Nationalsozialismus

Wir haben uns (k)ein Denkmal gebaut

  • 05.02.2015, 08:00

Wer ein Denkmal baut, schafft Raum, um zu gedenken. Wenn das verwehrt wird, bleibt eine Leerstelle in der öffentlichen Erinnerung. Über Gedenkkultur in Österreich.

Wer ein Denkmal baut, schafft Raum, um zu gedenken. Wenn das verwehrt wird, bleibt eine Leerstelle in der öffentlichen Erinnerung. Über Gedenkkultur in Österreich.

Denkmäler gab es bereits seit dem späten Mittelalter aus zwei Gründen: zur Selbstdarstellung von Herrscher_innen oder zur Inszenierung einer Vergangenheit im öffentlichen Raum. Das Volk sollte regelmäßig an die Machtansprüche in einem Land erinnert werden. Es ging aber auch darum, ein bestimmtes Geschichtsbild zu inszenieren, das zu den Ansprüchen einer bestimmten Herrschaftsfamilie – in Österreich waren dies zumeist die Habsburger_innen – passte. Herrscher_innen inszenierten sich als Kriegstreibende oder auch als milde Regierende. Letzteres illustriert etwa das Abbild Maria Theresias am Museumsplatz in Wien. Mit den Held_innendenkmälern auf der Wiener Ringstraße wurde bewusst ein bestimmtes Bild von Geschichte inszeniert, indem vor allem Kriegssieger in Form von Statuen dargestellt wurden.

DER NUTZEN VON DENKMÄLERN. In der jüngeren Geschichte hat sich diese Denkmaltradition gewandelt. Denkmäler im 20. und 21. Jahrhundert wurden und werden in Österreich vor allem im Sinne eines kollektiven Erinnerns und Gedenkens im öffentlichen Raum errichtet. Die Theorie des kollektiven Gedächtnisses, die von Maurice Halbwachs aufgestellt wurde, erklärt die Beziehung zwischen dem Gedächtnis eines Individuums und dem Gedächtnis der Gruppe, in der es sich bewegt. Beide stehen in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander. Das Individuum erinnert sich, indem es den Standpunkt der Gruppe einnimmt. Im Gegenzug verwirklicht und offenbart sich der Standpunkt der Gruppe im Individuum, da nur dieses dazu in der Lage ist, es auszuformulieren beziehungsweise zu artikulieren.

Denkmäler sind Objekte, die spezifische Geschichtsdarstellungen durch ihre räumliche Existenz im kollektiven Gedächtnis „verankern“. Der Geschichtswissenschaftler Pierre Nora definiert verschiedene Arten von Erinnerungsorten, die alle dafür herangezogen werden, eine kollektive Identität zu erzeugen. Bei der kollektiven Identität handelt es sichum einen Begriff, der von Jan und Aleida Assman geprägt wurde. Selbstbilder, die beispielsweise auf gemeinsamen Erinnerungen basieren, werden von Gruppen verwendet, um eine gemeinsame Identität auszuformen. Denkmäler helfen ein Ereignis, eine Gruppe von Menschen oder auch nur eine einzelne Person im öffentlichen Gedächtnis zu behalten und dienen so als Anker, der ein Abrutschen ins Vergessen verhindert. Gleichzeitig wird damit eine Auswahl getroffen: Nicht jede Person, jede Gruppe oder jedes Ereignis bekommt ein Denkmal im öffentlichen Raum und damit einen Platz in der gemeinsamen Identität.

ÖFFENTLICHES GEDENKEN? Orte öffentlichen Gedenkens können verschieden gestaltet sein. Handelt es sich um einen Ort, an dem sich historische Ereignisse unmittelbar abgespielt haben, dann kann dort eine Gedenkstätte eingerichtet werden. Am Beispiel von ehemaligen Konzentrationslagern lässt sich die Bandbreite an Möglichkeiten für Gedenkstätten illustrieren: von einer einzelnen Gedenktafel bis hin zu einem eigenständigen Museum. Im kleineren Maßstab gibt es auch Denkmäler, die nicht unbedingt am Ort eines spezifischen Ereignisses positioniert sein müssen. Meistens handelt es sich um Objekte, die in ihrer Darstellung eine künstlerische Verarbeitung der erinnerten Ereignisse tragen können. Solche Denkmäler können positiv konnotierte Ereignisse beziehungsweise Personen oder Personengruppen feiern oder auch mahnend an negative Ereignisse erinnern. Mahnmäler, Denkmäler und Gedenktafeln können auch in eine Gedenkstätte integriert sein. Schließlich können auch spezifische Gebäude denkmalgeschützt werden, wenn ihnen historischer Wert zugesprochen wird oder in ihnen eine Person von historischer Bedeutung gelebt hat.In Österreich gibt derzeit 37.485 Objekte, die unter Denkmalschutz gestellt sind, und all diese unterschiedlichen räumlichen Ausformungen öffentlichen Gedenkens abdecken sollen.

Wessen öffentlich gedacht wird, ist nicht nur politisches Kalkül, sondern steht auch im Zusammenhang mit gesellschaftlich verankerten Diskussionen, wer als wichtig genug erachtet wird. Gilt ein_e Künstler_in als für Österreich prägend genug, um eine Gedenktafel am Geburtshaus zu bekommen? Wer wird im österreichischen Diskurs um den Zweiten Weltkrieg „ausreichend“ als Opfer betrachtet, um ein Mahnmal für die systematische Verfolgung und Ermordung zu erhalten? Und nicht zuletzt: Wer sind die Held_innen und wer die Verbrecher_innen?

GEDENKEN NUR FÜR MÄNNER? Zentral war in Österreich im 20. Jahrhunderts das Gedenken an die beiden Weltkriege, das jeweils kaum unterschiedlicher sein könnte. Während in Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg vor allem dessen drohendes Verschwinden aus dem kollektiven Gedächtnis im Mittelpunkt steht, dreht sich die Debatte anlässlich des Zweiten Weltkriegs vor allem um die Frage, wessen öffentlich gedacht wird.

Im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg gibtes zahlreiche Kriegsgräber und Denkmäler, die vor allem an die große Zahl gefallener und verwundeter Soldaten erinnern sollen. Das öffentliche Erinnern ist hier klar abgegrenzt, da den zivilen Opfern – jenen, die aufgrund von Schlachten aus ihrer Heimat fliehen mussten, den Krieg kritisierten oder die an der chronischen Unterversorgung mit Lebensmitteln starben – kein öffentlicher Raum zugesprochen wird. Dies ist wenig verwunderlich, da für den Ersten Weltkrieg der Verein Schwarzes Kreuz mit dem öffentlichen Gedenken beauftragt wurde und dieser seine Hauptaufgabe alleine im Erinnern an im Krieg gefallene Soldaten sieht. Auch all jenen, die noch Jahre später an den physischen und psychischen Folgen des Kriegs gestorben sind, wird kein Platz eingeräumt. Darüber hinaus werden die Frauen, die im Krieg gefallen sind, weil sie in Kampfhandlungen verstrickt waren oder in Lazaretten Verwundete gepflegt haben, komplett verdrängt. Das Schwarze Kreuz möchte zwar das Gedenken an individuelle Personen in den Mittelpunkt rücken, allerdings handelt es sich bei den meisten Kriegsfriedhöfen um anonyme Räume. Über die Individuen, die gestorben sind, können sie kaum Aufschluss geben. Für jene, die nicht mit den Verstorbenen verwandt sind, gibt es keine Möglichkeit zur Identifikation mit den Gefallenen. Von der Leere, die im Bereich der zivilen Opfer geblieben ist, ganz zu schweigen. Der Erste Weltkrieg hat in vielerlei Hinsicht Voraussetzungen für den Zweiten Weltkrieg geschaffen. Eben jene Zusammenhänge – Arbeitslosigkeit und Massenarmut – drohen aus dem kollektiven Gedächtnis zu verschwinden.

GEDENKEN ZUM ZWEITEN WELTKRIEG. Im öffentlichen Gedenken zum Zweiten Weltkrieg offenbart sich der Zusammenhang zwischen dem Opfermythos, der nur spärlich geglückten Entnazifizierung und öffentlichen Diskursen, wer als „Opfer“ der Nationalsozialist_innen anerkannt wird. Dass sich Österreich bis in die 80er Jahre selbst als „erstes Opfer“ gesehen hat, hat der öffentlichen Auseinandersetzung mit Täter_innen selbstredend geschadet. Nur schleppend wurden Denkmäler geschaffen, die dem öffentlichen Gedenken der Verfolgten galten. Gleichzeitig wurde kaum die Frage gestellt, wie überhaupt erinnert werden kann. Als der deutsche Künstler Gunter Demnig 1990 begann, in Deutschland „Stolpersteine“ zu montieren, die für aus ihren Häusern vertriebene Opfer des Holocausts standen,gab es von mehreren Seiten Protest: Die einen wollten im Alltag nicht permanent an die Verstorbenen erinnert werden. Die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der deutschen Jüd_innen hingegen protestierte, da die Leute auf die 96x96 Millimeter großen und im Gehsteig eingelassenen Steine draufsteigen. Weitere Kritik bezieht sich auf die Übernahme nationalsozialistischer Terminologie auf den Stolpersteinen. Heute gibt es etwa 50.000 solcher Stolpersteine in 18 europäischen Ländern, unter anderem in 26 österreichischen Städten, womit sie das größte dezentrale Mahnmal der Welt darstellen.

Bis heute ist außerdem von Bedeutung, wer rechtlich als „Opfer des Nationalsozialismus“ anerkannt wird. Männer, die während der NS-Zeit ihren Wehrdienst verweigerten und deshalb verfolgt wurden, wurden bis in die 90er Jahre rechtlich schikaniert. Dementsprechend lange dauerte es, bis 2014 gegen den Widerstand von Vereinen und Parteien ein Denkmal für Deserteure in der Volksgarteneinbuchtung am Ballhausplatz in Wien errichtet wurde. Ähnlich umstritten sind Denkmäler für Partisan_innen der slowenischen Minderheit in Kärnten/Koroška. Dabei handelt es sich hier um das einzige Gebiet, wo es militärisch organisierten und bewaffneten Widerstand gab: die slowenische Befreiungsfront (Osvobodilna Fronta). Großteils wurde dieser Widerstand von Kärntner Slowen_innen organisiert, einer ethnischen Minderheit, die auch nach Kriegsende stets um ihre gesellschaftliche Anerkennung ringen musste – bis heute beispielsweise im Streit um zweisprachige Ortstafeln – weshalb die rund 53 Denkmäler nach Kriegsende mehrmals Ziel von Angriffen deutschnationaler Gruppen wurden. Die Zerstörung von Denkmälern geht hier einher mit dem Kampf um Minderheitenrechte und gegen das Vergessender Rolle der slowenischen Befreiungsfront während des Krieges.

LEERSTELLEN IN DER ÖFFENTLICHKEIT. Auch Personengruppen, die bis heute diskriminiert und marginalisiert werden, sind weiterhin vom öffentlichen Gedenken ausgeschlossen: Noch immer gibt es kein Denkmal für Menschen, die von den Nationalsozialist_innen als Homosexuelle verfolgt wurden. Seit mehreren Jahren gibt es Diskussionen darüber, zwischenzeitlich gab es sogar ein temporär errichtetes Kunstwerk. Dennoch bleibt ein öffentlicher Ort des Gedenkens in weiter Ferne, wodurch eine Opfergruppe aus dem öffentlichen Gedenken ausgeschlossen ist.

Denkmäler verweisen darüber hinaus meist auch nur auf lokale und nationale Ereignisse. Selten gibt es Denkmäler, die auf internationale Zusammenhänge hinweisen, von Friedensdenkmälern abgesehen. Auch so werden unliebsame Momente österreichischer Geschichte unter den Teppich gekehrt, wie etwa österreichische Kolonialgebiete vor 1914. Bei Diskussionen um Denkmäler geht es also nicht nur darum, an wen oder was erinnert wird, sondern auch darum, wer oder was vergessen wird. Schlussendlich bleiben auch diejenigen, die öffentliches Gedenken initiieren, im Gedächtnis erhalten: Eine Regierung oder eine Gruppe von Personen, die ein Deserteursdenkmal ermöglicht, sich aber gleichzeitig gegen ein Denkmal für verfolgte Homosexuelle sperrt, hinterlässt damit ein Zeichen. Ebenso in Erinnerung bleiben jene, die sich trotz Widerstands für ein öffentliches Gedenken von Verfolgten eingesetzt und ihr Ziel letztendlich erreicht haben.

 

Magdalena Hangel schreibt ihre Dissertation im Bereich der Germanistik an der Universität Wien.

WU Wien: Erinnerung an einen Mikrokosmos des Grauens

  • 12.05.2014, 13:43

Am 8.Mai 2014 wurde am neuen Campus der Wirtschaftsuniversität Wien feierlich eine Skulptur enthüllt, die jenen jüdischen Studierenden, DozentInnen und MitarbeiterInnen ein Denkmal setzen soll, welche im Nationalsozialismus von der damaligen Hochschule für Welthandel vertrieben wurden. Margot Landl hat für progress online die Feierlichkeit besucht.

Am 8.Mai 2014 wurde am neuen Campus der Wirtschaftsuniversität Wien feierlich eine Skulptur enthüllt, die jenen jüdischen Studierenden, DozentInnen und MitarbeiterInnen ein Denkmal setzen soll, welche im Nationalsozialismus von der damaligen Hochschule für Welthandel vertrieben wurden. Margot Landl hat für progress online die Feierlichkeit besucht.

