Rechtsextreme Demonstration Wien

Demonstration gegen das "Fest der Freiheit" - eine Fotostrecke

  • 05.06.2014, 16:13

Christopher Glanzl war für progress online auf der Demonstration gegen das von Burschenschaften organisierte "Fest der Freiheit" am 4.6.2014. Seine Eindrücke in Bildern:

 

Christopher Glanzl war für progress online auf der Demonstration gegen das von Burschenschaften organisierte "Fest der Freiheit" am 4.6.2014. Seine Eindrücke in Bildern:

Die Offensive gegen Rechts rief dazu auf, sich gegen das von Burschenschaften organisierte „Fest der Freieheit“ zu stellen.

 

Schon lang vor Demonstrationsbeginn gab es in der Innenstadt Kundgebungen, die Polizei war im Straßenbild der Stadt...

 

...mehr als nur präsent und schuf eine zum Teil absurde Szenerie.

 

Startpunkt der Gegendemonstration war um 17:00 Uhr vor der Uni Wien.

 

Ca. 2000 Menschen versammelten sich dort, um ein Zeichen gegen Faschismus zu setzen.

 

Redebeiträge wiesen auf den Zusammenhang zwischen Armut und dem Zulauf rechter Gruppierungen hin.

 

Die Polizei blieb diesmal ruhig und war mehr durch ihre schiere Präsenz als durch ihren Einsatz im Weg.

 

Auch der KZ-Überlebende Rudolf Gelbard marschierte mit, um mit seinem Schicksal auf die Gefahren rechter Umtriebe hinzuweisen.

 

PassantInnen sahen eine laute und friedvolle Demonstration.

 

„Siamo tutti antifascisti“ oder „Lieber ein Abszess am After als ein deutscher Burschenschafter“ wurden dabei skandiert.

 

Die Clown-Army trieb ihr Unwesen und malte Herzen um Polizisten...

 

... und lockerten die ohnehin gute Stimmung noch weiter auf.

 

- ohne Worte -

 

Auch in der Luft war die Exekutive stark hörbar unterwegs.

 

Immer wieder blieb der Demonstrationszug für Redebeiträge stehen und erlaubte Stehpausen.

 

Gegen 20:00 Uhr erreichte die Demo ihren Endpunkt vor der Universität Wien.

 

Im Anschluss kam es noch zu unschönen Szenen in der U-Bahnstation Schottentor als die Polizei dort eine Festnahme durchführte.

 

Ein Mann wurde tumultartig festgenommen und dabei auch verletzt.

 

Draußen wurde es ruhiger, der Zugang zu den Burschenschaftern war von der Polizei massiv gesperrt.

 

- ohne Worte -

Kampf um die Straßen Wiens

  • 18.05.2014, 15:32

Am 17.5. fand eine Gegendemonstration linker Gruppierungen zum Identitärenaufmarsch in Wien statt. Es kam zu Repressionen gegenüber der Demonstierenden seitens der Polizei. Christopher Glanzl war für progress online mit Kamera dabei.

Am 17.5. fand eine Gegendemonstration linker Gruppierungen zum Identitärenaufmarsch in Wien statt. Es kam zu Repressionen gegenüber der Demonstierenden seitens der Polizei. Christopher Glanzl war für progress online mit Kamera dabei.

Gestern kam es zu einem Kampf um die Straßen Wiens.

Auf der einen Seite waren dabei antifaschistische Gruppierungen wie die OGR oder SLP.

Um 11:00 Uhr traf man sich am Christian-Broda-Platz, von wo aus die Demonstration zum Kunsthistorischen Museum starten sollte.

Während das schlechte Wetter die Fahnen oben hielt...

...probierte die Samba-Gruppe dasselbe mit der Stimmung.

Die Identitären konnten die Route über die Mariahilfer Straße (Start Westbahnhof) nicht gehen, da diese noch von der Gegendemo belegt war.

Mit Rufen wie „No border, no nation – stop immigration“ oder „Jetzt seid ihr noch tolerant – bald schon fremd im eig'nen Land“ oder einfach nur bellend...

