PHs

Neues Lehramt

  • 23.02.2017, 17:36
Seit nunmehr einem Semester ist das Sekundarstufenstudium in Österreich flächendeckend im Rahmen von „Pädagog_innenbildung NEU“ (PBN) reformiert. Mythen und Unsicherheiten sind nach wie vor vorhanden.

Seit nunmehr einem Semester ist das Sekundarstufenstudium in Österreich flächendeckend im Rahmen von „Pädagog_innenbildung NEU“ (PBN) reformiert. Mythen und Unsicherheiten sind nach wie vor vorhanden.

Bisher wurden Lehrer_innen je nach Schultyp an verschiedenen Institutionen ausgebildet. Wer beispielsweise an einer Neuen Mittelschule (NMS) unterrichten wollte, studierte davor an einer Pädagogischen Hochschule (PH). Ein Lehramtsstudium an einer Universität qualifizierte zu AHS- und BHSLehrer_ in. Die PBN schreibt nun für alle Sekundarstufenlehrer_innen eine gemeinsame, einheitliche Ausbildung vor. Nach Abschluss des Studiums kann in sämtlichen Schultypen der Sekundarstufe (10-18 jährige Schüler_innen) unterrichtet werden. Die Ausbildung für Volksschullehrer_innen wurde im Bachelor um zwei Semester verlängert und benötigt nunmehr zusätzlich einen mindestens einjährigen Master. Im Zuge der PBN wurde weiters die Ausbildung der Sonderpädagog_innen reformiert. Der Mythos vom Ende der Sonderpädagogik ist jedoch falsch. Sonderpädagogik kann zwar nicht mehr als „eigenständiger Studiengang“ absolviert werden. Nun aber kann das Fach „Inklusive Pädagogik“ entweder als Schwerpunkt im Primarstufenstudium (vormals Volksschulstudium) oder als quasi Zweitfach im Sekundarstufenstudium gewählt werden. Inklusion wurde mit PBN als Prinzip in sämtlichen Curricula verankert. Wertschätzung und Anerkennung von Diversität sind grundlegende Gedanken dahinter. Artikel 24 der Behindertenrechtskonvention spricht von Inklusiver Bildung und meint damit „ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen“. „Ich sehe es als Vorteil, dass sich alle angehenden Pädagog_innen mit Unterricht von Schüler_innen mit verschiedenen Bedürfnissen auseinandersetzen und auf Individualisierung und Differenzierung vorbereitet werden. Alle Studierenden, die sich für eine Spezialisierung in diesem Bereich interessieren, werden nach dem Abschluss des Studiums für die Begleitung von Schüler_ innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in inklusiven Settings und an Sonderschulen – wie die früheren Sonderpädagog_innen – eingesetzt werden“, meint die Vizerektorin der Pädagogischen Hochschule Oberösterreichs Katharina Soukup-Altrichter. Bereits 2003 drückte ein OECD-Bericht die Notwendigkeit von Diversitätsmanagement aus: „Die Aufgaben und Anforderungen an die Rolle des Lehrers haben sich verändert, österreichische Lehrer sind sehr wissensorientiert, aber oftmals nicht gut vorbereitet auf die Verschiedenheit ihrer Schülerinnen und Schüler und deren Bedürfnisse.“

KOOPERATION UND VERBUND. PHs und Universitäten müssen für das Sekundarstufenstudium kooperieren und gemeinsame Studienpläne anbieten. In sogenannten „Verbünden“ oder „Clusterregionen“, zu denen sich verschiedene Universitäten und PHs zusammengeschlossen haben, wird dies praktisch realisiert. Mittlerweile gibt es vier solcher Verbünde: Nord- Ost (der Zusammenschluss von PHs und Unis in Wien und Niederösterreich), Süd-Ost (Kärnten, Burgenland und Steiermark), Mitte (Oberösterreich und Salzburg) und West (Tirol und Vorarlberg). Die Verbünde haben jeweils Studienpläne für alle Lehramtsstudierenden in der jeweiligen Region ausgearbeitet. Das Ergebnis: vier verschiedene Curricula für Lehramtstudierende der Sekundarstufe.

