfen sie nicht hier sein und arbeiten dürfen sie auch nicht. Nur wenn es rechtlich nicht zu verhindern ist, bekommen sie eben die Arbeitsbewilligung.“

Victoria Lippan (3. v. l.) mit ihren StudienkollegInnen. Aufgrund ihrer rumänischen StaatsbürgerInnenschaft hatte sie bereits Barrieren zu Job und Studium hinnehmen müssen. Fotos: Luiza Puiu

SCHWARZARBEIT. Victoria Lippan* (23) kommt aus Rumänien und studiert seit 2009 Translationswissenschaften und Biologie an der Universität Wien. In Temeswar hatte sie eine deutschsprachige Schule besucht. Dadurch hatte sie während ihres Studiums keine sprachlichen Hürden zu bewältigen. Einen StudentInnen-Job zu finden, war aber wesentlich schwieriger. „In einem Lokal in Strasshof  habe ich der Chefin vorgeschlagen, für zwei bis drei Tage gratis zu arbeiten, da ich ja noch keine Erfahrungen als  Kellnerin hatte. Sie meinte aber, dass meine Kollegin – die an diesen Tagen nur mich alleine arbeiten ließ – mir das Trinkgeld  überlassen sollte. Als ich am nächsten Tag zur Arbeit kam, wurde mir vorgeworfen, dass ich das Trinkgeld geklaut hätte“, erinnert  sie sich. „Außerdem hat mir dort ein angetrunkener Gast erklärt, dass er sich einen zweiten Hitler für Leute wie mich wünschenwürde.“

Die Odyssee war damit aber noch nicht beendet. Während ihres ersten Studienjahrs hatte Victoria drei Anträge beim AMS für eine geringfügige Anstellung als Kellnerin abgegeben. Diese wurden jedoch nicht bewilligt, obwohl sie rechtlich darauf Anspruch gehabt  ätte. Lippan erzählt, dass sie vom AMS mit den Worten „Fräulein, eine Anstellung im Gastrobereich für RumänInnen gibt es bei uns nicht“, hinausgeschmissen wurde. „Das hat mich wirklich sehr geärgert, weil ich in einem tollen Lokal bei einem netten Chef hätte arbeiten können“, erinnert sie sich. Lippan arbeitete daraufhin unangemeldet zwei Jahre lang als Kellnerin für fünf bis sechs Euro in  der Stunde. Das Trinkgeld durfte sie sich nicht behalten. „Es ist wirklich schwierig, schwarz zu arbeiten. Ich habe fast ein Jahr meines Studiums verloren, weil ich auf Abruf im Lokal bereitstehen musste“, erzählt sie. Erst seit dem letzten Sommer werden vom AMS geringfügige Anstellungen für RumänInnen bewilligt. Ab dem 1. Jänner 2014 soll der Arbeitsmarkt für RumänInnen und BulgarInnen geöffnet werden. Victoria betont aber auch, dass sie neben den Problemen am Arbeitsmarkt in ihren Jobs als Kellnerin ständig mit dem negativen Bild, das viele ÖsterreicherInnen von Menschen aus Rumänien haben, konfrontiert worden sei.

Auch Luiza Puiu, selbst Fotografin der Fotostrecke dieser Seiten, ist aus Rumänien nach Wien gekommen. Besonders mit dem AMS hatte Puiu zu Studienbeginn Probleme: „Als ich mich nach den Papieren für einen Nebenjob erkundigte, wurde mir entgegnet, ich könne machen was ich wolle – sie geben mir nichts.“ Puius Forderung wäre, dass interkulturelle Erfahrungen ausländischer Studierender nicht als Grund für Schlechterstellungen betrachtet werden. Und: „Ausländische Studierende sollten am Arbeitsmarktdie gleichen Rechte wie ÖsterreicherInnen haben.“

* Die Namen wurden auf Wunsch der InterviewpartnerInnen geändert und sind der Redaktion bekannt.

Das „Referat für ausländische Studierende“ der ÖHBundesvertretung bietet ein vielseitiges Beratungsangebot in mehreren Fremdsprachen an. Nähere Infos: www.oeh.ac.at

Die Autorin studiert Publizistik- und Kommunikationswissenschaften und verfasst derzeit am Institut für Zeitgeschichte der Uni Wien ihre Diplomarbeit.

