Sport

Es muss nicht immer Joggen sein

  • 18.07.2014, 17:17

Vier unkonventionelle Sportarten im Portrait.

Vier unkonventionelle Sportarten im Portrait.

Der Weg des Schwertes

Ein Kendoka

Bei der japanischen Kampfsportart Kendo entscheiden nicht Kraft und Größe. „Die Schnelligkeit macht’s aus“, sagt Dieter Hauck und seine Mundwinkel zucken bei dem Gedanken an so manche Niederlage. Die Sportart setzt sich aus den beiden Wörtern Ken und Do zusammen, was so viel bedeutet wie „Weg des Schwertes.“ Mit echten Schwertern wird freilich nicht gekämpft, Bambusstangen in schwertähnlicher Form verhindern wirkliche Verletzungen. Dieter, laut eigenen Angaben eigentlich eher nicht prädestiniert für diese Sportart, weil zu groß und zu stark, trainiert seit über 30 Jahren Kendo. Schon als Jugendlicher beginnt er mit der japanischen Kampfsportart Jiu Jitsu. „Mitunter ein Grund war damals, mich gegen meine noch größeren Brüder wehren zu können“, sagt er und lacht. Durch einen Freund kam der 51-Jährige zu Kendo und ist seither überzeugter Kendoka. Heute ist er Vizepräsident der europäischen Kendo-Föderation.

Im Gegensatz zu anderen Kampfsportarten setzt Kendo speziell auf der geistigen Ebene an: Den oder die Gegner_ in zu lesen und sich selbst und die Menschen in der eigenen Umgebung zu erfahren, sind Teil des Weges, den es beim Erlernen von Kendo zu bewältigen gilt. Dabei ist die größte Herausforderung bei einem realen oder nachempfundenen Kampf – und damit in der maximalen Risikosituation – die gelernten Techniken durch rasche Entscheidungen und unter Aufwendung aller Energiereserven genau richtig einzusetzen, um den/die Gegner_in zu treffen. Diese Kampfsituationen werden regelmäßig bei Turnieren und bei Welt- und Europameisterschaften nachempfunden, bei denen Dieter auch schon oft als Kämpfer und Funktionär beteiligt war. „Leben kann man von Kendo in Europa allerdings so gut wie nicht“, sagt er. Dafür ist die Kendo- Population in diesen Breiten noch zu klein. In Japan ist die Sportart Teil der Ausbildung von Polizist_innen, des Militärs und der Palastwache und wird auch in Schulen stark gefördert.

Trainiert wird die Kampfsportart ein ganzes Leben lang, sie ist somit Teil des Lebensweges und ständiger Begleiter – auch für den Wiener. Dieter erzählt vom Vater seines japanischen Trainers, der noch bis drei Tage vor seinem Tod Kendo trainiert haben soll. „Wir haben dann gesagt, wir reduzieren das auf zwei Tage, dann haben wir wirklich etwas erreicht“, sagt er und zeichnet mit seinen Armen die typische Schwertbewegung von Kendo nach. (AS)

2,40 Meter hoch, sieben Sprossen
Eine Leiterakrobatin

Eine zufällige Begegnung mit einem Diabolo-Spieler in Berlin hat sie inspiriert und damit ihr bisheriges Leben vollkommen auf den Kopf gestellt. Rosalie Schneitler hat braune Haare und ein Talent, ihr Italienisch so klingen zu lassen, als wäre sie nicht in Oberösterreich geboren. Die heute 30-jährige Mutter beginnt nach diesem Erlebnis die akrobatische Sportart Leiterartistik an der Scuola di Circo Vertigo in Turin zu studieren und entdeckt dort ihre Leidenschaft für den zeitgenössischen Zirkus.

Als eine von 60 Bewerber_ innen an der Zirkusschule wird sie zusammen mit 15 weiteren Studierenden aufgenommen und stellt sich zwei Jahre lang täglich einem siebenstündigen Training: Muskelkraft, Flexibilität, Bodenakrobatik, zeitgenössischer Tanz und Theater stehen auf der Tagesordnung. Dem folgt ein Training in der jeweiligen individuellen Disziplin der einzelnen Studierenden – für Rosalie war es die Leiter: „Drauf zu stehen und das Gleichgewicht zu halten, das ist eine der ersten Aufgaben, die es zu bewältigen gilt“, sagt Rosalie. Ohne die Leiter an die Wand zu lehnen, versteht sich. Danach folgen die ersten Tricks: Über die vorletzte Sprosse springen und auf der anderen Seite wieder auf dieser landen, die Leiter in Tempo auf und ab erklimmen oder auf der obersten Sprosse in „Fliegerposition“, mit dem Becken auf der Leiter, schweben. Heute lebt die Artistin von dieser akrobatischen Sportart und sieht es als ihre größte Herausforderung, ihre körperlichen Fähigkeiten in einen Ausdruck zu verwandeln und so jedes Stück einzigartig werden zu lassen. „Genau das ist das Besondere am zeitgenössischen Zirkus – jede Person trägt ihre persönliche Note zu einem Stück bei.“ Ihr beruflicher Alltag besteht daraus, von Fest zu Fest zu reisen, von einem Auftritt zum nächsten. Von Mai bis Oktober dauert die Saison. Im Winter hingegen werden neue Shows geprobt, alte verbessert und trainiert. Rosalies eineinhalbjährige Tochter und ihr Lebensgefährte – selbst ein Zirkusartist – sind auf ihren zahlreichen Reisen immer im Gepäck.

Doch die geborene Zwettlerin wünscht sich seit kurzem einen festen Platz im Leben. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten überlegt sie, einen Grund in Italien zu kaufen. „In Österreich gibt es für den zeitgenössischen Zirkus leider zu wenige Möglichkeiten“, sagt sie. Dass diese Art von Zirkus aber nun auch langsam hierzulande ankommt, freut sie besonders. (AS)

Paddeln, fangen, Tore schießen
Kanupolo Foto: Christopher Glanzl

Wer Kanufahren und Ballsport mag, der ist beim KanuPolo richtig. Zwei Mannschaften mit je fünf SpielerInnen versuchen bei dieser Crossover-Sportart, einen Ball mit der Hand oder dem Paddel möglichst oft im gegnerischen Tor zu versenken – während sie in einem Kanu sitzen. Die Sportart erfordert Multitasking: „Es ist eine Herausforderung, ein Boot ideal zu manövrieren und gleichzeitig den Ball zu fangen und zu werfen“, meint die Studentin Michaela Motowidlo. Zum KanuPolo kam sie wie viele andere EinsteigerInnen auch: Eigentlich wollte sie, als sie einen Schnupperkurs des Vienna KanuPolo- Teams besuchte, nur paddeln lernen. Heute ist sie ein führendes Mitglied des Vereins. Auch die Sportart selbst ist vor etwa 100 Jahren in Paddelvereinen entstanden.