OPTIMISMUS. „Mit PBN wird ein weiterer wichtiger Meilenstein in der österreichischen Bildungspolitik gesetzt“, heißt es dazu aus dem Bildungsministerium. „Die hochwertige Ausbildung der pädagogischen Berufe auf tertiärem Niveau und die mehrstufigen Eignungs- und Aufnahmeverfahren führen zu Qualitätssicherung und letztlich Gleichwertigkeit der pädagogischen Berufe.“ Durch das neue Lehramt sollen in Zukunft die geeignetsten Studierenden ausgewählt werden, eine einheitliche Ausbildung erhalten und nach dem Studium alle Schüler_innen einer gewissen Altersgruppe, egal in welchem Schultyp, unterrichten können. Soweit jedenfalls die Theorie. Denn die betroffenen PHs, Universitäten und Studierendenvertreter_ innen sehen die neuen Lehramtsstudien weit weniger optimistisch als das Bildungsministerium. Sie kritisieren Mängel in der Entstehung und in der Umsetzung der Reform. „Einer unserer Hauptkritikpunkte ist, dass man sich viel zu lange Zeit für die Umsetzung gelassen hat, zum Beispiel beim Erstellen der neuen Curricula, insbesondere im Verbund Nord-Ost. Und das, obwohl schon lange klar war, dass die Pädagog_innenbildung NEU kommt“, kritisiert etwa Magdalena Goldinger von der ÖH-Bundesvertreung im Gespräch mit progress. „Man hat das einfach auf die lange Bank geschoben, und dann musste alles plötzlich schnell gehen.“ Dadurch wären Curricula zu spät ausgearbeitet worden und für die betroffenen Studienanfänger_innen sei es schwierig abzuschätzen, wie ihr Studium verlaufen wird. Weiters gibt es eine Reihe inhaltlicher Kritikpunkte und Unklarheiten.

Offen ist bis jetzt die grundsätzliche Frage, wo genau angehende Lehrer_ innen studieren werden. Denn die Universitäten und Hochschulen in den einzelnen Verbünden sind teilweise weit voneinander entfernt. Wie die Kooperation der verschiedenen Standorte dabei im Detail aussehen wird, ist von Verbund zu Verbund verschieden. Bisher garantiert nur der Verbund Süd-Ost, also die Steiermark, Kärnten und das Burgenland, dass ein Lehramtsstudium an einem einzigen Standort möglich sein wird. In den anderen Verbünden müssen Lehramtsstudierende möglicherweise zwischen verschiedenen Standorten pendeln. Ein genauer Studienort wird kaum mehr zuordenbar. Mobilität und Verkehrsanbindung werden bei mehreren hundert Kilometern Standortunterschied zur wesentlichen Voraussetzung für das Lehramtsstudium. Dies ist nicht zuletzt durch die Fahrtkosten, die momentan damit verbunden wären, eine kaum überwindbare Hürde für viele Studierende. Damit drängt sich die Notwendigkeit einer praktikablen Fahrtförderung auf, wie sie beispielsweise von der ÖH mit dem österreichweiten Studierendenticket (siehe Seite 8) gefordert wird.