Cilja Odinac. Zacharias Mundstein. Walter Mann. Adele Romanowska. Die metallenen Schriftzüge glänzen in der Sonne. Zusammen ergeben sie eine große silberne Weltkugel, die seit kurzem in der Mitte des neuen Campus der Wirtschaftsuniversität Wien auf einer kleinen Grünfläche steht. Mehr als 110 Namen verschiedener Herkunft befinden sich auf der Kugel. In ihrer Modernität fügt sie sich gut in den Campus ein. Die Skulptur ist nicht vollständig, etwa ein Drittel der Fläche ist leer geblieben.  Laufend gehen Studierende an ihr vorbei, manche halten kurz an, um die Namen zu lesen. Die StudentInnen Jacqueline und Katja sind gerade auf dem Weg ins benachbarte Library and Learning Center und bleiben stehen, um die Kugel näher zu betrachten. „Durch einen Newsletter, der an alle StudentInnen ausgeschickt wurde, wissen schon einige über das Projekt Bescheid“, meint Jacqueline. Ihr persönlich gefällt die Skulptur. So auch Katja und sie ergänzt: „Die Kugel ist auch dann schön, wenn man nicht genau weiß, worum es geht.“

Dunkle Vergangenheit sichtbar machen

Die Skulptur auf dem WU-Campus ist ein Denkmal für jene Personen, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft im Lauf der Machtergreifung der Nationalsozialisten schrittweise von der damaligen Hochschule für Welthandel verbannt wurden. Und sie wurde auch im Gedenken daran errichtet , dass vielen von ihnen später noch Schlimmeres wiederfahren war. Es handelt sich um DozentInnen, Verwaltungspersonal und vor allem Studierende. „Jene Studierenden, denen man an ihrer Hochschule für Welthandel die Chance auf ein Leben genommen hat, welches sie sich gewünscht hätten“, nennt sie der Rektor der WU Christoph Badelt in seiner Ansprache bei der symbolischen Enthüllung der Kugel am 8.Mai 2014. Bewusst wurde der Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus für die Festlichkeit ausgewählt, denn auch die eigene dunkle Vergangenheit soll damit sichtbar gemacht werden, wie es der Rektor formuliert. „Auch wenn die damalige Hochschule für Welthandel nur ein kleiner Bereich war, war sie ein Mikrokosmos des Grauens.“

Ungefähr eineinhalb Jahre haben Peter Berger, WU-Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte und sein Mitarbeiter Johannes Koll gebraucht, um die Liste der Namen zu erstellen, die heute als Teil der silbernen Kugel auf dem WU-Campus stehen. Die beiden Wissenschaftler recherchierten in Archiven, Datenbanken, Printmedien sowie Internetressourcen und knüpften Kontakte mit den Hinterbliebenen und Nachfahren der Vertriebenen. Aus dieser Forschungsarbeit entstand auch ein virtuelles Gedenkbuch, welches Kurzbiografien zu vertriebenen, ausgegrenzten oder ermordeten Mitgliedern der damaligen Hochschule für Welthandel enthält. Es ist in deutscher, englischer und polnischer Sprache verfügbar, da die Mehrheit der vertriebenen jüdischen StudentInnen aus Polen war. Vollständig ist die Liste jedoch vermutlich trotzdem nicht, da viele Spuren nicht nachvollzogen werden können. Deshalb hoffen die Historiker, über das Projekt zu weiteren Informationen und Denkanstößen zu gelangen.

Der WU-Professor und Wirtschaftshistoriker Peter Berger hat mit seinem Mitarbeiter Johannes Koll die Liste der Vertriebenen rekonstruiert. Foto: Christopher Glanzl

Doch die vollständige Rekonstruktion der Lebensläufe ist besonders problematisch. „Die Schwierigkeiten beginnen damit, wenn man wissen will, wohin die Menschen gegangen sind“, erklärt Peter Berger im Gespräch. Wie die anderen Universitäten und Hochschulen Österreichs war auch die damalige Hochschule für Welthandel an einer Rückholung der Vertriebenen nicht besonders interessiert. Lediglich ein Professor wurde nach dem Krieg wieder an die Hochschule geholt und auch nur einer von etwa 80 vertriebenen StudentInnen nahm das Studium nach 1945 wieder auf. Deshalb bietet ein Drittel des Denkmals noch Platz für Ergänzungen und auch das Gedenkbuch wird ständig aktualisiert. Vor 1938 war über die Hälfte der Studierenden der Hochschule für Welthandel jüdischer Herkunft. „Die Vertreibung war nur der Höhepunkt eines langen unrühmlichen Prozesses. Davor herrschte schon lange ein Klima des Hasses, des Mobbings und der physischen Bedrängnis“, erklärt Rektor Badelt in seiner Ansprache. „Als Mensch, der 1951 geboren ist und mehr als 60 Jahre des Wohlstands miterlebt hat, stehe ich selbst fassungslos der Geschichte meiner eigenen Universität gegenüber.“

Zwischenstopp am Weg zum Hörsaal

Etwa 200 Menschen wohnen der feierlichen Enthüllung der Skulptur in der Mitte des neuen Campus bei, die von der Ö1-Radiosprecherin Ina Zwerger eröffnet und moderiert wird. 130 Sitzplätze wurden für BesucherInnen in Form von Metallsesseln zur Verfügung gestellt. Dahinter und an der Seite  beobachten viele Zaungäste das Ereignis. Es ist elf Uhr Vormittag und damit Hochbetrieb an der Uni. Unzählige Studierende gehen vorbei und werfen neugierige Blicke auf die Veranstaltung. Einige bleiben an der Seite des abgetrennten Sitzbereichs stehen und schauen neugierig zu. Auch Marina unterbricht ihren Laufschritt von einem zum anderen Universitätsgebäude kurz, um festzustellen, worum es hier geht. „Ich wusste noch gar nichts über das Projekt. Aber ich finde es gut, dass man der Menschen gedenkt, die vertrieben worden sind“, meint sie zustimmend. Danach macht sie sich gleich wieder auf den Weg in den Hörsaal.

Allerdings sind nicht alle besonders begeistert, wie beispielsweise Philipp. Er beobachtet die Veranstaltung etwas länger und blickt gelangweilt auf die Bühne. Er hält die 25-seitige Broschüre in der Hand, die von der WU extra für das Gedenkprojekt herausgegeben wurde. „Eigentlich interessiere ich mich nicht vordergründig dafür, ich war nur gerade da und es betrifft meine Uni. Von der Veranstaltung habe ich über das Radio erfahren“, meint Philipp. Er deutet auf die Tische für den Sektempfang im Hintergrund und fragt in sarkastischem Tonfall: „Gibt’s da dann koscheres Essen für alle oder wie?“.

Borodajkewycz-Affäre
Bevor der Sekt serviert wird, folgen noch einige Reden. Nach Rektor Badelt richtet die Rektorin der Universität für angewandte Kunst Eva Blimlinger einen längeren Redebeitrag an das Publikum. Denn die Skulptur entstand aus einer Zusammenarbeit der beiden Hochschulen. 28 StudentInnen und AbsolventInnen der Universität für angewandte Kunst reichten Vorschläge für das Denkmal ein, aus denen von einer Fachjury schließlich die Arbeit von Alexander Felch ausgewählt wurde. Blimlinger ist auch Historikerin und schlägt den Bogen zwischen Kunst und Geschichte. In ihrer Ansprache geht sie auf die Borodajkewycz-Affäre ein, die ein unrühmliches Kapitel in der Geschichte der WU nach 1945 darstellt. Der Historiker Taras Borodajkewycz war von 1934 bis 1945 Mitglied der NSDAP und wurde bereits 1946 im Zuge der Minderbelastetenamnestie rehabilitiert. 1955 erhielt er den Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte an der damaligen Hochschule für Welthandel. In seinen Vorlesungen propagierte er öffentlich bis in die 1960er Jahre hinein antisemitisches Gedankengut sowie seine fortbestehenden Sympathien für den Nationalsozialismus.

Der spätere sozialdemokratische Finanzminister Ferdinand Lacina und der heutige Bundespräsident Heinz Fischer waren damals seine Studenten. Sie veröffentlichten seine Vorlesungsinhalte und lösten eine gesellschaftspolitische Diskussion aus. 1965 wurde bei einer Demonstration gegen Taras Borodajkewycz der ehemalige Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger von dem Rechtsradikalen und RFS-Mitglied Günther Kümel brutal niedergeschlagen. Zwei Tage später verstarb Kirchweger an den Folgen des Angriffs. Er wird als „Erstes Opfer der Zweiten Republik“ bezeichnet. Taras Borodajewycz wurde schließlich 1966 bei vollen Bezügen zwangspensioniert. „Man kann sagen, dass Taras Borodajkewycz bis zu seinem Tod 1984 ein illegaler Nationalsozialist war“, resümiert Eva Blimlinger.

Eva Blimlinger thematisierte die Taras Borodajkewycz-Affäre auf der Pressekonferenz zum Mahnmal. Foto: Christopher Glanzl

Ein Riss, der nie ganz geschlossen werden kann

Die Präsentation des Mahnmals ist bewusst international und öffentlich gehalten. Neben der Bühne wehen die Fahnen der EU, Österreichs, Wiens und der WU im Wind.  Eine Stunde davor fand bereits eine Pressekonferenz statt, bei der Christoph Badelt, Eva Blimlinger, Peter Berger und Johannes Koll JournalistInnen das Projekt gegenüber der Presse präsentiert hatten. Die Pressemappe ist zweisprachig und Teile der Redebeiträge sind zweisprachig. Manche Personen sprechen Englisch, einige Herren tragen eine Kippa. Auch die Skulptur symbolisiert laut deren Gestalter Alexander Felch eine Weltkugel, auf der sich die Vertriebenen im Falle einer gelungenen Emigration verstreut haben.

Durch das Mahnmal sollen sie symbolisch zurück in den Kreis der Universität geholt werden. Die Öffnung an der Seite der Kugel steht für den Riss, den der Nationalsozialismus in der Welt hinterlassen hat und der - auch wenn künftig Namen ergänzt werden - nie ganz geschlossen werden kann. „Ich bin selbst der Sohn einer russischen Jüdin, aber bei mir war das nie ein Thema. Darüber bin ich sehr froh“, erklärt der Künstler, der an der Angewandten Bildende Kunst und Kunst im öffentlichen Raum studiert hat und jetzt in Wien und St. Petersburg lebt und arbeitet.

Die Skulptur wurde von dem Künstler Alexander Felch gestaltet. Sie stellt eine Weltkugel dar, auf der sich die Vertriebenen im Falle einer gelungenen Emigration verstreut haben. Foto: Christopher Glanzl

Warum erst jetzt?

Doch bei allgemeiner Begrüßung und Wertschätzung des Projekts stellt sich doch die Frage: Warum passiert das alles erst jetzt? Warum hat es fast 70 Jahre gebraucht, um das Leid der von der Hochschule für Welthandel vertriebenen Juden und Jüdinnen angemessen zu würdigen? Eva Blimlinger nimmt in ihrer Rede zu dem Vorwurf des stark verspäteten Gedenkens folgendermaßen Stellung: „Es kommt spät, das Gedenken. Sehr spät, ja. Der Einwand mag berechtigt sein. Aber meiner Ansicht nach ist es für so etwas nie zu spät.“

„Ich selbst habe von 1971 bis 1975 hier studiert und damals war das politische Klima an der WU noch ein deutlich intoleranteres. Heute haben die Studierenden hier nicht mehr diese Einstellung“, erzählt Paul Berger im Gespräch. Dennoch gab es auch in der jüngeren Vergangenheit schon Versuche der Aufarbeitung: „Bereits 1990 wurde anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Universität ihre Geschichte in zwei Bänden und eine Sonderausgabe der Österreichischen Zeitschrift für Politikwissenschaft veröffentlicht. Den Anstoß für dieses konkrete Projekt gab die Anfrage der Amerikanerin Ilse Nusbaum im Jahre 2012, welche posthum das Doktorat für ihren Vater Karl Löwy beantragte.“ Karl Löwy und Arthur Luka waren zwei jüdische Doktoranden, welche Ende 1938 ihre Doktorarbeit eingereicht hatten. Die Promotion wurde ihnen allerdings verweigert, da sie „mosaisch zu den Rigorosen nicht zugelassen“ waren. So wurden sie noch stärker diskriminiert als jene 13 jüdischen DoktorandInnen, welche 1938 ohne Feierlichkeit promovieren konnten. „Es ist gesetzlich nicht möglich, Karl Löwy den Doktortitel im Nachhinein zu verleihen“, erklärt Berger, „doch Ilse Nusbaum hat das Forschungsprojekt ins Laufen gebracht.“ Während sich die Spur von Arthur Luka 1941 im Konzentrationslager verliert, schaffte es Karl Löwy, in die USA zu emigrieren, in der er 1970 verstarb.

WU-Rektor Christoph Badelt will einen Anreiz für Studierende schaffen, sich politisch zu engagieren, „damit nicht ein Hundertstel von dem jemals wieder passiert, was damals geschehen ist.“ Foto: Christopher Glanzl

Christoph Badelt nennt vor allem den Neubau der Wirtschaftsuniversität als Anlass für das erneute Aufrollen des Themas. „Heute haben es die StudentInnen hier schön. Aber sie sollen sich auch an Zeiten erinnern, die nicht so schön waren“, plädiert der Rektor in seiner Rede. Er will einen Anreiz für Studierende schaffen, sich politisch zu engagieren, „damit nicht ein Hundertstel von dem jemals wieder passiert, was damals geschehen ist.“ Am Ende seiner Rede bezieht er sich schließlich konkret auf die aktuelle politische Lage: „Wehret den Anfängen, nicht nur Antisemitismus, sondern auch Rassismus! Verwendet eure Ausbildung, um ein Leben voll Demokratie, Menschenrechten und Toleranz zu führen und tretet jenen entgegen, die – in diesem konkreten politischen Umfeld Europa – diese Werte zuerst mit Worten, aber später auch mit Taten, mit Füßen treten!“

Gedenkbuch der WU Wien: http://gedenkbuch.wu.ac.at/

Die Autorin Margot Landl studiert Lehramt Deutsch und Geschichte sowie Politikwissenschaften an der Universität Wien.

