Queer

fiber_feminismus

  • 08.03.2016, 19:21
Ich habe endlich fiber. Seit 2015 ist das erste Buch des fiber-Kollektivs erhältlich.

Ich habe endlich fiber. Seit 2015 ist das erste Buch des fiber-Kollektivs erhältlich. Ein Herzstück des seit 2002 bestehenden Kollektivs und Wundertüte für alle fiber-Fanatiker_innen und für die, die es noch werden wollen. Jedes halbe Jahr ein Magazin herauszubringen ist eine Sache, doch ein Buch zu produzieren, das den dynamischen und queer_feministischen Geist des fiber-Kollektivs einfangen soll, eine ganz andere. Keine leichte Aufgabe für die fibrigen Freigeister. Auf 287 Seiten findet ihr zahlreiche neue und alte Texte zu den queer_feministischen Entwicklungen der letzten zwölf Jahre, die das Magazin festgehalten und behandelt hat.

fiber-Feminismus schenkt uns einen tiefen Einblick in die Arbeit und Herangehensweise des Kollektivs. An künstlerischer Gestaltung à la fiber wird ebenfalls nicht gespart. Von „Sprach-k(r)ämpfe“ zu „Wer ist die queerste im ganzen Land“. Von „Die kleine Geschichte vom endlosen Kommen“ zu „Did she put up a fight“. Von „Wiksern und Weibern“ zu „Punk – Das Ende der Utopie“. Das und vieles mehr stecken in der trilogischen Komposition Werkstoff, Feminismus und Popkultur, die das Buch gliedern. „This is a ‚must‘ read for anyone who wants to stay cool“, so Judith Butler anlässlich der Erscheinung des Buches. Ich stimme der Das-Geschlecht-ist-ein-Konstrukt-Göttin nur zu und werde es auch jeder/m so mit auf den Weg geben.

Carmela Migliozzi studiert Deutsch und Italienisch auf Lehramt an der Universität Wien.

Zwei mal „Wo kommen Kinder her?“, ohne heteronormative Kackscheiße

  • 29.01.2016, 17:52

Zwei Bücher, zwei Kinder, zwei unterschiedliche Familien, zwei Geschichten darüber, wie Eltern zu Kindern kommen. Zwei Mal kinderfreundliche Erklärungen, die darauf verzichten, die Mär von Zweigeschlechtlichkeit und Vater-Mutter-Kind-Familien zu zementieren.

Zwei Bücher, zwei Kinder, zwei unterschiedliche Familien, zwei Geschichten darüber, wie Eltern zu Kindern kommen. Zwei Mal kinderfreundliche Erklärungen, die darauf verzichten, die Mär von Zweigeschlechtlichkeit und Vater-Mutter-Kind-Familien zu zementieren.

Wie Single-Vater Tobias mit Lotta schwanger wurde, erfährst du in „Wie Lotta geboren wurde“.

Die Geschichte fängt bereits vor seiner Schwangerschaft an, erzählt von Tobias Hobbys und seinen Freund_innen. Ein Freund schenkte ihm die Samen, die er benötigte, um Lotta zu bekommen. Dass Tobias vermutlich ein trans* oder inter* Mann ist und weshalb er eine Gebärmutter hat, wird nicht unnötig thematisiert. Stattdessen betont das Büchlein Tobias' Vorfreude – und wie er zusammen mit Freund_innen und Verwandten jubelte, als Lotta endlich auf der Welt war.

„Maxime will ein Geschwister“! Oder gleich mehrere. Dabei ist für ihn das Geschlecht des potentiellen Geschwisterchens gänzlich irrelevant und wird nicht mal angesprochen. Macht einfach mal, Mamis! Die beiden Mütter sind einverstanden, greifen zur anonymen Samenspende und neun Monate später kann Maxime sein Geschwister Nikola im Arm halten.

Test

Beide Bücher behandeln eine ähnliche Thematik und eignen sich beide dafür, Kindern zu erklären, wie sie auf die Welt kamen, ohne ihnen dabei gleich cissexistische Unwahrheiten à la „alle Frauen können schwanger werden, alle Männer können das nicht“ aufzutischen. Auch die Mär von der Familie, die unbedingt genau einen Vater und genau eine Mutter bräuchte, bleibt den Kindern so erspart. Ein klares Plus für alle Kids: Sowohl für die, deren Familie nie in Kinderbüchern vorkommt, als auch für alle anderen, die so ein bisschen über den Tellerrand raus schauen können, von Kindern bis Erzieher_innen. Je nach Alter der Kinder können sie auch als Anstoß dienen, über Geschlecht zu sprechen: z.B. warum wir bei jedem Menschen unbedingt das Geschlecht wissen wollen. Oder warum die meistern Eltern auf „Bruder oder Schwester“ beharren, statt einfach wie in Maximes Geschichte „Geschwister“ zu benutzen.