Ein Punkt, an dem sich die Geister zwischen PHs und Unis scheiden, ist der Anteil der Praxisstunden im neuen Curriculum. Lehramtsstudierende an Universitäten werden im neuen Curriculum während des Studiums deutlich mehr Praxisanteil haben als bisher. An den PHs reduziert sich der Anteil der Praxis im Bachelorstudium allerdings. „Im Vergleich zu den bisherigen 30 ECTS-Punkte Schüler- Kontakt im NMSStudium kann diese Neuerung schwer als Verbesserung bezeichnet werden“, kritisiert daher Dominik Weinlich von der Studierendenvertretung der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/ Krems, die nun mit der Universität Wien im Verbund Nord-Ost zusammenarbeitet. Nicht ganz so dramatisch wird diese Entwicklung von der Vizerektorin Soukup-Altrichter gesehen: „Es gibt viele Vorteile im neuen Sekundarstufenstudium. Die Kooperation zwischen PHs und Unis kann eine Akademisierung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Professions- und Praxisnähe bieten. Wir werden auch weiterhin bereits im ersten Semester Erfahrungsmöglichkeiten im Praxisfeld Schule bieten.“ Dass auf die Kooperationspartner jedoch auch weiterhin Herausforderungen warten, zeichnet sich ab. Seit jeher unterrichten an PHs besonders viele „Praktiker_innen“. Vielfach sind es hier langjährige Lehrer_ innen, die Lehrveranstaltungen zu Didaktik halten. Sie können aus ihren Erfahrungen in der Schule schöpfen. Dieser Praxisbezug geht eventuell verloren, wenn auch bei Lehrenden die formellen Abschlüsse immer mehr gewertet werden. So war insbesondere der Lehrendenpool (welche ProfessorInnen welche Lehrveranstaltungen halten dürfen) ein großes Thema bei den Verhandlungen.

UMSETZUNG HAKT. Grundsätzlich ist die einheitliche Ausbildung von Lehrer_ innen eine gute Idee. In dem Punkt sind sich Studierendenvertreter_ innen durchaus mit dem Bildungsministerium einig, nur die Umsetzung wird kritisiert. „Dafür müsste es eigentlich eine Auflösung der verschiedenen Hochschulsektoren geben. Die Lehrer_innenbildung müsste in einer einzigen School of Education zusammengefasst werden“, schlägt Goldinger vor. Wenn alle Lehrer_innen denselben Studienplan durchlaufen, macht die Einteilung in Universitäten und PHs ja keinen Sinn. In so einem Gesamtkonzept müsste dann auch die Ausbildung von Elementarpädagog_innen enthalten sein, so Goldinger. Das ist allerdings Zukunftsmusik. Wie sich Studienanfänger_innen im aktuell eingeführten System zurechtfinden, ist noch schwer abzuschätzen. Die Inskriptionszahlen haben sich im Vergleich zu früheren Jahren kaum verändert. Die PBN dürfte für Studienanfänger_innen also weder besonders anziehend noch abschreckend wirken. Die Beratungsstellen der ÖH an Pädagogischen Hochschulen verzeichnen allerdings vermehrte Anfragen von Studieninteressierten, die wissen wollen, ob es tatsächlich nicht mehr möglich sei, sich nur für das NMS-Studium zu inskribieren. „Möglicherweise sind sich die Studienanfänger_innen des neuen Systems noch nicht bewusst“, sagt Goldinger. Für ein Fazit sei es dennoch viel zu früh, meint sie, die selbst an einer PH Lehramt studiert: „Wie die PBN dann tatsächlich funktioniert, sehen wir erst später an den Drop-out- Raten, also daran, wie viele derer, die sich jetzt für Lehramt inskribieren, das Studium tatsächlich abschließen.“ Studienanfänger_ innen rät sie, den jeweiligen Hochschulen und Studierendenvertretungen aktiv Feedback zu geben und darauf hinzuweisen, wenn es in einem bestimmten Bereich Probleme gibt. „Wir können noch gar nicht sagen, wie das alles genau funktionieren wird, also können wir auch keine Tipps geben. Die meisten Hochschulen sagen: Wir sind einmal gestartet, die Umsetzung ist jetzt ein laufender Prozess und dafür müssen wir versuchen, Feedback einzuholen.“ Fraglich ist die Art und Weise, wie das Schul- beziehungsweise Bildungssystem als Ganzes in dieser Reform mitbedacht wurde. Und ebenso ungelöst ist, wie die geforderte gesellschaftliche Aufwertung der Lehrer_innen passieren soll.

