Regenbogenfamilie

Endlich sprechen Gaybies

  • 16.03.2016, 21:49
„Gayby Baby“ ist ein Dokumentarfilm, der vier Kinder auf sehr intime, aber unaufgeregte Art in ihrem Alltag begleitet.

„Gayby Baby“ ist ein Dokumentarfilm, der vier Kinder auf sehr intime, aber unaufgeregte Art in ihrem Alltag begleitet. Gus, Ebony, Graham und Matt haben zwei Dinge gemein: Sie sind zwischen zehn und zwölf Jahre alt und sie leben in einer Regenbogen-Familie. Sie sind „Gaybies“. Inmitten politischer Debatten über Ehe- und Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare, kommen in „Gayby Baby“ die Kinder selber zu Wort. progress sprach mit der Produzentin Charlotte Mars.

Gemeinsam mit Maya Newell hast du die Dokumentarreihe „Growing up Gayby“ realisiert. Jetzt habt ihr zusammen den Film „Gayby Baby“ gemacht, wo ihr Kinder begleitet, die mit gleichgeschlechtlichen Eltern aufwachsen. Wie seid ihr zu diesem Thema gekommen?
Vor fünf Jahren wurde die Debatte über die gleichgeschlechtliche Ehe sehr laut und dabei ging es immer mehr um die Frage von Familie und um diese rechts-konservative Sorge, dass homosexuelle Paare, die heiraten, auch Kinder wollen. Dass das ein Problem sein könnte. Dass diese Kinder anders sein könnten. Maya und ich kennen uns schon sehr lange und fanden die Debatte extrem beleidigend. Maya hat selber zwei Mütter. Es war nicht nur ein Angriff, weil die ganze Diskussion so tat, als ob Kinder aus gleichgeschlechtlichen Partnerschaften noch gar nicht existieren, sondern auch, weil sich niemand die Zeit genommen hat mit den Familien, mit den Kindern zu reden. Alle haben über die Kinder, aber niemand mit ihnen gesprochen. Und da es immer lauter und richtig hässlich wurde, wollten wir dem etwas entgegnen, indem wir den Kindern zuhören.

Ja, das Thema selber ist sehr politisch. Der Film ist aber überraschend unpolitisch. War es eine bewusste Entscheidung den Film zu entpolitisieren?
Ja, absolut! Es gab so viel Hass in der Diskussion und wir wollten nicht eine weitere aufgebrachte Stimme sein. Eine Kraft des Kinos sind die Geschichten, die du erzählen kannst. Damit wollten wir uns einbringen. Viele haben sich mit Regenbogen-Familien noch gar nicht auseinandergesetzt. Und in einer Welt voller heteronormativer Bilder, ist es erfrischend, etwas anderes zeigen zu können und zu sagen, dass es diese Familien gibt und zwar schon lange. Die Geschichten im Film sind zwar nicht politisch erzählt, aber der Kontext des Films ist politisch, Maya und ich sind politisch.
Auch der Kontext eurer Screenings ist sehr politisch: Der Film wurde an Schulen in Australien verboten. Wie kam es dazu?
Der Film kam in Australien bereits 2015 in die Kinos, eine Woche vor dem jährlich stattfindenden „Wear It Purple Day“ im August. Das ist ein Tag, an dem sich junge LGBTIQ-Menschen selbst feiern. Statt einem normalen Preview wollten wir den Schulen die Möglichkeit geben, den Film an diesem Tag zu zeigen. Rund dreißig oder vierzig Schulen haben zugesagt. Einen Tag vor den Screenings landeten wir auf dem Cover einer der größten Zeitungen mit der Schlagzeile „Gay class uproar“. Am Beispiel einer Schule ging es in dem Artikel darum, dass alle Eltern aufgebracht seien, weil ihre Kinder dazu gezwungen werden, ein – wie die Zeitung es formulierte – Video über homosexuelle Erziehung, zu sehen. Das war schrecklich! Wir haben vier Jahre an diesem Film gearbeitet, vier Jahre in der LGBTIQ-Community verbracht und dann kommt diese Schlagzeile. Wir waren eine Woche lang durchgehend in der Berichterstattung. Der Premierminister von New South Wales entschied, dass der Film an Schulen in diesem Bundesstaat nicht gezeigt werden darf. Das war auch furchtbar für die Community, da die Botschaft vermittelt wurde, dass diese Familien in den Schulen nicht willkommen sind.