Gegen Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren

  • 04.01.2013, 14:46

Am 5. Dezember 2012 fand in Wien die Demonstration gegen Zugangsbeschränkungen und gegen Studiengebühren statt. Die Demonstrantinnen und Demonstranten protestierten gegen die von SPÖ und ÖVP geplanten Zugangsbeschränkungen. Claudia Aurednik interviewte Protestierende.

Am 5. Dezember 2012 fand in Wien die Demonstration gegen Zugangsbeschränkungen und gegen Studiengebühren statt. Die Demonstrantinnen und Demonstranten protestierten gegen die von SPÖ und ÖVP geplanten Zugangsbeschränkungen. Claudia Aurednik interviewte Protestierende.

Allheilmittel

  • 13.07.2012, 18:18

Bildungspolitik wird derzeit in Österreich so heiß diskutiert wie schon lange nicht, allerdings mangelt es in der Diskussion an neuen Ideen. Schon werden die „Allheilmittel“ Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen aus der Schublade gezogen. Während Wissenschaftsministerin Karl agiert wie ein hilfloser Käfer, der am Rücken liegt, dreht sich die Diskussion um die Zukunft der Hochschulen weiter im Kreis.

Bildungspolitik wird derzeit in Österreich so heiß diskutiert wie schon lange nicht, allerdings mangelt es in der Diskussion an neuen Ideen. Schon werden die „Allheilmittel“ Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen aus der Schublade gezogen. Während Wissenschaftsministerin Karl agiert wie ein hilfloser Käfer, der am Rücken liegt, dreht sich die Diskussion um die Zukunft der Hochschulen weiter im Kreis.

Die Wissenschaftsministerin möchte auf den Hochschulen die besten Köpfe Österreichs versammeln, die Drop Out Rate senken und mehr Studierende für die so genannten MINTFächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) begeistern. Das alles will sie durch Zugangsbeschränkungen erreichen und findet bei RektorInnen, Industriellenvereinigung und in der ÖVP großen Zuspruch. Als Standardbeispiel für den Erfolg von Zugangsbeschränkungen wird gerne auf das Medizinstudium mit der Einführung des EMS-Tests verwiesen. Dass jedoch seit 2006, als der Test zum ersten Mal durchgeführt wurde, die soziale Durchmischung an den medizinischen Universitäten Wien und Innsbruck stark gesunken ist, Frauen benachteiligt und so weniger oft zum Studium zugelassen werden und nebenbei die Nachhilfeindustrie für Hochschulprüfungen boomt, wird verschwiegen. Wie es auch gedreht wird sind auch heuer wieder nur 45 Prozent der StudienanfängerInnen in Medizin Frauen. Obwohl mehr Frauen als Männer zu diesem Test antreten. Auch der Versuch über die zusätzliche Testung von sozialen Kompetenzen in Graz änderte an der Benachteiligung von Bewerberinnen nichts.

Das Zauberwort heißt MINT. Publizistik als so genanntes Massenstudium wurde mit einer Aufnahmeprüfung versehen, die so abschreckend wirkte, dass sich in Wien weniger Studierende angemeldet haben, als Plätze zur Verfügung stünden. Auch dieses Faktum wird vom Wissenschaftsministerium gern als Zeichen gesehen, dass sie sich auf richtigen Pfaden bewegen. Es bleibt abzuwarten wohin die Studierendenströme ausweichen, denn dass es zu Verdrängungseffekten kommen wird, war bereits bei Psychologie zu beobachten. So wird das nächste Fach zum Massenfach, dann wohl auch beschränkt, so dass die Studierenden wieder ausweichen, fertig ist der Teufelskreis. Fakt ist, dass das Modell Planwirtschaft im 10-Jahres Takt auf den Hochschulsektor nicht anwendbar ist. Wenn Gehrer vor zehn Jahren Panik verbreitet hat in Österreich gäbe es viel zu viele LehrerInnen und LehramtstudentInnen würden brotlos ohne Arbeit enden, so zeigt sich heute, dass derartige Eingriffe in Studienwahlentscheidungen kein gutes Ende nehmen. So droht uns in den nächsten Jahren dank Pensionierungswelle auch ein Mangel an zukünftigen ÄrztInnen, aber von einer Aufstockung der Plätze in Wien, Innsbruck und Graz oder dem Bau einer Meduni Linz, will im Ministerium niemand etwas wissen. Im Ministerium wird lieber fleißig Werbung für die unterbesetzten MINT-Fächer betrieben. Wer Publizistik oder Psychologie studieren möchte, lässt sich im Regelfall auch nicht durch tägliche Inserate in diversesten Printmedien von den Vorzügen eines MINT-Studiums überzeugen. Dass die Kapazitäten in Informatik in Wien längst ausgeschöpft sind, weil kein Geld für neue Infrastruktur und Lehrmittel da ist, scheint dabei egal zu sein. Karl will auf den Hochschulen die besten Köpfe versammeln. Die „besten Köpfe“ Österreichs werden aber kaum nützlich sein, wenn sie nicht das studieren können, was sie möchten, geschweige denn, dass, dank chronischer Unterfinanzierung, die derzeitigen Studienbedingungen zu Hochleistungen anspornen.

