MINT

Jugend hackt das System

  • 23.02.2017, 19:01
Eine der spannendsten aktuellen Jugendbewegungen hat nur am Rande mit Musik oder Politik zu tun. Jugend-Hackathons und Hackerclubs wie das „CoderDojo“ oder „Jugend hackt“ beschäftigen sich mit Technik und ihren Schnittpunkten zu Kunst und Gesellschaft.

Eine der spannendsten aktuellen Jugendbewegungen hat nur am Rande mit Musik oder Politik zu tun. Jugend-Hackathons und Hackerclubs wie das „CoderDojo“ oder „Jugend hackt“ beschäftigen sich mit Technik und ihren Schnittpunkten zu Kunst und Gesellschaft.

Junge Menschen stellen auf der Bühne eine Willkommens-App für Flüchtlinge, Software für Ampelsysteme, Inhaltsstoff-Scanner für Lebensmittel und intelligente Festival-Playlisten vor. Doch hier präsentieren sich keine Start-up-Unternehmen, sondern zumeist Schüler_innen, die das Ergebnis gerade mal eines Wochenendes Arbeit vorführen. Seit 2013 organisiert der Verein „Open Knowledge Foundation“ (OKF) zusammen mit „mediale Pfade e.V.“ Veranstaltungen speziell für technikbegeisterte Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren. Am Ende der jährlich in Berlin stattfindenden Hackathons soll ein fertiger Prototyp, Code oder ein Konzept vorgestellt werden. In verschiedenen Kategorien, etwa „Design“ oder „Mit Code die Welt verbessern“, wird das beste Projekt prämiert. Erfahrene Mentor_innen begleiten und beraten die Teilnehmenden während der Umsetzung, lassen ihnen aber weitgehend freie Hand.

Dabei ist Hacking mal mehr Spiel, Bastelei und Selbsterprobung, mal ist der Code aber auch die Bedienungsanleitung für das Schaffen einer besseren Welt. Mit Technik begegnen die Jugendlichen gesellschaftspolitischen Themen wie Flucht, Vertreibung und Asyl. Daneben spielen auch klassische Themen der Hackerszene wie Datenschutz und Anonymität eine Rolle, und nicht zuletzt geht es auch darum, junge Talente zu fördern und die Hacker_innen von morgen auszubilden. Die Reihe ist so erfolgreich und die Nachfrage so groß, dass seit einem Jahr Parallelevents auch in zahlreichen anderen deutschen Städten stattfinden.

FÜR EINE BESSERE WELT. Die Idee, Kinder und Jugendliche auch abseits von einem oft defizitären oder zu kurzen Informatikunterricht an den Schulen ans Gerät zu bringen, hat in den letzten Jahren mehrere Initiativen hervorgebracht. Einer der Vorreiter_ innen für Medien- und Technikbildung ist der „Chaos Computer Club“ (CCC e. V.) mit seinem seit 2007 bestehenden Projekt „Chaos macht Schule“. Das Programm, dessen Schwerpunkt vor allem auf informierter Internetnutzung statt bloßem Programmieren liegt, soll bald auch in Wien adaptiert werden. Interessierte Schulleitungen oder Lehrer_innen können sich unter der Adresse schule@c3w.at Hacker und Haecksen für das Klassenzimmer buchen. Viele lokale Hackspaces bieten zudem kostenlose Workshops speziell für Kinder an. Seit 2011 schließen sich außerdem global sogenannte „CoderDojos“ zusammen – Programmier- Clubs, auch für jüngere Kinder ab fünf Jahren, die sich mehrmals im Monat treffen. Seine Gründer rufen dazu auf, das Konzept weiterzutragen und stellen dafür auch ein Handbuch zur Verfügung.

EXPORTSCHLAGER. Das Format Hackathon findet international Anklang. In Österreich findet ein entsprechender Event vom 4. bis 6. November in Linz statt und nächstes Jahr soll es sogar in Südkorea starten. Sonja Fischbauer, die bisher das „Young Coders Festival AT“ leitete, begleitet für den österreichischen OKF-Ableger, das „Open Knowledge Forum“, die Umsetzung: „Anno 2014 hat ‚hacken‘ in Österreich noch alle verschreckt, aber auch hier verändert sich das Image des Wortes weg von etwas Bösem, zu der durchweg positiven Bedeutung, ein kniffliges Problem zu knacken. Wir wollen mit unserer Veranstaltung noch ein bisschen mehr dazu beitragen.“

Damit die Reihe auch in Österreich ein voller Erfolg wird, sucht das Projekt noch Unterstützung: „Für die Veranstaltung suchen wir Mentor_innen aus verschiedenen Sparten: Auch Designer_ innen und Projektmanager_innen können wichtigen Input liefern. Zusätzlich brauchen wir Helfende in allen organisatorischen Belangen. Und natürlich hilft uns jede Spende. Die stecken wir direkt in die Verpflegung, in die Ausstattung und die Unterkünfte für die Jugendlichen“, so Fischbauer weiter.