Magdalena Liedl studiert Zeitgeschichte an der Universität Wien.
Katharina Harrer studiert politische Bildung an der Johannes Kepler Universität in Linz.

Podcast: Das Privileg der Bildung teilen

  • 21.10.2015, 16:03

Wie PH-Studierende ratzfatz neue Deutschlernunterlagen für Geflüchtete entwickelt haben.

Studierende an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich haben für Geflüchtete im Sommer Deutschkurse organisiert und dafür ein Skript zum Gratisdownload  entwickelt. Zu Wort kommen Katharina Harrer und Armin Fellner vom Organisationsteam, die sich Gratis-Öffitickets für Geflüchtete wünschen, Kathi (Pädagogin) die von der Sachspenderin zur Deutschlehrerin für Geflüchtete wurde, Sako, der vom Flüchtling zum Dolmetscher am Bahnhof wurde sowie Mohammed, der sich mehr praktisches Lernen wünscht und Ali, der sein Bauingeneurstudium in Österreich abschließen möchte.
 

Alles neu im Lehramt?

  • 21.03.2014, 12:33

Rund vier Stunden mehr pro Woche in der Klasse, weniger Geld, Berufseinstieg schon nach dem Bachelor – die Regierung hält das neue LehrerInnendienstrecht für einen Geniestreich, die Gewerkschaft ist sauer. Passend dazu wird auch die Ausbildung für angehende LehrerInnen komplett neu konzipiert. Was bedeutet das alles konkret für Lehramtsstudierende?

Rund vier Stunden mehr pro Woche in der Klasse, weniger Geld, Berufseinstieg schon nach dem Bachelor – die Regierung hält das neue LehrerInnendienstrecht für einen Geniestreich, die Gewerkschaft ist sauer. Passend dazu wird auch die Ausbildung für angehende LehrerInnen komplett neu konzipiert. Was bedeutet das alles konkret für Lehramtsstudierende?

Demonstrationen, ein scheinbar unendlicher Koalitionskrieg zwischen SPÖ und ÖVP, innerparteiliche Flügelkämpfe und ein zähes Ringen zwischen Gewerkschaft und Regierung prägten die insgesamt über ein Jahrzehnt dauernden Verhandlungen über das neue LehrerInnendienstrecht. Am 17. Dezember des vergangenen Jahres wurde das Gesetz dann im Parlament beschlossen. Ab dem Schuljahr 2019/20 tritt es voll in Kraft – bis dahin können neu in den Dienst eintretende LehrerInnen zwischen dem neuen und dem alten Dienstrecht wählen. Das neue Modell betrifft in erster Linie das Gehalt der LehrerInnen: Statt zweijährigen Gehaltssprüngen gibt es nun nur noch sieben Gehaltsstufen. Außerdem werden erstmals alle LehrerInnen gleich bezahlt, egal an welchem Schultyp sie unterrichten. Das Einstiegsgehalt der AHS- und BHS-LehrerInnen steigt dabei um rund 200 Euro, das der Volks-, Haupt- oder SonderschullehrerInnen um rund 400 Euro. In Bezug auf die Anzahl der Unterrichtsstunden bringt das neue Dienstrecht mit sich, dass LehrerInnen zwei bis vier Stunden pro Woche länger in der Klasse stehen müssen. Eine Zulage von bis zu 679 Euro pro Monat gibt es in allen Schultypen für Fächer, die mit einem höheren Vor- oder Nachbereitungsaufwand verbunden sind. Auch für Leitungs- oder Beratungsfunktionen sind zusätzliche Vergütungen vorgesehen.

