Nationalsratswahl

Hochschulpolitische Fragen

  • 11.10.2017, 21:11
Neues Semester, neue Regierung, neues Glück?

Bildung und Wissenschaft sind nicht gerade trendy im aktuellen Wahlkampfherbst. Auch in den großen Konfrontationen blieben Wissenschaftspolitik und Bildung bis jetzt außen vor. Wir haben die bundesweit kandidierenden Parteien – und zwar alle – dazu befragt, wie sie zu spezifischen hochschulpolitischen Fragen stehen.

Have a look.

Unser hochschulpolitischer Fragebogen an alle bundesweit kandidierenden Parteien:

1. Wirtschafts-, und Wissenschaftsministerium sind ja derzeit zusammengelegt. Ist Ihre Partei für ein eigenständiges Wissenschaftsministerium, und warum (nicht)?

2. Welche Hochschule, beziehungsweise das Hochschulsystem welches Landes hält Ihre Partei für vorbildhaft?

3. Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um die soziale Durchmischung des Hochschulsystems auszubauen und sozialer Selektion entgegenzuwirken?

4. Der Hochschulzugang in Österreich für Drittstaatsstudierende hat sich in den letzten Jahren drastisch erschwert (Stichwort Anerkennung Deutschzertifikate an der Uni Wien, doppelte Studiengebühren). Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

5. Wie stellen Sie sich die zukünftige Entwicklung des Fachhochschulsektors vor?

Damit der Artikel nicht zu unübersichtlich wird findet ihr hier die Links zu den Antworten der jeweiligen Partei/Liste:

Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ)

Liste Kurz (Österreichische Volkspartei)

Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)

Die Grüne Alternative (Die Grünen)

NEOS - Das Neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung (NEOS)

Kommunistische Partei Österreichs und Plattform Plus - offene Liste (KPÖ) 

Liste Peter Pilz (PILZ)

Freie Liste Österreich & FPS Liste Dr. Karl Schnell 

Die Weissen - Das Recht geht vom Volk aus. Wir alle entscheiden in Österreich. Die Volksbewegung (Weiße)

Liste Roland Düringer - Meine Stimme GILT (GILT): Hat uns keine Antworten geschickt

Zwischen Alarmismus und Ignoranz

  • 25.10.2013, 23:24

Zur Rezeption des tatsächlichen und angeblichen Rechtsruckes. Ein Kommentar von Andreas Peham (DÖW) über die Reaktionen nach den letzten Nationalratswahlen.

Zur Rezeption des tatsächlichen und angeblichen Rechtsruckes. Ein Kommentar von Andreas Peham.

Aus einem lauen Nationalratswahlkampf, in dem sich weder die Medien noch die konkurrierenden politischen Kräfte für die Chronique scandaleuse der FPÖ interessierten und radikale Linke kaum mehr protestierend intervenierten, ging die parteiförmige extreme Rechte wenig überraschend als strahlende Siegerin hervor. Jedoch war ihr Erfolg nicht so groß, wie manche glauben machen wollen. Die FPÖ wurde nicht zweitstärkste Kraft und erlitt in ihrem Hauptzielgebiet Wien sogar Stimmenverluste. Gemeinsam mit dem BZÖ haben die Freiheitlichen im Vergleich zu den Wahlen 2008 bundesweit gar mehr als 100.000 Stimmen verloren. Dass sich Heinz-Christian Strache dennoch in Siegerpose wirft, gehört zu seinem politischen Geschäft. Rechtsextremismus und autoritärer Populismus brauchen Stärke, ja Unbesiegbarkeit, um erfolgreich zu sein. Ähnliches gilt für eine Medienindustrie, die ihr gutes Geschäft vor allem mit schlechten Neuigkeiten und Übertreibungen macht. Aber warum stimmten nach den Wahlen auch Linke in den Chor vom Rechtsruck ein?

Rechte Normalisierung. Sicher, dieser Rechtsruck ist durchaus österreichische und europäische Realität, aber er erschöpft sich bei Weitem nicht in Wahlerfolgen extrem rechter und autoritär-populistischer Parteien. Als gesamtgesellschaftliches Phänomen macht er vor den anderen Parteien nicht halt. Er drückt sich auf verschiedensten Ebenen aus: vom Abbau der Demokratie und des Sozialstaates über den Ausbau des Überwachungsund Sicherheitsstaates bis hin zur Flüchtlingspolitik. Die ausschließliche Fixierung auf die rechten Übertreiber_innen des herrschenden Konsens’ hilft (unfreiwillig), ihn abzusichern. Allzu oft verschweigen diejenigen den institutionellen Rassismus und „autoritären Wettbewerbsetatismus“ (Lukas Oberndorfer), die über den Rechtsextremismus reden. Zudem zeigt ein genauerer Blick, dass rechtsextreme und autoritär-populistische Parteien zuletzt nur in Schweden, Finnland, Frankreich, Kroatien, Ungarn und Griechenland merklich zulegen konnten. Und in bescheidenerem Maße als allerorts beklagt oder gefeiert eben in Österreich, wo sich die FPÖ seit 2005 wieder im Aufwind befindet.