Gespielt wird auf einem Spielfeld, das etwa die Maße eines Sportbeckens hat. Im Winter besteht die Möglichkeit, indoor zu trainieren. Allerdings sind die BesitzerInnen von Schwimmhallen oft skeptisch, da sie Angst haben, die Boote könnten das Becken beschädigen. So wird bis November im Freien gespielt. Wenn die Feinmotorik durch die Kälte gehemmt wird, verlagert das Team das Balltraining in die Halle, studiert Spielzüge ein oder analysiert Matches. Im Spielfeld gibt es beim KanuPolo keine fixen Positionen, sondern jede/r macht das, was seinen/ihren Fähigkeiten entspricht.

Ein Match dauert zwei Mal zehn Minuten. Die Verletzungsgefahr ist niedrig, da die SpielerInnen Schutzkleidung tragen. Die Boote sind an den Enden gummiert, da es erlaubt ist, gegnerische SpielerInnen zu rammen – allerdings nur, wenn diese gerade den Ball haben. Die Ausrüstung ist hauptsächlich Vereinsbesitz, weshalb die Kosten für die Mitglieder niedrig sind. „Anfänglich kamen hauptsächlich KanufahrerInnen zum Training, allerdings sind die oft sehr individualistisch. Beim KanuPolo geht es aber vor allem um Teamplay“, meint Heinz Hanko, der das Vienna KanuPolo- Teams trainiert.

Die Sportart ist actionreich und es fallen häufig Tore. Deshalb hat das Training des Vienna KanuPolo- Teams an der Alten Donau immer ZuschauerInnen. Einige davon bekommen dann Lust, KanuPolo selbst auszuprobieren. Neben Wien gibt es KanuPolo noch in Ybbs, Innsbruck und Salzburg. Im Moment besteht das Vienna KanuPolo-Team hauptsächlich aus StudentInnen. Im Training wird mixed gespielt, bei Meisterschaften gibt es eine Damen- und Herrenklasse. Weltweit führend sind die Niederlande. Olympisch ist die Sportart jedoch nicht, weshalb es auch wenig Förderungen und Berichterstattung darüber gibt. Es finden aber häufig internationale Turniere statt, an denen das Vienna KanuPolo-Team teilnimmt. Michaela träumt außerdem von einer Damennationalmannschaft, dafür gibt es derzeit allerdings noch zu wenige Spielerinnen. (ML)

Kampf unter Wasser
Unterwasserrugby Foto: Christopher Glanzl

Von Unterwasserhockey über Unterwasserfußball bis zu Unterwasserrugby: Immer mehr Sportarten werden neuerdings auch im Nassen gespielt und so zu einer besonderen Herausforderung. „Man muss verschiedenste Fähigkeiten beherrschen, da der Sport plötzlich dreidimensional wird“, erklärt Heinz Frühwirt, der Co-Trainier des österreichischen Unterwasserrugby- Nationalteams. Neben Ausdauer, Kraft und Teamfähigkeit werden den SpielerInnen auch gute Tauchfähigkeiten abverlangt. „Viele sind von Unterwasserrugby schnell begeistert, geraten aber ebenso schnell an ihre Grenzen“, erzählt Frühwirt, der den Sport selbst schon beinahe seit seiner Erfindung betreibt.

Unterwasserrugby entstand in den 1970er Jahren in verschiedenen Tauchklubs. Ein Spiel dauert zwei Mal 15 Minuten, Tore werden geschossen, indem die SpielerInnen einen mit Salzwasser gefüllten Ball in einem Korb am Beckengrund versenken. Eine Mannschaft besteht aus zwölf SpielerInnen, davon sind sechs im Spiel, sechs warten auf ihre fliegende Einwechslung. Unterwasserrugby ist ein Vollkontaktsport, bei dem, wie beim Rugby, fast alles erlaubt ist, um dem/ der GegnerIn den Ball zu entreißen. Drei SchiedsrichterInnen, zwei unter, eine/r über Wasser, achten darauf, dass die Regeln eingehalten werden. Zur Ausrüstung gehören ein kurzer Schnorchel, Flossen, eine Maske, eine Badehaube und ein Badeanzug. Die Verletzungsgefahr ist durch das Wasser gemindert, da es die Wucht der Stöße dämpft. „Man kann sich die Sportart als Mischung zwischen Basketball und Eishockey vorstellen. Basketball, weil es mehr Körperkontakt als beim Rugby gibt, Eishockey wegen des fliegenden Einwechselns der SpielerInnen“, erklärt Frühwirt.

Unterwasserrugby ist ein Sport im Auftrieb. Der Wiener Unterwasserrugby Club, der drei Mal pro Woche nach Badeschluss in öffentlichen Schwimmbädern trainiert, profitiert vor allem von einem Unterwasserrugby-USI-Kurs. Den Großteil des Vereins machen StudentInnen aus, die restlichen Mitglieder sind bunt gemischt. Trainiert wird mixed, bei höheren Meisterschaften gibt es Damen- und Herrenteams. Etwa ein Drittel der SpielerInnen sind weiblich, wobei in Österreich gerade versucht wird, ein Damenteam aufzubauen. Unterwasserrugby ist ein traditionell europäischer Sport, führend sind hier vor allem die skandinavischen Länder sowie Deutschland. In Österreich wird Unterwasserrugby in Wien, Salzburg, Klagenfurt, Graz und Innsbruck gespielt. Olympisch ist die Sportart nicht, aber in Wien beispielsweise gibt es ausreichend Förderungen für das Team, so dass es regelmäßig an internationalen Turnieren teilnehmen kann. (ML)

Margot Landl studiert Politikwissenschaft sowie Deutsch und Geschichte im Lehramt in Wien.
Anne Schinko studiert Politikwissenschaft und Geschichte in Wien.

 

„Wer nicht hüpft, der ist ein …“

  • 16.07.2014, 10:26

In Zusammenhang mit Sport werden exkludierende Ideologien verbreitet. progress nimmt den Antisemitismus im österreichischen Fußball unter die Lupe.

In Zusammenhang mit Sport werden exkludierende Ideologien verbreitet. progress nimmt den Antisemitismus im österreichischen Fußball unter die Lupe.

In der medialen Rezeption von Fußball steht oft die nostalgische Verklärung von Fußballlegenden, Vereinen oder einzelnen Spielen im Vordergrund. Eine kritische Hinterfragung der antisemitischen Auswüchse dieser Sportart wird dabei meist verunmöglicht. Zwar verweisen manche Stimmen neben der Kommerzialisierung des Fußballs auch auf Problematiken wie Antisemitismus und Rassismus auf den Tribünen. Aber selbst ihnen fehlt die theoretische Einbettung von einzelnen Tatsachenberichten. Das Wesen des Antisemitismus bleibt somit meist unerkannt und seine Ursprünge bleiben unhinterfragt.

Antisemitismus wird in der Fußballliteratur oft als eine mögliche Form des Rassismus abgetan und nicht eigenständig behandelt. Dieser Zugang spiegelt sich leider auch häufig in der antidiskriminatorischen Fanarbeit oder in Fairplay-Kampagnen wider. So wird Antisemitismus oft nur nach entsprechenden Vorfällen von Seiten der Spieler oder Fans explizit zum Thema gemacht und eigenständige Projekte zur Sensibilisierung und Prävention stehen bis heute aus.

