Praktika

Mythos Praktikum

  • 11.05.2017, 19:54
Der Arbeitsalltag von Studierenden ist von prekären Arbeitsverhältnissen geprägt. Immer mehr junge ArbeitnehmerInnen finden sich in Scheinselbständigkeit, Praktika und Volontariaten wieder. Viele Unternehmen nutzen rechtliche Grauzonen schamlos aus, um sich auf ihre Kosten zu bereichern.

Der Arbeitsalltag von Studierenden ist von prekären Arbeitsverhältnissen geprägt. Immer mehr junge ArbeitnehmerInnen finden sich in Scheinselbständigkeit, Praktika und Volontariaten wieder. Viele Unternehmen nutzen rechtliche Grauzonen schamlos aus, um sich auf ihre Kosten zu bereichern.

Die meisten Jobausschreibungen beinhalten den kleinen Satz „mehrjährige Erfahrung im Bereich xy wünschenswert“. Um diese geforderte Erfahrung sammeln zu können, verschlägt es angehende ArbeitnehmerInnen dann in sogenannte Praktika. Die Unternehmen locken mit aufregenden Tätigkeiten und versüßen einem die Arbeit oftmals mit der Option auf Verlängerung oder gar Fixanstellung. Hier wären wir auch schon beim Mythos Praktikum angelangt, denn die Realität sieht meist leider anders aus: mangelnde Einschulung, schlechte oder keinerlei Bezahlung und nach einigen Monaten des Schuftens heißt es dann auf Wiedersehen. Anschließend beginnt für viele das ganze Spiel wieder von vorne. Für eine richtige Anstellung bringt man zu wenig Erfahrung mit, darum wird einem ein weiteres Praktikum angeboten oder empfohlen.

Kein Wunder also, dass laut einer aktuellen Erhebung der GPA-djp (Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier) mehr als ein Viertel der jungen ArbeitnehmerInnen schon vier oder mehr (freiwillige und verpflichtende) Praktika absolviert haben. 92 Prozent der Studierenden sehen zudem die Notwendigkeit, weitere Praktika zu absolvieren, um ihre Jobchancen am Arbeitsmarkt zu verbessern. ExpertInnen zufolge steigt die Anzahl an Praktikumsplätzen stetig, während die Aussichten auf ordentliche Arbeitsplätze auch für AbsolventInnen von BMS, BHS, Fachhochschulen und Universitäten eher trist sind. Die Zahl der arbeitslosen JungakademikerInnen ist im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass immer mehr Studierende sich in prekäre Arbeitsverhältnisse drängen lassen, sind diese doch allemal besser als gänzlich arbeitslos zu sein, oder? Der Bundesjugendsekretärin der GPAdjp Barbara Kasper zufolge verschließt die österreichische Wirtschaftskammer vor dem Prekariat die Augen. Die Unternehmen seien nur daran interessiert, durch Praktika Nachwuchs auszubilden und zu rekrutieren.

DER MYTHOS. Ein großes Problem ist, dass es laut Arbeitsrecht das Praktikum gar nicht gibt. Menschen in Österreich können als ArbeiterIn oder Angestellte/r beschäftigt werden oder freie DienstnehmerInnen sein, aber die Anstellungsform des Praktikums existiert nicht. Diese Titulierung dient in erster Linie dazu, die Entlohnung zu schmälern. Unternehmen wird so die Möglichkeit geboten, sich in rechtlichen Graubereichen zu bewegen und sogenannte Praktika werden zum lukrativen Geschäftsmodell auf Kosten der Jugend. Gerade das Argument der Unternehmen, man müsse sich neue MitarbeiterInnen erst einmal ansehen, ist an den Haaren herbeigezogen. Dafür gibt es längst ein geeignetes Mittel, genannt Probemonat.