Wie geht es euch und auch den Familien und Kindern aus dem Film jetzt – nach dem ersten Schock?
Das ist fünf Monate her und obwohl ich persönlich und sehr viele andere durch die Reaktion verletzt wurden, ist uns mittlerweile klar, dass eine Konversation, die lange nicht geführt wurde, plötzlich geführt wurde. Es war notwendig. Auch die Familien und Kinder waren sehr großartig. Uns ging es in erster Linie darum zu schauen, wie es den Kindern aus dem Film geht, weil sie diejenigen waren, die am nächsten Tag in die Schule mussten. Aber die Kinder haben als erste gemeint, wir sollen uns keine Sorgen machen, denn es sei das Beste, was passieren konnte.

Die Kinder im Film sind alle zwischen zehn und zwölf Jahre alt. Habt ihr euch bewusst für dieses Alter entschieden?
Nein, zumindest anfangs nicht. Wir haben für den Film Menschen sehr verschiedenen Alters interviewt. Aber als sich die Geschichten, die wir im Film erzählen wollten, herauskristallisierten, wurde uns bewusst, dass das Alter zwischen zehn und zwölf sehr spannend ist. Es ist eine Art „magisches Alter“. Du hast einen Fuß in der Kindheit und den anderen im Erwachsenensein. Deine eigenen Ideen beginnen sich in dem Alter zu formen. Du fängst an, deine Eltern als Personen und nicht nur als deine Eltern wahrzunehmen – was in unserem Kontext sehr spannend ist, da auch immer klarer wurde, dass nicht die ganze Welt denkt, dass meine Familie unbedingt normal ist.

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Meiner Meinung nach kamen die Kinder im Film sehr reif und erwachsen rüber. Kann das mit den täglichen Kämpfen zu tun haben, die man als Gayby in einer heteronormativen Gesellschaft, auszutragen hat?
Ich würde nicht sagen, dass die Kids andauernd am Kämpfen sind. Das sehe ich gar nicht so. Ich glaube aber, dass viele Gaybies sehr gut kommunizieren können, weil sie seit sie sprechen können, andauernd ihre Familie erklären müssen. Daher lernten viele über Familie, aber auch über queere Politiken, zu sprechen. Gleichzeitig sind die Kinder unglaublich belastbar, was eigentlich keine Eigenschaft von Kindern sein sollte. Aber sie treten jeden Tag vor die Haustüre, wissend, dass es die Möglichkeit gibt mit Homophobie konfrontiert zu werden. Auch wenn es gar nicht so sein muss. Aber allein dieses Bewusstsein schafft eine Art Belastbarkeit, ein Bereit-Sein.

Gemeinsam mit Gaybies wart ihr im australischen Bundestag. Dort hatten die Politiker*innen die Möglichkeit Fragen zu stellen. Welche Fragen sind gekommen?
Wir sind nicht mit den Kindern aus dem Film, sondern mit Erwachsenen hin. Ich kann mich nicht mehr an alle Fragen erinnern, aber wir wollten das Panel so strukturieren, dass wir langsam alle Fragen, die immer wieder kommen, durchgegangen sind. Es gibt einige wenige Fragen, die wiederholen sich: Zum Beispiel, wenn du zwei Mütter hast, kommt die Frage, ob du einen Vater vermisst. Die Leute wollen auch wissen, wie du gezeugt wurdest, ob du adoptiert bist – wie all das funktioniert. Viele fragen, ob du auf Grund deiner homosexuellen Eltern schikaniert wurdest oder wirst. Und natürlich kommt immer wieder die Frage, ob Gaybies homosexuell sind. Das klingt eigentlich sehr dumm. Aber es gibt wirklich viele Menschen, die glauben, dass es so ist.

