Regie

Körbe im Kopf

  • 29.04.2016, 17:36
Beim diesjährigen „Crossing Europe“-Filmfestival in Linz fand der Dokumentarfilm „Europe, She Loves“ reges Interesse. Im Juni kommt er in die österreichischen Kinos. Marlene Brüggemann hat für progress mit dem Regisseur Jan Gassmann über Paarbeziehungen im EU-Parlament, Routinesex und nationale Nussschalen gesprochen.

Beim diesjährigen „Crossing Europe“-Filmfestival in Linz fand der Dokumentarfilm „Europe, She Loves“ reges Interesse. Im Juni kommt er in die österreichischen Kinos. Marlene Brüggemann hat für progress mit dem Regisseur Jan Gassmann über Paarbeziehungen im EU-Parlament, Routinesex und nationale Nussschalen gesprochen.

progress: Du bist aus der Schweiz. Warum interessierst du dich für Europa?
Jan Gassmann:
Genau aus dem Grund. In erster Linie sind wir Schweizer, dann mal Weltbürger und irgendwann vielleicht noch Europäer. Dadurch, dass die EU in einer Schieflage ist, ist die Schweiz in der angenehmen Position, sich raushalten zu können. Trotzdem sollte es eine Mitverantwortung der Schweiz geben. 1992 stimmten die Schweizer knapp gegen eine EU-Mitgliedschaft, seitdem ist dies ein Tabuthema. Die Schweizer gehören aber zum Kern Europas und ich persönlich sehe mich auch als Europäer. Ich las viel über die Krise in der EU, war aber selber nicht davon betroffen. Eine Zeit lang gab es überall Beiträge über die Jugend in der EU, dann plötzlich war das Thema uninteressant und die Artikel blieben aus. Dabei war die Krise, dort wo wir als Filmteam waren, für die Jugend total aktuell. Das war auch die Motivation, „Europe, She Loves“ zu machen.

Im Film gibt es eine starke Diskrepanz zwischen den Nachrichten, die im Radio oder Fernseher liefen und den Reaktionen der vier Paare, die du darstellst. Habt ihr beim Drehen die Nachrichten absichtlich laufen lassen?
Oft hat sich das zufällig ergeben, dass eine Nachrichtensendung lief. Es gibt diese ewige Berieselung und du nimmst die Nachrichten auch wahr, aber du kannst sie nicht richtig verarbeiten. Das was von den Medien kommt, hat einen starken Stellenwert. Gleichzeitig hat man einen kleinen Papierkorb im Kopf, wo alle diese Informationen hineingehen. Denn es sind keine Gesichter mehr dahinter, sondern nur Zahlen. Ich konnte filmen, worüber die Medien berichten. Die Gesichter hinter den Nachrichten zeigen – das war mein Thema.

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Eine Meldung ist die Ermordung des antifaschistischen Rappers Pavlos Fyssos durch einen Neonazi der „Goldenen Morgenröte“-in Athen. Woraufhin Penny und Nicolas auf eine Solidaritätsdemo für Fyssos gehen. Wie ist die politische Stimmung in den anderen Ländern, die im Film vorkommen?
In Tallinn gibt es die Spannung zwischen der russischen und der estnischen Community. Die haben sehr wenig miteinander zu tun. Die russische Minderheit will sich wieder Russland annähern, während die Esten einen Zaun an der Grenze zu Russland gebaut haben. In Dublin war vielmehr das Thema präsent, dass die alten Parteien überholt waren und es nur noch Protestparteien gab. Nach dem „Celtic Tiger“ war die Arbeiterpartei total am Boden, die Konservativen beschädigt. Dort waren einfach alle total genervt von Politik. In Sevilla waren die Bürgerbewegungen interessant. Als wir dort waren, war die Frage wichtig, ob die Bürgerbewegungen es ins Parlament schaffen würden. Es gab aber auch andere Themen. Der Bildungsminister José Ignacio Wert hatte alle Erasmus-Zuschüsse gekürzt; auch für die Studierenden, die bereits im Ausland waren. Sie mussten deswegen nach Spanien zurückkehren. Dagegen gab es auch eine Demonstration.

Abschottung ist also ein länderübergreifendes Thema?
Wir sind die erste Generation, die keine Limitierungen hatte. Die Vermischung und dass die Leute sich frei bewegen können, tut uns doch gut. Dass man jetzt wieder zurück muss in seine nationale kleine Nussschale und sich absperrt, das finde ich schrecklich.