Die Erklärungen zum Ablauf einer Schwangerschaft sind liebevoll und kleinkindgerecht. Körperteile sind weniger wichtig als das Wesentliche: Die Freude, die mit den Kindern und dem Kinderbekommen verbunden ist. So dass jedes Kind weiß: Die Hauptsache ist, dass meine Eltern sich bewusst für mich entschieden haben und sich darüber freuen, dass es mich gibt!

Auch die Vielfalt von möglichen Bezugspersonen und Familienformen wird betont. Nicht nur Maxime und seine Mütter oder deren Verwandten freuen sich über das Baby , sondern auch Mitbewohner_innen und Freund_innen sind gleichberechtigt dabei. Nicht angesprochen, aber gezeigt wird, dass nicht alle in einer Familie die gleiche Hautfarbe haben müssen: Maxime ist ebenso wie eine seiner Mütter Schwarz, Baby Nikola und die andere Mutter weiß.

Der Zeichenstil der Bücher ist liebevoll minimalistisch auf das Wesentliche reduziert. Verbunden mit tuscheähnlicher Zeichnung spricht das stringente Farbkonzepte sehr an: Keine Hintergründe, als Farben nur Schwarz, Gelb und ein Hauch Rot in Lottas Geschichte, Schwarz, Lila und Grautöne in Maximes Büchlein.

Hinter den Mini-Format-Büchern (13,6 x 13,6 cm) steht der neue, reichlich queere Zwei-Personen-Verlag „Atelier 9 ¾“ , der sich auf Comics und Kinderbücher spezialisiert hat.  „Wie Lotta geboren wurde“ gibt es sogar schon auf Schwedisch.

Non Chérie studiert mitunter versehentlich an der Universität Wien, macht meist feministisches Gedöns und queeren Krempel.

Beide Bücher könnt ihr euch auch gleich ausleihen – in der queer_feministischen Bibliothek der ÖH Bundesvertretung. Dort gibt es einen ganzen Schwerpunkt zu nicht-normativen und queerfreundlichen Kinderbüchern für verschiedene Altersstufen und zu diversen Themen. Schaut vorbei.

Female to… WHAT THE FUCK?!?

  • 12.06.2015, 20:46

Dieser Tage findet in Wien das queere Filmfestival identities statt. An zehn Tagen – noch bis zum 21. Juni – werden im Gartenbaukino, Top Kino und im Filmcasino internationale Spielfilme, Dokumentationen und Kurzfilme zu unterschiedlichen Themenbereichen des queeren Spektrums gezeigt.

Dieser Tage findet in Wien das queere Filmfestival identities statt. An zehn Tagen – noch bis zum 21. Juni – werden im Gartenbaukino, Top Kino und im Filmcasino internationale Spielfilme, Dokumentationen und Kurzfilme zu unterschiedlichen Themenbereichen des queeren Spektrums gezeigt.

Zwischen 1994 und 2015 fand das identities in Wien sechs Mal statt. Jedes Mal wurde es größer: mehr Filme, mehr Publikum, mehr Preise. Heuer wird erneut der beste Lang- sowie Kurzfilme prämiert, zusätzlich hat das Publikum die Chance, einen eigenen Preis zu vergeben. Auch das Rahmenprogramm bietet viel Abwechslung. Neben der obligatorischen Eröffnungsparty gibt es Gespräche mit den Filmschaffenden vor und hinter der Kamera, Partys und eine Familienjause mit Kakao und Krapfen.

Nach der Veröffentlichung des Programms gab es Widerstand. Nick Prokesch thematisierte in seinem offenen Brief an die Festivalleitung die mangelnde Repräsentation von Trans*Personen und queer people of color. Stattdessen wird ein Film wie „Dallas Buyers Club“ gezeigt, der von Hass auf so gut wie alle Mitglieder der LGBTQIA-Community nur so strotzt. Dabei hieß die erste Ausgabe des identities Festivals „trans-X. Eine filmische Identity Tour“ und trug somit das Thema Trans*identitäten  sogar im Titel. Ein weiterer Brief mit Kritik, vor allem betreffend der eurozentristischen und kolonialen Perspektiven, die das Festivals reproduziert, kursiert in den Sozialen Medien.