Du hast mit Maya auch eine Firma mit dem Namen „Marla House“ gestartet zur Unterstützung weiblicher Filmemacherinnen. Ist die Branche nach wie vor männlich dominiert?
„Marla House“ haben wir eigentlich für unsere gemeinsamen Kollaborationen gestartet. „Marla“ bedeutet auf einer Aborigines-Sprache „Mädchen“. Das heißt es ist das „Mädchen Haus“, also unser Haus. Aber ja, ich bin absolut der Meinung, dass die Branche männlich dominiert ist. Das zeigen auch die Statistiken. Aber frage mich bitte nicht, wie man das...

… ändern kann?
Genau! Es gibt sehr viele Menschen, die versuchen diese Frage zu beantworten und daher gibt es auch viele verschiedene Zugänge. Meiner Meinung nach sollen wir sie alle probieren. Dabei geht es nicht nur um Frauen und Männer, sondern um LGBTIQ-Personen, aber auch um „People of Colour“. Wenn wir nur Geschichten von von weißen Männern hören und sehen, wenn nur diese kleine Gruppe repräsentiert wird, erhalten wir offensichtlich nicht das ganze Bild von Gesellschaft. Es ist wichtig, all die problematischen Systeme unserer Gesellschaft aus vielen verschiedenen Perspektiven zu zerlegen.

Valentine Auer lebt als freie Journalistin in Wien.

Liebe wird durch teilen mehr

  • 20.02.2013, 16:11

Alternative Familienmodelle abseits des Mutter-Vater-Kind-Paradigmas: Von der Leihoma, dem neuen großen Bruder und einer Beziehung, an der mehr als nur zwei teilnehmen.

Alternative Familienmodelle abseits des Mutter-Vater-Kind-Paradigmas: Von der Leihoma, dem neuen großen Bruder und einer Beziehung, an der mehr als nur zwei teilnehmen.

Fabian erzählt mit strahlenden Augen von seinem kleinen Bruder Tim. „Wir bauen Lego und spielen Rennbahn. Das mache ich extrem gern. Das ist auch ein bisschen wie ein Alibi: Dass man das machen darf und nicht komisch angeschaut wird als Erwachsener“, lacht Fabian. Dabei hat Fabian Tim erst vor ein paar Monaten kennengelernt. Und streng genommen ist Tim auch nicht wirklich sein Bruder.

Fabian und Tim haben sich über das Mentoring-Programm Big Brothers Big Sisters gefunden, das seit 110 Jahren besteht. In den USA ist es die bekannteste Sozialmarke. Weltweit wurden bisher etwa zwei Millionen Kinder von großen Geschwistern betreut. Im Juni 2012 wurde das erste Büro von BBBS in Wien eröffnet. Bereits im ersten halben Jahr haben sich 50 Familien und 140 MentorInnen gemeldet. Aktuell gibt es in Wien schon 21 Mentor-Mentee-Tandems. Ziel ist, Kinder in schwierigen Lebenssituationen zu fördern. Viele der betreuten sind Kindervon Alleinerziehenden.

Auch Ilona, Tims Mutter, kümmert sich alleine um ihren Sohn. Tim sei ganz ohne Vaterkontakt. „Es ist toll zu wissen, dass er jetzt mal ein Jahr lang jemand fix in seinem Leben hat, den er als Vorbild sieht. Ich kann mir natürlich auch die Bedienungsanleitung für einen Solarbaukasten nehmen, aber das kommt bei einem Kind ganz anders an, wenn das jemand macht, der technikbegeistert ist. Das ist ein ganz anderes Begreifen und Lernen.“

Und umgekehrt hat sich Fabian einen kleinen Bruder gewünscht, der neugierig ist, mit dem er ins Museum gehen und dem er viel erklären kann. Das trifft sich gut, denn Tim liebt das Technische Museum. „Es macht extrem Spaß. Und es ist ein wunderbares Gefühl, wenn ich sehe, dass Tim sich darüber freut.“ Durch ein bewährtes Matching-Verfahren wird für jedes Kind eine passende MentorIngefunden. „Gemeinsame Interessen sind gute Türöffner für die persönliche Beziehung“, erklärt Judith Smetacek, die Geschäftsführerin von Big Brothers Big Sisters Österreich.