Bietet ein Studium den jungen Menschen eine Zukunftsperspektive?
Es ist die Frage, was du daraus machst. Die Unterschiede zeigen sich an Karo und Juan aus Sevilla. Karo hat nach dem Film doch noch einen Masterplatz in Barcelona bekommen. Sie weiß, dass sie das Studium zu Ende bringen muss. Da tut sich ein Zwiespalt auf, weil die Jungen wissen, dass sie einen Abschluss brauchen, um im Ausland einen Job finden zu können. Sie sind aber auch mit ihren Städten und ihrem Land verbunden. Diese EMigration, weil es nicht anders geht, die funktioniert für die meisten innerlich dann doch nicht wirklich. Ich würde dennoch allen empfehlen zu versuchen etwas zu studieren. Andererseits, ist da Juan, der nie studiert hat. Er machte eine Graphikerausbildung, war Gabelstaplerfahrer, Rettungsschwimmer und ist jetzt Security. Seine Eltern sind ebenfalls Securities. Juan ist talentiert, kommt aber aus einer Klasse, bei der es gar nicht zur Diskussion stand, dass er ein Studium beginnen könnte. Seine Position ist noch viel unklarer als die von Karo, weil er überall einsetzbar ist, aber keine Chance hat, sich beruflich zu definieren.

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Die Protagonist_innen arbeiten alle in prekären Jobs als Kellnerin, Tänzerin, Security oder Pizzalieferant. Siobhan und Terry aus Dublin sind arbeitslos. War Arbeit ein Thema?
Am Anfang ging ich thematisch an den Film heran. Ich dachte, die Arbeitssituation ist eigentlich das Wichtigste. Erst während dem Dreh und als ich die Paare besser kannte, habe ich gemerkt, dass die Arbeit zwar ein Teil des Films sein wird, aber ich werde nicht zehn Mal zeigen, wie jemand Pizza ausliefert.

Die Repetition, die auch harte Arbeit charakterisiert, kommt dafür in Bezug auf Sex vor.

Ist es natürlich auch. (Lacht) Normalerweise ist im Spielfilm der Sex immer ein Klimax oder der Anfang von etwas Neuem. Ich versuchte Sex in meinem Film zu demystifizieren und in einen Alltag einzuflechten. Sex als etwas, was man macht, weil er nichts kostet und man halt zusammen ist.

In „Europe, She Loves“ kommen nur heterosexuelle Paare vor. Wie hast du sie ausgewählt?
Wir casteten fast hundert Paare. Dass es die vier wurden, die im Film porträtiert sind, war eine Bauchentscheidung. Wichtig war mir auch die Kombination aus verschiedenen Paaren, deswegen wollte ich auch die estnische Familie mit Veronika und Harri. Die Idee war, die Veränderungen, die man zwischen 20 und 30 durchmacht, darzustellen. In einer Paarbeziehung sucht man gemeinsam einen Kompromiss, eine Zukunft oder eine Entscheidung. Darin spiegelt sich gut, was auch im EU-Parlament in Brüssel passiert. Die kleinen Dinge, die zu einem Zusammenleben beitragen, zeigen sich schön in der Paarbeziehung. Dass es nur heterosexuelle Paare waren, hat sich so ergeben. Außerdem hätte ich es schade gefunden, wenn man im Nachhinein immer die drei Hetero-Paare mit dem homosexuellen verglichen hätte. Da hätte ich dann gern ein schwules oder lesbisches Pärchen gewollt, das nicht noch zusätzlich ein Klischee erfüllt.

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Im Abspann spielt das Lied „Europe Is Lost“ von Kate Tempest. Ist Europa verloren?
Für mich ist der Song und das, was er sagt, im Kern sehr positiv. Alles aus dem Film ist darin kondensiert. „Europe Is Lost“ fragt auch danach, wann wir wir endlich wieder aufwachen werden. Ich glaube an Europa- Es ist schade, dass man dem Experiment EU nicht wirklich eine längere Zeit zugesteht, fünfzehn Jahre EU sind nicht lange. Ich bin aber auch nicht super Pro-EU. Es ist eine komplexe Materie, aber man muss dem Konzept eine Chance geben, dass es sich erarbeiten und sich daraus etwas ergeben kann.

Marlene Brüggemann studiert Philosophie an der Universität Wien.

„Gesund ist das nicht!“

  • 15.03.2016, 12:33
Barbara Eders neuer Spielfilm „Thank you for bombing“ wirft einen Blick auf die Arbeit dreier Kriegsjournalist*innen, die in oder auf dem Weg nach Afghanistan sind

Barbara Eders neuer Spielfilm „Thank you for bombing“ wirft einen Blick auf die Arbeit dreier Kriegsjournalist*innen, die in oder auf dem Weg nach Afghanistan sind: Während Cal auf der Suche nach einem richtigen Krieg ist, wird die Journalistin Lana von allen Seiten mit Sexismus konfrontiert. Den älteren Ewald holen bereits am Flughafen Wien-Schwechat Erfahrungen aus dem Jugoslawien-Krieg ein. Ursprünglich als Dokumentarfilm angelegt, erzählt der Film vom Alltag als Journalist*in in Krisengebieten – abseits mythischer Heldenerzählungen. progress sprach mit der Regisseurin über Sexismus in der Branche, psychische Folgen der Arbeit und über Alice im Wunderland.