Nick Prokesch ist Protagonist von „FtWTF“, ein ebenfalls am identities gezeigter Dokumentarfilm, der verschiedene Trans*biografien zeigt und jenseits gewohnter Klischees von „falschen Körpern“, Operationenflut und Opferperspektive agiert. Hier gibt es Raum für nichtbinäre Identitäten, das Ausloten von lebbaren Männlichkeiten und entstehende Reibungsflächen innerhalb queer-feministischer Communities.

Der Film feiert Premiere am 18. Juni (ausverkauft) und wird am 21. Juni erneut aufgeführt.

Wir haben die zwei Regisseurinnen Cordula Thym und Katharina Lampert zu einem Gespräch getroffen.

progress: Könnt ihr kurz was zu eurer Motivation sagen, FtWTF zu machen?

Unseren letzten Film haben wir über lesbisches Leben im Wien der 50er und 60er Jahre gemacht – und sehr viel Zeit mit Recherchieren und der Suche nach Protagonistinnen verbracht.

Während wir den Film gemacht haben, wurde Trans*(männlichkeit) ein immer wichtigeres Thema in Wien – sowohl in unserem persönlichen Umfeld als auch politisch.

Daraus und auch aus dem Bedürfnis mit Leuten, die wir schon länger kennen und nicht erst suchen müssen zusammenzuarbeiten, ist die Idee für diesen Film entstanden. Wir haben auch versucht mit dem Film dem schon oft erzählten Narrativ: „Mensch im falschen Körper geboren – schmerzhaftes Coming Out – geschlechtsangleichende Operationen  - Ende“ andere Geschichten entgegenzusetzen. Und auch die Auseinandersetzung mit Männlichkeiten in der queeren Szene war ein großes Thema.

Gibt es spezielle Schwierigkeiten oder Vorzüge von Österreichischen Gesetzen, wenn es um Trans*Personen geht?

2009 ist der Paragraph zur Zwangssterilisation und die „geschlechtsangleichenden“ Operationen von Trans*Personen gekippt worden. Vorher war dies notwendig, um den Personenstand zu ändern. Damit ist Österreich eines von elf Ländern in Europa, wo das möglich ist. Allerdings müssen Trans*Personen immer noch eine vorgeschriebene Anzahl an Psychotherapiestunden absolvieren, dem äußeren Erscheinungsbild dieses Geschlechtes entsprechen bzw. sich ihm annähern und beweisen dass sie für immer im angestrebten Geschlecht leben wollen, wofür ein psychiatrisches Gutachten notwendig ist.

Gab es beim Dreh einen Moment, der euch hinter der Kamera besonders berührt hat?

Da gab es natürlich viele Momente. Eigentlich ist jedes Interview ein sehr intensives und persönliches Erlebnis. Wir kannten unsere Protagonist*innen zum Großteil zwar schon länger, aber in so einem Interview stellt mensch dann doch auf einmal Fragen, die in einem normalen Alltagsgespräch so nicht gestellt werden würden. Das war sehr spannend.

Hat es euch überrascht, dass die erste Vorstellung so schnell ausverkauft war?

Es hat uns jedenfalls sehr gefreut! Natürlich sind viele von den Karten auch an die Protagonist*innen und das Team gegangen – bei so einem Film sind ja immer sehr viele Leute beteiligt und da die Premiere schönerweise in Wien stattfindet, können die auch alle kommen.

Wie geht es mit dem Film nach dem identities weiter? Gibt es schon einen Kinostart für Österreich oder andere Festivaltermine?

Wir hoffen dass der Film international auf vielen Festivals laufen wird, für Österreich müssen wir noch einen Verleih finden, der ihn ins Kino bringt.

Gibt es im etwas, das ihr gerne im Film festgehalten oder thematisiert hättet, aber nicht konntet?

Ein Dokumentarfilm zeigt natürlich auch immer nur einen kleinen Ausschnitt der Realität. Wir haben uns bemüht die unterschiedlichen Geschichten gut zu erzählen und wir hoffen, dass wir eine ausgewogene Balance gefunden haben.  Es ging uns auch nicht darum abgeschlossene Geschichten zu erzählen. Wir haben aber bewusst gewisse Themen, zum Beispiel. medizinische Detailaspekte weggelassen. Das wäre dann ein anderer Film.