Praktikum ist nicht gleich Praktikum. Pflichtpraktika sind im Rahmen einer (Hoch-)Schulausbildung zu absolvieren und können sowohl in Form eines Arbeitsverhältnisses als auch eines Ausbildungsverhältnisses gemacht werden, je nachdem welcher Aspekt überwiegt. Handelt es sich dabei um ein Arbeitsverhältnis, steht PraktikantInnen durchaus Gehalt zu. Als praktische Indikatoren können folgende Fragen dienen: Bin ich in die Hierarchie des Unternehmens eingegliedert? Gibt es jemanden, der mir anordnen kann, was ich zu tun und zu lassen habe? Übernehme ich eine betriebliche Aufgabe (zum Beispiel EMail- Korrespondenz für das Unternehmen)? Habe ich einen fixen Arbeitsplatz und eine eigene Mailadresse? Dank der Bemühungen der Gewerkschaft bilden viele Kollektivverträge die besondere Situation von PflichtpraktikantInnen inzwischen ab. Laut KV für Angestellte im Metallgewerbe werden PflichtpraktikantInnen die ersten zwei Monate mit 80 Prozent des regulären Einstiegsgehalts entlohnt, anschließend sogar voll. Volontariate sind hingegen reine Ausbildungsverhältnisse und dienen dem Hineinschnuppern in bestimmte Berufe. Man erhält dafür kein Geld, ist aber in keiner Art weisungsgebunden. Sprich: Es gelten keine Bürozeiten oder Kündigungsfristen. Nimmt man neben Schule oder Studium aber ein freiwilliges Praktikum an, handelt es sich hierbei in der Regel um ganz normale befristete Dienstverhältnisse, die dem jeweiligen Kollektivvertrag unterliegen und entsprechend bezahlt werden müssen.

ZWANGSBEGLÜCKT. Die Studierenden- Sozialerhebung 2016 zeigt, dass 2015 44 Prozent der 47.000 befragten Studierenden mindestens ein Praktikum absolviert haben, 25 Prozent ein Pflichtpraktikum und 28 Prozent ein freiwilliges. Die Ergebnisse der zuvor angesprochenen Studie der GPA-djp sind noch erheblich erschreckender. Es wurden 400 Universitäts- und FH-Studierende sowie SchülerInnen aus BMS, BHS oder sonstigen berufsbildenden Schulen befragt. 61 Prozent aller Studierenden und 82 Prozent aller SchülerInnen müssen im Rahmen ihrer Ausbildung ein Pflichtpraktikum vorweisen können. Diese nehmen nicht nur prozentual, sondern auch an zeitlichem Ausmaß zu. Bis zu 20 Wochen oder mehr müssen absolviert werden, um die Ausbildung beenden zu können. Wann und unter

welchen Bedingungen ihre Auszubildenden gezwungen sind zu arbeiten, interessiert die (Hoch-)Schulen in der Regel kaum. Kritisch hinterfragt werden muss hier, wozu Praktika in immer mehr universitäre Studienpläne aufgenommen werden. Warum müssen zum Beispiel Studierende des Bachelors Japanologie an der Uni Wien ein Praktikum im Ausmaß von 160 Stunden absolvieren?

Die Tätigkeitsfelder können bei der Absolvierung von Praktika stark variieren: bergeweise Akten kopieren, Kaffee kochen, Telefonzentrale spielen, für Vorgesetzte Einkäufe tätigen oder Recherchen erledigen, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Doch auch anspruchsvolle Positionen werden fallweise mit billigen PraktikantInnen besetzt, um etwa längere Krankenstände oder Karenzzeiten von MitarbeiterInnen zu überbrücken. So erlangt man mit Sicherheit wertvolle Berufserfahrungen, aber auch viel Stress um wenig Geld. Laut der psychologischen Studierendenberatung haben ca. ein Viertel aller Studierenden psychische Probleme wie Ängste, Depressionen und Krisen. Inwiefern hier ein Zusammenhang zwischen psychischen Erkrankungen und dem wachsenden Druck besteht, sei jetzt einmal dahingestellt. Doch der Studierenden-Sozialerhebung 2016 zufolge waren 61 Prozent der Studierenden auch unter dem Semester erwerbstätig, 18 Prozent davon sogar Vollzeit, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Von den Befragten gaben 54 Prozent an, Probleme dabei zu haben, Studium und Erwerbstätigkeit unter einen Hut zu bringen, und 26 Prozent waren stark von finanziellen Schwierigkeiten betroffen.

ARBEITEN ZUM NULLTARIF. Die traurige Wahrheit sieht zudem so aus, dass jede/r dritte Studierende zum Nulltarif arbeitet. Während der Verdienst bei SchülerInnen noch 68 Prozent des Anreizes ausmacht, sind es bei den Studierenden nur mehr ernüchternde 53 Prozent. Nur ein Drittel der Studierenden verdient bei Praktika mehr als 1.000 Euro und ein weiteres Drittel muss sich mit einem Gehalt von unter 800 Euro zufriedengeben.