Eine Jugend im Konzentrationslager Theresienstadt

  • 31.03.2014, 13:56

Helga Pollak-Kinsky, 1930 in Wien geboren, war zwölf als sie im Jänner 1943 zusammen mit ihrem Vater Otto Pollak nach Theresienstadt deportiert wurde. “Mein Theresienstädter Tagebuch 1943-1944 und die Aufzeichnungen meines Vaters Otto Pollak” wurde im eigens dafür gegründeten Verlag edition Room 28 veröffentlicht. progress online hat mit der Herausgeberin Hannelore Brenner über dieses einzigartige, zeithistorische Dokument und über die Schwierigkeiten für dieses einen Verlag zu finden gesprochen.

Helga Pollak-Kinsky, 1930 in Wien geboren, war zwölf als sie im Jänner 1943 zusammen mit ihrem Vater Otto Pollak nach Theresienstadt deportiert wurde. “Mein Theresienstädter Tagebuch 1943-1944 und die Aufzeichnungen meines Vaters Otto Pollak” wurde im eigens dafür gegründeten Verlag edition Room 28 veröffentlicht. progress online hat mit der Herausgeberin Hannelore Brenner über dieses einzigartige, zeithistorische Dokument und über die Schwierigkeiten für dieses einen Verlag zu finden gesprochen.

progress online: Wie kam es zur Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Helga Pollak-Kinsky?

Hannelore Brenner: 1996 habe ich ein Hörfunk-Feature über die Kinderoper „Brundibár“ von Hans Krása und Adolf Hoffmeister für den Sender Freies Berlin gemacht; ein Jahr später übrigens für den ORF. Im Rahmen der Recherchen lernte ich einige Überlebende von Theresienstadt und Auschwitz kennen. Ich war damals auch in den USA, um Ela Weissberger zu sprechen, die in den Theresienstädter Aufführungen von ‚Brundibár‘ die Katze gespielt hatte. Sie erzählte viel von ihren ‚Freundinnen vom Zimmer 28‘. Beim Abschied ermunterte sie mich, im September nach Prag zu kommen, wo sie sich mit einigen ihrer Freundinnen treffen wollte. Das tat ich, und das war der Beginn. Ich lernte einen außerordentlichen Freundeskreis kennen und erfuhr eine Geschichte, die mich nicht mehr losließ. Ich besuchte die Frauen – zunächst Anna Hanusová in Brünn und Helga Pollak-Kinsky in Wien.

Und dann haben Sie mit der Arbeit an dem Buch „Die Mädchen von Zimmer 28“ begonnen?

So schnell ging das nicht. Aber als ich Flaška (Anna Hanusová) in Brno und Helga in Wien besuchte, zeigten sie mir wertvolle Dokumente. Flaška ihr Poesiealbum und Helga ihr Tagebuch. Dabei sprachen sie davon, dass sie etwas tun wollten zur Erinnerung an die Mädchen, die nicht überlebten, auch etwas zur Erinnerung und Würdigung der Erwachsenen, die sich um sie gekümmert haben. Ich wollte diese Idee spontan unterstützen Wir haben uns gut verstanden, trafen uns dann öfters und sprachen immer wieder über dieses Vorhaben. Dann wurde ein Projekt daraus.

Ab 1998 trafen wir uns  - Helga, Flaška und weitere Überlebende von Zimmer 28 –regelmäßig im September in Spindlermühle, Riesengebirge, um an dem Projekt zu arbeiten. Sechs Jahre später erst, im März 2004, kam endlich das Buch heraus - „Die Mädchen von Zimmer 28“. Ohne Helgas Tagebuch und die Aufzeichnungen ihres Vaters hätte das Buch nicht geschrieben werden können. Es diente nicht nur mir als roter Faden, um die Geschichte dieser Mädchen zu erzählen, es diente auch ihren Freundinnen als Katalysator der Erinnerung.

Dachten Sie damals schon daran, Helgas Tagebuch als separates Buch zu veröffentlichen?

Ja, natürlich. Ich hätte damals schon gerne Helgas Tagebuch als eigenständiges Buch veröffentlicht. Es ist ja ein wunderbares Dokument. Aber es galt, die gemeinsame Geschichte dieser Mädchen zu schreiben. Das war das Anliegen, der Ausgangspunkt. Es sollte ein Buch werden zur Erinnerung an die Mädchen, die umgekommen sind. Helga hat ihr Tagebuch ganz bewusst in den Dienst dieses Anliegens gestellt.

Als ich später für Helgas Tagebuch einen Verlag suchte, lehnten alle ab. Es stehe doch schon alles in dem Buch über ‚Die Mädchen von Zimmer 28‘, hieß es oft. Aber das stimmt natürlich nicht. Es ist eine ganz andere Geschichte, Helgas genuin persönliche Geschichte.

Sie haben extra einen Verlag gegründet, um die Tagebücher herauszugeben, warum war es so schwierig einen Verlag zu finden?

Das verstehe ich selbst am wenigsten. Ich habe immer wieder Briefe und Exposés an Verlage geschrieben, aber es kamen nur Ablehnungen. Eigentlich ein Wahnsinn – wenn ich an die vielen Lesungen mit Helga, an die vielen Zeitzeugengespräche und Veranstaltungen mit ihr denke und an das Interesse an ihr und dem Tagebuch. Helga ist eine äußerst sympathische und beeindruckende Persönlichkeit und alle waren immer sehr berührt von ihr und den Lesungen und viele haben gefragt: Warum ist das Tagebuch nicht längst veröffentlicht? Irgendwann war für mich klar: Ich muss das Buch einfach selber herausbringen.

Das Buch besteht ja nicht nur aus Helgas Tagebüchern, sondern auch aus den Notizen des Vaters, Briefen, Postkarten, historischen Fakten und Interviews. Wie ist entschieden worden, was ins Buch hineinkommt?

Wir wollten ein Buch machen, das vor allem von jungen Menschen gelesen wird. Das heißt, es genügte nicht, einfach die Dokumente abzudrucken. Sie mussten in den historischen und biografischen Kontext gestellt werden, vieles musste erklärt werden, verständlich gemacht werden. Vor allem die Kindheitsgeschichte musste erzählt werden. Erst durch sie erfährt man, wer Helga war, wie sie in Wien und dann in Gaya/Kyjov (heute Tschechische Republik) gelebt hat bevor sie nach Theresienstadt kam. Ihre Kindheit zu kennen heißt, ihr Tagebuch besser zu verstehen und das, was ihr und ihrem Vater widerfahren ist. In dem Kapitel ihrer Kindheit lernt man auch viele der Verwandten kennen, von denen am Ende fast alle nicht mehr da sind.

Ja, und dann stellten sich einige Fragen. Wie mit der Tatsache umgehen, dass der dritte Band von Helgas Tagebuch verloren gegangen ist, dass ihre Aufzeichnungen im April 1944 aufhören? Wie die Geschichte zu Ende erzählen? Die Antwort lag auf der Hand. Denn in den Aufzeichnungen ihres Vaters spiegelt sich vieles von dem wieder, was Helga erlebte. So musste das Kalendertagebuch eingeflochten werden, so dass die Aufzeichnungen des Vaters dort, wo Helgas Tagebuch endet, die Geschichte weiter erzählen. Es kommt hinzu, dass ich natürlich weiß, dass Helga sich an vieles erinnert, was nicht in ihrem Tagebuch steht; ich bin sicher, im dritten Band wäre einiges zu lesen gewesen – über die Kinderoper Brundibár, Friedl Dicker-Brandeis, die Konzerte, die sie besuchte, Rafael Schächter, über die Transporte im Mai und über vieles andere. Also war es nötig, auch dies zu beleuchten und so kam es zu den Interviews.

Das Kulturleben in Theresienstadt und die Bedeutung, die es gehabt haben muss, ist auch beim Lesen der Tagebücher auffallend.

Vor allem Musik, Konzerte. Sie beschreibt immer wieder Konzerte. Und dann ihre Erinnerungen an Verdis Requiem, an Rafael Schächter. Ja, Sie haben vollkommen Recht – es bedeutete ihr sehr viel.

Und auch die Literatur.

Auch die Literatur, ja. Oder die philosophischen Gespräche, die sie mit ihrem Vater führte. Sie wird ja manchmal sehr philosophisch. Da sind wunderschöne Stellen drin! Zum Beispiel schreibt sie einmal nachdem sie ein Konzert erlebt hat: „Musik ist die schönste Schöpfung der menschlichen Seele, die der Mensch aus dem Nichts geschaffen hat.“ Oder sie schreibt darüber, dass sie oft an sich zweifele, und dass sie mit Rita darüber gesprochen habe und Rita ihr sagte: „Nur dumme Leute sind sich ihres Handelns und ihrer selbst sicher. Je klüger ein Mensch, desto mehr zweifelt er.“ Und dann fügte sie hinzu: “DENKEN IST DIE SCHÖNSTE SACHE“.

Es sind so kluge Sachen drin. Helga denkt viel über die Welt nach, verliert sich manchmal für Augenblicke in ihrer Gedankenwelt, träumt von der Zukunft, malt sich in ihrer Vorstellung die Zukunft aus, dass sie eines Tages studieren und Ärztin oder Wissenschaftlerin wird.

Es erzählt ja auch die Geschichte einer Jugend.

Ja, Helga kommt mit zwölf Jahren nach Theresienstadt, sie ist noch ein Kind. In den folgenden Monaten reift sie heran, man spürt den Übergang von der Kindheit hin zum Erwachsenenalter, erlebt mit wie sie sich verändert und immer reflektierter wird, nachdenkt über Dinge, über die viele junge Menschen nachdenken. Ich glaube, dass heutige Jugendliche sich in sie einfühlen, sich mit ihr identifizieren können. Und ich glaube, dass die Lektüre von Helgas Tagebuch vergleichbar ist mit dem Tagebuch der Anne Frank.

Ich bedaure sehr, dass der dritte Band verlorenging. Denn gerade gegen Ende des zweiten Bandes fängt sie an, erstaunlich dichterisch zu werden. Der letzte Eintrag vom 5. April 1944 – er ist phantastisch! Sie erzählt ein wunderbares Märchen -  es liest sich wie eine Parabel auf ihre eigene Geschichte. Ein Märchen, das ihr die Musik eingab, während sie einem Beethoven-Konzert zuhörte. Dieses Märchen könnte genauso wie es geschrieben ist, als Kinderbuch veröffentlicht werden.

Was ist mit dem dritten Tagebuch geschehen?

Helga hatte 1951 geheiratet und lebte mit ihrem Mann zunächst in Bangkok, dann in Addis Abeba. Als sie 1956 wieder nach Europa zurückkehrten und sie ihr Umzugsgut auf dem Schiffsweg nach London transportieren ließen, kam ein großer Teil zerstört am Hafen an. Auf dem Schiff war ein Feuer ausgebrochen und hatte einige Container in Brand gesetzt, in einem war der dritte Band des Tagebuchs.

Ein Glück, dass es die Kalendernotizen von Otto Pollak gibt.

Otto Pollak erzählt die Geschichte weiter. Von ihm erfahren wir, was er erlebte und was Helga erlebte, ehe sie am 23. Oktober 1944  nach Auschwitz deportiert wurde. Doch nach dem 19. Oktober 1944 sind die Seiten im Kalender von Otto Pollak leer. Zu schwer war es für ihn, mit ansehen zu müssen, wie seine Tochter nach Auschwitz deportiert wurde. Er konnte nicht mehr schreiben. Was dann geschah, können nur Erinnerungen und vereinzelte Dokumente vermitteln.

 

Am 1. April um 19:00 Uhr wird “Mein Theresienstädter Tagebuch 1943-1944 und die Aufzeichnungen meines Vaters Otto Pollak” im Top Kino in Anwesenheit von Helga Pollak-Kinsky mit anschließender Podiumsdiskussion präsentiert:

http://edition-room28.de/Termine.html

Hier kann man das Buch bestellen: http://edition-room28.de/index.html

 

Sara Schausberger hat Germanistik studiert und arbeitet als Kulturjournalistin (u.a. für den Falter) in Wien. 

 

 

 

 

 

Heimweh nach La Paz

  • 20.03.2014, 17:06

Die pensionierte Kinderärztin Miriam Rothbacher (*1935, geb. Krakauer) musste wegen des nationalsozialistischen Antisemitismus mit ihrer Familie 1939 Deutschland verlassen. Bolivien gewährte der Familie damals Zuflucht. Im Interview erzählt sie von ihrem Leben und ihrem Hilfsprojekt Pro Niño Boliviano.

Die pensionierte Kinderärztin Miriam Rothbacher (*1935, geb. Krakauer) musste wegen des nationalsozialistischen Antisemitismus mit ihrer Familie 1939 Deutschland verlassen. Bolivien gewährte der Familie damals Zuflucht. Im Interview erzählt sie von ihrem Leben und ihrem Hilfsprojekt Pro Niño Boliviano.

progress: Wie sind Sie mit Ihrer Familie nach Bolivien gekommen?

Miriam Rothbacher: Wir sind sehr spät im Jahr 1939 ausgewandert und hatten das Problem, dass die meisten Zufluchtsländer ihre Grenzen für die jüdischen Flüchtlinge bereits geschlossen hatten. Sogar eine Flucht in die großen lateinamerikanischen Länder Argentinien und Brasilien war nicht mehr möglich. In Bolivien hatte mein Vater eine entfernte Cousine, deren Mann als Ingenieur in den Bergminen gearbeitet hat. Mit ihr hat mein Vater Kontakt aufgenommen und sie um Hilfe gebeten. Mein Vater war Lehrer und Studienrat und meine Cousine hat für meinen Vater ein Visum über den Rektor der Methodistischen Schule in La Paz besorgt.

Gab es einen politischen Hintergrund für die Aufnahme von jüdischen Flüchtlingen in Bolivien?

Bolivien hatte damals den Krieg gegen Paraguay hinter sich und der damalige General Germán Busch Becerra hatte die Juden ins Land geholt, um das Land aufzubauen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen dann rechte Diktatoren an die Macht, die geflohenen Nazis Zuflucht gewährten.

Viele jüdische Flüchtlinge hatten große Probleme, im Zufluchtsland ihrem Beruf nachzugehen. Wie war das in Ihrer Familie?