„FtWTF“
Regie: Cordula Thym und Katharina Lampert
Mit: Nick Prokesch, Dorian Bonelli, Mani Tukano, Denice Bourbon, Gin Müller, Persson Perry Baumgartinger, Hans Scheirl u.v.a.
85 Minuten
Premiere: 18.6.

 

Katja Krüger ist Unternehmerin und mastert derzeit die gender studies.

 

Aufklärung für Alle!

  • 26.03.2015, 08:36

Endlich! Ein nicht-heteronormatives Aufklärungsbuch für Menschen ab drei Jahren, aus dem auch Erwachsene noch einiges lernen können.

Endlich! Ein nicht-heteronormatives Aufklärungsbuch für Menschen ab drei Jahren, aus dem auch Erwachsene noch einiges lernen können. „Silverbergs nuancierte Darlegung von Reproduktion und Gestaltung kommt einer Offenbarung gleich“, sagt, laut Buchrücken, die sechsjährige Sophie über „Wie entsteht ein Baby“. Und Sophie hat so recht. Das Buch beschreibt, was es braucht, damit ein Baby entsteht: eine Eizelle und eine Samenzelle, die beide sehr viele Geschichten über den Körper, aus dem sie kommen, in sich tragen. Sie tanzen miteinander und tauschen sich aus, sodass sie am Ende ein eigenes Ding werden. Dann brauchen sie noch eine Gebärmutter, in der das Baby wachsen kann. Dabei kommt Sex Educator Cory Silverberg angenehmerweise ohne Geschlechterzuschreibungen aus, unterstützt wird er dabei von Fiona Smiths knallig bunten Illustrationen: „Nicht jeder Mensch hat eine Gebärmutter. Manche ja, manche nein.“ Es kann so einfach sein. Durch diese Reduzierung aufs Wesentliche wird Platz für Details gelassen, die jede Familie individuell für sich besprechen kann. Alle, denen dabei die Worte fehlen oder die sich Inspiration von Expert*innen holen wollen, können auf what-makes-a-baby.com einen Readers Guide (auf Englisch) herunterladen und sich von Silverberg Tipps für eine diverse Auseinandersetzung mit Reproduktion und Sexualität holen. Themen wie Sex/Gender, trans*/cis, Intersexualität, Behinderung und Race haben hier ebenso viel Platz wie sämtliche Reproduktionsmöglichkeiten: Samenspende, In-vitro-Fertilisation, Adoption, Leihmutterschaft und Geschlechtsverkehr.

Am Ende steht kein Abbild einer glücklichen heteronormativen Kleinfamilie, sondern die Frage: „Wer hat dabei geholfen, dass die Eizelle und die Samenzelle zusammenkamen, aus denen du entstanden bist? Wer war glücklich, dass ausgerechnet DU dabei entstanden bist?“

Cory Silverberg, Fiona Smyth: „Wie entsteht ein Baby? Ein Buch für jede Art von Familie und jede Art von Kind“
Mabuse-Verlag, 17 Seiten
16,90 Euro

 

Carla Heher studiert Volksschullehramt an der PH Wien.

 

Selbstbestimmte Bewegungskultur

  • 14.01.2013, 07:20

Der Verein „Comot* – Bewegungskulturen & soziale Arbeit“ verfolgt mit seinem queer-feministischen Konzept einen außergewöhnlichen Ansatz. Claudia Aurednik hat für progress mit den Betreiber*innen, Trainer*innen und Trainierenden gesprochen.

Der Verein „Comot* – Bewegungskulturen & soziale Arbeit“ verfolgt mit seinem queer-feministischen Konzept einen außergewöhnlichen Ansatz. Claudia Aurednik hat für progress mit den Betreiber*innen, Trainer*innen und Trainierenden gesprochen.

Die beiden Sozialarbeiter*innen Sepideh Hassani und Mel Brugger haben 2012 den Verein „Comot*-Bewegungskulturen & soziale Arbeit“ gegründet. Comot ist die Abkürzung für „cultures of motion“ und soll auch auf das Wort „kommod“ im Sinne von gemütlich verweisen. Dies mag für viele Menschen irritierend klingen, da der Verein neben Yoga auch zweimal pro Woche Boxen und Thaiboxen anbietet. Doch für die Gründer*innen des Vereins sind diese Sportarten Teil ihres Konzepts, das Momente schaffen soll, in denen Bewegungen bewusst erlebt werden können. Bei Comot* stehen keine bestimmten sportlichen Ziele im Vordergrund, sondern die Beschäftigung mit dem Körper als Gesamtheit. Im Rahmen des Trainings sollen die Selbstwahrnehmung, Erweiterung und Entwicklung von Handlungskompetenzen gefördert werden.