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Auch in Bezug auf das Arbeitsverhältnis machen sich die ArbeitgeberInnen die Unwissenheit der jungen ArbeitnehmerInnen zum Vorteil. ArbeiterIn, Angestelle/r, DienstnehmerIn, freie/r DienstnehmerIn, Werkvertrag, Honorarnote – bitte was? Jeder Begriff steht für andere Rahmenbedingungen, Pflichten und Rechte, doch den Überblick zu behalten, fällt oft schwer. In der Regel lassen einem die Unternehmen ohnehin keine Wahl. Sollte es sich bei einem Praktikum aber um ein Arbeitsverhältnis handeln, kann auch im Nachhinein entsprechende Entlohnung bzw. die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen erstritten werden. Es empfiehlt sich dabei bereits vor Antritt eines Praktikums oder kurz nach dessen Beendigung, juristische Beratung aufzusuchen, um Ansprüche abzuklären. Nützliche Informationen hierzu bieten unter anderem die Arbeiterkammer, das Sozialreferat der ÖH sowie die GPA-djp. Diese setzt sich für eine einheitliche Regelung von Pflichtpraktika in den Kollektivverträgen im Sinne fairerer Entlohnung und Arbeitsbedingungen für die PraktikantInnen ein.Auch ein Verbot von Praktika nach der Fach- bzw. Hochschulausbildung steht auf dem Programm! Allerdings sind diese Forderungen nur dann von Erfolg gekrönt, wenn sie von den Betroffenen mitgetragen werden.

SICH ZUR WEHR SETZEN. Doch was kann man tun, wenn man un(ter)- bezahlt ist, einen falschen Werkvertrag ausübt oder in die Scheinselbstständigkeit gedrängt wird? Welche Mittel und Wege stehen einem/einer zur Verfügung, um doch noch zu seinem/ ihem Recht zu kommen? Es wäre schön, wenn es jungen ArbeitnehmerInnen finanziell möglich wäre, solch fragwürdige Jobangebote ablehnen zu können. Da aber die meisten auf Geld und/oder Berufserfahrung angewiesen sind, muss man zu anderen Mitteln greifen. Neben teuren Rechtsschutzversicherungen gibt es die Möglichkeit, die Arbeiterkammer aufzusuchen oder Gewerkschaftsmitglied zu werden. Die GPA-djp bietet beispielsweise eine kostenlose individuelle Erstberatung an. Möchte man anonym Missstände in seinem Praktikum melden, kann man dies unter watchlist-praktikum.at tun. Diese Plattform leitet die Daten auf Wunsch der PraktikantInnen an die Gebietskrankenkassen weiter, die die Unternehmen dann gegebenenfalls einer Prüfung unterziehen. Auch Stelleninserate, die mit dem Titel Praktikum versehen sind und hinsichtlich Entlohnung, Versicherung und Arbeitszeit zweifelhaft erscheinen, können dort gemeldet werden.

Möchte man sich den Ärger ganz ersparen, ist es ratsam, auf schwarzesbrett.oeh.ac.at nach Jobs mit dem Gütesiegel Praktikum der ÖH Ausschau zu halten. Diese müssen bestimmte Kriterien erfüllen und achten beispielsweise auf eine gerechte Entlohnung, die Art der Anstellung und den Umfang. Zudem legt die ÖH Wert auf eine geschlechts- und nationalitätsneutrale Formulierung der Inserate. Egal, an welche der Stellen man sich am Ende des Tages wendet, fair statt prekär ist einfach besser.

Julia Coufal hat Deutsche Philologie an der Universität Wien studiert und ist Funktionärin in der GPA-djp-Jugend Wien.

Vom Regen in die Traufe? – Aus dem Alltag einer (angehenden) Gerichtspraktikantin

  • 10.03.2016, 18:22
Insgesamt 41.856 Menschen haben im Studienjahr 2014/15 in Österreich Rechtswissenschaften studiert. Das sind immerhin 15 Prozent der Studierenden an öffentlichen Universitäten. Die allermeisten von uns machen nach dem Studienabschluss die Gerichtspraxis.