Fünf vor Zwölf. Österreich braucht eine Gesamtstrategie im Bildungsbereich, scheitert aber am politischen Hick-Hack der verschiedenen Parteien. Bildung darf in ihren einzelnen Segmenten, angefangen beim Kindergarten, über den Pflichtschulbereich, bis hin zur höheren Bildung nicht weiter isoliert betrachtet werden. Es ist also auch nicht förderlich zwei Ministerien mit derselben Materie zu beschäftigen, denn nichts kann eine tiefgreifende Reform besser verhindern, als willkürlich zwischen zwei Parteien aufgeteilte Kompetenzen.
Die Uhr tickt, denn ab 2012 ist Peak Student erreicht, das heißt, dass ab diesem Zeitpunkt auf Grund sinkender MaturantInnenzahlen auch die StudienanfängerInnenzahlen sinken werden, und das in einem Land, das im Bezug auf StudienanfängerInnen, ohnehin schon 17 Prozent unter dem OECD-Schnitt liegt. Umso absurder ist es gerade jetzt die Studienfächer zu beschränken und so die Zahl der Studierenden weiter zu dezimieren. Doch der Kurs, der bei Gehrer begann, wird auch nach der Ära Hahn fortgeführt. Wenn die Politik weiterhin auf ein Allheilmittel im Bildungssektor wartet, wird sich an der Misere nichts ändern, mittlerweile gibt es einfach zu viele Baustellen. Wohin uns das alles führt wird sich zeigen, die Folgen dieser desaströsen Politik werden wohl auch noch die nächsten Generationen beschäftigen. Frei nach Kafka liegt der Käfer weiter auf seinem Rücken, seine vielen Beine flimmern ihm hilflos vor den Augen.

Sinnlose Konkurrenz

  • 13.07.2012, 18:18

Im Vergleich UniversitätsstudentInnen ist es für die meisten FH-StudentInnen normal, dass Studiengebühren generell eingehoben worden, lediglich vier FHs bilden verlangen keine Studiengebühren.

Im Vergleich UniversitätsstudentInnen ist es für die meisten FH-StudentInnen normal, dass Studiengebühren generell eingehoben worden, lediglich vier FHs bilden verlangen keine Studiengebühren.

Dass Studiengebühren als Druckmittel für angehende Studierende genutzt werden, ist für FH-StudentInnen nicht ganz ungewöhnlich. Wie das geht? Der FH-Sektor hat nicht nur im Fachhochschulstudiengesetz (FHStG) festgelegt, dass ein Studienbeitrag (363,36 Euro) eingehoben werden darf, sondern ist auch durch die vom Fachhochschulrat herausgegeben Richtlinien berechtigt vor der Inskription Ausbildungsverträge abzuschließen. Diese Tatsache bringt die wenigsten zum Grübeln, da dort Rechte und Pflichten beider Vertragspartner geregelt sind.