... zogen sie über die Burggasse Richtung Volkstheater, wo die Schlusskundgebung geplant war.

Auch Presse war zahlreich vertreten und prägte das Bild um die ca. 100 Teilnehmer_innen.

Es kam zu Sitzblockaden, die von der Polizei...

... aufgelöst wurden. Es gab dabei unschöne Szenen.

Aber auch intern war der Umgang mittlerweile von Frust und Aggression geprägt.

In Folge eskalierten immer öfter kleine Situation, die solch einen Gewalteinsatz eigentlich nicht erforderlich machen.

Hier wurde die Demo zwar um die Blockade geleitet...

...trotzdem wurde von der Polizei die Straße unverhältnismäßig geräumt.

Auf der Kreuzung beim Museumsquartier/Volkstheater wartete die bislang größte Sitzblockade.

Spätestens jetzt brach das Einsatzkonzept der Polizei zusammen und erhöhter Einsatz von Gewalt sollte das kompensieren.

Pfefferspray wurde freigegeben...

... viele Demonstrant_innen festgenommen...

... und der Spray letztlich auch zahlreich eingesetzt.

Der gesamte Bereich wurde großräumig geräumt und für alle gesperrt. Auch Medienvertreter_innen wurden nicht mehr zur Demo der Identitären durch gelassen.

Die Gegendemonstration sammelte sich wieder...

... während die Lage langsam ruhiger wurde.

Im 8. Bezirk dagegen war die Lage immer noch angespannt, mittlerweile wurde auch die Hundestaffel angefordert.

Die Polizei nahm versprengte Gegendemoteilnehmer_innen fest, ...

...war dabei aggressiv und sperrte die Josefstädter Straße ohne ersichtlichen Grund für längere Zeit.

Identitäre: Connections zu Rechtsaußen

  • 17.05.2014, 19:04

Neue Rechte hin oder her, der politische und persönliche Hintergrund der österreichischen Identitären ist geprägt von Nazi-Kadern à la Gottfried Küssel. Eine politische Analyse von Joseph Maria Sedlacek* für progress online.

Neue Rechte hin oder her, der politische und persönliche Hintergrund der österreichischen Identitären ist geprägt von Nazi-Kadern à la Gottfried Küssel. Eine politische Analyse von Joseph Maria Sedlacek* für progress online.

Spätestens mit ihrer „Gegenbesetzung“ der Votivkirche im Februar 2013 haben die Identitären in Wien, zumindest in linken Kreisen, auf sich aufmerksam gemacht. Die Aktion sollte dazu dienen den wochenlangen Protest und Hungerstreik von Refugees, der sich vom Sigmund-Freud-Park in die Votivkirche verlagert hatte, möglichst medienwirksam zu stören und zu delegitimieren. „Das wäre doch gar nicht nötig gewesen.“, werden sich an dieser Stelle einige denken, sind doch die Anliegen von Geflüchteten der xenophoben Mehrheitsgesellschaft in Österreich sowieso wurscht - es ist ja nicht so als wären Krone, Österreich und Heute den Identitären nicht schon zuvorgekommen. Ein wichtiger erster Schritt in Richtung „konservativer Revolution“ wurde gesetzt.

Die nächsten Schritte folgten: Der 25-Jährige Martin S., der sich bis dahin um Zurückhaltung bemühte, trat mehr und mehr in Erscheinung. Er hielt sich im Hintergrund bis der erste mediale Gegenwind verflogen war und die identitäre Bewegung in den rechten und konservativen Kreisen Österreichs Eingang gefunden hatte. Doch wieso diese anfängliche Zurückhaltung von einer Person die seit circa einem Jahr die identitäre Bewegung im Wesentlichen nach außen repräsentiert und bei dem Versuch, die vertretenen Inhalte zu theoretisieren, federführend ist?

