Rock

Drugs, Violence and Rock ’n’ Roll

  • 10.05.2017, 19:08
Im Film „Gimme Danger“ ergründet Jim Jarmusch mit Iggy Pop die Geschichte von Pop`s erster Band „The Stooges“. Und kommen zum Schluss: sie waren die Grössten.

August 1970, Goose Lake International Pop Festival: Benebelt von einer Substanz, die er „für Kokain hielt“, räkelt sich Iggy Pop, Frontmann der Rock-Band "The Stooges", auf dem Boden einer Holzbühne, während die restlichen Musiker das Stück „1970“ intonieren. Pop rafft sich auf, gestikuliert wild, tanzt und stolpert schliesslich dem Publikum entgegen. Aufgebracht durch die Bühnenabsenz des Stooges-Bassisten Dave Alexander, der zu betrunken ist, um noch spielen zu können und in diesem Moment das Waterloo seiner Musikerkarriere erlebt, versucht der Sänger das Publikum aufzuwiegeln. Die Performance endet – wie so oft in der Geschichte der Stooges – in Chaos und Tumulten.

Es ist dieser Prototyp der Punkattitüde, dem der Filmemacher Jim Jarmusch zusammen mit dem Stooges-Frontmann in seiner Doku „Gimme Danger“ nachspürt. Iggy Pop erzählt in dem knapp zweistündigen Film über seine Kindheit in den 1950er Jahren, seinen musikalischen Werdegang bis zur Gründung der Stooges 1967, deren Geschichte über drei, für das gesamte Rockgenre wegweisenden Alben, das unrühmliche Ende der Band im Bierflaschenhagel eines wütenden Biker-Gang-Publikums in einer Spelunke Detroits 1974 und letztlich das Comeback 2003.r

Der Film bietet einiges an interessanten Hintergrundinfos und vermag es dabei, die kulturhistorische Verwurzlung des Phänomens Stooges in der 1960er-Jahre Gegenkulturbewegung aufzuzeigen – wenngleich die Band nie etwas mit Flower-Power am Hut hatte (Pop: „Ich habe geholfen, die 60er zu vernichten“). Leider ist die Strukturierung des Films mit schnellen Schnitten etwas chaotisch und so ist es ohne Vorwissen bisweilen schwer zu folgen.

Selbstredend ist der Film auch Werbung in eigener Sache: Es nicht verwunderlich, dass im Verlaufe des Films der viel reklamierte Titel „grösste und wirkungsmächtigste Band aller Zeiten“ beansprucht wird. Gleichsam kommt dank Pops charismatischer Persönlichkeit niemals Langweile auf und speziell für alle Fans des Punk- sowie Garage-Rock Genres ist „Gimme Danger“ absolut zu empfehlen.

Livio Hoch studiert Rechtswissenschaften an der Universität Wien, hat aber fast so viel Interessensgebiete wie das ABGB Paragrafen

 

Do it yourself! Grrrls on Stage

  • 07.04.2014, 11:02

„Frauen sind die Groupies, die Unterstützerinnen, oder maximal die Sängerinnen – das ist das gängige Bild von Rock Musik.“, so Sara Paloni von pink noise, dem Verein für feministische popkulturelle Aktivitäten, im Interview mit den beiden Radiomoderatoren Max beRunner und Mike Miller. Um mit diesem Stereotyp aufzuräumen, wird heuer bereits zum vierten Mal das pink noise Girls Rock Camp veranstaltet.

Frauen sind die Groupies, die Unterstützerinnen, oder maximal die Sängerinnen – das ist das gängige Bild von Rock Musik.“, so Sara Paloni von pink noise, dem Verein für feministische popkulturelle Aktivitäten, im Interview mit den beiden Radiomoderatoren Max beRunner und Mike Miller. Um mit diesem Stereotyp aufzuräumen, wird heuer bereits zum vierten Mal das pink noise Girls Rock Camp veranstaltet.

Unter dem Motto „Grrrls on Stage – Mädchen übernehmen die Bühne“ findet auch heuer wieder das pink noise Girls Rock Camp statt. Mädchen und junge Frauen im Alter von 14 bis 21 Jahren haben in den Sommerferien eine Woche lang die Möglichkeit, Instrumentenkurse zu erhalten und an Bandproben teilzunehmen. Zusätzlich werden verschiedene Workshops zu den Themen Songwriting, Konzertorganisation und Bühnenauftritte angeboten. Ziel ist es, andere musikbegeisterte Jugendliche kennenzulernen, eine Band zu gründen, gemeinsam Songs zu schreiben und sich selbstsicher auf der Bühne zu bewegen – unabhängig von individuellen Vorkenntnissen. 