progress: Beginnen wir mit einer sehr klassischen Frage: Wie bist du auf die Idee gekommen einen Film über Kriegsreporter*innen zu machen?
Barbara Eder: Was heißt es, Reporter in Zeiten des arabischen Frühlings zu sein? In Zeiten, in denen man von entführten oder geköpften Journalisten hört. Darüber wollte ich einen Film machen. Zu Beginn hatte ich ein oberflächliches Bild davon. Ich habe mir alles sehr heldenhaft vorgestellt und die Mythen drum herum geglaubt. Zu einem gewissen Teil ist es auch so.
Dann bin ich ein Jahr gereist, weil ich spüren und erfahren wollte, wie das abläuft: Nach Israel, nach Beirut an die libanesisch-syrische Grenze, nach Afghanistan. Dort habe ich mich vom Militär einbetten lassen. Da wirst du mit auf Touren genommen und bist in einem sehr geschützten Raum. Das wirkt eher so, als ob du zu einem Ausflug mitgenommen wirst. Ich war auch mit sehr großen Sendern unterwegs. Einer davon hat den Leuten vor Ort einen Text aus Atlanta geschickt, den sie in die Kamera sprechen mussten. Das sind Fakten. Ich war geplättet. Ich habe auch viele Freelancer kennengelernt, darunter sehr tolle Frauen, die meistens keine Vollverträge bekommen. Ich habe auf jeden Fall viel gesehen. Aber ich hatte ein heldenhafteres Bild im Kopf. Ich dachte auch, dass die Leute viel mehr über das Land wissen.

Wie kam es dazu, dass du dich doch für einen Spielfilm und nicht für einen Dokumentarfilm entschieden hast?
Ab einem gewissen Punkt bin ich mit sehr vielen Eindrücken nach Hause gekommen und stellte mir die Frage, ob ich das Thema in einem Dokumentarfilm behandeln kann: Würden die Journalisten das, was sie mir sagen, die Wahrheiten, die sie aussprechen, auch vor laufender Kamera sagen? Würden sie es bereuen, wenn sie es tun? Welche Folgen hat das für ihre weitere Karriere? Es gab Reporter, die ohne Valium nicht durch den Tag gekommen sind. Daher entschieden wir uns einen fiktionalen Film zu machen. So konnte ich auch Geschichten, die in der Vergangenheit liegen, einbauen. Und aus all diesen verschiedenen Menschen und Eindrücken drei Figuren formen und mich darauf konzentrieren, was ich zeigen will, ohne ständig damit kämpfen zu müssen, wie ich Reporter schützen kann.

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Der Film erzählt am Beispiel der jungen amerikanischen Journalistin Lana unter anderem von einen sexistischen System im Journalismus. Glaubst du, dass dieser Punkt bei Kriegsreporter*innen öfters vorkommt als in anderen journalistischen Bereichen?
Ja! Es klingt immer so schön, wenn man sagt, die Frauen erobern diese und jene Bereiche. Das ist ja schön, aber in den Köpfen ist es nicht so. Ich habe von vielen die Frage gehört, was eine Frau in diesem Land überhaupt zu suchen hat. Man kann aber genau so fragen, was ein Mann in diesem Land zu suchen hat, der auch auf eine Miene treten kann. Gefährlich ist es für alle. Natürlich musst du als Frau in Afghanistan ein Kopftuch tragen. Und ja, du wirst auch mal begrapscht. Sexuelle Belästigung habe ich aber mehr in den Reporter-Teams erlebt. Das war mir nicht klar, das habe ich unterschätzt.

Was glaubst du, woher dieser spezielle Sexismus kommt?
Oft ist es der Gedanke, die Frau schützen zu müssen. Das ist unterschwellig in den Köpfen vieler Männer verankert und daher schicken sie lieber einen Mann. Es ist ja gut gemeint, aber einfach nicht richtig. Niemand würde eine Frau vorschicken, weil es für den Mann zu gefährlich sei. Das ist absurd. Das Schlimme ist, dieses Verhalten hat einen Effekt auf Frauen: Sehr viele begeben sich eher in Gefahr, riskieren mehr, um zu beweisen, dass sie es können. Dann kommt es auch zu Übergriffen. Lana geht ja völlig alleine, ohne Schutz zu zwei Soldaten, von denen sie nichts weiß und die alles andere als freundlich sind. Da könnte man sagen, dass das dumm ist. Ich glaube aber, dass man im Film sehen kann, warum diese Person einen Schritt zu weit geht.