Eine Besonderheit von Comot* ist dessen queer-feministischer Ansatz. Denn alle Angebote des Vereins finden finden innerhalb eines queer-feministischen Rahmens statt. Die meisten der Trainings sind für alle Geschlechter geöffnet. Comot* möchte mit diesem Ansatz insbesondere Menschen mit individuellen Identitätsentwürfen Raum bieten, die sich in hetero-normativen Zusammenhängen diskriminiert sehen. Ein einzigartiges und ehrgeiziges Konzept, das es in dieser Form in Österreich kein zweites Mal gibt. Seid Ihr neugierig geworden? Dann hört was die Gründer*innen Sepideh Hassani und Mel Brugger, die Yoga-Lehrer*in Silke Graf und die beiden Trainierenden Shiva und Julia in unserem progress-Podcast über den Verein Comot* erzählen!

Mel Brugger wird getragen von Sepideh Hassani und Silke Graf

Achtung: Comot* sucht bis 1. Februar dringend neue Trainingsräume. Falls Ihr dem Verein weiterhelfen könnt, so wendet euch an Mel Brugger und Sepideh Hassani: office@comot.at

Link zu den Trainingsräumlichkeiten

Infos über den Verein

 

Theorie und Party

  • 30.10.2012, 17:51

Das queer-feministisches Musikfestival rampenfiber findet heuer zum dritten Mal statt. Progress hat die Organisatorinnen* getroffen, um mit ihnen über feministische Popkultur, queer feministische danger zones und das Magazin fiber zu sprechen.

Das queer-feministisches Musikfestival rampenfiber hat heuer zum dritten Mal stattgefunden. Progress hat die Organisatorinnen* getroffen, um mit ihnen über feministische Popkultur, queer feministische danger zones und das Magazin fiber zu sprechen.

progress: Wie ist es zum rampenfiber gekommen?

Angela: Das erste rampenfiber hat 2006 stattgefunden. Die Idee ist damals aus dem Zeitschriftenprojekt fiber heraus entstanden, um die zehnte Ausgabe zu feiern. Wir wollten nicht nur ein Fest mit einer Band oder Auflegen machen, sondern etwas Größeres. Auch um ein Gegengewicht zu den stark *männlich-dominierten Auflegereien und Bühnenauftritten zu schaffen. Das hat sich damals auch noch in der Formulierung sehr widergespiegelt: „*Frauen fördern“. Das war jedenfalls die Intention 2006.
Zum rampenfiber 2009 kam es dann, als alle den Organisations-Schock vom ersten überstanden hatten. Es gab damals fast jedes Jahr ein Ladyfest oder queer-feministische Tage und in diesem Jahr gab es einfach nichts. Das kam uns wie ein Loch vor, da konnte man gut ein queer-feministisches Fest organisieren – also warum nicht wieder rampenfiber.

progress: Das Programm war heuer international angelegt – Noblesse Oblige beispielsweise kam nur fürs rampenfiber den weiten Weg aus London nach Wien. Wie kam es dazu?

Katrin: Das war extra gewählt. Als wir überlegt haben, worum sich das Festival thematisch drehen soll, haben wir uns dazu entschlossen, dass Internationalisierung ein Schwerpunkt sein soll.

Angela: Die Grunddiskussion war, warum wir rampenfiber überhaupt noch machen. Wir haben überlegt, warum wir es politisch wichtig finden ein queer-feministisches Musikfestival zu machen und internationale Vernetzung war ein Punkt, den wir dieses Jahr angehen wollten.

progress: Auch im Bezug auf die Künstler_innen und Genres war es vielfältig…

Angela: Was wir bei rampenfiber versuchen, ist zu zeigen, dass gerade *Frauen sehr unterschiedliche Musik machen. Dass es eben nicht immer nur Gitarre mit netter Stimme auf einem Stuhl ist, wobei das ja auch großartig ist. Wir wollen zeigen, dass es ganz Unterschiedliches gibt an Musiksparten, Genres, und Performances und das ist  auch dieses Jahr so passiert.

progress: In Österreich gibt es kaum *weibliche Produzentinnen, würde die Musiklandschaft anders aussehen, wenn mehr *Frauen hinter der Musik stehen würden?