Insgesamt 41.856 Menschen haben im Studienjahr 2014/15 in Österreich Rechtswissenschaften studiert. Das sind immerhin 15 Prozent der Studierenden an öffentlichen Universitäten. Die allermeisten von uns machen nach dem Studienabschluss die Gerichtspraxis.

Mit einem juristischen Abschluss besteht ein Rechtsanspruch auf Zulassung zum Praktikum in der österreichischen Justiz – ein Masterstudium Wirtschaftsrecht erfüllt diese Voraussetzung auch. Die Anmeldung erfolgt am entsprechenden Oberlandesgericht. Die meisten verfügbaren Informationen über die Gerichtspraxis sind auf der Seite des BMJ abrufbar, unter anderem auch die notwendigen Angaben und Beilagen zum Gesuch, die sich je nach OLG-Sprengel durchaus unterscheiden.

Von der Seite kommst du auch in das ELAN-RP, ein Online-Lernprogramm, das vom BMJ zur Verfügung gestellt wird. Öffne es nicht in öffentlichen Räumen, zwinge Unbeteiligte nicht, mit dir zu leiden. Rechne mit dem Schlimmsten und finde dich einfach damit ab, denn nichts wird die Roboterstimme, den völlig unübersichtlichen Aufbau, die Schneckengeschwindigkeit, mit der das Programm Seiten lädt und die PDFs, die sich auch beim zwanzigsten Anklicken nicht öffnen lassen, erträglicher machen können.

In den fünf Monaten deiner Praxis kommst du an zumindest zwei verschiedene Gerichte, eine Strafzuteilung und eine Zivilzuteilung. Dabei handelt es sich um Bezirks- oder Landesgerichte. In den OLG-Sprengeln Linz und Innsbruck erfolgt die erste Zuteilung meist an ein Bezirksgericht. Bei Abgabe des Gesuchs ist anzugeben, ob eine Aufnahme in den richterlichen Ausbildungsdienst angestrebt wird. Diese Angabe kann in Wien während der ersten beiden Wochen der Praxis abgeändert werden, in Innsbruck jederzeit. Für die OLG-Sprengel Graz und Linz sind hierfür keine Informationen auffindbar.

Wer sich nicht um eine Übernahme bewirbt, kann auch einer Staatsanwaltschaft zugeteilt werden. Gegen Ende der Gerichtspraxis beginnt für die Übernahmswerber_innen das Auswahlverfahren der Richter_innenamtsanwärter_ innen, das aus einer regional unterschiedlichen Kombination von schriftlichen und mündlichen Prüfungen und psychologischen Tests besteht.

Prekariat, olé! Der OLG-Sprengel steckt auch die Grenzen der möglichen Zuteilung ab. Es kann gut passieren, dass in Folge einer Anmeldung beim OLG Graz eine Zuteilung im BG Hermagor hereinflattert. Frist für den Erhalt der Zuteilung gibt es übrigens keine, und Einspruchsmöglichkeiten auch nicht. Wenn zwei Tage vor Dienstbeginn noch kein Brief da ist, darf im OLG angerufen werden, früher bitte nicht.

Wie die Zuteilung erfolgt, ist ein wohlgehütetes Geheimnis, die Gerüchteküche reich und ergiebig. Angeblich hilft es, auf dem Gesuch zu erwähnen, dass einem kein Auto zur Verfügung steht, angeblich ist es besser BGs als Präferenz anzugeben als LGs. Angeblich werden verheiratete Gerichtspraktikant_innen und solche mit Kindern weniger oft zum Pendeln verurteilt. Wissen tut niemand so richtig irgendwas.

Ganz klar ist dafür, dass Gerichtspraktikant_ innen laut § 17 RPG ein Ausbildungsgehalt von € 1.035 Euro brutto erhalten, das sind netto ziemlich genau € 878,51 Euro. Mal abgesehen davon, dass es sich dabei um ein absolut indiskutables Vollzeitgehalt handelt, bringt es die statistischen zwei Drittel von uns, die bereits neben dem Studium aus finanzieller Notwendigkeit berufstätig waren, in ziemliche Schwierigkeiten. Neben einer Vollzeitbeschäftigung weiter einer anderen Arbeit nachzugehen, ist schwierig. Zudem fällt die Gerichtspraxis mit einer Zeit zusammen, in der viele finanzielle Erleichterungen wegfallen: Studienabschluss bedeutet auch den Abschied von Semesterticket, Studierendenheim, Familien- und Studienbeihilfe.