Rassismus und Antisemitismus sind jedoch in ihrem Wesen und ihren Erscheinungsformen grundverschieden: Der Hass auf Juden und Jüdinnen richtet sich gegen ihre imaginierte Allmacht, wohingegen sich der Rassismus gegen die jeweilige Ohnmacht der rassistisch markierten „Anderen“ wendet. Gerade auch weil Antisemitismus im Fußball nicht immer so deutlich auftritt, aber dennoch latent vorhanden und tief verankert ist, wäre die Auseinandersetzung mit dem Phänomen von besonderer Wichtigkeit.

Wir-Identitäten. Im Fußball entsteht durch gemeinsam erlebte Siegund Niederlageszenarien ein regional bis national verortetes Gruppenbewusstsein. Unter Fans stehen meist Werte wie Zugehörigkeit, die Treue gegenüber einer Mannschaft sowie die KameradInnenschaft untereinander im Mittelpunkt. Der Historiker Michael John beschreibt Fußball als „ritualisiertes Kampfspiel mit stark hierarchischem Charakter“. Die dabei verstärkte Gruppenidentität kann dazu führen, dass der sportliche Gegner als realexistierender Feind wahrgenommen wird. Dabei entsteht ein kollektives Wir, das der Volksgemeinschaft nicht unähnlich ist und zur starken Identifizierung, auch durch Symbole wie zum Beispiel Fahnen, Kappen und Schals, einlädt. Fußballspiele können durch ihre Funktion als Ventil zur Freilassung von Aggressionen „potentielle Krisenherde“ darstellen, die ein gewisses Machtinteresse transportieren. Auf diese Weise vermischen sich soziale mit sportlichen Werten, die ausgehend von bestimmten Ideologien vorbestimmt sind. So ist auch die Affinität rechtsextremer Gruppierungen zum Fußball nicht neu und gründet auf den angesprochenen Wertvorstellungen bestimmter Fanszenen, wie der Betonung von KameradInnenschaft sowie nationalistischen, fremdenfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Orientierungen.

Antisemitismus ohne Juden. Antisemitische Sprüche wie „Scheiß Juden“ oder „Wer nicht hüpft, der ist ein Jude!“ gehören bei Spielen gegen israelische Mannschaften zum rechtsextremen Fußballalltag. Rechtsextremes Gedankengut wird zudem über Symboliken wie Reichkriegsfahnen und Keltenkreuze oder über NS-verharmlosende Botschaften wie Hitler-Grüße zum Ausdruck gebracht. Dass Antisemitismus aber nicht auf real existierende Juden und Jüdinnen angewiesen ist, zeigt sich in Österreich beispielsweise in den Auseinandersetzungen der beiden Wiener Fußballklubs Austria (FAK) und SK Rapid. Da sich ersterer historisch gesehen aus bürgerlichen und jüdischen Gesellschaftsschichten zusammensetzte, sehen sich Rapid-Fans trotz der Tatsache, dass es in Österreich kaum bis keine SpitzensportlerInnen jüdischer Herkunft gibt, noch heute veranlasst, mit antisemitischen Parolen gegen die Austria anzutreten. Im August 2004 war auf einer Tribüne des Heimstadions der Austria der antisemitische Schriftzug „Franz Strohsack-Synagoge“ zu lesen, in Anspielung auf den Besitzer des Magna-Konzerns und ehemaligen Präsidenten der Austria, Frank Stronach. Bis heute finden sich rund um das Rapid-Stadion in Hütteldorf Davidstern-Sprayereien, verziert mit den Buchstaben FAK. Auch in den Reihen der Fans des Linzer Athletik- Sport-Klub (LASK) war 2007 ein Transparent mit der Aufschrift „Schalom“ zu sehen und Sprechchöre wie „Ihr seid nur ein – Judenverein“ waren zu hören. Bei einem Bundesligaauswärtsspiel 2009 gegen die Austria im Horr-Stadion wurden Parolen wie „Juden Wien, Juden Wien“ skandiert.

Judenfeindliche, antisemitische Ausdrucksformen zielen durch die mit antisemitischen Stereotypen verbundenen Konnotationen auf die prinzipielle Abwertung der gegnerischen Mannschaft oder der Schiedsrichter ab. Der Antisemitismus ist also auch als ein System von Welterklärungsmustern zu verstehen, in welchem Juden und Jüdinnen als Projektionsfläche für die eigene Paranoia dienen. Auch im Fußball zeigt sich die tiefgehende gesellschaftliche Verankerung der Ablehnung und Abwertung von allem, was als „jüdisch“ gilt.

Neonazis im Stadion. Fußballfans sind auch immer wieder Anwerbeversuchen durch Neonazis ausgesetzt, die Fußballstadien dazu nutzen, ihre Parolen zu platzieren. Antisemitisch motivierte Aktionen waren beispielsweise bei den Fans des Wiener Klubs Rapid insbesondere ab den 1980ern wieder verstärkt anzutreffen, unter anderem weil der international bekannte Holocaustleugner Gottfried Küssel begonnen hatte, im Rapid-Stadion Nachwuchs zu rekrutieren.

Aber auch die Austria hat seit einiger Zeit selbst ein massives „Neonaziproblem“. Insbesondere der rechtsextreme, inzwischen ausgeschlossene Fanclub Unsterblich fungiert seit einigen Jahren als Sammelbecken für Neonazis. Nicht nur Sprüche wie „Rassist, Faschist, Hooligan“ oder „Zick-zack Zigeunerpack“ sollen zu ihrem Standardrepertoire gehören, bei einem Europa League-Spiel gegen die baskische Mannschaft Athletic Bilbao waren neben einer Reichskriegsfahne auch Transparente mit dem Spruch „Viva Franco“ zu sehen. Bereits zuvor war der Austria-Fanclub Bull Dogs, der selbst das Keltenkreuz in seinem Logo hat, durch einschlägige Fanartikel in den Farben der Reichskriegsflagge aufgefallen.

Judith Goetz ist Literatur- und Politikwissenschafterin und Mitglied der Forschungsgruppe „Ideologien und Politiken der Ungleichheit“ (www.fipu.at).

Literaturtipps:
Horak, Roman/Reiter, Wolfgang/ Stocker, Kurt (Hg.): Ein Spiel dauert länger als 90 Minuten, Junius, Hamburg 1988.
Michael John: Kriege im Stadion. Bemerkungen zu Fußball und Nationalismus; in: Schulze-Marmeling, Dietrich (Hg.): Der gezähmte Fußball. Zur Geschichte eines subversiven Sports; Göttingen 1992.

Bis zum Atlantik und noch viel weiter

  • 23.05.2014, 16:29

Der Musiker Matthias Frey alias Sweet Sweet Moon wurde mit einem Youtube-Hit weltweit bekannt. Am Boden geblieben ist er dennoch – an einem Vormittag hat er uns zum Bocciaspiel eingeladen und uns dabei Geschichten aus seinem abenteuerlichen Leben als Musiker erzählt.