Katrin: Das setzt so viele Vorannahmen voraus, die schon vielleicht zu klischeehaft werden. Die Annahme, *Frauen würden *Frauen fördern, stimmt eben nicht immer. Da unterscheidet sich die Gruppe *Frauen innerhalb oft mehr als zu *Männern.

Katharina: Und dann auch noch in eine Richtung, die so anders als der Mainstream ist.

Angela: In Wien gibt es mittlerweile mehrere Labels, die von *Frauen betrieben werden. Dadurch gibt es meiner Meinung nach eine verstärkte queer-feministische Musikszene. Daraus kann man schon rückschließen, dass wenn sich *Frauen mehr an die Dinge wagen und Projekte aufziehen, sich das Musikbusiness verändert.

progress: Die Veranstaltungsorte waren nicht die typischen queer-feministischen Räume. Wie kam es zu der Auswahl?

Katharina: Wir wollten diese Räume bespielen, um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen und nicht immer in einem kleinen Raum zu bleiben. Das birgt aber auch Gefahren. Da muss man mit bestimmten Situationen rechnen, die wir eher nicht wünschen. Wie damit umgegangen wird, ist ein großes Thema bei uns.

Katrin: Das war auch schon 2009 so, da stand dann groß auf einem Transparent über dem Eingang „You’re entering a feminist danger zone“, dieses Jahr ist es erweitert um die queer-feminist danger zone. Es soll eine queer-feministische Raumnahme sein. Ein ganz bewusster Satz, dem wir uns  aussetzen. Zum Beispiel, indem wir mit den Securities Workshops machen und uns mit ihnen absprechen.

progress: Wie geht ihr mit sexistischen Übergriffen um?

Daniela: Das ist auch ein Grund, warum es die Securitytreffen gab. Wir haben uns diesmal mit positiv und negativ Beispielen vom letzten Mal befasst. Eine wichtige Aussage von uns ist eben, dass nicht nur körperliche Gewalt Gewalt ist, sondern dass auch durchaus das Gegenüber sagt: „Das passt nicht, es reicht“.

Angela: Wir griffen dabei aber nicht nur auf die Securities zurück, sondern hatten auch Helfer_innen, die vor Ort und auch ansprechbar waren, wenn unangenehme Situationen passieren oder Übergriffe stattfinden. Uns ist sehr wichtig, dass das nicht nur auf die Securities ausgelagert wird. Und Raumnahme meint in dem Fall, wie kann ich den Raum so gestalten, dass sich alle angenehm sind.

progress: Das rampenfiber entstand aus der  Zeitschrift fiber, die Popkultur aus einem feministischen Blickwinkel beleuchtet. Was ist die Geschichte von fiber?

Katrin: Es ist aus dem Verein nylon entstanden. Mittlerweile gibt es fiber seit zehn Jahren und zwanzig Ausgaben. Ziel ist Präsenz in einem sehr *männlich-dominierten Musikbiz im Magazinbereich zu schaffen.

Angela: Damals unter der blau-schwarzen Regierung war klar, dass man eine Öffentlichkeit schaffen muss, die feministisch Gesellschaft und Popkultur kommentiert.

progress: fiber hat den Untertitel Werkstoff für Feminismus und Popkultur. Was ist dieser Werkstoff?

Katrin: Die Grundidee bei allen, die dieses Magazin gemacht haben, war mehr zu sein, als etwas, das man konsumieren kann. Mit der fiber soll etwas gemacht werden – gewerkt werden. Zum Teil in der wortwörtlichen Bedeutung, dass beispielsweise Bauanleitungen für einen Lipstick-Vibrator mit drinnen sind. Zum anderen aber, dass es etwas ist, womit man sich auseinander setzen kann. Bewusst kontroverse Themen angehen. fiber ist immer genau das, was Menschen auch einschicken; seien es Artikel, Illustrationen, oder was auch immer.

Katharina: Auch im Sinne eines Do-It-Yourself-Gedankens. Popfeminismus oder Popkultur ist immer wieder eine Diskussion, die wir im fiber haben. Das ist ja für jede_n etwas anderes, aber das ist es nicht nur. Es geht uns um feministische Bildsprache.

Angela: Popkultur darf eben nicht nur auf Musik, Film und Fernsehen reduziert werden. Popkultur muss als Gesellschaftskommentar verstanden werden.