Zeig mir deine Eltern … In meinem OLG-Sprengel hält die Checkliste für das Gesuch zwei besonders schöne Details bereit. Erstens ist dem Gesuch ein handschriftlicher Lebenslauf beizulegen. Und das ist kein Witz. Sie nehmen nichts, das nicht mit der Hand geschrieben wurde. Nachdem ich keine Lust hatte, mit Bleistift kleine Kästchen für einzelne Worte zu basteln und mit bunten Zierzeilen zu versehen, und meine Schreibschriftversuche schlechter waren als die meines achtjährigen Cousins, habe ich zwei Stunden meines Lebens damit verschwendet, mit einer Lampe unter einem Glastisch meinen CV abzupausen – möglicherweise ist ja irgendwer von euch auf der Suche nach einer möglichst effizienten Methode. Allerdings müsst ihr dann damit rechnen, dass ein bebrilltes Gesicht mit blitzenden kleinen Greifvogelaugen euer Kugelschreiberwerk mit rümpfender Nase und abgespreiztem kleinen Finger entgegennimmt.

Zweitens müssen Namen und Beruf deiner Eltern auf dem Gesuch angegeben werden. Nicht nur dass man sich fragt, wann das mit den Eltern endlich aufhört, spätestens wenn sie dich fragt, ob das BA MA nach dem Namen deiner Mutter bedeutet, dass deine Eltern nicht verheiratet sind, oder ob das so ein ausländisches Ding ist, möchte die Donaustädterin in mir das Licht in ihren kleinen Greifvogelaugen abdrehen.

Und just in dem Moment drückt sie mir einen gelben Marker in die Hand und sagt „bitte die Fünfer anstreichen“. Als ob sie im Sammelzeugnis nicht sichtbar genug wären. Und dann sieht sie mir über die Schulter, damit ich ja nichts vergesse, und lässt mich dann die Summe meines Versagens unterschreiben. Ich denke an meinen kleinen Cousin, der eine bessere Schreibschrift hat als ich, und halte den Mund. Hätte ich das auf der Uni öfter gemacht, hätte ich jetzt weniger Fünfer anstreichen müssen.

Tamara Felsenstein studierte Jus an der Universität Wien und begann ihre Gerichtspaxis am 1. März 2016.

#oehwahlfahrt

  • 04.05.2015, 19:10

Zur ÖH-Wahl interviewen wir die Spitzenkandidat_innen der Fraktionen in ungewöhnlichen Settings.

Mit Lucia Grabetz (VSStÖ) fahren wir mit der S-Bahn zum Hauptbahnhof und sprechen über die Heimförderung, die Gemeinsamkeiten mit der Mutterpartei und darüber, was die aktuelle ÖH nicht so gut umgesetzt hat.

 

That's how we roll! Und zwar mit Philip Flacke (FLÖ - Fachschaftslisten Österreich) durch den Türkenschanzpark. Dabei sprechen wir über BiPol-Nerdigkeit, die Relevanz von ÖH-Räumlichkeiten an Unis und darüber, was die aktuelle Bundesvertreung nicht so gut gemacht hat.

 

Jens Eipper von der AG kutschieren wir durch die Innenstadt um ihn zu fragen, was er zum Narrativ der deutschen NC-Flüchtlinge sagt, wieso er doch gegen Studiengebühren ist und was die letzte ÖH richtig gemacht hat.

 

Mit der Liliputbahn geht es gemeinsam mit Magdalena Goldinger (FEST) durch den Prater. Wir reden über sinnvolle Anwesenheitspflichten, Zugangsbeschränkungen an Kunstunis und was eigentlich eine FH zu einer FH macht.

 

Für die zweite Runde haben wir uns bei einem hippen Carsharing-Unternehmen ein flottes Cabrio ausgeborgt, um mit Niko Swatek (JUNOS) am Weg von der Mahü zur FHWien über nachgelagerte Zwangsstudienbeiträge, ein gemeinsames Bildungsministerium und unbezahlte Praktika zu reden.