 

Der Musiker Matthias Frey alias Sweet Sweet Moon wurde mit einem Youtube-Hit weltweit bekannt. Am Boden geblieben ist er dennoch – an einem Vormittag hat er uns zum Bocciaspiel eingeladen und dabei Geschichten aus seinem abenteuerlichen Leben als Musiker erzählt.

Ein junger Mann mit blondem Pilzkopf kommt uns auf einem Retro-Rad entgegengefahren. Er trägt ein weißes Champion-T-Shirt, wie man es noch aus den 90ern kennt, eine ausgebeulte Jeans, Wanderschuhe und einen dichten Bart. In seiner rechten Hand hält er einen kleinen Holzkoffer: „Ich hab’ die Bocciakugeln von meiner Mitbewohnerin mitgebracht, dachte wir könnten eine Runde spielen“, sagt er und grinst. Matthias Frey, Jahrgang 1988, ist viel unterwegs, aber heute hat er sich Zeit genommen, um uns Geschichten von seinen Reisen zu erzählen. Davon gibt es einige. Vor ein paar Monaten war Sweet Sweet Moon mit seinem Kollegen, dem Chellisten Lukas, auf Tour in Italien. Dafür haben sich die zwei jungen Männer einen alten VW-Bus ausgeliehen, der alle paar Kilometer eine Panne hatte: „Wir wurden dauernd von der Polizei angehalten, weil wir nicht schneller als 50 fahren konnten“, erzählt Frey amüsiert. Ein anderes Mal mussten sie mitten in Sizilien an einem Hang den Bus stehen lassen, weil er die Steigung nicht mehr schaffte. Die beiden haben dann einfach ihre Instrumente gepackt und sind die restliche Strecke zum Veranstaltungsort zu Fuß gegangen. Frey packt Lebkuchen aus und bietet sie uns an – ein Mitbringsel aus Basel, wo er erst kürzlich war. „Mir gefällt das langsame Reisen, es ist zwar anstrengend, aber man sieht und erlebt einfach viel mehr.“ Eilig hat es der niederösterreichische Sänger und Geiger offenbar nicht. Bekanntlich hat man ja auch die besten Einfälle, wenn man einfach entspannt. Womöglich hat Sweet Sweet Moon deswegen so viele ausgefallene Ideen. Die braucht man heute definitiv, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu lenken. Sweet Sweet Moon ist das gelungen.

Fuck the Atlantic Ocean. 2011 landete er einen Youtube-Hit mit über 650.000 Klicks. In dem Video sieht man ihn und Lukas mit Violine und Chello auf der Rahlstiege im 6. Wiener Gemeindebezirk ein Konzert spielen. Gefilmt wurde das ganze vom Wiener Filmteam They shoot Music. Dass das Video plötzlich viral ging, war für sie überraschend. Noch viel erstaunlicher war, dass die meisten Klicks, laut Youtube-Statistik, unerklärlicherweise von Mittzwanzigern aus Chile und Argentinien kamen. Gemeinsam beschlossen sie, der Sache auf den Grund zu gehen und den Atlantik zu überqueren, um herauszufinden, warum es dort zum großen Erfolg kam. They shoot Music hatten außerdem die Idee, einen Dokumentarfilm über die Reise zu machen, also sammelten sie über eine Kickstarter-Aktion Geld und beantragten Kulturförderungen, um das Projekt zu finanzieren. 2013 flogen die Musiker nach Lateinamerika und kamen mit dem Film „Fuck the Atlantic Ocean“, in dem die ausgefallenen Konzerte auf der Reise dokumentiert wurden, zurück. Die Doku feierte Anfang März auf der Poolinale, dem Festival für Musikfilm, Premiere und ist nach wie vor auf einigen österreichischen Filmfesten und in Kinos zu sehen. Auf die Frage, ob sie letztendlich herausfinden konnten, wieso das Video gerade in Südamerika so beliebt war, zuckt Frey nur mit den Schultern: „Die Leute sind ja letztendlich doch überall gleich.“ Also bloßer Zufall? Frey nickt.

Geräuschkulissen. Matthias Frey gibt nicht unbedingt die Antworten, die man sich von einem Künstler erwartet. Anzugeben, das scheint ihn nicht sonderlich zu interessieren. Anstatt über vermeintlich große Dinge zu reden, erzählt er lieber von den Kleinigkeiten des Alltags, zum Beispiel von seiner Arbeit in der Oper, wo er als Orchesterwart tätig ist. Frey setzt sich manchmal in die Orchesterproben und hört den MusikerInnen dabei zu, wie sie die Stücke des Impressionisten Claude Debussy spielen. Manchmal nimmt er das chaotische Einspielen der MusikerInnen oder die Geräusche der BalletttänzerInnen, wenn ihre Füße graziös auf dem Boden landen, auch auf. Die Aufnahmen arrangiert Frey dann im Studio und macht daraus spannende Geräuschkulissen. Die Liebe und Faszination für die klassische Musik scheint immer schon Teil seines Lebens gewesen zu sein: Bei der Arbeit in der Oper, in seiner Kindheit in der Musikschule, im Studium der Musikwissenschaft, aber auch während der Zeit beim Bundesheer, wo er seinen Chellisten „am Schießstand“ kennengelernt hat, wie Frey mit verzogener Mine erzählt. „Begegnet sind wir uns bei der Heereskapelle. Da haben wir gemeinsam Strauß-Walzer für Heinz Fischer am Nationalfeiertag und Märsche für die Offiziere gespielt.“ Militärisch klingt der Sound, den Sweet Sweet Moon macht, zwar nicht, aber der klassische Einschlag ist dafür sofort erkennbar: Er macht Musik, die man sich zusammen mit seinen Eltern auf der Couch anhören kann, ohne ihnen erklären zu müssen, wieso dieser Krach gut sein soll. In einer Zeit, die von epileptisch-hysterischen Klangwelten à la Skrillex geprägt ist, ist das die Ausnahme.

Es ist vor allem die manchmal fast schreiende, emotionsgeladene Stimme von Frey, die einen Kontrast zu den sonst glatten, schön arrangierten Streichakkorden bietet. Sein Gesang zeigt sich oft in Form von unbestimmbaren Lauten, die ganz natürlich aus Freys Mund herauszupurzeln scheinen. Alle Texte von Sweet Sweet Moon werden improvisiert und variieren von Konzert zu Konzert: „Bei dem einen Youtube-Video fragten mich die Leute oft nach den Lyrics, aber es gibt keine, zumindest keine sinnvollen, vielleicht sollt’ ich ihnen das mal sagen“, sagt Frey lachend. Der Gesang und die spontanen Texte sind vielleicht auch der einzige Hinweis darauf, dass er nicht nur Klassik hört, sondern eigentlich aus einem noisigen, punkigen Umfeld kommt, was sich auch mit Blick auf sein Label Siluh Records erahnen lässt. „Ich hab’ schon in der Schulzeit in einer Fun-Punk-Band gespielt. Wir waren einmal in Malaysien und Singapur auf Tour unterwegs. In Singapur wollte mich die Polizei mitnehmen. Die sind extra gekommen, um alle Leute, die zu jung für das Konzert waren, abzuführen. Irgendwie hab’ ich mich dann aber doch reingeschlichen“, erzählt er grinsend.