Wer jedoch nicht direkt mit großen Datensätzen arbeiten oder Apps schreiben möchte, kann unter ähnlichen Voraussetzungen Entwickeln lernen: Die Zahl der Game Jams steigt ständig. Auch hier bewegt man sich spielerisch an den Schnittstellen zwischen Kunst, Technik und gesellschaftspolitischen Themen. Wenn die Hackathons und CoderDojos weiter an Zulauf gewinnen, dürfen wir uns auf eine Generation freuen, die nicht nur Neugier auf die großen Fragen hat, sondern auch die richtigen Werkzeuge in der Hand hält, um sie vielleicht sogar zu lösen.

Interview mit Sonja Fischbauer (OKF AT) und Magdalena Reiter (Jugend hackt AT, Linz)

progress: Warum sollten junge Menschen programmieren und hacken können?
Sonja Fischbauer: Weil sie damit ihre Zukunft selbst gestalten, etwas schaffen können. Coden ist Kreieren – wie Häkeln, nur mit Buchstaben, Zahlen und Zeichen. Magdalena Reiter: Außerdem ist es von großer Bedeutung, dass wir unsere technologische Zukunft nicht großen Unternehmen überlassen, sondern selbst über entsprechende Kompetenzen verfügen. Technik und Technologie haben einen sehr hohen Stellenwert in unserer Bildung, Arbeit, aber auch in unserer Freizeit eingenommen. Es wird darum für die nächste Generation wichtiger, die Grundprinzipien des Programmierens zu verstehen und im besten Fall auch den eigenen Alltag selbst verändern und gestalten zu können.

Das „Young Coders AT“-Festival wird zu einer Veranstaltung der „Jugend hackt“-Reihe.
Fischbauer: Wir starten dieses Jahr in Linz neu durch, und da sich unsere Veranstaltung inhaltlich immer schon an den Events unserer deutschen Schwesternorganisation orientiert hat, wollten wir das auch im Titel ausdrücken.

Was lernt ihr von den Kindern und Jugendlichen, was hat euch beeindruckt?
Fischbauer:
Ich bin beeindruckt vom großen Wissen mancher Jugendlicher, aber vor allem von ihrer Motivation, sich in ihrer Freizeit zu engagieren. Die gemeinschaftliche Atmosphäre ist zudem etwas ganz besonderes an Jugend-Hackathons.
Reiter: Jugendliche können oft noch ihre konkreten Bedürfnisse artikulieren und die Gründe ihrer Motivation simpel darstellen, ohne dabei die Komplexität zu reduzieren. Das beeindruckt mich sehr. Erwachsene sind da oft viel komplizierter und verlieren gleichzeitig das Auge für die Schönheit der Komplexität.

Was haltet ihr vom Informatikunterricht (IKT) an Schulen?
Fischbauer:
Ich hatte um das Jahr 2000 Informatik als Wahlfach, und ich wünschte, ich hätte mehr gelernt, als nur ein bisschen Visual Basic zu programmieren. Das hat mir damals viel Spaß gemacht, aber ich hätte mehr direkte Förderung gebraucht. So geht’s wohl vielen Mädels. Hier ist für mich die Bildungspolitik stark gefordert. Reiter: Der Informatikunterricht ist momentan natürlich sehr stark von den Lehrer_innen abhängig. Es gibt ganz tolle Pädagog_innen, die aktuelle Entwicklungen verfolgen und das Wissen darüber mitgeben wollen – aber sie sind rar. Im Großen und Ganzen gibt es einfach noch zu wenig Vorstellung darüber, wie bunt und einfallsreich Informatikunterricht oder generell technologieunterstützter Unterricht ausschauen könnte. Damit in der nächsten Generation kein „Digital Gap“ entsteht, müssten wir außerdem schon im Kindergartenalter damit beginnen und schulische und außerschulische Aktivitäten stärker miteinander vermischen.

Anne Pohl hat in Bamberg den HackspaceBackspace e.V. mitgegründet.

Das Theater an die Uni, die Frauen in die Wissenschaft!

  • 03.03.2014, 11:59

Was suchen Strahlung, Kernspaltung und Frequenzsprungverfahren am Theater? Von der Liebe zur Wissenschaft und ihren herausragenden Frauen erzählt die aktuelle Inszenierung des portraittheaters: „Curie_Meitner_Lamarr_unteilbar”.

Was suchen Strahlung, Kernspaltung und Frequenzsprung-verfahren am Theater? Von der  Liebe zur Wissenschaft und ihren herausragenden Frauen erzählt die aktuelle Inszenierung des portraittheaters:  „Curie_Meitner_Lamarr_unteilbar”.