Katrin: Auch, dass feministische Kritik nicht nur auf hochgeistigen Metaebenen und abgeschlossenen Räumen stattfindet, sondern eine Alltagsgeschichte ist. Das Private ist nun mal politisch und das Politische ist privat.

Daniela: Was die Popkultur eben auch markiert, ist die Mischung aus Theorie und Party. Was auch für eine queer-feministische Szene sehr markant ist.

progress: Wer ist eure Zielgruppe?

Angela: Wir produzieren ein Heft und ein Festival für ein interessiertes Publikum, das dem Gedanken des Queer-Feminismus nahe steht. Aber wir versuchen mit diesem Projekt auch Leute zu erreichen, die sich vorher noch nicht damit auseinandergesetzt haben und ich glaube, dass das Heft auch sehr gut kann.

Katrin: Sprache und Bildsprache sind nicht zu unterschätzen. “Macht Welt schafft Welt macht Realitäten” ist eine Grundüberzeugung. Die Grundaussage ist jedenfalls, dass Sprache nicht etwas ist das „nur“ ist, sondern Sprache kreiert Wirklichkeit und in der Hinsicht nutzen wir sie. Beim rampenfiber gibt es von fiber auch einen Workshop zu feministischer Mediengestaltung. 

Die offizielle Fiber Webseite

Das Magazin fiber besteht aus einem festen Kollektiv. Der Einstieg ist jederzeit möglich.
Zum Mitmachen einfach ein Mail an kontakt@fibrig.net schreiben oder zu einer der offenen Redaktionssitzungen vorbeikommen.

Feine Differenzierungen

  • 30.09.2012, 22:21

Eingeengt. Wer die Rollen neu schreibt. Auf den Spuren einer vielschichtigen Verweigerung.

Eingeengt. Wer die Rollen neu schreibt. Auf den Spuren einer vielschichtigen Verweigerung.

Transidentitäten

Wenn von trans*, Transgender oder Transidentität gesprochen wird, kann sehr Unterschiedliches gemeint sein. Der feinen Differenzierung geschlechtlicher Selbstverortungen steht hier die große Unwissenheit der breiteren Gesellschaft gegenüber. Wo hierzulande bis vor kurzem noch meist von „Transvestiten“ gesprochen wurde, und damit grob „Männer” in „Frauen“kleidern gemeint waren, wurden inzwischen zumindest Konzepte wie „Transsexualität“ und „Intersexualität“ durch die Medien aufgegriffen. In vielen  Darstellungen werden dennoch exotisierende Bilder bemüht, und wenn Trans*personen in den Medien vorkommen, dann oft auf stereotype Weise. Generell orientieren sich die Mediendiskurse dabei weniger an den Bedürfnissen von Betroffenen, als vielmehr an gesellschaftlichen Normvorstellungen. Wird Intersexualität nun aufgrund biologischer Ursachen zumindest formal teils anerkannt, so wird Intersex-Personen dennoch oft die Einordnung in ein klassisch zweigeschlechtliches Modell abverlangt. Bei Transsexuellen wird der Wunsch, im „anderen“ Geschlecht zu leben, häufig überhaupt infrage gestellt. Oft ist klischeehafte Überzeugungsarbeit von Transpersonen nötig, um anerkannt zu werden. Trans* ist ein sehr breites und meist allzu reduziert betrachtetes Label, das nichtzuletzt auch von vielen Menschen als Bezeichnung bewusst abgelehnt wird. Die angeführte Literaturversucht weitere Einblicke zu geben.

Transsexualität

Der Begriff „Transsexualismus“ wurde 1923 vom deutschen Arzt Magnus Hirschfeld eingeführt, um zu beschreiben, wie Personen sozial und physisch eine Transition in das „andere“ Geschlecht anstreben. Hirschfeld hat dabei bereits in den 1920er-JahrenTranssexuelle in ihrem Geschlechtswechsel unter stützt und begleitet. Faschismus und Nationalsozialismus haben allerdings der fortschrittlichen Geschlechterpolitik und -praxis ein Ende bereitet. Erst über Harry Benjamin wurde in den USA der 1950er-Jahre Transsexualität auch wissenschaftlich wieder wohlwollend aufgegriffen, wenn auch in patriarchalpaternalistischer Weise. Inzwischen ist die Existenz von Transfrauen (Mann-zu-Frau-Transsexuelle, MzF, MtF) und Transmännern (Mann-zu-Frau-Transsexuelle, FzM, FtM) akzeptierter. Dennoch wird Transsexualität auch nach wie vor medial sowie in der Mehrheitsgesellschaft als krankhaft angesehen und in Medien exotisiert.