Kinderschuhe. Der neueste Clou ist jedoch, dass einige FHs darin auch regeln, dass nach einer gewissen Frist die Gebühren bei nicht Antreten des Studiums einbehalten werden dürfen. Dass viele die Fristen so festlegen, dass andere Fachhochschulen zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gegeben haben, ob die betreffende Person einen Platz erhält, zeigt nur, dass der Fachhochschulsektor noch weit davon entfernt ist aus seinen Kinderschuhen herauszuwachsen. Jede FH möchte die besten StudentInnen aufnehmen. Sind sie das aber noch, wenn sie vor die Wahl gestellt werden zwei Mal 363,36 Euro zu zahlen, um sich dann wirklich zwischen den Hochschulen entscheiden zu können?
Am Ende des Tages kann keine Seite glücklich sein: Die Hochschule nicht, die nicht die gewünschten Studierenden hat, um die für sie so wichtigen erfolgreichen Absolventen zu bekommen, und die BewerberInnen nicht, die schon zu Beginn des Studiums unter Druck gesetzt werden.

Konkurrenz im eigenen Sektor. Zielführend kann nur die Möglichkeit sein, die BewerberInnen schon in der Bewerbungsphase gut zu informieren und ihnen die Entscheidung für eine bestimmte FH zu überlassen, ohne sie unter Druck zu setzen.
Auf der einen Seite machen sich die Fachhochschulen also innerhalb ihres eignen Sektors Konkurrenz, auf der anderen Seite treten sie, wenn sie doch einer Meinung sind, über ihre Interessensvertretung, der Fachhochschulkonferenz, gemeinsam auf.
Fakt ist, dass sich im Leben jedeR an einem gewissen Punkt entscheiden muss. Auch die Fachhochschulen müssen sich klar sein, ob sie prinzipiell einen partnerschaftlichen Weg gehen oder als KonkurrentInnen agieren wollen.
 

Zurück zur Elite

  • 13.07.2012, 18:18

Hertha Firnberg forcierte einst eine Demokratisierung der Universitäten und öffnete sie für ArbeiterInnenkinder. Seit einigen Jahren sind ihre Errungenschaften bedroht, Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) arbeitet daran, den freien Hochschulzugang zu zerstören.

Hertha Firnberg forcierte einst eine Demokratisierung der Universitäten und öffnete sie für ArbeiterInnenkinder. Seit einigen Jahren sind ihre Errungenschaften bedroht, Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) arbeitet daran, den freien Hochschulzugang zu zerstören.

Das Universitätsorganisationsgesetz von 1975 war ein Meilenstein für die Entwicklung österreichischer Universitäten. Das Gesetz trug maßgeblich die Handschrift der damaligen SPÖ-Ministerin Hertha Firnberg, die damit folgendes initiieren wollte: die Transparenz aller universitären Entscheidungen und demokratische Mitsprache und Mitbestimmung aller Menschen, die an der Hochschule tätig sind. Dies alles sollte der Qualität von Forschung und Lehre dienlich sein. Zusätzlich sollte die Verantwortung zwischen Universität und Gesellschaft geteilt werden, so der damalige Beschluss.
Am 10. Juni 2009 wurde das Universitätsgesetz von 2002 novelliert. Damit werden Bachelor- und Masterzugangsbeschränkungen ermöglicht, Studieneingangsphasen (die knock-out-Prüfungen gleichen) verpflichtend und die demokratische Mitbestimmung der Studierenden beschnitten.

Umbau. Der Umbau des Hochschulwesens nach den Kriterien einer konservativen und wirtschaftsliberalen Ideologie hat schon vor knapp zehn Jahren begonnen. 1999 enigten sich die europäischen WissenschaftsministerInnen auf die Vereinheitlichung des europäischen Hochschulraums. Von Seiten der schwarz-blauen Regierung wurde das als Freischein zur kompletten Neukonzeptionierung nach den schon erwähnten Kriterien gesehen. Ministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) führte die Studiengebühren ein, ihr Nachfolger Minister Elisabeth Hahn (ÖVP) die Möglichkeit, Zugangsbeschränkungen zu installieren. 