Mehr als der Alarmismus ist hierzulande aber die Normalisierung des Rechtsextremismus zu kritisieren. Kaum jemand in Politik und Medien wagt es heute noch, die FPÖ als das zu bezeichnen, was sie ist: rechtsextrem. Dabei antwortete erst unlängst der oberösterreichische FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner auf die Frage, warum „die nationalsozialistische Ideologie für freiheitliche Funktionäre so attraktiv“ sei, dass es in der FPÖ „tatsächlich ein Problem“ gebe, dem „man sich stellen“ müsse: „Jede Partei hat einen Narrensaum. Bei uns schaut man natürlich – auch zu Recht – mit Argusaugen auf diesen Rechtsaußenrand. Ich gebe das offen zu, wir haben da ein Problem.“ Die Tatsache, dass der Rechtsruck der FPÖ unter Strache mittlerweile auch im neuen Parteiprogramm als Wiedereinführung des Bekenntnisses zur „deutschen Volksgemeinschaft“ Niederschlag gefunden hat, konnte die Bereitschaft zur inhaltlichen Kritik an den Freiheitlichen aber ebenfalls nicht vergrößern. Darin zeigt sich, wie problematisch es war, die Ablehnung der FPÖ fast ausschließlich an der Person Jörg Haiders und seinen NS-Verstrickungen festzumachen.

Enttabuisierung. Im Juni meinte der Verteidiger zweier Neonazis, die sich gerade in Salzburg vor Gericht verantworten mussten, über die Hintergründe der Fanatisierung seiner Mandanten, deren „Quelle“ sei eine „latente Ausländerfeindlichkeit“. „Wenn sie von einer legalen Partei zum Stimmenfang benutzt wird, darf man sich nicht wundern, wenn die Burschen nichts dabei finden, sie zur Schau zu tragen.“ Der Skandal hetzerischer freiheitlicher Agitation wird heute jedoch nur mehr selten offen angesprochen. SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas kritisierte jüngst an der FPÖ lediglich, dass sie „eine Risikopartei“ sei, die „Zick-Zack-Kurse“ fahre und „für nichts“ stehe. Diese Ignoranz gegenüber den politischen Inhalten der FPÖ macht es so schwer, ihre anhaltende „Ausgrenzung“ zu argumentieren. Als Argument für die Abgrenzung bleibt dann neben der Unberechenbarkeit nur die „antieuropäische“ Haltung der FPÖ. Und so hat sich die SPÖ-Spitze die, vor allem von gewerkschaftlicher Seite betriebene, Enttabuisierung der Zusammenarbeit mit der FPÖ selbst zuzuschreiben.

Weil offenbar die Wahrheit auch eine Tochter der räumlichen Distanz ist, wird die FPÖ heute nur mehr im Ausland als Problem gesehen. Zuletzt war es die Frankfurter Allgemeine Zeitung, das Flagschiff des deutschen Konservativismus, die schrieb, was in Österreich fast niemand (mehr) sagen will: Dass die FPÖ eine extrem rechte Partei „mit Personal aus der Neonazi-Szene“ ist und dass eine Mischung aus „Abstumpfung“ und „Ignoranz“ auch und vor allem der politischen Konkurrenz eine derartige Erkenntnis in Österreich verhindert. Tatsächlich wurde nach den Wahlen von Teilen der SPÖ (und ÖVP) betont, wie nahe man der FPÖ eigentlich sei. Diese bekundete Übereinstimmung in zentralen Politikbereichen ist ein weiterer Ausdruck des umfassenden Rechtsruckes und dessen Normalisierung, die in ihrer Bedeutung für die Erfolge des parteiförmigen Rechtsextremismus gar nicht überschätzt werden kann.

 

Andreas Peham ist Mitarbeiter beim Dokumentationsarchiv des österreichischen Widestandes (DÖW) und forscht zum Thema Rechtsextremismus.

Schwarze Fahne im Parlament?