Gleichzeitig zeigst du doch auch Sexismus in Afghanistan. In Hinblick auf die seit Köln entstanden Geschichten und Bilder über einen frauenfeindlichen Islam, könnte dieser Punkt von sogenannten „besorgten Bürger*innen“ instrumentalisiert werden. Bereust du die Entscheidung Afghanistan so gezeichnet zu haben?
Natürlich gibt es Sachen, bei denen ich mir denke, das ist vielleicht die falsche Zeit. Ich hoffe aber, dass die Leute, die den Film sehen, den Kontext nicht vergessen. Klar kann man Querverbindungen ziehen, aber ich kann auch nicht verneinen, dass Übergriffe passieren. Ich kann nicht alles schön reden. Das heißt aber noch lange nicht, dass man nach Köln sagen darf, dass jeder Flüchtling oder alle, die aus einem muslimischen Staat kommen, potentielle Vergewaltiger sind. Das Gleiche gilt für den Titel: Nach den Anschlägen in Paris wollte ich mich mit dem Titel "Thank you for Bombing" vergraben. Ich habe überlegt ihn zu ändern, aber ich hatte doch das Gefühl, dass die Leute sich durchlesen, um was es in dem Film geht und diesen Kontext beherzigen.

Kommen wir zu einem weiteren Protagonisten, Cal: Für mich hat er am meisten dem Bild des westlichen Kriegsjournalisten entsprochen. Er ist jung, weiß, männlich, auf der Suche nach Action, um die Quoten nach oben zu treiben und bringt sich selbst dabei in Gefahr. War das während deiner Recherche der vorherrschende Typus? Oder ist das ein Klischee?
Vielleicht ist es irgendwo ein Klischee. Aber es ist auf jeden Fall so, dass die Leute so sehr mit sich hadern. Sie legen fast schon Selbstmord-Tendenzen an den Tag. Sie hören nicht auf. Stillstand ist die Hölle für sie. Ich kann mich an einen Korrespondenten erinnern, der Cal sehr ähnlich war: Immer wenn nichts los war, wenn die Stille eingebrochen ist, hat er angefangen zu saufen, Drogen zu nehmen, sich einfach nieder zu dröhnen oder irgendeinen viel zu riskanten Bullshit zu machen. Er konnte die Stille nicht aushalten, da er dann angefangen hat über Dinge nachzudenken, die er gesehen hat. Er war im Irak-Krieg. Da ist einiges bei ihm hängen geblieben. Der Irak-Krieg war für viele der Tiefpunkt, der viel verändert hat.

Auch beim älteren Protagonisten Ewald ist einiges aus dem Jugoslawien-Krieg, von dem er berichtet hat, hängen geblieben. Er hat Probleme zwischen Realität und Paranoia zu unterscheiden …
Ich wollte diese ältere Figur haben, die gebremst wird, die etwas hindert: Eine Vergangenheit, die nicht loslässt. Ganz viele dieser Leute haben post-traumatische Störungen, aber die wenigsten sagen es. Ich habe jemanden getroffen, der im Jugoslawien-Krieg war. Dort wurden sehr viele Massengräber ausgehoben. Bis heute riecht er hin und wieder diesen Leichengeruch an seiner Kleidung. Er bekommt den Geruch nicht weg und muss die Kleidung wegwerfen. Das fand ich heftig und traurig. Es gab so viele, die mir gesagt haben, dass sie mir jahrelang erzählen könnten, was sie alles erlebt haben und ich würde es dennoch nicht begreifen. Gesund ist das nicht!

Der Film beginnt mit dem Zitat "All this talk of blood and slaying has put me off my tea" aus Alice im Wunderland. Ist das eine Aussage, die du so ähnlich von Kriegsreporter*innen gehört hast?
Ich habe bei diesen Film das erste Mal mit Michael Glawogger zusammen gearbeitet, da ich seine Meinung haben wollte. Er hatte bei seinen Projekten viele Berichterstatter und Korrespondenten. Die Geschichten, die ich erzählt habe, erinnerten ihn sehr an diese Kontakte. Und da fand ich es lustig, dass sowohl er als auch viele Leute, die in diesem Feld arbeiten, den Jabberwocky aus „Alice hinter den Spiegeln“ zitieren konnten. Vielleicht war das nur ein Trend, aber das drückt so gut aus, zu welchem Punkt viele der Journalisten kommen: Es herrscht in diesem Bereich so ein Zynismus, so ein Sarkasmus. Jabberwocky ist ja ein komplett unsinniges Gedicht. Und im Abspann kommt das wieder, wo die Korrespondenten kompletten Unsinn in die Kamera sprechen.

Valentine Auer arbeitet als freie Journalistin in Wien.