Neonazi-Vergangenheit verwischen

Der ausschlaggebende Grund wird sein, dass sich Martin S. über mehrere Jahre hinweg sehr aktiv in der österreichischen Neonazi-Szene betätigt hat. Er selbst gibt an, im „nationalen Lager“ politisiert worden zu sein. Aus dieser Zeit stammen unter anderem Anzeigen wegen Sachbeschädigung, Verstoß gegen das Waffengesetz und gegen das NS-Verbotsgesetz. Auch die bekannten „Kampfsportkurse“, veranstaltet aus dem Umfeld von Gottfried Küssel, dürfen in seiner Laufbahn als anständiger Neonazi natürlich nicht fehlen.

Es folgen Teilnahmen an Gedenkveranstaltungen und Demonstrationen, wie zum Beispiel 2009 für den Nazihelden Walter Nowotny oder 2010 am Naziaufmarsch in Dresden. In beiden Fällen gemeinsam mit bekannten Gestalten der österreichischen Szene, wie beispielsweise Wolfgang L., der in Internet-Foren gerne mal über den Bau von Autobomben philosophiert oder Benjamin F., Sohn eines ehemaligen BVT-Ermittlers, der dadurch auffiel, dass er auf einem Truppenübungsplatz des Bundesheeres in der Steiermark mehrfach die Hand zum Hitlergruß gehoben hatte und Lieder der Wehrmacht anstimmte. Ein Verfahren gegen ihn wurde nicht eingeleitet. Auch Küssel selbst zählt zu seinen Kameraden und die Liste von Martin S. Weggefährten aus der österreichischen Neonazi-“Prominenz“ lässt sich noch lange weiterführen.

alpen-donau.info, Siegfriedskopf und Funke

Ermittlungen zu den Verantwortlichen der Neonazi-Seite alpen-donau.info, zu denen auch S. zählen soll, zogen im Jahr 2011 einige Repressionschläge gegen die rechte Szene nach sich. Mehrere Hausdurchsuchungen und Verhaftungen in ganz Österreich folgten, und es wurde ein wenig still um den damals 22-Jährigen. In der Folgezeit versuchte er mit der Gruppe Siegfriedskopf und der rechten Homepage derfunke.info mit dem stumpfen Neonazi-Image zu brechen und sich einen „intellektuellen“ Anstrich zu verpassen. Eine breite Rezeption erfuhren Martin S. „Zwischenprojekte“ allerdings nicht, etwas Neues musste her. Auf der Homepage der Identitären schreibt der Jus- und Philosopiestudent über seine Gedanken zu deren Entstehung, dass „an ein praktisches Weitermachen nach Schema F nicht zu denken war“, weil „die klassische NS-Propaganda aus der NW[Anm.: Nationaler Widerstand]-Szene am Bewusstsein des Volkes folgenlos abprallte“.

Vorbild für den vermeintlich neuen und innovativen Kurs ist der französische bloc identitaire. Selbst eine Nachfolgeorganisation der neonazistischen unité radicale, welche 2002 verboten wurde, nachdem eins ihrer Mitglieder, der damals 25-Jährige Maxime Brunerie, aus einem Karabinergewehr auf den früheren Staatspräsidenten Jacques Chirac geschossen hatte. Die Identitären in Frankreich, Deutschland und Österreich waren von Beginn an um Abgrenzung zum organisierten Neonazi-Spektrum bemüht.

Die Identitäre Bewegung ist international vernetzt. Ihr Logo ist der griechische Buchstabe Lambda, ihre Farben sind Schwarz und Gelb. Foto: Christopher Glanzl

Kalkulierte Zurückhaltung

Ohne Martin S. Dasein als Neonazi, und seine guten Kontakte in die Szene, von Anfang an als Zielscheibe zu präsentieren, versuchen die Identitären eine Schnittstelle zu finden. Eine Schnittstelle zwischen einer Mehrheit von Österreicherinnen und Österreichern, die ihre Stimmen für ÖVP und FPÖ abgeben und dem widerlichen Sumpf an Neonazis und Burschenschaftern. Dass S. sich anfänglich so zurückhielt, war also weniger dem Zufall geschuldet als ein berechneter Zug. Denn hätte er von Anfang an die führende Rolle eingenommen, die er jetzt inne hat, hätten sich die Identitären hierzulande vermutlich sang- und klanglos in die Riege der üblichen Neonazi-Kader eingereiht. Doch auch andere Mitglieder der Identitären haben entsprechende Kontakte.