  • 18.11.2012, 00:48

Wer sich der Piratenpartei seriös nähern will, muss erst einmal die Klischeefalle vermeiden. Eine so junge politische Bewegung hat einen zweiten und einen dritten Blick verdient.

Wer sich der Piratenpartei seriös nähern will, muss erst einmal die Klischeefalle vermeiden. Eine so junge politische Bewegung hat einen zweiten und einen dritten Blick verdient.

Eine Vorwarnung: Das ist kein Artikel, der die Welt erklären will. Normalerweise geht das ja so: Wer mit einem Piratenpartei-Text die Hirne der LeserInnen entern und nicht bei der Überschrift schon Schiffbruch erleiden will, muss in jedem zweiten Satz eine Jack- Sparrow-Metapher einbauen. Dann werden die PiratInnen wahlweise zu den kommenden HerrscherInnen der Weltmeere oder zum Sturm im Wasserglas erklärt. Zuviele Indianer ohne Häuptling, weltfremde IT-Nerds, FDPler ohne Porsche. Viel hat sich die Piratenpartei schon nennen lassen müssen. Was unbestritten ist: Sie hat bisher eine Erfolgsgeschichte hingelegt. 7,1 Prozent bei der Europawahl in Schweden 2009 waren gleichbedeutend mit dem ersten Einzug eines Piraten in ein legislatives Gremium. Drei Piraten sitzen in tschechischen Kommunalparlamenten, zwei Piraten in spanischen Gemeinderäten und ein Mandat in einem Schweizer Kanton wird von einem Piraten eingenommen. Das Mekka der Piratenpartei ist Deutschland. Mit insgesamt 45 Landtagsabgeordneten im Saarland, in Nordrhein- Westfalen, in Schleswig-Holstein und in Berlin sowie 194 VertreterInnen in Gemeinden sind die deutschen PiratInnen mitten im Parteiensystem angekommen. Zwischenzeitlich bis zu zwölf Prozent in deutschlandweiten Umfragen nach dem sensationellen Einzug ins Berliner Landesparlament im Herbst 2011 machten die Piratenpartei zum ersten ganz neuen politischen Player auf der Bühne des größten EU-Mitgliedsstaats, seit dem die Grünen vor 29 Jahren in den Bundestag eingezogen sind. In Berlin ärgern sich SPD und Grüne seit Monaten, dass die Piratenpartei ihre mögliche Mehrheit bei den nächsten Bundestagswahlen so gut wie verunmöglicht. Auch Österreich hat inzwischen seinen gewählten Piraten: Bei der Innsbrucker Gemeinderatswahl im April diesen Jahres zog Alexander Ofer mit 3,8 Prozent der Stimmen ins Stadtparlament ein.

„Ballettschwuchteln“ und „Realdemokraten“. Innsbruck ist aber nicht nur der erste Gemeinderatseinzug der neuen Partei. Die Tiroler Landeshauptstadt ist auch ein schönes Beispiel dafür, woran es bei den PiratInnen in Österreich krankt. Kurz nach dem Wahlerfolg gab es sofort erste Positionskämpfe. Es folgten Parteiausschlüsse und gegenseitige Klagsdrohungen. Mittlerweile hat sich Österreichs einziger gewählter Pirat mit seiner Landesorganisation überworfen. Auf Heinrich Stemeseders Facebook- Wall finden sich zahlreiche Fotos von Erotik-Models, der „PiratenAnwalt“ hetzt außerdem gegen „Ballettschwuchteln“. Österreichs Piratenpartei wiederum hatte kürzlich einen schmerzhaften Abgang zu verkraften: Der ehemalige Piratenpartei-Chef Stephan Raab gründete mit drei Mitstreitern die „Realdemokraten“, die ebenfalls bei der Nationalratswahl 2013 kandidieren wollen. Nur in der Steiermark und in Wien gibt es gewählte Vorstände der Piratenpartei. Die Wiener PiratInnen sind inzwischen für ihre Stammtische in ihr drittes Lokal übersiedelt, nachdem ihnen zwei Mal Hausverbot erteilt wurde. Unter anderem, weil Vorstands-Mitglied Rodrigo Jorquera einen anderen Piraten körperlich attackiert haben soll. In allen anderen Bundesländern sind die PiratInnen in der Gründungsphase. Ein relativ präzises Parteiprogramm haben die steirischen Piraten im September diesen Jahres beschlossen. Es enthält nicht nur allgemeine Positionierungen im liberalen Spektrum, sondern auch konkrete Forderungen wie die Nicht-Privatisierung eines Grazer Krankenhauses, die Rücknahme der Alkohol-Verbotszonen in der Landeshauptstadt und die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche PartnerInnenschaften. Dennoch: Die PiratInnen zwischen Neusiedler See und Schwäbischem Meer bleiben ein Fleckerlteppich von ambitionierten Linksliberalen und frustrierten ModernisierungsverliererInnen, die sich als Opfer eines politischen Systems sehen, das sie oft gar nicht zu fassen kriegen.