Sara Paloni im Interview.

„Der zentrale Punkt ist: Do it yourself! Nimm die Gitarre in die Hand oder setz dich mal hinters Schlagzeug“, so Sara Paloni über die Intention des Camps. 

Um die Woche abzurunden, werden auch noch Filmabende veranstaltet, Selbstverteidigungskurse angeboten und vieles mehr.

Im Interview erzählt Sara Paloni auch, dass Rock Musik im Kontext des Girls Rock Camp weniger das Genre als mehr eine Einstellung oder Haltung bezeichnet. Die Teilnehmerinnen haben unterschiedliche Vorstellungen und Wünsche – von Indie bis Elektronik oder Hip Hop – auf die auch versucht wird, individuell einzugehen.

 

Wer sich dafür interessiert, am pink noise Girls Rock Camp teilzunehmen: Es findet heuer vom 17. bis zum 23. August im Alten Schlachthof in Hollabrunn in Niederösterreich statt. Mehr Infos dazu findet man auf www.girlsrock.at oder auf www.pinknoise.or.at

Max beRunner und Mike Miller sind die Moderatoren der „The Public Snake Show“ auf „Radio Helsinki – Freies Radio Graz“. In ihrer Radiosendung legen die beiden ganz stark den Fokus auf die Welt der heimischen Musikszene. Mehr Infos dazu findet man auf www.facebook.com/PublicSnakeShow oder auf www.helsinki.at .

Sara Paloni und die beiden Moderatoren Max beRunner und Mike Miller.

Wien ist alles

  • 09.12.2013, 20:50

Thees Uhlmann schreibt gerne Songs über Städte. Diesmal war Wien dran. Im Interview verriet er uns, wie es dazu kam und welchen österreichischen Act er gerne mit Lady Gaga zusammen auf Tour schicken würde.

Thees Uhlmann schreibt gerne Songs über Städte. Diesmal war Wien dran. Im Interview verriet er uns, wie es dazu kam und welchen österreichischen Act er gerne mit Lady Gaga zusammen auf Tour schicken würde.

An einem verregneten Abend haben wir den sympathischen Thees Uhlmann im Rahmen seines Konzerts in Wien getroffen. Wie das mit (Indie-) Rockern oft so ist, begann das Gespräch mit dem ehemaligen Tomte- Sänger beim Thema Bier: „Wieso gibt’s kein Ottakringer im Kühlschrank?“, fragt der leicht überdrehte Thees, der sich gut gelaunt dann aber gleich mit der Alternative in Dosenform anzufreunden weiß. Im von Plakaten vollgekleisterten, lauschigen Backstageraum der Arena, erzählt Thees dann mehr über seine Wienaufenthalte und seinen Bezug zu Österreich.

progress: Hi Thees, dir wurden heute sicher schon ganz viele Fragen über dein Verhältnis zu Wien gestellt. Oder?

Thees Uhlmann: Eigentlich werde ich zu Wien gar nicht so viel gefragt. Ich würde gern öfter über Wien reden, das ist interessanter, als über meine Musik zu reden.

Du bist oft in Wien. Warum eigentlich?

Thees: Zum Beispiel weil ich hier noch als Tourist durch die Gegend gehen kann. Es gibt zwei legendäre Stunden, die ich mit meiner Tochter im Museumsquartier lachend und rutschend auf den Plastikteilen verbracht habe. Ich bin hier auch gerne mit meinen Homies unterwegs, zum Beispiel mit David Schalko. Und natürlich ist es auch die Psyche der Stadt, die schön ist.

Wie ist die denn so?

Thees: Hedonistisch und depressiv.

Auf deinem aktuellen Album gibt es auch einen Song über Wien: „Zerschmettert in Stücke, im Frieden der Nacht“. Er handelt vom Flakturm, wo heute das Haus des Meeres zu finden ist. Wie kam es dazu?

Thees: Ich habe schon über Detroit, New York, Hamburg und Paris geschrieben. Es kommt mir einfach immer wieder in den Sinn, über Städte zu singen. Das hat für mich eine gewisse Tradition. Diesmal war Wien fällig, weil ich oft hier bin und ich in Wien wahnsinnig gute Freunde habe. Es ist eine gute Landschaft, über die man schreibenkann, vor allem weil sich Deutschland und Österreich in vielen Dingen ein bisschen ähnlich sind – und dann doch überhaupt nicht. Das mit den Flaktürmen ist mir eingefallen, weil auf dem Turm beim Haus des Meeres ja „Smashed into pieces in the still of the night“ geschrieben steht und das für mich einfach riesige Kunst ist. Es beschreibt die Macht des Krieges in wenigen Worten. Mir haben mittlerweile sogar einige Wiener geschrieben, dass sie schon tausendmal daran vorbeigegangen sind und ihnen der Spruch nie aufgefallen ist. Das ist eine Form von „Heimatblindheit“, die auch ich von mir und Hamburg kenne. Fremden fallen Dinge auf, an denen man selbst tagtäglich blind vorbeigeht. Das finde ich spannend.