Mein Vater hatte das Glück, schon in Deutschland Studienrat gewesen zu sein und Sprachen unterrichtet zu haben. Er konnte auch Spanisch und hat eine Anstellung als Lehrer an der amerikanischen Schule von La Paz bekommen. Meine Mutter hatte in Deutschland Schwedische Massage gelernt und als Masseurin gearbeitet. Sie hat sehr gut verdient, da die alten eingesessenen Deutschen von La Paz verrückt nach ihrer Massage waren und eine Fachkraft in diesem Bereich rar war.

Haben Sie in Bolivien Antisemitismus von den ansässigen Deutschen erfahren?

In Bolivien lebten viele Deutsche, die vor oder unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg ins Land gekommen sind. Es gibt heute noch eine deutsche Wurstfabrik in La Paz und in den tropischen Gegenden besaßen die Deutschen große Ländereien und Farmen. Die meisten von ihnen hatten nichts gegen Juden und haben den Nationalsozialismus in Deutschland auch nicht erlebt. Es hat jedoch eine deutsche Schule in La Paz gegeben, in der ein Hitlerbild hing und die Jüdinnen und Juden nicht besuchen durften. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs hatte diese Schule nicht mehr viele Lehrer, da diese meist aus Deutschland kamen und dort in den Krieg gezogen waren. Da überlegte die Schulverwaltung der deutschen Schule, meinen Vater – den Herrn Krakauer – als Lehrer an die Schule zu holen. Der Elternverein sprach sich jedoch dagegen aus, da mein Vater ein „J“ (Anm.: für Jude) im Pass hatte.

Hatten Sie als Kind Kontakt mit den Kindern der deutschstämmigen Bevölkerung? Ich bin zwölf Jahre in die amerikanische Schule gegangen und hatte mit den deutschen Kindern keinen Kontakt. Mit meinen SchulkollegInnen aus der Maturaklasse der amerikanischen Schule treffe ich mich aber immer noch.

Sind Sie einem der geflohenen Nazis einmal begegnet?

Nicht wissentlich. Aber ich kann folgende Anekdote erzählen: Als Kind habe ich mit meiner Mutter in den Winterferien das Hotel Hamburgo in der Ortschaft Chulumani in den Tropen besucht. In das Hotel sind viele EmigrantInnen auf Urlaub gefahren, weil die Besitzerin eine alte Hamburgerin war und europäisches Essen gekocht hat. Nach 1945 haben in dem Ort auch der „Schlächter von Lyon“ Klaus Barbie und andere Nazigrößen gelebt. Bei einer meiner späteren Bolivienreisen wollte ich meinem Mann das Hotel zeigen. Ich habe es jedoch nicht auf Anhieb gefunden und als wir bei einem Haus vorbeikamen, hat mich ein Mann gefragt, was ich suche. Er hat mir dann gesagt, dass von dem Hotel nur noch das Schwimmbad existieren würde. Und er habe erzählt, dass das der alten Nazifrau gehört hat, die damals den geflohenen Naziverbrechern Teller und Bestecke mit Hakenkreuz-Emblem serviert habe. Ich hab mir damals gedacht: Um Gottes willen! Meine Mutter würde sich im Grab umdrehen, wenn sie das wüsste!

Haben Sie damals Vorurteile seitens der bolivianischen Bevölkerung gegenüber Ihnen als Europäerin gespürt?

Ich habe keinen Antisemitismus durch die bolivianische Bevölkerung erfahren, außer manchmal von der katholischen Kirche, wenn der Pfarrer von der Kanzel gepredigt hat, dass die Juden Jesus Christus getötet hätten. Der Sozialmediziner Ludwig Popper war auch in Bolivien im Exil und hat das Buch „Bolivien für Gringos“ geschrieben. Auch er berichtet, dass er dort niemals Antisemitismus gespürt habe.

Was verbindet Sie bis heute mit Bolivien?

Ich wollte mein Leben lang wieder zurück nach Bolivien. Aber es hat sich dann ergeben, dass ich in Österreich geblieben bin. Dennoch ist Bolivien mein Land und meine Heimat. Ich war sehr lange wegen meiner drei Kinder und auch aus finanziellen Gründen nicht in Bolivien. Erst 1981 – als meine Kinder alt genug waren, um dieses Land zu verstehen – sind wir zusammen mit zwei meiner Freundinnen nach Bolivien gefahren. Damals war ich sehr aufgeregt. Viele meiner Freunde hier warnten mich davor, dass mich nach so langer Zeit niemand mehr in Bolivien kennen würde. Aber als ich nach La Paz gekommen bin, war es so, wie wenn ich niemals weggewesen wäre. Meine bolivianischen Freunde haben mich gleich erkannt und mich zu ihnen und ihrer Familie zum Essen eingeladen. Und obwohl damals die Situation wegen der Militärdiktatur eher trist war, hatte ich das Gefühl hier zu Hause zu sein. Als ich dann wieder nach Österreich zurückgekehrt bin, hatte ich wirklich großes Heimweh. Da ist es mir so gegangen wie 1955, als ich als junges Mädchen von Bolivien nach Heidelberg zum Studieren ging. Wenn ich hier keine Familie hätte, würde ich trotz Armut und sozialer Ungleichheit in Bolivien leben wollen.

Welche Erfahrungen haben Sie in Deutschland während Ihres Studiums gemacht?

Ich bin 1955 nach Deutschland gefahren, um in Heidelberg Medizin zu studieren. Ich wäre natürlich viel lieber in die USA zum Studium gegangen als nach Deutschland. Aber mein Vater hatte eine Pension bekommen, von der ich in Deutschland studieren konnte. Ich hatte damals sehr großes Heimweh nach Bolivien und habe meine Eltern sehr vermisst. Hinzu kam, dass die Deutschen sich als die einzigen Opfer des Zweiten Weltkriegs betrachtet haben. Die ganze Zeit über habe ich mir als Studentin anhören müssen, wie schlimm die Bombenangriffe waren und wie arm die Deutschen nicht gewesen wären. In Deutschland habe ich als Studentin zur Untermiete gewohnt und die Vermieterin hat mir gleich erzählt, dass ihr Bruder einem Juden in Karlsruhe ein Haus abgekauft habe und dass dieser es wieder zurückhaben wolle. An der Uni in Heidelberg haben auch die Burschenschaften eine zentrale Rolle gespielt. Ich selbst bin auf der Uni immer mit „Herr Miriam“ angesprochen worden, weil der Name überhaupt nicht bekannt war. Er war von den Nazis ausradiert worden. Und natürlich hat damals jeder Deutsche behauptet, von den Verbrechen an den Juden nichts gewusst zu haben. Ich hatte damals kaum Kontakt mit deutschen Studierenden. Meine Studienzeit in Deutschland war keine schöne Zeit. Auch später habe ich keine guten Erfahrungen mit Deutschland gemacht. In Schöneiche bei Berlin hatten meine Großeltern und mein Großonkel zwei Grundstücke. Das eine Grundstück von meinem Großonkel wurde mir als Alleinerbin geschenkt. Ich hätte aber für dieses Grundstück sehr viel Schenkungssteuer zahlen müssen und musste es veräußern. Und das, obwohl man meiner Familie das Grundstück weggenommen hatte.

Wie sind Sie nach Österreich gekommen?

Ich habe 1961 eine Freundin nach Wien begleitet, die sich im St. Anna Kinderspital vorgestellt hat. Der damalige Primar hat mich gesehen und mich gefragt, ob ich mich auch vorstellen möchte. Da habe ich mir gedacht, dass ich doch auch ein Jahr in Wien bleiben könnte. Während dieser Zeit habe ich aber meinen Mann kennengelernt und bin in Wien geblieben. Hier war vieles lustiger als in Deutschland, die ÖsterreicherInnen haben eine leichtere Art zu leben als die Deutschen. Ich finde, dass Österreich Bolivien ähnlicher ist als Deutschland. Ich war und bin gerne in Wien.

Wie ist Ihr Projekt Pro Niño Boliviano entstanden?

Als ich in Pension war, hat meine jüngere Tochter mich daran erinnert, dass ich geplant hatte, für längere Zeit nach Bolivien zu gehen. Sie wollte selbst nach Bolivien reisen, um zu sehen, wo ich aufgewachsen bin. 1996 sind wir dann gemeinsam mit ihrem damals eineinhalb-jährigen Sohn für längere Zeit nach Bolivien gereist. Damals ist mir die soziale Ungleichheit aufgefallen, doch ich hatte nicht die Absicht ein Projekt zu leiten. Daher habe ich nur ein bisschen in der Caritas vor Ort geholfen und mir Schulen angeschaut. Dabei habe ich dann beschlossen, zurück in Österreich Schulmaterial für die bolivianischen SchülerInnen zu sammeln. Doch die Sammelaktion hat eine Eigendynamik bekommen und mit der Zeit haben sich einzelne Projekte entwickelt.

Welche Projekte haben Sie seither verwirklicht?

Zunächst habe ich eine staatliche Schule in einer sehr abgelegenen Gegend von El Alto unterstützt. El Alto ist eine Satellitenstadt in der Nähe von La Paz, von der man sagt, dass sie die ärmste Stadt Lateinamerikas sei. In dieser Schule gab es nur zwei nackte Räume ohne Schulmöbel für 240 Kinder. Da haben wir damit begonnen Schulklassen zu bauen und Tische und Sessel für die Kinder zu organisieren. Wir haben uns bei diesem Projekt immer nach den Wünschen der Kinder und LehrerInnen gerichtet. Mittlerweile ist aus dieser Schule eine Maturaschule geworden, in der viele Klassen maturieren konnten. Nach diesem Projekt ist jemand gekommen und hat mich gefragt, ob ich nicht auch eine andere Schule unterstützen wolle. Das haben wir dann getan, indem wir die Kinder mit Schulmaterial versorgt haben. Außerdem haben wir dort eine mobile Bücherei ins Leben gerufen. Danach habe ich bei einer meiner Reisen den Frauen gesagt, dass sie Handarbeiten anfertigen könnten und ich diese in Österreich verkaufen könnte. Heute machen wir fünfbis sechsmal im Jahr Verkaufsstände mit den Handarbeiten der Frauen. Mittlerweile können 20 Frauen von unserem Projekt leben. Und wir haben auch ein Tuberkuloseprojekt. Die Abwicklung der Projekte ist leider nicht einfach, da Bolivien für die österreichische Entwicklungspolitik kein Schwerpunktland ist.

 

Der Verein Pro Niño Boliviano sucht laufend ehrenamtliche MitarbeiterInnen: http://www.proninoboliviano.org/ Kontakt: office@proninoboliviano.net

Das Interview führte Claudia Aurednik.

 

An einer KZ-Gedenkstätte arbeiten

  • 28.01.2014, 17:18

Wer sind die Menschen, die im Vermittler_innen-Pool an der KZ-Gedenkstätte Mauthausen arbeiten? Warum tun sie sich das an und wie gehen sie damit um? Fünf Guides haben über ihren Bezug zu Arbeit, Ort und Motivation gesprochen und darüber welchen Platz sie dort besonders interessant finden.

Wer sind die Menschen, die im Vermittler_innen-Pool an der KZ-Gedenkstätte Mauthausen arbeiten? Warum tun sie sich das an und wie gehen sie damit um? Fünf Guides haben über ihren Bezug zu Arbeit, Ort und Motivation gesprochen und darüber welchen Platz sie dort besonders interessant finden.

Die Portrait-Strecke ist der zweite Teil zum progress online Bericht Wo sich Vergangenheit und Gegenwart treffen - Mauthausen

„Wenn man hier lange arbeitet und sich jedes Mal schrecklich fühlt, dann ist das nicht gesund.“ -Stefan

Stefan studiert Jura in Linz und arbeitet nebenbei als Vermittler an der Gedenkstätte. Eigentlich wollte er schon 2011/12 als Zivildiener Rundgänge durchführen, was jedoch zu dieser Zeit nicht möglich war. Deshalb besuchte er den letzten Ausbildungsturnus und ist somit seit Anfang diesen Jahres Teil des Vermittler_innen-Teams. Der Gedenkstätte Mauthausen wendete er sich zu, da seine Großeltern in der Nähe wohnen, der Ort ihm also nicht fremd war und er stark an Geschichte interessiert ist. Deswegen macht er auch bald ein Auslandssemester in Krakau, wo er sich gern in die Materie vertiefen möchte und gespannt auf die Gedenkdiener_innen in den dort umliegenden Gedenkstätten ist.

Die meisten Leute aus seinem Umfeld finden seine Arbeit im Memorial toll, meint er, zieren sich aber, selbst zu kommen. So sieht er sich manchmal nicht nur als Vermittler vor Ort, sondern auch als Vermittlungsstelle nach außen, denn „viele Leute wollen her, brauchen aber eine private Einladung.“

Die Arbeit mit den Besucher_innen-Gruppen findet er spannend, obwohl er sich nach mehreren Schüler_innen-Gruppen auch mal auf älteres Publikum freut. „Jeder Rundgang ist unterschiedlich, manchmal ist es schwieriger sich auf die Menschen einzustellen, manchmal einfacher“, sagt er. Probleme mit Desinteresse habe er aber noch nie gehabt.

Sehr interessant findet er das spanische Denkmal am Denkmalhain. Dessen Hintergrund ist ein Beispiel dafür, wie kompliziert die Geschichte der NS- und Nachkriegszeit eigentlich ist. Nach der Ankunft der US-Armee im Lager der so genannten Befreiung, war es vielen Häftlingen nicht möglich nach Hause zurück zu kehren, so auch den Spanier_innen, welche fast 30 Jahre darauf warten mussten und sich danach vereinzelt auch in der Umgebung angesiedelt hatten. Fast alle Denkmäler in diesem Bereich der Gedenkstätte wurden von Staaten finanziert. Nicht so das spanische, was – wenn man an den dortigen Bürgerkrieg und Diktator Franco denkt – auch logisch erscheint. Deshalb hängt auch bei den Befreiungsfeiern im Mai am Denkmal nicht nur die aktuelle spanische Nationalflagge sondern auch die republikanische.