Marie Curie steht am Chemiepult und hält ihre Antrittsvorlesung. Es ist das Jahr 1906 und sie ist die erste Frau, die an der Sorbonne unterrichten darf. Die Chemikerin und Physikerin erzählt von der Entdeckung der Radioaktivität und von ihrer Liebe zur Wissenschaft. Auch für die Kernphysikerin Lise Meitner steht die Liebe zur Wissenschaft über allem anderen. Die Österreicherin Meitner war die erste Frau, die in Deutschland eine Physikprofessur erhielt, sie steht an der Tafel und schreibt Formeln auf. Die österreichische Hollywoodschauspielerin Hedy Lamarr ist nicht nur bekannt, weil sie die erste Frau war, die sexuelle Erregung in einem Film zeigte, sondern auch durch ihre Erfindung des Frequenzsprungverfahrens. Ohne Frequenzsprungverfahren gäbe es heute kein Bluetooth oder WLAN, insofern reiht sie sich ein in die Riege der Entdeckerinnen, vor allem aber ist sie eine Diva.

In „Curie_Meitner_Lamarr_unteilbar“ werden alle diese drei Frauen von einer einzigen gespielt: Die Schauspielerin Anita Zieher ist die Nobelpreisträgerin, die Kernphysikerin und die Filmdiva. Und es ist vor allem Ziehers Darstellung, die in dieser Inszenierung hervorsticht. Die Regisseurin Sandra Schüddekopf und die Schauspielerin Zieher haben biographisches und wissenschaftliches Material vermischt und zusammen ein Theaterstück entwickelt, das mit Originalzitaten der dargestellten Persönlichkeiten versetzt ist.

Hier wird ein klarer Bildungsauftrag verfolgt

Das portraittheater hat es sich zum Ziel gesetzt, Personen, die durch ihr politisches, wissenschaftliches oder künstlerisches Wirken herausragend waren, durch Filme, Theateraufführungen oder andere Formen der künstlerischen Darstellung einem breiteren Publikum vorzustellen. Vor allem Frauen sollen porträtiert und ihre Wirkung und Bedeutung sichtbar gemacht werden. Nach Hannah Arendt, Simone de Beauvoir, Bertha von Suttner und George Sand, widmet sich das portraitheater in seiner neuesten Produktion den beiden Wissenschaflerinnen Marie Curie und Lise Meitner sowie der österreichischen Hollywood-Schauspielerin Hedy Lamarr. Obwohl Lamarr insofern ins Bild passt, als sie 1997 für ihre Beteiligung an der Erfindung des 1942 patentierten Frequenzsprungverfahrens den EFF Pioneer Award erhalten hat, wirkt die affektierte Filmdiva zwischen der Nobelpreisträgerin Curie und der Kernphysikerin Meitner ein bisschen fehl am Platz. „Jede Frau kann glamourös sein. Sie muss nur still da stehen und dumm aussehen“, soll Lamarr gesagt haben.

Kleine Details veranschaulichen die technische Darstellung der Naturwissenschaften auf der Bühne, so lässt Zieher als Lise Meitner mit leichtem Wiener Akzent einen Luftballon zerplatzen. Zwei kleine Bälle fallen heraus, das Zerplatzen des Luftballons ist wie das Zerplatzen des Urans, die Kernspaltung wird so plastisch erklärt. Frauen in die (Natur-)Wissenschaft ist der sehr deutliche Auftrag von „Curie_Meitner_Lamarr“. Für die Ästhetik einer Theatervorstellung ist eine solche Schwerpunktsetzung nicht unbedingt förderlich. Nachdem es dem Verein aber um die verständliche Vermittlung von Wissen mittels kreativer Ausdrucksformen geht, kann man über manches auch hinwegsehen.

Die Monologe werden von belehrenden Videos unterbrochen, in denen drei Mädchen vom Tod Curies an der Strahlenkrankheit erzählen, die Wirkung von Radioaktivität erklären und über radioaktive Stoffe informieren. Das erinnert streckenweise leider ans ORF-Kinderprogramm, vor allem wenn die Kinder die Radioaktivität von Strahlen messen. Das ist schade, man hätte sich für die Pausen, die zwischen den drei Monologen entstehen, eine bessere Lösung einfallen lassen können. Auch die Musikuntermalung, die den Spannungsaufbau des Wissenschaftlerinnen-Lebens unterstreichen soll - Marschmusik bei Kriegsausbruch, französische Akkordeonmusik als die Polin Curie nach Frankreich zieht, traurige Cello-Musik als der Nationalsozialismus im Leben der Jüdin Lise Meitner zum Thema wird - ist manchmal ein bisschen zu viel. Das Stück würde auch ohne diese Hilfsmittel auskommen. Anita Zieher, die alle drei Frauen spielt, beeindruckt durch ihre Performance dieser drei sehr unterschiedlichen und herausragenden Persönlichkeiten und bringt sie einem tatsächlich ein ganzes Stück näher.

Spielort Hörsaal

Nach der Premiere im Theater in der Drachengasse werden die nächsten Vorstellungen an der Uni gezeigt. Am 3. und am 4. März im Lise Meitner-Hörsaal an der Fakultät für Physik und am 14. und 19. März im Margarete Schütte-Lihotzky-Hörsaal an der Technischen Universität Wien: http://www.portraittheater.net/dates.php

Sara Schausberger hat Germanistik studiert und arbeitet als Kulturjournalistin (u.a. für den Falter) in Wien.