Mehr Arbeit für weniger Geld. Kritik an dem neuen Dienstrecht übt unter anderem die Initiative für ein faires Dienstrecht für LehrerInnen (IFDL), eine unabhängige und überparteiliche Gruppe von JunglehrerInnen sowie LehramtsstudentInnen. Sie hat sich über soziale Netzwerke organisiert und tritt vehement gegen das neue Dienstrecht auf. Der IFDL ist vor allem die Ausweitung der Lehrverpflichtung ein Dorn im Auge: Sie würde sich vor allem in den Sprachfächern, aufgrund der hohen Vor- und Nachbereitungszeit potenzieren, so das Argument. PH-Studentin Anna Rauch schließt sich dieser Kritik an: „Vier Stunden mehr aktiv zu unterrichten, das fällt ins Gewicht. Da bleibt auf jeden Fall weniger Zeit für Vor- und Nachbereitung.“ Auch die individuelle Betreuung der SchülerInnen würde darunter leiden. Außerdem entsteht durch die erhöhte Arbeitszeit und die geringere Bezahlung auf lange Sicht eine erhebliche Gehaltseinbuße.

Des Weiteren bemängelt die IFDL, dass bei der Kalkulation der Arbeitszeit von LehrerInnen nur die reine Unterrichtszeit miteinbezogen wird. Auch Vor- und Nachbereitung, Gangaufsichten, Gespräche, Vertretungsstunden, Organisationsarbeit, Konferenzen, Fortbildungen (welche nunmehr außerhalb der Unterrichtszeit stattfinden müssen) etc. müssten berücksichtigt werden. Kritisiert wird auch die neue Regelung, dass LehrerInnen in Fächern eingesetzt werden können, für die sie nicht ausgebildet sind. Darf man als DeutschlehrerIn also künftig Physik unterrichten? Das Unterrichtsministerium erklärte in einem Telefonat: „Nein! Hier wurde die Bestimmung vom alten Gesetz übernommen. Dass LehrerInnen vermehrt fachfremd eingesetzt werden sollen, ist ein Gerücht, das sich hartnäckig hält.“ Wenn LehrerInnen länger als ein Semester ein Fach unterrichten sollen, für das sie nicht ausgebildet sind, bedarf dies laut dem neuen Dienstrecht ihrer Zustimmung, sonst kann das nur vorübergehend und „aus wichtigen dienstlichen Gründen“ passieren.

Anne-Sophie Zechmeister, die an der Uni Wien Lehramt Englisch und Deutsch studiert, fühlt sich durch die ständigen Änderungen zunehmend entmutigt: „Durch laufende Erneuerungen – neues LehrerInnendienstrecht, Zentralmatura, Bildungsstandards etc. – fühlt man sich als angehende/r JunglehrerIn doch etwas überfordert. Von Transparenz ist keine Spur. Es scheinen sich jede Menge Herausforderungen anzuhäufen, die man nach dem Studium bewältigen soll.“

Die Vorsitzende der neuen Studienprogrammleitung Lehrer/innenbildung, Universitätsprofessorin Barbara Schneider-Taylor, sieht ebenfalls noch viel Klärungsund Aufklärungsbedarf, was das neue Dienstrecht angeht: „Ich sehe mich selbst dafür verantwortlich, dass die Studierenden der Universität Wien noch mehr als bisher auf diese Problematik aufmerksam gemacht werden.“ Sie will die Studierenden aber auch anregen, sich selbst im Zuge ihrer Ausbildung stärker mit der Thematik zu befassen: „Studierende des Lehramts müssen, ebenso wie andere Studierende, während ihres Studiums ein Bewusstsein entwickeln, in welchem rechtlichen Raum sie sich künftig bewegen werden.“