An einem solchen Ort Geschichte zu vermitteln, ist Stefan sehr wichtig. Und obwohl hier so viel Grausames passiert ist, verbindet er mit dem Ort mehr Positives als Negatives. Man trifft hier seine Kolleg_innen und interessante Gruppen und denkt nicht immer an den ganzen Schrecken, denn „wenn man hier lange arbeitet und sich jedes Mal schrecklich fühlt, dann ist das nicht gesund.“

 

Dass sich ein KZ inmitten einer offenen und wunderschönen Landschaft befand, damit rechnen die wenigsten. - Reinhard

Reinhard macht seit seinem Abschluss der dritten Vermittlungsausbildung Rundgänge an der Gedenkstätte. Im Jahr 2010 war er bereits als Zivildiener dort tätig und hatte sich anschließend unter anderem aufgrund seines großen Interesses an Zeitgeschichte für die Vermittlungstätigkeit entschieden.

Jeder Rundgang und jede Gruppe sei unterschiedlich, er findet aber alle Altersklassen interessant: „Zu Jüngeren habe ich vielleicht einen guten Zugang, weil ich selbst noch nicht so alt bin und ihnen einfacher auf gleicher Stufe begegnen kann. Aber generell hat auch jedes Alter des Vermittlers oder der Vermittlerin seine Vorteile.“

Er ist nicht ganz so oft hier, aber macht die Arbeit sehr gerne. Die Vermittlung von Geschichte ist ihm wichtig und bietet ihm außerdem eine Abwechslung zum Studium an der FH Steyr. Wegen seinem Studium würde er auch nicht hauptberuflich am Memorial arbeiten wollen.

Ein interessanter Aspekt an der Gedenkstätte ist für ihn der schöne Ausblick. Die beeindruckende Landschaft passe einfach nicht zu den Dingen, die damals hier geschehen sind. Genau das thematisiert er auch in seinen Rundgängen, was bei vielen Besucher_innen zu einem AHA-Effekt führt. Jede_r hat schon etwas darüber gehört und jede_r hat sich vor der Ankunft schon seine/ihre Meinung darüber gebildet. Dass sich dann ein KZ inmitten einer offenen und wunderschönen Landschaft befindet, sichtbar auf einem Hügel und nicht versteckt im Wald, damit rechnen die wenigsten. Dieser Kontrast eignet sich laut ihm besonders gut, mit den Besucher_innen über die damalige Zivilgesellschaft in der Umgebung und deren Mitwissen zu sprechen.

Das macht auch diesen Ort für ihn zu einem Ort der Aufklärung: „Ich sehe viel Aufklärungsbedarf und man muss Missverständnisse aus dem Weg räumen.“

 

„Es wird einem hier so viel Herzlichkeit und Dankbarkeit entgegen gebracht.“ - Silvia

Silvia ist seit 2 Jahren hauptberuflich an der Gedenkstätte tätig. Sie arbeitet im Bookshop, im Museum und wo sonst jemand gebraucht wird. Um sich noch mehr mit der Materie beschäftigen zu können, entschied sie sich zusätzlich an der letzten Vermittler_innen-Ausbildung teilzunehmen. Nun macht sie seit ca. einem Jahr Rundgänge an der Gedenkstätte - zwar nicht so oft, da diese außerhalb der hauptberuflichen Arbeitszeit stattfinden, was stressig ist, aber sie meldet sich, wann immer sie Zeit hat. Sie widmet sich dieser Arbeit sehr gern.

Die „Information“ bzw. der Bookshop, wie er genannt wird, ist für Silvia zentral. Hier hält sie sich die meiste Zeit auf und ist dort vor und nach den Rundgängen die erste und letzte Ansprechperson für ihre Kolleg_innen aus der Vermittlung und für viele Besucher_innen. Letztere kaufen dort die Tickets und/oder Literatur zum Thema, melden sich für Rundgänge an, leihen sich Audioguides, lassen sich von ihr den Weg erklären und erzählen auch hin und wieder über ihre Beweggründe die Gedenkstätte aufzusuchen. Häufig wird Silvia auch von Überlebenden bzw. deren Angehörigen angesprochen. Für die Gespräche mit ihnen nimmt sie sich gerne Zeit. „Sie berühren mich sehr“, sagt sie und fügt hinzu: „Es wird einem dort so viel Herzlichkeit entgegen gebracht. Einmal ist mir eine US-amerikanische Besucherin nach unserer Unterhaltung fast um den Hals gefallen.“ 

Als Vermittlerin und Festangestellte genießt Silvia den Kontakt und die Kommunikation in den unterschiedlichsten Sprachen mit den vielen verschiedenen Menschen, denen sie dadurch begegnet. Sie mag ihre Aufgaben an diesem Ort und empfindet die Auseinandersetzung mit ihm als sehr wichtig. Bevor sie nach Dienstschluss nach Steyr heimfährt, schließt sie mit dem Ort ab. „Man muss das tun, wie in anderen Tätigkeiten auch.“

 

„Wenn ich mir vornehme was zu ändern, dann ist das ein guter Ort, um das zu versuchen.“ - Casimir

Casimir ist schon vor längerer Zeit als Fremdenführer auf das „Vermitteln“ in Gedenkstätten gestoßen. Sein Großvater war in einem Konzentrationslager inhaftiert, was sein Interesse an der Tätigkeit geweckt hat. So begleitet er seit nun dreizehn Jahren Besucher_innen an der Gedenkstätte Mauthausen, gelegentlich auch am Lern-und Gedenkort Schloss Hartheim und im ehemaligen Mauthausen-Außenlager Ebensee. Teil des Vermittler_innen-Teams in Mauthausen ist Casimir seit der ersten Ausbildung, jedoch bietet er seine Dienste auch außerhalb dessen an, auf Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch. Er beginnt seinen Rundgang vor den massiven Mauern des ehemaligen Schutzhaftlagers. Dieser Bereich ist für ihn besonders interessant, denn hier werden die Besucher_innen zum ersten Mal mit ihren Vorstellungen und teilweise Hirngespinsten konfrontiert. Die Menschen bringen viele skurrile Ideen mit an diesen Gedächtnisort und genau dann, wenn sie das erste Mal vor den hohen Mauern stehen, sprudeln diese meist in Form von Fragen aus ihnen heraus: Wo denn die ganzen Juden umgebracht wurden oder ob das Geräusch (Bohren der Renovierungsarbeiten) eine Soundinstallation sei, die das Leiden nachahmen soll.

Als Guide am Memorial Mauthausen zu arbeiten bedeutet für Casimir nicht nur eine Einkommensquelle, sondern auch eine Möglichkeit sich darin auszuprobieren, die Welt zu retten. Die Gedenkstätte als Ort empfindet er als sehr vielfältig, was auch mit der eigenen Empfindlichkeit zusammenhänge. Deshalb ist es für Casimir sehr wichtig darauf zu achten, den Ort da zu lassen, wo er ist, auf dem Hügel. Ihn von dort mit nach Hause zu nehmen, tue nicht gut.

Dieser Gedächtnisort hat für ihn viele verschiedene Facetten, er sei ein Ort des Leidens und Vernichtens, ein Ort der Überlebenden, aber auch ein Ort der Hoffnung. Auch wenn Letzteres für viele Außenstehende skurril klinge, für Casimir ist die Gedenkstätte Mauthausen ein Platz, an dem man etwas leisten kann, damit gewisse Dinge nicht wieder passieren. Auch wenn man dann doch zuhause Nachwirkungen einer anderen Facette spürt. „Das Dort-Lassen funktioniert eben nicht immer.“

 

„Die Menschen sollen zum Nachdenken anfangen, nicht nur über die Vergangenheit, am besten über sich selbst“ - Barbara

Barbara studiert Kultur- und Sozialanthropologie und ist durch einen Kommilitonen auf die Vermittlungsarbeit an der Gedenkstätte Mauthausen aufmerksam geworden. Nun macht sie seit drei Jahren als Teil des Vermittler_innen-Pools vor Ort Rundgänge, wird aber bald auch eine Fixanstellung im Museum annehmen, um sich noch intensiver am Memorial einbringen zu können. Durch ihren Großvater, der aufgrund seines Engagements im Widerstand nahezu die gesamte NS-Zeit im Zuchthaus verbringen musste, besteht für sie ein starker Zusammenhang zwischen Arbeit und Familiengeschichte.

Die Vermittlungsarbeit bietet ihr die Möglichkeit, sich mit anderen Menschen über ein so schwieriges Thema auszutauschen und diese zum Nachdenken anzuregen. Jene Interaktion sei ein Geben und Nehmen, man bekomme von der jeweiligen Gruppe meist auch immer viel zurück. Auch die Kolleg_innen sind ihr wichtig, um es an diesem schwierigen Ort auszuhalten.

Um die nötige Distanz zu dem schwierigen Platz gewinnen zu können, hilft ihr nicht nur die geographische Entfernung zwischen Mauthausen und ihrem Zuhause in Wien-Umgebung, auch die lange Autofahrt dahin nutzt sie, um sich etwaiger Nachwirkungen zu entledigen.

Der „Raum der Namen“ ist für sie ein besonderer Bereich, denn hier werden seit der Umgestaltung der Gedenkstätte die im Lagersystem getöteten Menschen mit ihrem Namen, in der jeweiligen Schrift (Kyrillisch, Griechisch, etc.) auf beleuchteten Glasplatten angeführt. „Er zeigt auf, wie divers wir Menschen sind“, sagt sie. „Wir haben verschiedene Sprachen und Schriften, wir sehen unterschiedlich aus usw... Aber was uns verbindet ist, dass wir alle Menschen sind. Wir sollten Respekt füreinander haben."

Der in unserer Gesellschaft oft fehlende Respekt für das Leben, habe den Nationalsozialismus erst möglich gemacht. Barbara möchte die Menschen zum Nachdenken anregen, nicht nur über die Vergangenheit, sondern am besten auch über sich selbst.

 

 

Wo sich Vergangenheit und Gegenwart treffen - Mauthausen

  • 27.01.2014, 12:10

Am 27.1. ist Holocaust-Gedenktag – ein Anlass, sich mit der Gedenkkultur in Österreich zu beschäftigen. Das Memorial Mauthausen sticht da besonders hervor. Nina Aichberger ist Guide in der Gedenkstätte und berichtet für progress online von der KZ-Gedenkstätte und seinen Mitarbeiter_innen.

Am 27.1. ist Holocaust-Gedenktag – ein Anlass, sich mit der Gedenkkultur in Österreich zu beschäftigen. Das Memorial Mauthausen sticht da besonders hervor. Nina Aichberger ist Guide in der Gedenkstätte und berichtet für progress online von der KZ-Gedenkstätte und ihren Mitarbeiter_innen.

Mauthausen ist fast jedem/jeder ein Begriff. Eine Exkursion mit der Schule zur KZ-Gedenkstätte ist keine Seltenheit. So strömen jährlich knapp 200.000 Schüler_innen, aber auch Studierende und Einzelbesucher_innen auf den Hügel, auf welchem sich das ehemalige Konzentrationslager befindet. Orte, wie die Gaskammer und die so genannte Todesstiege bleiben den meisten in Erinnerung. Ein Ort, an dem man sich besonders gerne aufhält, ist das Konzentrationslager auf Grund seiner Geschichte nicht. Es gibt jedoch Leute, die häufig, manche davon sogar jeden Tag, viel Zeit zwischen den Mauern und Gedenktafeln verbringen. Und zwar diejenigen, die dort arbeiten. Mauthausen ist kein verfallener, dunkler und verstaubter oder gar versteckter Ort, sondern eine gut besuchte und teilweise belebte Einrichtung, welche manchmal auch einer Umgestaltung oder Renovierung bedarf.

 

Überblick über den Denkmalhain aus der Richtung des Schutzhaftlagers mit Blick auf den Steinbruch. Foto: Nina Aichberger

Vom Konzentrationslager zur Gedenkstätte

1938 ließen die Nationalsozialisten nahe der Stadt Mauthausen auf einem Hügel das gleichnamige Konzentrationslager errichten. Für die bis Österreich weit verteilten 49 Außenlager fungierte es zu der Zeit als Mutterlager. Andere bekannte Standorte waren beispielsweise Gusen, Linz, Ebensee, Melk, Steyr, Wien und viele mehr. Am 8. Mai 1945 wurde das Lager von der US-Armee „befreit“ bzw. als Lager aufgelöst,, die Häftlinge wurden versorgt. Deshalb finden rund um dieses Datum die Befreiungsfeiern im Konzentrationslager statt. Ca. 200.000 Menschen wurden aufgrund ihrer politischen Gesinnung, ihres Glaubens, ihrer Herkunft oder sexuellen Ausrichtung in dieses Lagersystem verschleppt und rund die Hälfte ging an den Lebens- und Arbeitsbedingungen zugrunde oder wurde durch gezielte Exekutionen ermordet.

Von der US-Armee den sowjetischen Besatzern übergeben, erhielt Österreich im Jahre 1947 die Aufgabe aus dem ehemaligen KZ eine Gedenkstätte zu schaffen, was 1949 auch geschah. Heute ist das Memorial im Gegensatz zu vielen deutschen Gedenkstätten, welche in Stiftungen integriert sind, dem Bundesministerium für Inneres unterstellt, was immer wieder für Diskussionsstoff sorgt.

Auf dem österreichischen Denkmal am Appellplatz legen Besucher_innen Steine ab, um ihre Anteilnahme auszudrücken. Foto: Nina Aichberger

Pädagogische Neuerungen und Angebot

Seit 2007 gibt es eine pädagogische Abteilung, welche für die pädagogischen Angebote, die Ausbildung des Vermittler_innen-Teams und die Rahmenbedingungen eines Gedenkstättenbesuchs zuständig ist. Seitdem wurden drei Vermittlungsausbildungen durchgeführt und ein pädagogisches Konzept erstellt, ganz nach der zentralen Frage „Was hat das mit mir zu tun?“.