Boccia und Elektrobeats. Inzwischen sind wir aufgestanden, um Boccia zu spielen. Matthias sucht eine Stelle aus, wo sich der Kies „besonders gut“ zum Spielen eignet. Er kramt einen uralten tragbaren Kassettenrecorder mit eingebauten Lautsprechern aus seiner Tasche, stellt ihn auf den Boden und drückt auf Play. Experimentelle Elektrobeats dringen dumpf aus den Boxen. Er schmeißt die rote Kugel, auch „Schweinchen“ genannt, nach vorne und erklärt die Spielregeln. Konzentriert wirft er eine Metallkugel nach der anderen, vom Fotografen lässt er sich dabei nicht im Geringsten stören.

Man kann sich nur schwer vorstellen, dass den – aus einem kleinen Ort in der Nähe von Hollabrunn stammenden – Singer-Songwriter etwas aus der Ruhe bringen kann. Aber der Schein trügt: Frey ist zwar ein ruhiger Typ, aber er liebt die Ekstase. Zumindest in der Musik und bei Konzerten. Ihn stört es etwa, wenn das Publikum bei Auftritten zu verklemmt ist. Das sei vor allem hier in Österreich oft so, sagt er. Deswegen hat er zur Zeit ein Faible für arabische Musik und schaut sich Videos von Konzerten, etwa von der kultigen ägyptischen Sängerin Umm Kulthum auf Youtube, an: „Die spielte vor tausenden Leuten mit einem riesigen Orchester, die Leute applaudierten und schrien. Die grölten dann auf einmal alle los, weil sie die Bedeutung der Töne einfach verstanden haben. Das ist eigentlich richtig punkig, so wie früher im Jazz eben.“ Die Begeisterung in Matthias Freys Stimme ist deutlich hörbar. Das Publikum aus sich herauszulocken, das sei die Aufgabe der MusikerInnen, meint er. Überhaupt scheint ihm die klare Rollenaufteilung bei Auftritten wichtig zu sein: „Ich spiele eigentlich gar nicht so gerne auf der Straße, das ist oft so aufdringlich, die Leute wissen nicht, wie sie darauf reagieren sollen. Ich spiele lieber in großen Theatern oder Kirchen. Da sind die Rollen klarer.“

 

Matthias Frey hat mit 5:1 das kurze Bocciaspiel klar gewonnen. Es ist der erste Moment heute, in dem er ein bisschen stolz wirkt: „Ich hab das zwar erst einmal gespielt, aber ich kann das richtig gut“, stellt er zufrieden fest. Wir verabschieden uns und er macht sich auf den Weg in die Oper. In den nächsten Tagen wird er nicht erreichbar sein, fügt er noch schnell hinzu, bevor er sich auf sein Rad schwingt und davonfährt. Er sei irgendwo in den Bergen. Wahrscheinlich kommt er mit einer Menge ausgefallener Ideen und Lebkuchenherzen wieder zurück.

Mehr zu Sweet Sweet Moon: http://sweetsweetmoon.bandcamp.com/

(das "eine" Video findet ihr hier: https://www.youtube.com/watch?v=lFpFUhQfBfo)

 

Fotos:  Christopher Glanzl

 

„Hoppauf, Hakoah!“

  • 01.12.2013, 13:17

Der jüdische Sportverein Hakoah Wien zählt seit mehr als 100 Jahren zu einem der erfolgreichsten Sportvereine Österreichs. Eine Fotoreportage von Margot Landl und Sarah Langoth.

Der jüdische Sportverein Hakoah Wien zählt seit mehr als 100 Jahren zu einem der erfolgreichsten Sportvereine Österreichs. Eine Fotoreportage.

Der SC Hakoah wurde im Jahr 1909 als Zeichen jüdischer und zionistischer Kultur und gleichzeitig als Reaktion auf die in immer mehr Sportvereinen gültigen rassischen Arierparagrafen gegründet. Diese schlossen Juden und Jüdinnen in Zeiten des wachsenden Antisemitismus immer stärker vom gesellschaftlichen und damit vereinssportlichen Leben aus. In der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg feierte die Hakoah viele Erfolge und war weltweit einer der erfolgreichsten Breitensportvereine. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde auch die Hakoah aufgelöst und enteignet.

Nach 1945 konnte die Vereinstätigkeit jedoch bald wieder aufgenommen werden. Heute steht ein modernes Sportzentrum auf dem etwa 2000 Quadratmeter großen Grundstück im zweiten Wiener Gemeindebezirk, welches dem Verein erst 70 Jahre nach seiner Enteignung zurückgegeben wurde.

 

Foto: Sarah Langoth

„Hakoah“ ist hebräisch und bedeutet so viel wie „Kraft“. Der Verein war ein Teil jüdischer Kultur und ist es auch heute noch. „Heute besitzen wir etwa 500 Mitglieder und natürlich sind die meisten davon jüdischer Religion, doch wir sind offen für Menschen aus allen Kulturen und Religionen“, erklärt der Präsident des Vereins Paul Haber.

„Viele Menschen kommen auch einfach zu uns, weil sie unsere Angebote nutzen möchten. Markus Rogan ist auch erst zum Judentum übergetreten, als er schon lange nicht mehr bei uns trainiert hat. Nicht der Hakoah, sondern der Liebe wegen“, schmunzelt er.

 

Foto: Sarah Langoth

Der Präsident Paul Haber ist der 69-jährige Sohn von Karl Haber, der die Hakoah nach dem Krieg neu gegründet hat. „Ich bin im Verein groß geworden. Meine Großeltern sind alle im Krieg umgekommen, viele Verwandte emigriert oder gestorben. Die Hakoah war, wenn man so will, ein Familienersatz.“

In der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg zählte die Hakoah etwa 8000 Mitglieder – „So viel, wie heute die ganze Kultusgemeinde“, überlegt Paul Haber. Der Verein war mehr als ein Sportklub, er hatte ein eigenes Orchester, veranstaltete Bälle und die Fußballmatches zogen auch Juden und Jüdinnen an, die sich sonst eher wenig für Sport begeisterten. 25.000 ZuschauerInnen bei einem Derby waren keine Seltenheit. Der Schlachtruf lautete: „Hoppauf, Hakoah!“.

 

Foto: Sarah Langoth

Mannschaftssportarten wie Fußball, Handball oder Wasserball waren beliebte Disziplinen beim SC Hakoah. Ein Wasserballer, der auf anderem Weg berühmt geworden ist,  ist der Schriftsteller Friedrich Torberg. Heute besteht der Verein aus den Sektionen Basketball, Bowling, Judo, Karate, Schwimmen, Tennis, Tischtennis, Wandern und Skifahren.

 

Foto: Sarah Langoth

Bela Guttmann war 1925 mit dem Fußballklub der Wiener Hakoah österreichischer Meister, danach führte er als Trainer beispielsweise Spanien zu einem Sieg im Europacup.