Veränderungen. Die österreichischen Universitäten folgten bis in die 70er dem Muster der Ordinarienuniversität. Diese Form der Universitätsorganisation beschreibt ein Modell von mehr oder weniger lose miteinander verknüpften Instituten, denen jeweils eine Professorin oder ein Professor vorsteht. StudentInnen haben nicht ein Fach studiert, sondern bei einem der ProfessorInnen. Diese Struktur bedeutete, dass Studierende den Lehrenden völlig ausgeliefert waren.
Hertha Firnberg, die erste Wissenschaftsministerin Österreichs, hat dies am eigenen Leib erfahren, als ein Professor sich weigerte, Frauen bei einer Prüfung positiv zu benoten. Sie musste ihr Studium wechseln, um sich dieser Schikane zu entziehen.
Als Ministerin änderte sie dieses System radikal zu Gunsten der Studierenden. Die Ordinarienuniversität wurde zur Gruppenuniversität. Zum einen schaffte sie die Studiengebühren ab, die bis dahin nur einer kleinen Elite ein Universitätsstudium erlaubten. Zum anderen änderte sie die innere Struktur der Universitäten. Die mächtige Position der ProfessorInnen wurde zu Gunsten eines Mitspracherechts beschnitten, von dem nun alle an der Universität vertretenen Gruppen profitieren sollten. 

Drittelparität. Damals wurde auch die Drittelparität eingeführt. Das bedeutete, dass Studierende, AssistentInnen und ProfessorInnen nun gleichberechtigt über die Vorgänge an den Universitäten entscheiden durften. In einigen Bereichen musste die geplante Drittelparität aber zu Gunsten von 50% ProfessorInnen und jeweils 25% Studierende und AssistentInnen aufgegeben werden, weil der Widerstand der ProfesorInnen gegen die neue Regelung zu groß war.. Sie drohten mit Streik und zeigten sich von Firnberg „persönlich enttäuscht“. Firnberg konterte lakonisch, dass „die Männer so schrecklich emotional“ seien und sah dem Streik gelassen entgegen, weil „die Herren Professoren nicht so unentbehrlich sind, wie sie glauben“. Dass nicht geheizt werde oder keine Rechnungen ’zahlt werden – das würd’ ma ja spürn“. (Firnberg konnte zuvor sowohl die Studierenden, wie die AssistentInnen als auch das Verwaltungspersonal für ihre Reformen gewinnen).
Gegen den ausdrücklichen Willen der ProfessorInnen, der Opposition (ÖVP, FPÖ) und des gesamtem konservativen Lagers wurde das UOG 1975 beschlossen. Ein absolutes Novum für ein Bildungsgesetz.

Demokratisierung. Die Öffnung und Demokratisierung der Universitäten führte dazu, dass mehr Leute aus den so genannten bildungsfernen Schichten den Weg an eine Hochschule fanden und diese auch abschlossen. „Mehr ArbeiterInnenkinder an die Universität“ war ein Credo von Firnberg, dem sie sich verpflichtet sah. Auch der Anteil der Studentinnen stieg rapide an. (Diskriminierungen im Ordinarienmodell, wie sie das Beispiel Firnbergs zeigte, waren kein Einzelfall). Der offene Hochschulzugang an österreichischen Universitäten war geboren.
Gleichzeitig stieg auch das Budget der Universitäten in den Jahren Firnbergs als Ministerin von  2,3 Millarden Schilling (1970) auf 10 Milliarden Schilling (1982). Ebenfalls wurden die Planstellen (ProfessorInnen, außerordentliche ProfessorInnen, AssistentInnen) von 8600 (1970) auf 12600 (1982) erhöht. 

Rücknahmen. Nach und nach wurden diese Errungenschaften zerstört. Zum einen mit einer schwarz-blauen Regierung, die die Studiengebühren wieder einführte, Universitäten wie Unternehmen geführt wissen wollte und die demokratische Direktwahl der ÖH abschaffte. Zum anderen mit Minister Hahn, der den freien Hochschulzugang abschaffte. 
Mittlerweile sind die Universitäten zurück bei einer quasi Alleinherrschaft der ProfessorInnen, die in allen Gremien die Mehrheit stellen. Zugangsbeschränkungen wurden neu errichtet, die Lehre an den Universitäten ist konsequent unterfinanziert und die Universitäten verfügen über zu wenige Planstellen in der Lehre. Das Wissenschaftsministerium stiehlt sich mit der „Autonomie der Universitäten“ aus der gesellschaftlichen Verantwortung.
Die Umstände und Probleme heutzutage gleichen denen vor dem UOG 75, auch wenn das Modell ein anderes war.  Das zeigt, dass sich jedes System verändern lässt, wenn der politische Wille dafür da ist.