 

In der Wahlfahrt-Premiere nahmen wir mit Meryl Haas (GRAS) die Fahrrad-Rikscha durch den Prater zur WU. Olja Alvir spricht mit ihr über Gender-Budgeting, Koalitionspoker und grünes Bürger_innentum.

Exklusive Gesundheitsstudien

  • 23.05.2014, 17:42

Gedrängte Studienpläne, Wartejahre und unbezahlte Praktika stehen in den gesundheitswissenschaftlichen Studien der Fachhochschulen auf der Tagesordnung. Neben dem Studium zu arbeiten, ist kaum möglich – was zu einer schlechten sozialen Durchmischung führt

Gedrängte Studienpläne, Wartejahre und unbezahlte Praktika stehen in den gesundheitswissenschaftlichen Studien der Fachhochschulen auf der Tagesordnung. Neben dem Studium zu arbeiten, ist kaum möglich – was zu einer schlechten sozialen Durchmischung führt.

In knapp zwei Monaten beendet Barbara König ihr Radiologietechnologie-Studium an der Fachhochschule (FH) Campus Wien. Die 23-Jährige ist eine von 4.580 Studierenden der Gesundheitswissenschaften an Österreichs FHs. Zwar entschied sie sich nach der Matura erst für ein Biologie-Studium an der Uni Wien, nach zwei Semestern erkannte sie aber, dass ihr „das Praktische“ und „der Kontakt mit Menschen“ fehlte, also trat sie beim EMS-Test an, um einen Medizinstudienplatz zu bekommen. Dieser wurde ihr auch zugesagt – allerdings in Innsbruck. Ein Wohnortwechsel kam für die Wienerin aber nicht in Frage. Daraufhin begab sie sich auf die Suche nach einem anderem Studium.

Der Bachelorstudiengang Radiologietechnologie gehört neben Fächern wie Logopädie, Biomedizinische Analytik oder Musiktherapie zu den 14 an österreichischen FHs angebotenen Vollzeitbachelorstudien im Bereich der Gesundheitswissenschaften. Ihr Studium beschreibt König als „sehr technisch und anspruchsvoll“, trotzdem zog sie es ohne größere Komplikationen durch. „Es ist motivierend, wenn man ein Ziel vor Augen hat“, erklärt sie. Dadurch, dass es an den FHs kein „Verschieben aufs nächste Semester“ wie an der Universität gibt, sei alles planbarer und vor allem absehbar.

Bevor sie überhaupt zum Studium zugelassen wurde, musste König jedoch ein mehrstufiges Aufnahmeverfahren, bestehend aus Motivationsschreiben, psychologischem Test, Wissensabfrage und persönlichem Gespräch, absolvieren. „Die Zugangsbeschränkungen an den FHs führen dazu, dass sich Studierende für ein Studium an mehreren oder sogar allen Standorten bewerben“, sagt Michael Hnelozub, FH-Referent der ÖH-Bundesvertretung. Die FHs haben allerdings unterschiedliche Annahmefristen, weshalb FH-Erhalter_innen schon kurz nach der Zusage eine Kaution oder Studiengebühren einheben. Zum einen, um Planungssicherheit zu haben, wie viele Studierende ein Studium beginnen – aber auch, damit „sich Studierende nicht mehr umentscheiden können“, so Hnelozub. Studierende müssen sich somit sofort entscheiden, ob sie einen bereits sicheren Studienplatz annehmen oder lieber das Risiko eingehen und abwarten, ob sie noch eine Zusage von ihrer Wunsch-FH bekommen.

Solche Mehrfachbewerbungen waren bei Tobias Haas noch kein Thema. Er absolvierte von 2008 bis 2011, im ersten Jahrgang, das Bachelorstudium Gesundheit und Krankenpflege an der FH Campus Wien. Die Bewerber_innen wurden damals fast alle aufgenommen. Heute arbeitet Haas als Krankenpfleger in einem Wiener Spital und macht an der Uni Wien den Master in Pflegewissenschaften. An den FHs selbst gibt es nur selten weiterführende Masterstudien, die meisten aufbauenden Lehrgänge kosten mehrere tausend Euro.