Bologna-System und mehr Pädagogik. Nicht nur das Dienstrecht, auch die LehrerInnenausbildung wird sich verändern. Glaubt man dem Ministerium, soll mit der Pädagog/innenbildung NEU die Qualität der Ausbildung gesteigert werden. Mit dem Studienjahr 2014/15 müssen alle Lehramtsstudien an der Uni Wien vom Diplomstudium auf das Bachelor-Master-System umgestellt werden. Dadurch sollen die Lehramtsausbildungen vereinheitlicht werden. Unabhängig vom Schultyp müssen alle LehramtsstudentInnen an Uni und PH dann ein vierjähriges Bachelorstudium absolvieren. Danach ist, eventuell berufsbegleitend, ein ein- bis eineinhalbjähriges Masterstudium anzuhängen, das für eine Fixanstellung nötig ist. Vorgesehen ist dabei eine stärkere Kooperation der PHs mit den Universitäten. „Die Idee ist, dass PH und Unis keine Konkurrenten mehr sind“, heißt es aus dem Ministerium. Die Zusammenarbeit soll auch im Bereich der Weiterbildung intensiviert werden. Hehres Ziel des Ministeriums ist eine stärkere Durchlässigkeit zwischen Unis und Pädagogischen Hochschulen, sie sollen gleichwertig werden, Ministerium und Gewerkschaften wollen die Pädagogischen Hochschulen „akademisieren“: Ab 2029 sollen nur noch Master-AbsolventInnen in den Klassen stehen. Für künftige PflichtschullehrerInnen dauert die Ausbildung somit fast doppelt so lange wie bisher.

Auf das Studium folgt, anstatt des bisherigen Unterrichtspraktikums, eine ein- bis zweijährige Berufseinführungsphase bei bereits bestehendem Dienstverhältnis. In dieser Zeit werden die jungen LehrerInnen von speziell ausgebildeten MentorInnen begleitet. Außerdem kann währenddessen das Masterstudium absolviert werden. Lisa Strasser, seit zwei Jahren Volksschullehrerin in Wien, ist skeptisch: „Mir fehlt jetzt schon die Zeit, um mich mehr vorzubereiten. Bei einem zusätzlichen Master leidet die Qualität hundertprozentig.“ Auch Maria Wörister, die an der Uni Wien Deutsch und Geschichte auf Lehramt studiert, ist davon überzeugt, dass die Qualität des Unterrichts durch die neue Ausbildung eher sinkt als steigt: „Die Erhöhung der Arbeitszeit bringt mit Sicherheit Verschlechterungen im Betreuungsverhältnis mit sich.“

Aufnahmeverfahren. Ab nächstem Wintersemester gibt es laut dem neuen Universitätsgesetz auch für das universitäre Lehramtsstudium ein Aufnahmeverfahren. Bisher war das nur an den Pädagogischen Hochschulen der Fall. Für das Wintersemester 2014/15 ist an der Uni Wien ein dreistufiges Prozedere vorgesehen. Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine Selektion. Alle, die das ganze Verfahren durchlaufen, bekommen einen Studienplatz. Zuerst findet ein Online-Assessment statt, in dem die persönlichen Erwartungen und Interessen geklärt werden können, der Informationsstand zum Lehramt vertieft wird und die AnwärterInnen sich anhand psychologischer Tests mit ihrer persönlichen Eignung auseinandersetzen. Weiters wird es am 1. September einen schriftlichen Test über logisch schlussfolgerndes Denken, verbale und analytische Grundkompetenzen sowie Wissen über eine Sammlung einführender bildungswissenschaftlicher Texte geben. Alle BewerberInnen, die 30 Prozent der Punkte erreichen, werden automatisch zugelassen, die anderen werden zu einem Informations- und Beratungsgespräch eingeladen und erhalten eine Analyse ihrer Testergebnisse und Empfehlungen zum Studieneinstieg. Laut einem Newsletter des Rektorats der Uni Wien erwartet man sich davon, „dass die strukturierte Auseinandersetzung mit dem Studienwunsch und dem Berufsbild LehrerIn zu einer fundierten Studienwahl und einem besseren Studieneinstieg führt“. Das Vorsitzteam der ÖHBundesvertretung sieht das anders: „Die geplanten Aufnahmeprüfungen für alle PädagogInnen lehnen wir aufs Schärfste ab. Aufnahmeverfahren hindern vor allem finanziell schlechter gestellte Studierende am Studium. Die Universität Innsbruck plant sogar, rechtswidrige Gebühren für den Aufnahmetest zu verlangen. Zudem ist die Überprüfung der scheinbaren Eignung bereits vor Antritt des Studiums mehr als fragwürdig.“ Wie andere Universitäten das Aufnahmeverfahren im Detail gestalten wollen, ist noch nicht bekannt.