Suche nach dem Puzzleteil. Intensiven Gesprächen mit den MentorInnen über Motivation, Interesse und Erwartungen folgen Telefonate mit drei vom Mentor genannten Referenzpersonen aus Familie, Freundeskreis und Arbeitsumfeld – um Selbstbild und Fremdbild zu vergleichen. „Oft ist man so fasziniert von dem Programm, vergisst aber, dass das in der aktuellen Lebenssituation vielleicht gar nicht umsetzbar ist. Daher ist dieser Gegencheck wichtig, um zu sehen, ob die Lebenssituation so stabil ist, dass eine langfristige, vertrauensvolle Beziehung zu einem Kind ohne Beziehungsabbruch jetzt gerade möglich ist“, erklärt Smetacek. Die Rollen zwischen Kernfamilie sowie großen Brüdern und Schwestern sind klar abgegrenzt. „Die Rolle des Mentors ist nicht die Erziehung des
Kindes. Er ist dazu da, um das Kind zu stärken, das Kind wertzuschätzen, ein Ansprechpartner zusätzlich zur Familie zu sein“, sagt Smetacek. Natürlich merkt man aber auch den Einfluss des großen Bruders. Seit Tim weiß, dass Fabian Vegetarier ist, möchte auch er meist ohne Wurst zu Abend essen.

Der Zeitraum für eine Mentoring-Beziehung ist auf acht bis zehn Stunden im Monat über mindestens ein Jahr festgelegt. Nach diesem Jahr kann das Mentoring-Verhältnis verlängert werden. Im Schnitt dauert eine Mentoring-Beziehung zwischen zwei und drei Jahren. „Eine neue Welt wird ein Stück weit erschlossen“, erklärt Smetacek. „Manchmal kommen verschiedene Nationen zusammen. Verschiedene Generationen sind es immer. Und verschiedene Biographien. Man lernt voneinander und miteinander.“ Internationale Studien zeigen, dass Kinder, die im BBBS-Mentoring großgeworden sind, sozial kompetenter sind als die Vergleichsgruppe. Sie können besser mit Konflikten umgehen und treten für ihre Wünsche und Bedürfnisse ein. Andere Vereine, wie etwa das Hilfswerk oder die Caritas, vermitteln Leihomas und Leihopas, wenn Großeltern in der Familie fehlen. Sie verbringen durchschnittlich zwei bis vier Stunden pro Monat mit ihrem neuen Enkelkind.

Ziel ist auch hier, dass Kinder in ihrer Leihoma oder ihrem Leihopa eine zusätzliche Bezugsperson finden. Mehrere Generationen sollen zusammengeführt werden. Karl, 58, Pensionist, ist Leihopa in Ausbildung. „Ich möchte eine erfüllende Tätigkeit, in die ich meine Lebenserfahrung einsfließen lassen kann“, sagt er. „Ich will der Gesellschaft etwas zurückgeben. Gerade in der Arbeit mit Kindern bekommt man ein großes Echo und viel Freude zurück.“

Alternativen. Die Zusammensetzung der Familie ändert sich. Wo früher noch das traditionelle Vater- Mutter-Kind-Modell das verbreitetste war, haben andere Familienformen in den letzten Jahrzehnten aufgeholt.  Heutzutage sind fast zehn Prozent aller Familien Patchworkfamilien. Die Anzahl der Alleinerziehenden hat in den vergangenen 50 Jahren um mehr als ein Drittel zugenommen.  Die Familienmodelle sind vielfältig. Und manche zeigen, dass es auch ganz anders gehen kann. Jacky und Paul sitzen in der Devi´s  Pearl Bar in Zürich und erzählen von ihrer Beziehung. Oder besser gesagt: von ihren Beziehungen.

Jacky ist verheiratet, hat mit Paul eine zweite Beziehung und noch eine Fernbeziehung in Bern. Paul hat eine Beziehung mit Jacky und eine Fernbeziehung in Wien. Er lebt mit seiner langjährigen Freundin zusammen, sie wird aber bald ausziehen – aus praktischen Gründen, damit beide mehr Privatsphäre haben, wenn sie sich mit anderen PartnerInnen treffen wollen. „Monogamie ist in unserer Gesellschaft verankert wie Schwerkraft in der Physik. Das wird einfach als von Gott gegeben angenommen. Ich glaube nicht, dass das so sein muss“, sagt Paul.