Geschworene Jungfrauen

Die einzige institutionalisierte Form des Gender-Crossings in Europa finden wir in Albanien: die Tobelja („die, die einen Schwur abgelegt hat“). Eine Frau übernimmt dabei jegliche Tätigkeiten, die in der Regel „Männern“ vorbehalten bleiben, und legt jene Tätigkeiten ab, die „Frauen“ zugeschrieben werden. Eine körperliche Transition wird zumeist nicht angestrebt. Tobeljas entscheiden sich oft nicht selbst zu diesem Weg, sondern werden von der Familie in diese Rolle gedrängt. Sie werden oft stereotype, teils misogyne – also frauenverachtende – Männer. Dieses Modell stabilisiert rigide Geschlechternormen und wurzelt vor allem in sozialen Notlagen in einer traditionellen Gesellschaft. Als Folge der Gleichstellungsbestrebungen zwischen „Frau“ und „Mann“ imjugoslawischen Sozialismus ist dieses Modell inzwischen kaum noch verbreitet.

Gender Queer

Nicht in das vorgefertigte Rollenbild passen, das uns von der Gesellschaft vorgegeben wird: Das passiert oft leichter als man glaubt. Gender Queer oder Gender Fluid sind Identitätsbezeichnungen, die viele Menschen anwenden, um den engen Kategorien zu entfliehen. Beide Ausdrücke sind Überbegriffe, die verschiedenste Assoziationen zulassen. Es kann sich dabei um Menschen handeln, die sich mal mehr als Mann, mal mehr als Frau fühlen, oder sich in gar keiner geschlechtlichen Identität wohlfühlen. Aber es kann auch nur die sogenannte gender expression gemeint sein, also die typischen sozialen Verhaltensweisen, die sich nicht mit den Stereotypen decken. Nichts zu tun hat der Begriff mit sexueller Orientierung. (red)

Hijras und andere Konzepte

Außerhalb Europas gab und gibt es verschiedenste institutionalisierte Formen von Gender-Crossing und alternativen Geschlechtern: brasilianische Travestis, indische Hijras, „weibliche Ehemänner“ in verschiedenen afrikanischen Gesellschaften, oder verschiedene ambivalente Geschlechter in indigenen Gesellschaften in Nordamerika. Diese Beispiele zeigen, wie unterschiedlich Transgender-Identitäten sein können. Können manche davon identitätspolitisch inspirieren, warnen andere davor, dass eine großteils  geschlechterbinäre Hetero-Gesellschaft durch ein exotisiertes, ausgebeutetes „drittes Geschlecht“ auch stabilisiert werden kann.

Feministische Science-Fiction

Für eine emanzipatorische Geschlechterpolitik können gerade auch fiktive Geschlechterkonzeptionen sehr brauchbar und motivierend sein. So finden wir in verschiedenen feministischen Science-Fiction- Werken reichhaltige Überlegungen über alternativeModelle – von solchen, in denen Geschlecht keine Rolle mehr spielt, bis zu solchen, in denen es fünf oder mehr Geschlechter gibt. Ausgehend von dort verhandelten Konflikten lässt sich auch über die eigenen Praktiken und Möglichkeiten reflektieren. Zugleich bieten Science-Fiction-Romane auch einen Raum, sich selbst erst einmal mit dieser Thematik auseinanderzusetzen, außerhalb politisch verfahrener Kontexte.

Weitere Infos
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Empfohlene Lektüre:
Schröter, Susanne. 2002. FeMale. Über Grenzverläufe zwischen den Geschlechtern. Fischer Taschenbuch Verlag.

Serano, Julia. 2007. Whipping Girl: A Transsexual Woman on Sexism and the Scapegoating of Femininity. Seal Press.

Voß, Heinz-Jürgen. 2010. Geschlecht: Wider die Natürlichkeit. Schmetterling Verlag.

Science-Fiction:
Piercy, Marge. 1985. Woman on the Edge of Time. Women’s Press. Delany, Samuel R. 1996. Trouble on Triton: An Ambiguous Heterotopia. Wesleyan University Press. Scott, Melissa. 2009. Shadow Man. Lethe Press.

Organisationen/Links:
http://www.transx.at
http://www.intersexualite.de

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