Der Fußballplatz war, damals wie heute, immer ein Ort der Emotionen. Mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten wurde auch das Fußballfeld immer mehr zum Platz der Diskriminierung und der Gewalt, bis schließlich ab 1933 die sportliche Tätigkeit der Hakoah in allen Bereichen immer stärker eingeschränkt und schließlich unterbunden wurde.

 

Foto: Sarah Langoth

Eine der erfolgreichsten und berühmtesten Schwimmerinnen der Hakoah war Hedy Bienenfeld. Sie gewann nicht nur verschiedene österreichische, sondern auch zahlreiche internationale Meistertitel, beispielsweise bei den Maccabiaden, der größten jüdischen, internationalen Sportveranstaltung.

Bei vielen Wettbewerben waren die SportlerInnen offenen antisemitischen Angriffen ausgesetzt. „Bei manchen Bewerben musste die Hakoah-Ringerstaffel die Schwimmerinnen bis zum Start begleiten“, erzählt Paul Haber. Nicht alle von ihnen nahmen diesen Zustand wortlos hin: Im Jahr 1936 verweigerten die Schwimmerinnen Judith Deutsch, Lucie Goldner und Ruth Langer neben einigen Leichtathleten die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Berlin aus Protest gegen die nationalsozialistische Rassenideologie – eine Entscheidung, die nach den Statuten des Internationalen Olympischen Komitees erlaubt war. Daraufhin wurden sie durch den österreichischen Schwimmverband lebenslänglich gesperrt und es wurden ihnen alle Titel aberkannt. Es dauerte bis in die 1990er Jahre, bis die Sportlerinnen öffentlich rehabilitiert wurden.

 

Foto: Sarah Langoth

Paul Haber zeigt auf die vielen Pokale, Plaketten und Medaillen, die in den Schaukästen im Eingangsbereich des Sportzentrums ausgestellt sind: „Die Hakoah konnte in allen betriebenen Sportarten mindestens einen Staatsmeistertitel vorweisen, in einigen Bereichen konnte man sogar Weltklassesportler hervorbringen, wie beispielsweise Ringen oder Schwimmen. In den 1930ern  waren wir der größte Allroundsportklub der Welt.“

Der SC Hakoah war auf Breitensport hin ausgerichtet, das Angebot des Vereins vor dem Zweiten Weltkrieg umfasste dreizehn verschiedene Sportarten: Fußball, Schwimmen, Ringen, aber beispielsweise auch Fechten oder Schach. Trotzdem, oder genau deshalb, gelang es, in einigen Sportarten SportlerInnen bis an die Weltspitze zu bringen.

 

Foto: Sarah Langoth

In dem Museum des SC Hakoah, welches eine Enklave des Jüdischen Museums Wiens ist, sind Fotos, Texte und Gegenstände ausgestellt, welche hauptsächlich die Zeit vor 1945 thematisieren. Der muskulöse Mann auf dem Schwarz-Weiß-Foto ist Paul Haber im Jahr 1964, als er österreichischer Meister im Schwimmen wurde.

Schwimmen war eine der wenigen Sportarten, welche im Verein kontinuierlich ausgeübt werden konnte, da man dafür nicht viele Ressourcen benötigte. Als nach dem Zweiten Weltkrieg der Verein die meisten seiner, vor allem jungen Mitglieder und sein gesamtes Eigentum verloren hatte, waren Schwimmen und Leichtathletik vorerst die einzigen Sportarten, die weiter praktiziert werden konnten.

 

Foto: Sarah Langoth

Da das Sportzentrum erst 2008 nach der Rückerstattung des Hakoah-Grundstücks gebaut wurde, ist es äußerst modern ausgestattet. „Es ist mit Sicherheit eines der modernsten Fitnessstudios Österreichs“, beurteilt Paul Haber.

Durch die Zusammenarbeit mit der TU und Universität Wien soll auch alles getan werden, um immer auf dem neuesten Stand der Forschung zu bleiben. Ein Team aus PhysiotherapeutInnen, SportmedizinerInnen, TrainerInnen und LeistungssportlerInnen steht den Mitgliedern des Vereins zur Verfügung.

 

Foto: Sarah Langoth

Das Sportzentrum besitzt eine sogenannte „Dreifach-Halle“, welche in drei einzelne Hallen unterteilt werden kann. Diese wird unter der Woche von der benachbarten jüdischen Zwi Perez Chajes-Schule genutzt, die dort ihren Turnunterricht abhält.

Auf der anderen Seite des Gebäudes grenzt das Maimonides-Zentrum an, eine Kombination aus betreutem Wohnen und Seniorenheim für vorwiegend jüdische Personen. Auch einige von diesen kommen regelmäßig in das Fitness- und Wellnesscenter.

 

Foto: Sarah Langoth

Der Außenbereich der Sportanlage besteht aus drei Tennisplätzen, einem Hartplatz und einem Swimming Pool für den Sommer. Alle Sektionen haben hier ihren Standpunkt, außer die Bowling- und die Schwimmsektion, die in eigenen Hallen in anderen Bereichen Wiens trainieren.

 

Foto: Sarah Langoth

Neben dem Fitnessbereich besitzt das Sportzentrum auch einen modernen Wellnessbereich mit Sauna, Solarium und Massagemöglichkeit. Ebenso gibt es einen Aufenthaltsbereich im Freien für den Sommer, einen Seminarraum oder eine Cafeteria, das Tagesgericht ist ein Falafelteller.

„Wir haben ein relativ hohes Durchschnittsalter im Verein, die ältesten Mitglieder sind über 80 Jahre alt. Ich selbst lege als Sportmediziner einen besonderen Schwerpunkt auf ältere Menschen“, erzählt Paul Haber. Andererseits ist der Verein auch eine Trainingsakademie für LeistungssportlerInnen und bringt immer wieder Medaillenhoffnungen wie den Judoka Stephan Hegyi hervor. Alle Generationen sollen eingeladen sein.

 

Sportclub Hakoah
Karl Haber Sport & Freizeitzentrum
Simon-Wiesenthal-Gasse 3 (Eingang: Wehlistr. 326)
1020 Wien

Telefon: +43/1/726 46 98 - 0
FAX:      +43/1/726 46 98 - 999
e-Mail:    office@hakoah.at

Öffnungszeiten:
 Mo. - Fr. (werktags): 08:00 - 22:30
 Sa., So., feiertags:    09:00 - 21:00

Selbstbestimmte Bewegungskultur

  • 14.01.2013, 07:20

Der Verein „Comot* – Bewegungskulturen & soziale Arbeit“ verfolgt mit seinem queer-feministischen Konzept einen außergewöhnlichen Ansatz. Claudia Aurednik hat für progress mit den Betreiber*innen, Trainer*innen und Trainierenden gesprochen.

Der Verein „Comot* – Bewegungskulturen & soziale Arbeit“ verfolgt mit seinem queer-feministischen Konzept einen außergewöhnlichen Ansatz. Claudia Aurednik hat für progress mit den Betreiber*innen, Trainer*innen und Trainierenden gesprochen.