Willst du mit dem Lied auch die österreichische Gesellschaft und ihre Mentalität kritisieren? Eine Zeile darin lautet nämlich: „Ich wäre so gerne ein Schaf, ein Schaf in deiner Herde, doch es gibt keinen Schäfer, der über uns wacht.“

Thees: Ich hab da schon ein bisschen in Geschichtsbüchern herumgekramt, als ich den Song geschrieben habe. Ich bin dabei über einen Satz gestolpert, der lautet: „Wien ist nichts und der Kaiser ist alles.“ Das ist für mich ein total verrückter Satz. Er sagt ja, dass das kollektive Schicksal einer Stadt weniger wert ist als irgendein Mann mit weißer Perücke. Ich dachte mir, dass man das umdrehen muss, denn eine Gesellschaft ist immer mehr wert als ein Einzelschicksal. Aber grundsätzlich wollte ich damit nichts kritisieren. Ich möchte als Künstler gar nicht bewerten. Mir steht das auch nicht zu, finde ich. Wien ist eine geile Stadt, das ist eigentlich die einzige Message des Songs. Als Künstler habe ich kein Interesse an großen politischen Aussagen.

In deinen Songs finden sich immer wieder historische Referenzen und Jahreszahlen, so etwa auch in deiner aktuellen Single „Am 7. März“. Du interessierst dich sehr für Geschichte, oder?

Thees: Ja, schon. Aber es geht mir um etwas anderes. Mich interessiert, wie man auf Ideen und Erfindungen kommt, die die ganze Welt verändern. Das passiert einfach oft beiläufig mitten in der Nacht, wie zum Beispiel bei der Erfindung der Cornflakes.

Also ist das eher ein Stilmittel?

Thees: Kann man so sagen.

Dein aktuelles Album klingt mit dem orchestralen Singer-Songwriter-Soundsehr zeitgemäß. Die Produktion erinnert ein bisschen an Caspers „Hinterland“. Welche Platten haben dich während des Aufnehmens inspiriert?

Thees: Kann ich nicht sagen, denn es spielt für meine Musik keine große Rolle, was ich höre. Wenn ich ein Album aufnehme, lese ich eher und suche nach guten Zitaten. Ich hab nur bei einem Song gesagt, dass ich ein ähnliches Keyboard wie bei einem Marteria-Song haben möchte (lacht und macht das Geräusch nach). Tobias (Anm. d. Red.: Thees' Gitarrist) und ich haben in unserem Leben einfach schon so wahnsinnig viel Musik gehört. Wenn ich Musik schreibe, ist mein Hirn deswegen schon zu voll. Ich muss dafür nicht auch noch die neue Daft Punk hören. Klar, man saugt immer auch auf und klaut Elemente von anderen. Auf meiner Platte wird es etwa immer drei Sachen geben, die ich von Kanye West geklaut habe – ich bin einfach Kanye-Fan. Man hört manchmal etwas und fühlt sich inspiriert, etwas Ähnliches zu schreiben. Ich schätze Kanyes Offenheit und Melancholie sehr.

Auf deinem letzten Album gab es noch zwei Nummern mit Casper. Wieso gab’s diesmal keine Features und bist du derzeit noch in andere Projekte involviert?

Thees: Ich wüsste jetzt gar nicht mit wem und wie und nein – manchmal träume ich davon Sänger einer Punkband zu sein (lacht). Aber dafür bleibt neben meiner Tochter und meinem Solo-Projekt einfach keine Zeit.

Verfolgst du eigentlich die österreichische Musikszene?

Thees: Mein Homie Max Perner bringt jetzt bald eine Garish-Platte raus – da bin ich schon neugierig, was das wird, und zur Zeit finde ich auch Koenig Leopold ziemlich spannend. Wenn Lady Gaga das sehen würde, was die machen, die würde die einfach mitnehmen und sagen: „Guys you’re coming with me on tour.“ Das ist wahnsinnig cool, diese Einstellung, die die haben. So auf „Alter, wir wollen nicht nach Tokyo. Wir wollen auch nicht nach New York. Wir stehen im Wald und singen so, dass es keiner verstehen kann“. Das gefällt mir.

Das Interview führte Simone Grössing.

Foto: Alexander Gotter.