Nerd-Alarm? Eine Gruppe fehlt in der Aufzählung: in der IT-Branche beschäftigte Menschen, die rund um die Proteste gegen das Datenschutzabkommen ACTA das erste Mal auch in Österreich auf sich aufmerksam gemacht haben. Die Demonstrationen gegen das EU-Abkommen waren die erste Gelegenheit, bei der man in Österreich vielerorts PiratInnen- Fahnen sehen konnte. Aus dem männlich dominierten IT-Milieu kommt auch der programmatische Fokus der Piratenpartei. Denn trotz aller Unterschiede: Bei den sogenannten Internet-Themen sind sich die PiratInnen von Stockholm bis Barcelona und von Klagenfurt bis Kiel einig. Das ist es auch, was Aufschluss über potenziellen Erfolg und Misserfolg der PiratInnen geben könnte.

Lebenswelt Internet. 76 Prozent aller ÖsterreicherInnen haben Zugang zum Internet, 91 Prozent der Unter-30jährigen verbringen zumindest Teile ihrer Freizeit online. Dass in mehreren deutschen Städten am Höhepunkt der Proteste gegen ACTA vor allem junge, nicht politisch organisierte Menschen anwesend waren, führt Markus Beckendahl darauf zurück, dass sich sogenannte „youtube-Kids“ an den Aufrufen beteiligt haben. Diese Teenager betreiben auf der weltweit größten Videoplattform ihre privaten Tagebücher und berichten über ihre neue Frisur, das neue Auto des großen Bruders und über das Outfit, das sie am Samstag in die Disco anziehen werden. Und auf einmal berichteten die „youtube-Kids“ in Deutschland auch über ACTA. Nicht aus theoretisch-weltanschaulichem Interesse, sondern weil sie verstanden hatten, dass das Abkommen ihre unmittelbare Lebenswelt und den Lieblingstreffpunkt ihrer Freizeit gefährden würde. „Die nehmen uns unser Wohnzimmer weg“, sagt ein Videoblogger in einem Aufruf zu den Demos.

Nagelprobe Berlin. Im „digital gap“ liegt die Chance der PiratInnen. Denn auch wenn viele Grüne und netzaffine SozialdemokratInnen schon seit mehreren Jahren die Themen Datenschutz, Netzneutralität und Open Government beackern, ist die Piratenpartei trotzdem am klarsten mit dem Thema „Internet“ verknüpft. Diese Positionierung ist doppelt erfolgsversprechend: Einerseits, weil die Netzthemen längst keine Nischenprobleme mehr sind . Und andererseits, weil mit der Netzpolitik ein modernes, kreatives Image verknüpft ist. Die Nagelprobe für die Piratenpartei in Berlin statt: Hier waren die PiratInnen bei den Landtagswahlen auch deswegen erfolgreich, weil sich eine einmalige Chance bot. Die Grünen waren mit dem Rückenwind der gewonnenen Wahlen im bürgerlichen Südwesten des Landes als „neue Volkspartei“ im Gespräch, inszenierten ihre Bürgermeisterinkandidatin Renate Künast bombastisch und machten damit Platz für eine nicht-etablierte, linksliberale Oppositionspartei. Jetzt muss sich die Fraktion im Landesparlament beweisen. In der Berliner Fraktion sitzen 14 Männer und eine Frau. Österreichs PiratInnen sind von diesen realpolitischen Sphären noch weit entfernt. Ihr innerparteilicher Aufbau ist aber schon wie beim großen Bruder in der Bundesrepublik. Im Bundesvorstand sitzen drei Männer, im Länderrat sechs Männer. Frauen sucht man in den höchsten Gremien der Österreichischen PiratInnen vergeblich. Das ist mehr als ein Schönheitsfehler: Es ist ein Zeichen für mangelnden Pluralismus. Schade, denn die Piratenpartei wäre eine Chance für das verkrustete Parteiensystem dieser Republik. Vor allem in Kenntnis der Alternativen, die sich bei der Nationalratswahl 2013 anstellen, um den etablierten Parteien ihre Stimmen und Mandate streitig zu machen.

Der Autor hat Politikwissenschaft und Pädagogik in Wien und Innsbruck studiert und bloggt u.a. zur Piratenpartei auf www.querschrift.me.