Die beiden Sozialarbeiter*innen Sepideh Hassani und Mel Brugger haben 2012 den Verein „Comot*-Bewegungskulturen & soziale Arbeit“ gegründet. Comot ist die Abkürzung für „cultures of motion“ und soll auch auf das Wort „kommod“ im Sinne von gemütlich verweisen. Dies mag für viele Menschen irritierend klingen, da der Verein neben Yoga auch zweimal pro Woche Boxen und Thaiboxen anbietet. Doch für die Gründer*innen des Vereins sind diese Sportarten Teil ihres Konzepts, das Momente schaffen soll, in denen Bewegungen bewusst erlebt werden können. Bei Comot* stehen keine bestimmten sportlichen Ziele im Vordergrund, sondern die Beschäftigung mit dem Körper als Gesamtheit. Im Rahmen des Trainings sollen die Selbstwahrnehmung, Erweiterung und Entwicklung von Handlungskompetenzen gefördert werden.

Eine Besonderheit von Comot* ist dessen queer-feministischer Ansatz. Denn alle Angebote des Vereins finden finden innerhalb eines queer-feministischen Rahmens statt. Die meisten der Trainings sind für alle Geschlechter geöffnet. Comot* möchte mit diesem Ansatz insbesondere Menschen mit individuellen Identitätsentwürfen Raum bieten, die sich in hetero-normativen Zusammenhängen diskriminiert sehen. Ein einzigartiges und ehrgeiziges Konzept, das es in dieser Form in Österreich kein zweites Mal gibt. Seid Ihr neugierig geworden? Dann hört was die Gründer*innen Sepideh Hassani und Mel Brugger, die Yoga-Lehrer*in Silke Graf und die beiden Trainierenden Shiva und Julia in unserem progress-Podcast über den Verein Comot* erzählen!

Mel Brugger wird getragen von Sepideh Hassani und Silke Graf

Achtung: Comot* sucht bis 1. Februar dringend neue Trainingsräume. Falls Ihr dem Verein weiterhelfen könnt, so wendet euch an Mel Brugger und Sepideh Hassani: office@comot.at

Link zu den Trainingsräumlichkeiten

Infos über den Verein

 

Vienna Rollergirls vs. Zürich City Rollergirlz: „Keep on rollin´ 2“

  • 12.11.2012, 14:10

Am 27. Oktober 2012 fand in Wien das zweite Roller Derby Spiel Österreichs statt. Die Vienna Rollergirls gewannen den Bout mit einem Spielstand von 273:202 gegen die Zürich City Rollergirlz. Claudia Aurednik interviewte für progress die Spielerinnen bei ihrer After Bout Party im Marea Alta.

Am 27. Oktober 2012 fand in Wien das zweite Roller Derby Spiel Österreichs statt. Die Vienna Rollergirls gewannen den Bout mit einem Spielstand von 273:202 gegen die Zürich City Rollergirlz. Claudia Aurednik interviewte für progress die Spielerinnen bei ihrer After Bout Party im Marea Alta.

 

 

Informationen über die Zürich City Rollergirlz:

http://www.facebook.com/zurichcityrollergirlz

http://rollerderby.ch/page/

Informationen über die Vienna Rollergirls:

http://www.facebook.com/ViennaRollergirls

http://www.viennarollergirls.com

2000 Feministinnen in Wien

  • 10.10.2012, 15:51

Das Frauenfußballteam ballerinas hat die erste internationale queer-feministische Fußballade für Frauen, Lesben, Inter und Trans in Wien organisiert. Vanessa Gaigg traf zwei ballerinas, Lisi und Cécile, zum Interview.

Das Frauenfußballteam ballerinas hat die erste internationale queer-feministische Fußballade für Frauen, Lesben, Inter und Trans in Wien organisiert. Vanessa Gaigg traf zwei ballerinas, Lisi und Cécile, zum Interview.

progress: Wie seid ihr zum Fußball gekommen?

Lisi: Ich bin vor ungefähr drei bis vier Jahren dazugekommen. Als Kind bin ich nie auf die Idee gekommen, Fußball zu spielen, weil ich nie eine Frau gesehen habe, die das macht – ich bin da ‚klassisch weiblich’ sozialisiert worden. Ich hab dann erst auf der USI (Universitätssportinstitut, Anm. d. Red.) einen Kurs gemacht und es hat mir so Spaß gemacht, dass ich weiter spielen wollte. Dann bin ich auf die ballerinas gestoßen, die sich da gerade neu formiert haben.

Cécile: Ich bin 2007 dazugestoßen. Fußball ist ein Bestandteil meines Lebens seit ich klein bin – immer, immer, immer. Ich hab semi-professionell gespielt, aber aufgehört, weil ich mit dem Kontext Fußball nix mehr anfangen konnte. Die Gewalt am Feld, die Gewalt in der Kantine, die Gewalt in der Vereinsstruktur. Da hatte ich Fußball für mich abgeschrieben. Dann hab ich die ballerinas getroffen und mir gedacht: na gut, ich probier's noch einmal. Fußball ist für mich das schönste und intelligenteste Spiel, das ich je gesehen und erlebt habe. Und hier funktioniert's: Es geht ums Spielen, dass ein Pass ankommt, dass man mitläuft, dass man überlegt und dass man als Team funktioniert.

progress: Euch ist vor allem wichtig, dass ihr schön zusammenspielt, es geht nicht nur ums Gewinnen. Ist das ein wesentlicher Abgrenzungspunkt zu anderen Teams?

Lisi: Es ist sehr wichtig für uns, dass es wirklich ums Fußballspiel geht. Wir sind ein Team und wir wollen gemeinsam spielen. Es gibt bei uns Leute wie Cécile, die seit ihrer Kindheit spielen und Leute wie mich, die erst später dazugestoßen sind. Uns ist total wichtig, dass alle mitspielen können und nicht einige wenige die Tore reinbrettern, weil das geht schnell einmal. Natürlich wollen wir  Bälle ins Tor bringen, aber es geht schon sehr stark drum dass wir gemeinsam spielen und schön spielen. Und wir sind schon oft auf Turnieren angesprochen worden, dass wir am schönsten gespielt haben, auch wenn wir letzte geworden sind. 

progress: Wie hat sich die Gewalt geäußert?

Cécile: Damit meine ich zum Beispiel eine Schlägerei am Feld, nicht nur ein Foul, sondern die Gegnerinnen treten und in der Kabine noch erklären, dass Fussball Krieg ist. Weil es geht ums Siegen, nur ums Siegen. Dann – klar – gibt es noch die strukturelle Gewalt zwischen Männern und Frauen. Die Frauen kriegen den Platz zum Trainieren, wo es kein Flutlicht gibt, das heißt du trainierst im Dunklen oder nur mit Straßenlaternenlicht. Der Verein hat im Winter keine Kohle, damit du in der Halle trainieren kannst, also heißt's auch im Jänner oder Februar draußen zu trainieren... das ist auch nicht so lustig. Und dann natürlich noch die Homophobie, alle Fußballerinnen sind lesbisch, und so weiter. Das ist eine Struktur, die sich durchzieht.

progress: In eurem Manifest steht, dass ihr bewusst außerhalb jeglicher Vereinsstrukturen spielt. Warum ist euch das wichtig?