Zwischen zwei Nachtschichten erinnert sich Haas daran, dass sein Studiengang, der als erster dieser Art an einer FH angeboten wurde, noch schlecht organisiert war: „Es war teilweise notwendig, nach den Praktika noch auf die FH zu fahren und Prüfungen zu schreiben. Das hat sich aber mittlerweile gebessert.“ Das Krankenpflegegesetz sieht ein Mindestmaß an Praktikumsstunden während der Ausbildung vor. Bei Haas umfassten sie die Hälfte der gesamten ECTSPunkte des Bachelorstudiums. „Dadurch musste der Theorieteil in 90 ECTS gequetscht werden“.

Theorie und Praxis. „Im Prinzip sind wir Montag bis Freitag mit unseren Praktika beschäf- tigt“, sagt König. Von Beginn an ist der Stundenplan der Radiologietechnologie in Theorieblöcke mit anschließenden praktischen Übungen in Krankenhäusern oder Diagnosezentren in Wien, Niederösterreich oder dem Burgenland unterteilt. Nach dem Aufnahmeverfahren mussten die Studierenden unterschreiben, dass sie für Fahrtkosten und Ähnliches selbst aufkommen können, erzählt König. Wenn ein Praktikum nur halbtags läuft, geht es danach zum Theoriebüffeln zurück an die FH. Praxis bekommen die Studierenden zusätzlich dadurch, dass sie an einander üben. „Wir legen uns etwa gegenseitig ein EKG an“, so König.

Die Pflichtpraktika, die sie absolvieren muss, sind, wie auch in den anderen gesundheitswissenschaftlichen Studiengängen auf der FH, unbezahlt. Bei der Studierendensozialerhebung 2011 gab kein_e einzige_r Studierende_r an, für ein Pflichtpraktikum in diesem Bereich bezahlt worden zu sein. Gleichzeitig gilt 100-prozentige Anwesenheitspflicht bei den Praktika. „Ich darf keine Sekunde verpassen“, kritisiert König, „wenn ich krank bin, kann ich aber einfach nicht kommen.“ Zwar gibt es meist die Möglichkeit das Versäumte in den Ferien nachzuholen. „Gern wird das aber nicht gesehen“, meint König.

„Das Problem, mit dem wir am öftesten konfrontiert sind, ist das der Studienjahrwiederholung“, sagt Hnelozub. Krank zu sein ist bei den Vollzeitstudien mit ihrem dichten Stundenplan nicht drin. Zwar gibt es die Möglichkeit, Fächer zu wiederholen – wenn eine kommissionelle Prüfung nicht bestanden oder die Anwesenheitspflicht in einer klinischen Übung nicht erreicht wird –, allerdings stellt dies Studierende vor weitere Probleme. „In den technischen Studien- fächern ist es meistens kein Problem, wenn man ein Fach in das nächste Jahr hineinzieht“, sagt Hnelozub. Wegen den Voraussetzungsketten in den Gesundheitsfächern „verliert man hier aber gleich ein ganzes Studienjahr“. Durch das stark begrenzte Platzkontingent in den Gesundheitswissenschaften kann es aber sein, dass im Folgejahrgang gar kein Studienplatz mehr frei ist. „Dadurch haben Studierende dann ein Wartejahr oder steigen aus dem Studium aus“, sagt der FH-Referent.

Vollzeitstudium und Teilzeitarbeit. Neben dem gedrängten Studienplan ist es schwierig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Lediglich zehn Prozent aller Studierenden der Gesundheitswissenschaften an FHs arbeiten während des ganzen Semesters, 17 Prozent jobben gelegentlich. König kellnerte an Wochenenden bis zu 30 Stunden, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, ein Job unter der Woche wäre unmöglich gewesen. Auch Haas hat während seinem Studium gearbeitet – als persönlicher Assistent: „Das waren sehr flexible Zeiten, die ich mir selbst einteilen konnte.“ Neben einem FH-Vollzeitstudium könne man im Grunde nur in „sehr prekären Verhältnissen“ jobben oder bezahlte Ferialpraktika absolvieren. Die schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Studium spiegelt sich auch in der sozialen Lage der Studierenden der Gesundheitswis-senschaften wider: 54 Prozent kommen aus einem bildungsnahen Elternhaus. Somit seien diese FH- Studien auch „sehr elitäre Studien“, sagt Hnelozub.

 

Oona Kroisleitner studiert Rechtswissenschaften an der Uni Wien.