An den Studienplänen für das Lehramt NEU bastelt das Ministerium noch. Bis zum Wintersemester 2015/16 sollen sie fertig sein. Fachdidaktik, pädagogische Inhalte und Wahlfächer sollen ausgebaut werden, ebenso sollen mehr Praxisstunden an Schulen absolviert werden. Außerdem sind im Lehramt NEU Zeitfenster vorgesehen, die LehramtsstudentInnen anregen sollen, ins Ausland zu gehen und Erfahrungen für den Umgang mit immer multikulturelleren Klassen zu sammeln.

Lehramt neu denken. Eine Änderung des Curriculums wird von den Lehramtsstudierenden aber durchwegs positiv aufgenommen: „Pädagogik sollte viel praxisbezogener sein. Wie man mit SchülerInnen im Unterricht umgeht, muss viel ausführlicher besprochen werden. Und nicht zuletzt müsste man als StudentIn viel öfter und früher Unterrichtsstunden halten, um herauszufinden, ob der Beruf überhaupt für einen geeignet ist“, sagt Ulli Grill, die in Wien Mathematik und Darstellende Geometrie auf Lehramt studiert. Auch die PH-Studentin Julia Schmidt stimmt dem zu: „Das Wichtigste ist die Praxis. Davon haben wir auf der PH schon viel, aber es kann ruhig noch mehr sein. Vor allem in der AHS fehlt die Praxis.“ In ihrem bildungspolitischen Positionspapier Forum Hochschule sieht die ÖH-Bundesvertretung es als künftige Herausforderung der LehrerInnenausbildungen, die Stärken der praxisbezogenen PH- und der fachlich-wissenschaftlichen Uni-Ausbildung in einem gemeinsamen System zu vereinen.

Simon Weinberger ist Lehramtsstudent an der KFU Graz für die Fächer Physik und Geographie und kritisiert vor allem die inadäquate Behandlung der LehramtsstudentInnen an den Universitäten: „Oft sind die Lehrveranstaltungen für LehramtsstudentInnen nicht an ihren späteren Berufsweg angepasst. Aufgrund von Sparmaßnahmen haben wir oft die selben Lehrveranstaltungen wie jene Studierenden, die das Fach nicht auf Lehramt studieren. Das ist nicht förderlich.“

Während die Kritik am Dienstrecht überwiegt und sich kaum zustimmende Positionen unter den angehenden LehrerInnen finden, wird die neue Ausbildung differenzierter beurteilt: Moritz Deininger, der an der KFU Graz Englisch und Geschichte auf Lehramt studiert und sich auch in der Studienvertretung engagiert, spricht abschließend noch einen wichtigen Punkt an: das allgegenwärtige LehrerInnen-Bashing. „Was mich besonders nervt, ist der Reflex mich bereits jetzt für meinen zukünftigen Beruf rechtfertigen zu müssen. Die dienstrechtliche Debatte, zusammen mit der fragwürdigen Berichterstattung, hat da viel böses Blut gemacht und ich finde es unfair, dass wir angehenden Lehrenden das nun ausbaden können!“

 

Fragen und Antworten zum neuen Dienstrecht: http://bit.ly/1dSgbcu

Blog der Initiative für ein faires Dienstrecht für LehrerInnen: http://ifld-blog.at

 

Lisa Breit studiert Publizistik, Margot Landl Lehramt Deutsch und Geschichte sowie Politikwissenschaften an der Universität Wien.