Cécile: Ein Verein hat eine Struktur, eine Hierarchie, eine Hackordnung... und das wollen wir nicht. Wir haben keine TrainerIn, keine Kapitänin, keine Sprecherin, wir sind ein Kollektiv.

Lisi: Wir gehören schon dem schwul-lesbischen Sportverein Aufschlag an, aber das eher aus praktischen Gründen. Das ist kein Fussballverein, das heißt wir sind relativ autonom.

progress: Gibt es Vereine, mit denen ihr befreundet seid?

Cécile: Ja, mit den Gaynialen schaffen wir es, ein bis zwei Mal im Winter zu trainieren. Seit kurzem haben wir auch Kontakt zu acht weiteren Teams, wir versuchen das auf jeden Fall zu intensivieren.

progress: Wie schätzt ihr die Situation von Frauenfußball in Wien ein?

Lisi: Es wird besser, aber es wird noch lange nicht ernst genommen. Ich weiß nicht, wie das ist mit professionellen Vereinen, aber ich merke in meinem privaten Umfeld, dass es immer noch schwierig ist. Es gibt extrem viel Sportförderung für alles, was mit Männerfußball zu tun hat, aber wenn Frauenfußballinitiativen mal um Förderungen ansuchen, dann ist plötzlich kein Geld da.

Cécile: Ich habe mein Leben lang beim Vater/Sohn Turnier zusehen müssen, weil ich eben nicht der Sohn meines Vaters bin. Ich will endlich mal ein Mutter/Tochter Turnier sehen, ich hätte gerne, das andere das erleben dürfen.Wir wollen im Schweizergarten (in Wien, Anm. d. Red.) einen gesperrten Platz haben für Mädchen zum Fußball spielen beziehungsweise Sport treiben. Wir versuchen seit zwei Jahren, das durchzukämpfen. Nach dem Turnier wollen wir das wieder in Angriff nehmen. Wir wollen einen Platz mit Kabine und Platzwart, wir würden sogar zwei Arbeitsplätze in Wien schaffen. (lacht)

Lisi: Die Mädchen werden immer von Burschen vertrieben und können nicht spielen. Deswegen ist auch die Notwendigkeit da, einen eigenen Bereich zu schaffen, wo sie spielen können. Das sichtbar zu machen ist ganz wichtig - deswegen war es uns auch ganz wichtig, das Turnier draußen zu veranstalten, dass man uns sieht und wenn man vorbeikommt sieht: Die haben Spaß!

Cécile: Und es sind viele!

Lisi: Ja, es sind sehr viele! Es spielen 16 Teams und 145 Spielerinnen.

progress: Wie habt ihr das Turnier organisiert? Von den 145 Spielerinnen sind ja viele auch extra angereist.

Cécile: Ja, es sind auch Teams aus Polen, Deutschland und England angereist. Wir haben uns anfangs jedes Monat, später jede Woche getroffen. Jede von uns hat sich verpflichtet, ein Jahr dabei zu sein und nicht abzuspringen.

Lisi: Wir wollten eben nicht nur das Turnier organisieren, sondern haben auch eine Ausstellung zu Lesben und Schwulen im Sport aufgestellt und wir haben einen Infotisch mit Infomaterial. Wir wollen nicht nur spielen, sondern auch einen politischen Anspruch haben.

Cécile: Wir haben Glück gehabt, dass gleichzeitig die FrauenSommerUni (FSU) und rampenfiber stattgefunden hat. Es sind an die 2000 Feministinnen in Wien! Nicht nur Frauen, sondern: Feministinnen! Es gibt Sport, Kultur und Bildung: Feminismus lebt und wird gelebt.

progress: Besitzt Fußball mehr emanzipatorisches Potential als andere Sportarten? Gerade was feministische Belange angeht?

Lisi: Theoretisch nein, praktisch ja. Es ist so, dass Fußball nach wie vor in der Welt, in der wir leben sehr stark mit diesen seltsamen Männlichkeitsbildern aufgeladen ist und ich deswegen schon glaub', dass es einfach eine gewisse emanzipatorische Wirkung haben kann, wenn man als Frau Fußball spielt.
Wenn wir im Prater oder auf der Donauninsel trainieren passiert es uns oft, dass Männer stehen bleiben und wenn wir den Ball grad rausschießen, müssen sie vorher unbedingt noch Tricks machen, bevor sie ihn zurückschießen. Bei einem Männerteam macht das niemand. Je mehr Frauen in der Öffentlichkeit Fußball spielen, umso mehr kann es auch verändern. Auch das Selbstbild von Frauen ändert sich dadurch. Zumindest meines hat sich dadurch verändert.

Cécile: Klar, weil du exponiert bist. Du bietest eine Angriffsfläche.

Lisi: Und Fußball ist auch ein Kontaktsport.

Cécile: Ja, du bist verschwitzt, rutscht am Boden, bist dreckig, fällst und stehst wieder auf.

 

„Keep on rollin“

  • 03.10.2012, 16:12

Am 27. Oktober findet das zweite Wiener Roller Derby statt. Doch was ist Roller Derby? PROGRESS besuchte den ersten und bislang einzigen Roller Derby Verein – die „Vienna Rollergirls“.

Am 27. Oktober findet das zweite Wiener Roller Derby statt. Doch was ist Roller Derby? PROGRESS besuchte den ersten und bislang einzigen Roller Derby Verein – die „Vienna Rollergirls“.

Roller Derby ist ein Vollkontaktsport, der von Frauen ausgeübt wird. Männer können nur als „Refs“ („Referee“ - Schiedsrichter) oder bei der Organisationsarbeit des Vereins als „little helpers“ teilnehmen. Bevor die Spielerinnen als „Blockers“ oder „Jammer“ in einem „Bout“ (Spiel) zum Einsatz kommen, müssen sie hart trainieren. Denn Roller Derby verlangt den Spielerinnen einiges an Kondition, Kraft und Koordination ab. Auch für die „Refs“ stellen die 43 Seiten (!) langen Spielregeln eine Herausforderung dar.

Die Grundform der Sportart ist in den 1930er Jahren in den Vereinigten Staaten entstanden. Doch trotz ihrer damaligen Popularität war sie vierzig Jahre später in Vergessenheit geraten. Erst zur Jahrhunderttausendwende kam es in den Vereinigten Staaten zu einer Renaissance des Roller Derby. Heute erfreut sich Roller Derby auch in Europa, Israel, Asien, Südamerika und Australien großer Beliebtheit.

Viele Spielerinnen haben Verbindungen zur Punk- und Hardcore-Szene. Das ist auch an den Dresscodes während der „Bouts“ erkennbar. Zwischen den Arm-, Ellbogen- und Knieschützern sind oft großflächige Tattoos zu sehen. Die Spielerinnen und Refs treten unter Pseudonymen auf. PROGRESS hat mit der Blockerin Anne Headaway und dem Ref Guschoida von den Vienna Rollergirls über Roller Derby gesprochen.

Informationen über die Vienna Rollergirls:

http://www.facebook.com/ViennaRollergirls

http://www.viennarollergirls.com