Das Team der Vermittler_innen aus dem Pool des Memorial, welche Besucher_innen an der Gedenkstätte begleiten, ist bunt gemischt. Von Studierenden über Pensionist_innen, bis hin zu Menschen, die  sich in ihrer Freizeit dem Thema widmen, ist alles dabei. Auch das pädagogische Angebot ist unterschiedlich. Die klassischen Rundgänge dauern zwei Stunden, Rundgänge mit einem Vor- und einem Nachgespräch bis zu dreieinhalb, ein Impulsrundgang im Sommer nur eine Stunde.

In der Gestaltung ihrer Arbeit sind die Mitglieder jedes Vermittler_innen-Pools sehr frei, werden aber auch nach ihrer Ausbildung von der pädagogischen Abteilung unterstützt. Es wird viel mit Fotos und Illustrationen, mit Plänen und Zitaten von Überlebenden gearbeitet, das ist besonders im Außenbereich sehr wichtig, denn dort sind fast keine Bauten mehr erhalten. So erkennt man die Vermittler_innen meist an einer dicken Fächermappe, in der sie ihre oft selbst laminierten Materialien mit sich herumtragen.

Im Zentrum der Begleitungen steht die Interaktion. Die Besucher_innen sollen sich durch Diskussionen mit den drei Perspektiven Opfer, Täter_innen und Umfeld beschäftigen. Von Frontalvorträgen und Gruselgeschichten hält man in der Gedenkstätte nichts. Häufig beginnt der Rundgang vor dem im Zuge der Neugestaltung errichteten Besucherzentrum, in welchem sich die Räumlichkeiten der Pädagogik und Verwaltung, sowie ein Bookshop, ein Café, Seminarräume usw. befinden. In der Regel führt die Tour dann um das festungsartige, so genannte „Schutzhaftlager“ herum und durch den Denkmalhain. In diesem ehemaligen SS-Bereich stehen nun Denkmäler vieler betroffener Nationen und Gruppen. Vom monströsen Monument der Sowjetunion, bis hin zur kleinen Marmorsäule Griechenlands, jedes Denkmal ist für sich einzigartig und interessant. Manche, wie das der BRD wird an den Befreiungsfeiern gern von Kindern als Lauframpe genutzt, das der Roma und Sinti als Aussichtsplattform in den Steinbruch.

Teil des Bulgarischen Denkmals am Denkmalhain. Foto: Nina Aichberger

Neugestaltung und Ausstellung

Im ehemaligen „Krankenrevier“ im Inneren der Festung, wurden letztes Jahr endlich zwei neue Ausstellungen eröffnet. Im Obergeschoß befindet sich unter anderem eine Ausstellung, welche sich mit der Geschichte des Konzentrationslagers beschäftigt, im Keller wird auf den Tatort Mauthausen eingegangen. Er soll die Besucher_innen auf die sich im Keller befindenden Exekutionsstätten vorbereiten. Durch die schlängelt sich ein beleuchteter Pfad, der auch Informationen zum jeweiligen Raum bereithält und seit neuem das Betreten zur Gaskammer als Pietätsraum verwehrt. Dieses noch nicht ganz optimierte Einbahnsystem führt auch durch den „Raum der Namen“, ein zusätzlicher neuer kollektiver Gedenkraum: In dem damaligen Leichenlagerraum wurden Glasplatten montiert, welche ein bisschen an ein Labyrinth erinnern. Auf diesen sind 81.000 Namen der im Lagersystem Verstorbenen angebracht. Da der Boden eine leichte Neigung hat, wirkt es beim Hineingehen, als würde man in dem Meer aus Namen versinken.

Aussicht auf den Garagenhof der SS. Rechts im Hintergrund ist das Besucherzentrum, links ist das Schutzhaftlager. Foto: Nina Aichberger

Ein Ort der Gegenwart

Sichtbar auf einem Hügel, umgeben von einem umwerfenden Ausblick erhebt sich die graue Festung der KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Man begegnet nicht nur knarrenden Türen und sausendem Wind, sondern auch dem Brummen eines Rasenmähers oder dem Zwitschern der Schwalben, welche unter den Dächern der Baracken nisten. Zwar gibt es Tage,  besonders die, an denen es früher dunkel wird, an denen möchte man sich nicht gerne zur Sperrstunde im Inneren der massiven Mauern aufhalten, aber generell ist der Ort ein sehr belebter. So trifft man nicht nur weinende und traurige Gesichter, sondern auch lachende Schüler_innen und beispielsweise eine Gruppe jüdischer Frauen, welche an einem Gedenkstein ein fröhliches Lied singt oder einen Spaziergänger mit Hund im Außenbereich. Es ist ein Ort, an dem schreckliche Dinge passiert sind, Dinge, die sich niemand von uns vorstellen kann. Genau dieses Unvorstellbare lässt uns erschaudern und zusammenzucken. Den Ort selbst kreiert sich aber jede_r von uns selbst und oft ist es nicht nur der gespenstische Platz des Massensterbens, sondern auch ein Ort der Überlebenden, ein sich wandelnder Ort der Gegenwart, an dem man die Möglichkeit hat etwas aus der Geschichte und über sich selbst zu lernen.

Eine Blume auf einem Teil des Denkmals der DDR. Im Hintergrund sieht man auf den Steinbruch. Das Denkmal befindet sich direkt an der Steinbruchkante. Foto: Nina Aichberger

 

„Wenn ich mir vornehme was zu ändern, dann ist das ein guter Ort um das zu versuchen.“ - progress online Portraitstrecke An einer KZ-Gedenkstätte arbeiten

 

 

Einmal Palästina und wieder zurück

  • 10.11.2013, 12:03

Karl Pfeifer (*1928) hat mit seiner Autobiographie „Einmal Palästina und zurück. Ein jüdischer Lebensweg“ einen wichtigen Beitrag zur Geschichte des Zionismus und des jungen Staates Israel geleistet. In seinem Buch thematisiert er auch das unrühmliche Verhalten der Alliierten gegenüber den jüdischen Flüchtlingen sowie den Antisemitismus in Österreich, Ungarn und von arabischer Seite.

Karl Pfeifer (*1928) hat mit seiner Autobiographie „Einmal Palästina und zurück. Ein jüdischer Lebensweg“ einen wichtigen Beitrag zur Geschichte des Zionismus und des jungen Staates Israel geleistet. In seinem Buch thematisiert er auch das unrühmliche Verhalten der Alliierten gegenüber den jüdischen Flüchtlingen sowie den Antisemitismus in Österreich, Ungarn und von arabischer Seite.

Der Journalist Karl Pfeifer beschäftigt sich bis heute mit der Problematik des Antisemitismus und Rechtsradikalismus abseits jeglicher Parteienpolitik. 2003 erhielt Karl Pfeifer für sein Engagement und seine Zivilcourage die Ernst-Bloch Medaille der Aktion gegen den Antisemitismus in Österreich. Fünf Jahre später feierte der Film „Zwischen allen Stühlen – Lebenswege des Journalisten Karl Pfeifer“ Premiere. In dieser von den  WissenschaftlerInnen Mary Kreutzer, Ingo Lauggas, Thomas Schmidinger und Maria Pohn-Weidinger produzierten No-Budget Doku, konnten die ZuseherInnen erstmals einen Einblick in die spannende und berührende Lebensgeschichte Karl Pfeifers gewinnen. In diesem Frühjahr hat Karl Pfeifer seine Autobiographie bis zum Jahre 1951 in der Edition Steinbauer veröffentlicht.

Die Geschichte seiner Jugend war von Antisemitismus, nationalsozialistischer Verfolgung und der Flucht aus Europa – aber auch mit dem Idealismus der sozialistisch-zionistischen Bewegung verbunden. Bis zum Ende des Buches gelingt es Karl Pfeifer seine LeserInnen zu fesseln und die Geschichte sowie die Atmosphäre der damaligen Zeit lebendig werden zu lassen. Außerdem besticht das Buch durch dessen klare Sprache und ist somit auch für jüngere LeserInnen, die sich erstmals mit der Thematik beschäftigen, sehr gut geeignet. Historische Tatsachen – wie beispielsweise das unrühmliche Verhalten der Briten gegenüber der jüdischen Bevölkerung im damaligen Mandatsgebiet Palästina sowie das Verhalten der arabischen Politiker im Zuge des UN-Teilungsplans – werden von Pfeifer mit Quellen belegt. Diese fügt er mit enormer Sorgfalt und großem Feingefühl ein, so dass kein stilistischer Bruch mit seiner Lebensgeschichte entsteht.

BADEN BEI WIEN. Pfeifers Autobiographie hat zwölf Kapitel. Das erste handelt von seiner wohlbehüteten Kindheit in seiner bürgerlichen ungarisch stämmigen jüdischen Familie in Baden sowie den Antisemitismus vor dem sogenannten Anschluss Österreichs ans nationalsozialistische Deutschland. Bereits vor dem Jahr 1938 lebten die Pfeifers in Baden isoliert und hatten nur jüdische FreundInnen. Karl Pfeifer hält fest, dass auch er in Baden nur jüdische SpielkameradInnen hatte, denn die nichtjüdischen NachbarInnen hatten ihren Kindern verboten mit ihm zu spielen. Und auch in der Schule erlebte Karl Pfeifer den Antisemitismus seiner Mitschüler, die ihn als „Gottesmörder“ nach dem katholischen Unterricht beschimpften. Diese Schilderungen verdeutlichen den katholischen Antijudaismus und Antisemitismus, die in Österreich bereits vor dem Jahr 1938 existierten.

Nach der Machtübernahme Hitlers 1933 dachten Karl Pfeifers Eltern, dass es im „gemütlichen Österreich“ so etwas nicht geben könnte. Eine tragische Fehleinschätzung der Situation, die Pfeifers Eltern mit vielen österreichischen Juden und Jüdinnen teilten. Denn das Jahr 1938 stellte auch für die Familie Pfeifer eine Zäsur in deren Leben dar. Karl Pfeifer beschreibt die Übergriffe und Erniedrigungen gegenüber den Juden in Baden und seine furchtbare Angst vor der nationalsozialistischen Massenhysterie, die er sich als Neunjähriger nicht erklären konnte. Besonders berührend ist der abgedruckte Schriftverkehr zwischen Karl Pfeifers fünfzehn Jahre älterem Bruder Erwin, der bereits 1935 nach Israel gelangte, und seinem Vater. Einen Monat nach dem Anschluss Österreichs schreibt dieser an seinen Sohn, dass die Familie ungemein große Angst habe und dass der Allmächtige alles zum Besseren wenden würde.

Karl Pfeifer. Foto: Johannes Zinner
UNGARN. Im Juli 1938 gelang es Pfeifers Eltern ungarische Pässe zu erhalten und nach Ungarn auszuwandern. Sein Leben in Ungarn beschreibt er in den beiden Kapiteln „Erste Erfahrungen in Ungarn“ und „Schwierige Jugendjahre in Budapest“. Denn auch in Budapest wurde er mit Antisemitismus und Ablehnung konfrontiert. Als er in Budapest beim Tragen seiner Schuluniform von Ungarn antisemitisch beschimpft wurde, beschloss er fortan auch kein Ungar sein zu wollen. Karl Pfeifer erläutert in seinem Buch auch die drei von 1938 bis 1941 in Ungarn erlassenen „Judengesetze“, die Juden in Ungarn diskriminierten und letztendlich sogar den sexuellen Verkehr zwischen Juden und Nichtjuden als sogenannte „Rassenschande“ ahndeten. Ebenso thematisiert er die Deportationen ungarischer Juden unter Miklós Horty, die oftmals in historischen und aktuellen Darstellungen zur Problematik der ungarischen Rechten ausgeklammert werden. In Budapest fand Karl Pfeifer über einen Klassenkollegen aber auch seine politische Heimat in der zionistisch-sozialistischen Jugendbewegung Schomer Hazair.

Als seine Mutter 1940 an Leberkrebs gestorben war und sein Vater sich beruflich oft außerhalb Budapest aufhielt, wurde die zionistische Jugendgruppe zu seiner Ersatzfamilie. Mit drei Mitgliedern seiner Schomergruppe und zwei jüdischen Mädchen aus der Slowakei verließ er – mit einem auf einen anderen Namen ausgestellten Reisepass – am 5. Jänner 1943 Budapest mit dem Ziel ins damalige Palästina auszuwandern. Seinen Vater hat er damals  zum letzten Mal in seinem Leben gesehen. Die abenteuerliche Reise durch Rumänien, Bulgarien und die Türkei sowie die darauffolgende Einreise über Beirut nach Haifa beschreibt er im Kapitel „Januar 1943 – Abschied von Europa“. Pfeifer erklärt, dass sie sich damals der großen Gefahr aufgrund ihrer Jugend nicht bewusst waren. In Bulgarien wurde die Gruppe von österreichischen Gestapo-Männern durchsucht, die ihnen euphemistisch erklärten, dass sie auch in Polen Landwirtschaft lernen könnten und sie die Gruppe gerne kostenlos nach Polen befördern könnten. Eine lebensbedrohliche Situation, die die Gruppe dank des Vorzeigens einer Visitenkarte des bulgarischen Ministers und der genehmigten Ausreise seitens der bulgarischen Offiziere überlebte.

PALÄSTINA. Den Schwerpunkt der Autobiographie bilden die sieben Kapitel über Karl Pfeifers Jugendjahre im damaligen britischen Mandat Palästina sowie im jungen Staat Israel. Der Leser erfährt von den damaligen Lebensbedingungen in Erez Israel und den  gesellschaftlichen Strukturen der jüdischen und arabischen BewohnerInnen des britischen Mandatsgebiets. Karl Pfeifer erläutert auch anhand einer Tabelle das starke Wachstum der arabischen Bevölkerung, die von der verbesserten medizinischen Versorgung profitierte. Eine Thematik, die in den meisten Büchern über den israelisch-palästinensischen Konflikt ausgespart wird. Ebenso thematisiert er anhand von historischen Quellen die menschenverachtende Einwanderungspolitik und das unrühmliche Verhalten der Briten gegenüber der jüdischen Bevölkerung in Palästina - dem  Jischuv. Die Schilderungen des Lebens der jungen Schomer, mit denen Karl Pfeifer gemeinsam in zwei Kibbuzim lebte,  verdeutlichen den sozialistischen und basisdemokratischen Charakter des Landwirtschaftskollektivs. Doch der junge Karl Pfeifer merkte bald, dass die Lebensrealität im Kibbuz - neben dem kollektiven basisdemokratischen Leben – von harter landwirtschaftlicher Arbeit geprägt war. Die Ideologie des sozialistischen Zionismus war für ihn und seine Freunde zu diesem Zeitpunkt überaus wichtig, um das Leben ohne ihre Familien zu bewältigen. Die LeserInnen machen in Karl Pfeifers Biographie auch Bekanntschaft mit seinen Freunden.