Jacky und Paul leben polyamourös. In vielen Verständnissen von Polyamorie geht es in erster Linie nicht um Sex, sondern darum, emotionale Bindungen zu mehr als einem Partner oder mehr als einer Partnerin zu leben.

Polyamourösität. Das polyamouröse Lebensmodell gibt Paulnicht zuletzt auch stabilere,  länger andauernde Beziehungen: „Wenn man auch mal was anderes sieht, hat man einen Kontrast und Abwechslung, und dann kann man eine Beziehung viel länger führen.“ Jacky erzählt von ihrem langen Entwicklungsprozess. Denn: man ist nicht einfach plötzlich polyamourös. Es findet ein grundlegender Paradigmenwechsel statt. „Du bekommst vorgelebt, dass Monogamie toll ist, und wenn dein Partner sich verliebt oder fremdgeht, ist die Beziehung sofort in Gefahr und du musst dich trennen. Genau da ist die Problematik. Du wirst sehr beeinflusst von außen, von der Familie, den Medien, von Freunden. Du musst dir aber überlegen: Was möchte ich?“

Als Jackys Mann Jürg vorbeikommt und sich zu ihnen setzt, nimmt Jacky einmal Pauls und dann Jürgs Hand. Sie lehnt sich unbewusst mal in die eine, mal in die andere Richtung, hakt sich mal bei Jürg ein, und gibt Paul einen Kuss, als sie kurz auf die Toilette verschwindet. Es scheint alles ausgeglichen zwischen den dreien. Keine Vernachlässigung eines Partners zugunsten des anderen, keine Eifersucht, keine Spannungen. Und genauso selbstverständlich und liebevoll handhaben Jacky und Jürg auch den Umgang ihrer jeweiligen Partner und Partnerinnen mit der gemeinsamen Tochter. „Vor einem Kind kannst du nichts verstecken. Die spüren das und es wäre nicht fair, ihm irgendetwas vorzumachen. Unsere Tochter kennt alle unsere Partner, und sie weiß auch, wenn ich einen Abend bei Paulbin. Je mehr Liebe sie bekommt, desto besser.“ Wenn Paul bei Jacky übernachtet und Jürg bei seiner Freundin ist, wird auch das vor ihrer gemeinsamen Tochter nicht verheimlicht.

War Paul am Abend da, fragt sie am nächsten Morgen auch nach ihm, um „Guten Morgen“ sagen zu können. „Ich glaube, dass ich mittlerweile eine Bezugsperson geworden bin, die wichtig ist für sie“, sagt Paul.

Ehrlichkeit als Schlüssel. So normal das polyamouröse Familienleben momentan für ihre  Tochter ist, machen sich Jacky und Jürg natürlich auch Gedanken darüber, wie ihre Tochter mit dem Thema in Zukunft umgehen wird, wenn sie die Andersartigkeit dieses Familienmodells von der Gesellschaft reflektiert bekommt. „Heutzutage ist die Gesellschaft schon offener als früher“, sagt Jürg. „Wenn sie Fragen hat, wird sie kommen. Sie wird von uns jede Frage ehrlich beantwortet bekommen. Ich werde vor ihr nichts verstecken“, sagtJacky. Sehr wichtig ist ihr, dass ihre Tochter Selbstverteidigung lernt. „Das gibt Selbstvertrauen“, fügt Paul hinzu. Zu Jackys und Pauls Beziehung gehört auch, dass sie Erziehungsfragen besprechen. „Ich führe eine Beziehung zu meinem Mann. Ich führe eine mit Paul. Und alles, was mich beschäftigt, teile ich mit allen“, sagt Jacky. Paul möchte aber für Jackys Tochter keinesfalls eine zusätzliche Person sein, um etwa ein „Nein“ ihrer Mutter zu umgehen. Für die direkte Erziehung ihrer Tochter sind ganz klar nur Jacky und Jürg zuständig. Bezugsperson ist er aber trotzdem, das ist ihm wichtig: „Liebe wird durch teilen mehr“, ist Paul überzeugt.