Alexander M. beispielsweise, Obmann der Wiener Identitären, ist aktives Mitglied der schlagenden, deutschnationalen Burschenschaft Olympia und unter anderem regelmäßig am sogenannten „Burschibummel“ beteiligt, der jeden Mittwoch vor der Universität Wien stattfindet. Patrick L. aus Graz ist ebenfalls Burschenschafter und Obmann der Identitären in der Steiermark. Thomas S., Martins jüngerer Bruder, und Fabian R. haben einen Weg gefunden ihren „gesunden“ Patriotismus auf institutioneller Ebene auszuleben – mit der Waffe in der Hand beim Bundesheer.

Hipper Scheiss: Internet und Theorie

Im Kampf gegen das Nazi-Image scheuen die Identitären keine Mühen, um sich im Stil einer hippen Jugendbewegung, die als „weder links – noch rechts“ verstanden werden will, zu etablieren. Mittels Facebook-Accounts werden Termine zu Veranstaltungen und Treffen bekannt gegeben; auf der von L. eingesetzten Homepage www.identitaere-generation.info, versucht Martin S., zunächst unter dem Pseudonym „Julian Fosfer“, Anstöße zur Auseinandersetzung mit Theorien der neuen Rechten zu geben.

Am meisten Präsenz zeigen die  Identitären also im Internet. Direkte Aktionen gab es bis jetzt kaum und wenn, dann ohne breite Mobilisierung. Die oben erwähnte „Gegenbesetzung“ und eine schlecht besuchte Kundgebung am Wiener Ballhausplatz stehen im Kontrast zur ständigen Selbstüberhöhung der „Bewegung“. Einzig regelmäßig stattfindende „Stammtische“ und Flyeraktionen vor Schulen sollen zu breiterer Popularität verhelfen und das „Bewusstsein des Volkes“ wecken.

Für den 17. Mai ist in Wien die erste Demo angekündigt. Die neonazistische Seite freies-oesterreich.net teilt den Aufruf mit folgenden Worten: „Eine Möglichkeit für Identitäre und den Nationalen Widerstand öffentlich klar zu stellen: Der Widerstand lebt! Wir wollen in der Stadt Wien, der Bastion Europas, ein starkes Zeichen setzen und auf die Straße gehen.“

Die Abgrenzungsversuche der sich als harmlose „neurechte Bewegung“ inszenierenden Identitären laufen ins Leere, wenn gleichzeitig Neonazis zu ihren Demos aufrufen, die auffälligste Person der „Bewegung“ selbst ein, zumindest ehemaliger, Neonazi ist und ihre Antwort auf die Verschlechterung der Lebensrealitäten vieler Menschen in Europa eine nationale Abschottung ist. Auch wenn ihre Konsolidierungsbemühungen bis jetzt an Grenzen stoßen, ist es weiterhin wichtig diese Bemühungen ernst zu nehmen, weil sie Denkweisen und Stimmungen aufgreifen, die im Großteil der Gesellschaft oft etabliert sind. Als Gegenstrategie könnte es sinnvoll sein, sich aus linksradikaler Perspektive an gesellschaftlichen Debatten zu beteiligen, um politische Alternativen jenseits reaktionärer Krisenlösungen aufzuzeigen und sich mit dem Gedankengut auseinanderzusetzen, das sich als „neurechts“, hipp und unverbraucht zur Schau stellt.

Dieser Artikel erscheint ebenfalls in der aktuellen Malmoe Ausgabe 67

Die Nachnamen wurden in dem Artikel aus medienrechtlichen Gründen abgekürzt.

*Der Name des Autors ist der Redaktion bekannt.

 

Siehe auch: Hintergrundgespräch: Wer sind die Identitären?" mit Andreas Peham (DÖW)