In der Jugendgruppe Noar Gimel lernte er seinen Freund Dan kennen, der aus dem kroatischen Vernichtungslager Jasenovac geflohen war, in dem er sich an die Achse eines Zuges, der zurück nach Zagreb ging, klammerte. Bis heute betrachtet Karl Pfeifer die Mitglieder der Jugendgruppe als seine Geschwister. Die Heterogenität der damaligen zionistischen Bewegung wird auch in der Familiengeschichte Karl Pfeifers sichtbar. Denn im Gegensatz zu dem sozialistisch-zionistischen Weltbild Karl Pfeifers, schloss sich sein Bruder Erwin den revisionistischen Zionisten an. Seinen älteren Bruder konnte Karl Pfeifer nur sehr selten sehen. Als die deutsche Wehrmacht 1944 in Ungarn einmarschierte, packte ihn und die ungarischen Mitglieder der Jugendgruppe ein irrationales Schuldgefühl, da sie das Land verlassen hatten. Ein Gefühl, das viele Überlebende der Shoah bis heute haben und das sich in der Frage „Warum habe ausgerechnet ich überlebt?“ manifestiert. Besonders berührend sind jene Gefühle, die Karl Pfeifer am 8. Mai 1945, dem Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus, hatte. Denn von seiner großen Familie waren nur noch wenige am Leben geblieben. Pfeifer widerspricht auch dem heute verbreiteten Gerücht, dass der damalige Jischuv gegenüber dem Leid der Shoah-Überlebenden gleichgültig gewesen wäre. Ebenso thematisiert er die Problematik der 200.000 jüdischen Displaced Persons in Europa, die von den Briten nicht ins Land gelassen wurden.

HAGANA UND PALMACH. Ab 1944 kämpfte Karl Pfeifer in der Hagana sowie später während des Israelischen Unabhängigkeitskrieges im Palmach. Karl Pfeifer widerlegt auch Geschichtsmythen wie die „Vertreibung der Palästinenser“, die von ihm anhand von Quellen als Flucht dargestellt wird und erläutert anhand von Quellen die Weigerung der arabischen Länder Israel als Staat nach dem UN-Teilungsplan anzuerkennen. Die Erzählungen über seine Erlebnisse als jüdischer Siedlungspolizist verdeutlichen die Bedrohung des jungen israelischen Staates durch die unnachgiebige Kriegspolitik der arabischen Länder. Während des Bürgerkriegs muss er den Tod vieler junger israelischer Soldaten miterleben. Er berichtet auch von den ehemaligen bosnischen SS-Leuten und anderen Freischärlern, die auf der Seite der arabischen Länder und Palästinenser gegen sie kämpften. In seinem letzten Kapitel  „Nach dem Krieg und Rückkehr nach Europa“ erzählt Karl Pfeifer von seiner Armut und seinen Problemen nach dem Unabhängigkeitskrieg in Israel, die ihn zu einer Rückkehr nach Europa bewogen hatten.

FAZIT. Karl Pfeifers Autobiographie ist eine Pflichtlektüre für alle, die sich für die Geschichte des Antisemitismus und das jüdische Leben im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina  interessieren. Durch die authentische Schilderung und klare Sprache des Autors kann das Buch auch von engagierten LehrerInnern und JugendbetreuerInnen im Unterricht eingesetzt werden.

 

Karl Pfeifer: Einmal Palästina und zurück. Ein jüdischer Lebensweg.

Wien: Edition Steinbauer 2013.
176 Seiten, 17 Abbildungen, Euro 22,50
ISBN 978-3-902494-62-7

Dokumentarfilm: Zwischen allen Stühlen – Lebenswege des Journalisten Karl Pfeifer

Regie und Produktion: Mary Kreutzer, Ingo Lauggas, Maria Pohn-Weidinger und Thomas Schmidinger. Schnitt: D. Binder
A, H, IL 2008 (87 min., Deutsch mit englischen Untertiteln)
87 min, Screening Format: DVD und BETA SP

Euro 15,-- + 2 Euro Versand/innerhalb Österreichs. Bestellungen unter: http://film.antisemitismusforschung.net/dvd

Der Film kann gegen 300 € im Rahmen von Veranstaltungen öffentlich gezeigt werden.

 

progress-online Schwerpunkt: Im Gedenken an das Novemberpogrom 1938

"Was passiert, wenn wir vergessen uns zu erinnern?"

Gedenken und Gegenwart

progress-online Schwerpunkt zum Holocaustgedenktag:

Karl Pfeifer: Lebenslanges Engagement gegen Antisemitismus
 

 

 

Die letzten ZeitzeugInnen

  • 06.07.2013, 17:04

Die letzten ZeitzeugInnen der Shoah vermitteln weit mehr als nur einen Einblick in die Verbrechen des Nationalsozialismus. Denn ihre Lebensgeschichten und Gefühle stellen ein wichtiges Vermächtnis dar, dass es zu bewahren gilt. Claudia Aurednik hat zwei ZeitzeugInnen besucht und mit ihnen gesprochen.

Die letzten ZeitzeugInnen der Shoah vermitteln weit mehr als nur einen Einblick in die Verbrechen des Nationalsozialismus. Denn ihre Lebensgeschichten und Gefühle stellen ein wichtiges Vermächtnis dar, dass es zu bewahren gilt. Claudia Aurednik hat zwei ZeitzeugInnen besucht und mit ihnen gesprochen.

„Ich nehme meinen Lagergürtel aus dem Vernichtungslager Auschwitz in die Schulen mit. Wenn ich ihn dann den Kindern in der Klasse gebe, werden alle ganz still. Im Konzentrationslager habe ich ja nur noch 37 Kilo gewogen“, erzählt der Zeitzeuge Walter Fantl-Brumlik (89) und ergänzt: „Ich habe auch noch meinen Judenstern und Dinge aus Theresienstadt. Wenn die Kinder diese berühren, dann löst das bei ihnen Gefühle aus.“

Fantl-Brumlik ist einer der letzten ZeitzeugInnen, die regelmäßig in Schulen gehen und über ihr Schicksal erzählen. Der Auschwitz-Überlebende hat in seiner Jugend die Verbrechen des Nationalsozialismus am eigenen Leib erfahren. Seine Erzählungen verdeutlichen die Kaltblütigkeit und Perfidität der NationalsozialistInnen. „Meine Vorträge halte ich immer sehr prägnant und fesselnd. Ich erzähle auch, dass wir beim Transport von Theresienstadt nach Auschwitz 5000 Männer waren, von denen nur etwa 100 überlebt haben. Den SchülerInnen muss ich dann erklären, was die Selektion beim Eintreffen in Auschwitz bedeutet hat“, erklärt Walter Fantl-Brumlik, der dort seinen Vater Arthur Fantl-Brumlik zum letzten Mal gesehen hat: „Damals hat der Lagerarzt Josef Mengele die Selektion nach unserer Ankunft vorgenommen und zu meinem Vater ,links‘ und zu mir ‚rechts‘ gesagt. Seitdem habe ich meinen Vater nie wieder gesehen. Ich wurde dann mit anderen von der Rampe nach Auschwitz-Birkenau gebracht.“ Walter Fantl-Brumlik wird den Geruch der Krematorien und die menschenunwürdigen Lebensbedingungen in Auschwitz niemals vergessen: „Als wir auf dem Weg nach Auschwitz-Birkenau waren, habe ich einen Kapo gefragt, was denn hier so riechen würde. Daraufhin hat er mich angesehen und gefragt, ob ich das wirklich wissen will. Ich habe ja gesagt. Dann hat er mit der Hand nach oben gezeigt und nur ‚dein Vater‘ gesagt.“ Zu seinen Vorträgen als Zeitzeuge nimmt Walter Fantl-Brumlik auch immer eine Fotografie seiner Familie mit. Auch seine Mutter Hilda Fantl-Brumlik und seine drei Jahre ältere Schwester Gertrude Fantl-Brumlik haben die Shoah nicht überlebt.

Die Familie hatte bis zum „Anschluss“ Österreichs im niederösterreichischen Bischoffstetten ein Geschäft. Walter Fantl-Brumlik erzählt, dass er bis zu dieser Zeit eine schöne Kindheit gehabt hatte. Auch den Antisemitismus hatte er als Kind bis zum Jahr 1938 nicht gespürt: „Nach dem Anschluss hat mich mein Schäferhund Jux vor körperlichen Angriffen beschützt. 1939 wurde meine Familie von den Nazis dazu gezwungen, unser Haus und unser Geschäft zu verkaufen. Anschließend wurden wir mit einem Lastauto von Bischoffstetten nach Wien in eine jüdische Sammelwohnung im Zweiten Bezirk gebracht.“ Eine Ausreise in die USA oder eine illegale Einwanderung ins damalige Palästina war für die Familie nicht möglich. Vor dem Zwangsumzug musste der Vater den geliebten Hund erschießen, weil dieser sehr anhänglich war und sie ihn nicht mitnehmen konnten: „Meine Schwester und ich haben richtig geheult, als mein Vater uns gesagt hatte, dass er den Juxi erschießen musste. Später im Konzentrationslager habe ich mich dann daran erinnert und mir gesagt: Und jetzt hier in Auschwitz, da machen sie mit uns solche Dinge.“

Walter Fantl-Brumlik erhält viele Briefe von SchülerInnen: „Manche Kinder sind wirklich sehr interessant. In einem hat eine Schülerin Folgendes geschrieben: ‚Als ich einen Judenstern in der Hand gehalten habe, da wusste ich, dass dieser einem Todgeweihten gehört hat.‘ Solche Kinder und engagierte LehrerInnen motivieren mich sehr.“ Manche Schulklassen gestalten auch Mappen über Fantl-Brumliks Vortrag und schicken ihm Bilder, die Fantl-Brumlik alle sorgsam in seiner Wohnung zur Erinnerung aufbewahrt. Drei- bis viermal pro Jahr besucht er auf Anfrage Schulen. Die einzige Bedingung für ihn ist jene, dass die LehrerInnen die SchülerInnen inhaltlich auf seinen Besuch vorbereiten. Den letzten Vortrag hat er in einem Bundesrealgymnasium in Linz gehalten. Die SchülerInnen dort hatten großes Interesse an seinem Schicksal: „Der Lehrer hat mir vor dem Vortrag gesagt, dass ich diesen vor etwa sieben SchülerInnen halten werde. Als ich dann in die Schule gekommen bin haben 47 SchülerInnen auf mich gewartet, die alle großes Interesse an meinen Erzählungen hatten.“

Walter Fantl-Brumlik hofft, dass die Jugend die Geschichte durch seine Vorträge weitertragen wird. Die aktuelle Politik klammert er bei seinen Vorträgen aus, denn er ist politisch nicht aktiv und findet, dass die LehrerInnen dafür zuständig wären.

Trotz seines Schicksals und der Ermordung seiner Familie verspürt er keinen Hass auf die ÖsterreicherInnen: „Ich habe nie Hassgefühle gehabt. Denn der Nationalsozialismus war eine Diktatur, in der die eigenen Kinder ihre Eltern verraten haben. Aber ich habe nicht eingesehen, wieso man die illegalen Nazis nach 1945 gedeckt hat.“ Auch die Behauptungen vieler älterer ÖsterreicherInnen, von den Vergasungen in Auschwitz während der Nazi-Zeit nichts gewusst zu haben, kann er nachvollziehen: „Ich sage als Zeitzeuge immer, dass ich selbst bis zu meiner Deportation nach Auschwitz nichts von den Vergasungen gewusst habe. Und ich glaube auch der damaligen österreichischen Bevölkerung, dass diese davon nichts gewusst hatte. Ich kann aber nicht verstehen, dass es heute noch Menschen gibt, die diese Verbrechen leugnen.“ Nach Auschwitz ist Walter Fantl-Brumlik nicht mehr gefahren, weil seine mittlerweile verstorbene Frau ihm das verboten hat. Und er hält fest, dass sie damit recht gehabt hat. Nach der Befreiung Österreichs hat er wie die meisten ZeitzeugInnen jahrzehntelang über sein Schicksal geschwiegen. Heute erklärt er die Gründe dafür: „Österreich war nach 1945 zweigeteilt. Es gab jene, für die der Einmarsch der Alliierten eine Besetzung war und jene, die diesen als Befreiung wahrgenommen haben. Für uns ZeitzeugInnen waren die Alliierten natürlich die Befreier. Aber durch die zweigeteilte Wahrnehmung der Bevölkerung waren wir nach dem Krieg viel zu blockiert, um über unser Schicksal zu sprechen.“

„Leider bleiben viele HistorikerInnen bei ihren Forschungen zur Shoah in den Zahlen stecken“, kritisiert Angelica Bäumer. Foto: Sarah Langoth

„1945 sind wir, Juden und andere Verfolgte, aus den Konzentrationslagern, dem Versteck oder aus den Wäldern zurückgekommen und waren endlich frei. Wir waren euphorisch, da wir keine Todesangst mehr hatten“, erzählt die Kulturjournalistin Angelica Bäumer (81) über die Befreiung Österreichs: „Aber das hat dann auch zu einem Verdrängungsprozess geführt. Erst Jahre später wurden die Erlebnisse während des Nationalsozialismus wieder lebendig. Und manche – wie der Schriftsteller Jean Amery oder Bruno Levi – begingen Selbstmord.“ Bäumer ist in einer Künstlerfamilie, als Tochter der jüdischen Fabrikantentochter Valerie Bäumer aus Wien und des deutschen Kunstmalers Eduard Bäumer, mit zwei Geschwistern in Salzburg aufgewachsen. Momentan verfasst sie Texte für Ausstellungskataloge und organisiert Vorträge und Ausstellungen sowie Diskussionsrunden.

Der „Anschluss“ Österreichs im März 1938 hat das Leben ihrer Familie schlagartig verändert. Denn die Nazis konfiszierten das Vermögen der Familie und verhafteten ihren Onkel. Als sogenannte „Halbjüdin“ litt Angelica Bäumer unter der Diskriminierung und Verfolgung der nationalsozialistischen Gesellschaft. 1944 wurde die Familie von einem befreundeten Arzt vor einer Großrazzia und der Deportation der letzten Jüdinnen und Juden gewarnt. Die Bäumers flohen mit einem Flüchtlingszug nach Großarl und wurden vom Pfarrer Balthasar Linsinger bis zur Befreiung Österreichs in seinem Pfarrhaus untergebracht, allerdings hatte Linsinger die Familie als Kriegsflüchtlinge aus Wien ausgegeben. Auf Antrag von Angelica Bäumer wurde Linsinger 2010 von der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem in die „Liste der Gerechten unter den Völkern“ aufgenommen.

Angelica Bäumer hat als Zeitzeugin während der 2000er-Jahre Schulen besucht und engagiert sich für eine kritische Aufarbeitung der im Zuge der Shoah begangenen Verbrechen. Vor allem die Frage, was nach dem Tod der letzten ZeitzeugInnen passieren wird, beschäftigt sie sehr. Im November 2012 hat sie anlässlich ihres 80. Geburtstages das Symposium „Zeitgeschichte ohne Zeitzeugen. Vom Mythos der Zeitzeugen“ veranstaltet. „Ich war von dem Symposium sehr enttäuscht, denn dort haben sich meine Befürchtungen
bestätigt, dass die HistorikerInnen und PolitologInnen über unser Ableben gar nicht traurig sind“, sagt sie und ergänzt: „Das liegt daran, dass diese dann in Archive gehen können und sich nicht mehr auf die Menschen beziehen müssen.“ Die meisten Archive sind aber nicht auf dem neuesten Stand und wurden während der Nazi-Zeit angelegt. Angelica Bäumer erzählt, dass sie selbst einige Archive besucht hat. Dabei hat sie festgestellt, dass viele wichtige Dokumente oft nur rudimentär vorhanden sind: „In Salzburg gibt es ein Stadt- und ein Landesarchiv. In dem einen wurde euphemistisch festgehalten, dass wir nach Großarl ‚umgezogen‘ wären. In dem anderen Archiv haben sich Dokumente gefunden, die belegen, dass wir zur selben Zeit den Judenstern tragen mussten. Diese Widersprüche beunruhigen mich sehr.“

Bäumer warnt auch vor dem Statistikfetischismus der WissenschaftlerInnen: „Es gibt einige HistorikerInnen wie Albert Lichtblau, die bemüht sind von rein statistischen Untersuchungen wegzukommen. Leider blieben viele HistorikerInnen bei ihren Forschungen und Diskussionen zur Shoah in den Zahlen stecken. Das betrachte ich als großen Fehler, denn dadurch werden die Verbrechen abstrakt dargestellt, und mir ist es wichtig, konkret über die Inhalte zu sprechen.“ Außerdem warnt sie davor, die Geschichte der Shoah mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs enden zu lassen. Sie erzählt davon, dass sie als 14-Jährige eine glühende Zionistin war und bei der Alija in Salzburg mit Kindern und Jugendlichen, die aus den Lagern kamen, gearbeitet hat: „Die jüdischen Kinder aus den Konzentrationslagern waren damals in einer Salzburger Garage untergebracht. Viele von ihnen konnten weder lesen noch schreiben und hatten aufgrund der mangelnden Ernährung keine Zähne.“ Und das erinnert sie an eine Geschichte, die sie bis heute nicht loslässt:

„Am meisten hat mich damals ein Bub berührt, der so alt war wie ich und kaum sprechen konnte. Er war damals völlig davon fasziniert, dass man eine Toilettentüre aufmachen und wieder schließen kann. Immer wieder ist er in das Klo hineingegangen und wieder herausgekommen, nur um zu sehen, dass man an diesem Ort auch alleine sein kann“. Bäumer hält fest, dass genau diese kleinen Dinge so wichtig sind und in der Forschung oft vergessen werden. Bereits in den 1980er-Jahren hat sich Angelica Bäumer dafür ausgesprochen, dass sich die ZeitzeugInnen nicht nur mit ihrem Schicksal während des Nationalsozialismus auseinandersetzen sollten: „Ich habe damals mit Hermann Langbein, dem Chronisten von Auschwitz, heftig über diese Frage debattiert. Denn ich war der Meinung, dass wir etwas tun müssen, damit so etwas nie wieder passiert. Bis heute beunruhigen mich
die rechtsradikale Jugend und die rechten Parteien. Zumal viel zu wenig über diese reflektiert wird.“ Den verpflichtenden Besuch der Gedenkstätten Auschwitz und Mauthausen hält Angelica Bäumer nicht für zielführend, weil Verpflichtungen oftmals abgelehnt werden. „Viel wichtiger ist es, dass man den LehrerInnen klar macht, dass die Verbrechen des Nationalsozialismus zu unserer jüngeren Vergangenheit gehören und dass sie während ihres Unterrichts die Neugierde der Kinder wecken.“ Und Bäumer ergänzt: „Denn die Kinder haben noch Großeltern und Urgroßeltern, die die damalige Zeit erlebt haben. Diese zum Reden zu bringen, betrachte ich als überaus wichtig.“

 

Der progress Artikel (Juni 2013) von Claudia Aurednik wurde im Jänner 2014 auch in dem türkischen jüdischen Magazin Salom Dergi veröffentlicht.

progress Artikel in der Salom Dergi.

 

Links:

Angelica Bäumer

Walter Fantl-Brumlik

Symposium „Zeitgeschichte ohne Zeitzeugen“

 

Die Autorin ist Zeithistorikerin und freiberufliche Journalistin. Derzeit studiert sie Publizistik- und Kommunikationswissenschaften
an der Universität Wien.

Hoffnungslos überfrachtet

  • 28.06.2013, 16:03

Die Erwartungen an den NSU-Prozess sind vollkommen überhöht. Viele Medien konzentrieren sich seit Monaten auf das Verfahren in München und auf die Hauptangeklagte „Nazi-Braut“ Zschäpe. Doch ein Prozess kann keine gesellschaftliche Debatte über die Ursachen des Rechtsterrorismus ersetzen. Ein Kommentar zum NSU-Prozess von Felix M. Steiner und Patrick Gensing*

Die Erwartungen an den NSU-Prozess sind vollkommen überhöht. Viele Medien konzentrieren sich seit Monaten auf das Verfahren in München und auf die Hauptangeklagte „Nazi-Braut“ Zschäpe. Doch ein Prozess kann keine gesellschaftliche Debatte über die Ursachen des Rechtsterrorismus ersetzen. Ein Kommentar zum NSU-Prozess von Felix M. Steiner und Patrick Gensing*

Eigentlich taugen Medienthemen in der großen Öffentlichkeit eher zur Randnotiz. Beim NSU-Prozess ist das anders: Die Frage, wie viele JournalistInnen am Oberlandesgericht einen reservierten Sitzplatz erhalten, wurde zum Topthema in den größten Medien des Landes. Akkreditierungsverfahren und Losentscheidungen wurden erklärt, Anträge von Journalisten an das Oberlandes- sowie das Bundesverfassungsgericht als Eilmeldungen, also Breaking News, eingestuft. Dabei war das Kind zu diesem Zeitpunkt längst in den Brunnen gefallen. Bereits im Februar hatte beispielsweise der ARD-Terrorexperte Holger Schmidt auf die fatale Entscheidung des Oberlandesgerichts hingewiesen, den NSU-Prozess in einem viel zu kleinen Saal durchführen zu wollen. Schmidt erklärte, warum es durchaus möglich gewesen wäre, das Verfahren in einem größeren Saal, in einer anderen Stadt, in einem anderen Bundesland zu beginnen, so dass es keine Platzprobleme gegeben hätte. Und er appellierte, noch sei „Zeit, die nächste NSU-Panne zu verhindern“.

Erst mehrere Wochen später, Ende März, sprang die Öffentlichkeit auf das Thema an, als alles zu spät war, weil das Gericht – wie bereits abzusehen war – die gesellschaftliche Bedeutung des NSU-Prozesses unterschätzt hatte. Zudem scheint den Verantwortlichen am Oberlandesgericht nicht klar zu sein, dass die Medienlandschaft nicht mehr nur aus zwei Nachrichtenagenturen und einigen großen Sendern sowie Zeitungen besteht, sondern auch ausländische Medien und freie FachjournalistInnen vollkommen zu Recht ihren Platz einfordern. Gerade das Wissen von FachkollegInnen ist im NSU-Prozess unverzichtbar, damit die Berichterstattung eigene Rechercheansätze verfolgt und die Strukturen der Szene dargestellt werden. Denn hier liegt der Ansatz für weitere Fragen im NSU-Komplex.

So war es beispielsweise lediglich eine Randnotiz, dass das Oberlandesgericht die Terrorgruppe kurzerhand für aufgelöst erklärte, weil Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt tot sind und Beate Zschäpe in Haft sitzt. Es sei „naheliegend“, dass sich der NSU damit aufgelöst habe, so das Gericht. Doch lässt sich bereits jetzt, vor der Aussage der Angeklagten und ZeugInnen, mitten in der Aufklärung des Komplexes ausschließen, dass der NSU lediglich aus mehr als drei Mitgliedern bestand und möglicherweise weiter existiert? Zudem soll in dem Prozess ja gerade erst gerichtsfest bewiesen werden, dass Beate Zschäpe bei den zehn Morden Mittäterin war, also Böhnhardt und Mundlos alle Morde verübten. Dass der NSU aber möglicherweise aus mindestens einer weiteren Person bestand und von vielen UnterstützerInnen getragen wurde, ist bereits in seinem Bekennervideo zu erkennen. Dort heißt es: „Der Nationalsozialistische Untergrund ist ein Netzwerk von Kameraden.” Hätte man diese Behauptung zunächst noch mit Größenwahn abtun können, ist mittlerweile klar geworden, dass es zahlreiche weitere HelferInnen – und möglicherweise auch weitere TäterInnen – gab. Wie hat beispielsweise Beate Zschäpe überhaupt vom Tod ihrer beiden Gesinnungsgenossen nach dem Banküberfall in Eisenach im November 2011 erfahren? Zudem werden in dem Film an zwei Stellen vier Paulchen-Panther-Köpfe rund um den Schriftzug NSU gruppiert. Auch die ErmittlerInnen schlossen daher nicht aus, dass es ein weiteres Mitglied gegeben haben könnte. In internen Akten heißt es dazu: „An dieser Stelle würden auch weniger Köpfe eine symmetrische Darstellung ermöglichen, so dass die Wahl von vier Köpfen an zwei Stellen des Films auch Hinweis auf die zahlenmäßige Zusammensetzung des NSU sein könnte.“

Die Überraschung, dass Beate Zschäpe vor Gericht nicht als aggressive, hassverzerrte „Nazi-Braut“ auftritt, sondern adrett und harmlos, dominiert bislang die Berichterstattung. Doch zum einen war es eben der Umstand, dass Neonazis sich wie „Fische im Wasser“ mitten in der Gesellschaft bewegen können, weil sie genau aus jener kommen, zum anderen ist es naheliegend, dass Zschäpes Verteidiger ein möglichst seriöses Bild der Angeklagten inszenieren wollen. Im NSU-Komplex sind viele Fragen weiter offen: Welche Rolle spielten die „V-Leute“, Neonazis, die Informationen an den Staat verkaufen? Warum verdächtigte die Polizei in mehreren Bundesländern die Opfer und ihre Angehörigen? Warum wurde der Nazi-Terror in der Bundesrepublik jahrzehntelang verdrängt? Die Anklageschrift des Generalbundesanwalts umfasst 488 Seiten. Mehr als 600 ZeugInnen werden benannt, fast 400 Urkunden sollen die Anklage stützen, 22 Sachverständige werden zitiert. Fünf Angeklagte müssen sich in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht München verantworten. Allein Zschäpe werden 27 rechtlich selbstständige Handlungen gemeinschaftlich mit Böhnhardt und Mundlos vorgeworfen. Darunter werden zehn Morde und mehr als 20 versuchte Morde aufgeführt. Dazu kommen mehrere Banküberfälle, die Zschäpe als NSU-Mitglied mitgetragen haben soll, sowie die Brandstiftung in ihrer Wohnung in Zwickau, wobei sie den Tod von mehreren Menschen in Kauf genommen habe, so die Anklage.

Es geht in dieser Verhandlung um die persönliche Schuld der Angeklagten – nicht mehr und nicht weniger. „Dies ist schon viel, wenn man bedenkt, dass jahrelang die Falschen, nämlich die Familienangehörigen und enge Freunde, verdächtigt wurden“, betonen die Rechtsvertreter der Familie Tasköprü. Süleymann Tasköprü ist im Jahr 2001 mutmaßlich vom NSU in Hamburg ermordet worden.

 Ein Prozess kann keine gesellschaftliche Debatte über Alltagsrassismus und die Ursachen von Rechtsterrorismus ersetzen. Das Kapitel NSU wird auch nach einer möglichen Verurteilung von Zschäpe und weiteren Angeklagten nicht abgeschlossen sein. „Wir werden nicht aufhören nachzufragen, bis alle Verantwortlichkeiten geklärt sind“, betonen die Vertreter der Familie Tasköprü, denn: „Niemand darf sich durch eine mögliche Verurteilung der fünf Angeklagten reinwaschen.“

* Felix M. Steiner und Patrick Gensing betreiben das Blog Publikative.org. Steiner ist Mitarbeiter des Göttinger Instituts für Demokratieforschung, Gensing Autor des Buchs „Terror von rechts – die Nazi-Morde und das Versagen der Politik“.

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