Master

Kill the Masters

  • 15.06.2016, 21:19
30 werden ist eine so komplizierte Angelegenheit, dass es dazu zahllose Bücher gibt. Die Sache mit dem Erwachsenwerden wird ernst und langsam auch alternativlos. Viel schlimmer aber ist, dass der Freundeskreis erwachsen wird, Abschlüsse macht und beginnt, sich nach einer unsichtbaren Choreographie zu bewegen.

30 werden ist eine so komplizierte Angelegenheit, dass es dazu zahllose Bücher gibt. Die Sache mit dem Erwachsenwerden wird ernst und langsam auch alternativlos. Viel schlimmer aber ist, dass der Freundeskreis erwachsen wird, Abschlüsse macht und beginnt, sich nach einer unsichtbaren Choreographie zu bewegen.

Längst hatte ich mich darauf eingestellt, auf Partys oder Events die elende Frage nach dem Studienfach zu beantworten. Geeignet sind je nach Umfeld und Stimmung „Das Leben“, „Studierende“ oder bequeme Lügen wie „Astrophysik / Sozialwissenschaften / Was mit Medien“, die gelangweilt abgenickt werden. Das Studium ist, besonders bei sogenannten Twenty-Somethings, der Default. Leute mit schulischer Ausbildung, ohne Ausbildung, festen Jobs, Behinderung, Krankheit oder Erwerbslosigkeit kommen in diesem Mikrokosmos nicht vor und werden darum auch nicht mitgedacht. Kellnern etwa ist unter Studierenden schließlich kein Beruf, sondern ein Nebenjob.

Irgendwann, spätestens mit 30, sind alle Partys in diesen homogenen Zirkeln ausgesessen, die Abschlussarbeiten abgegeben. Die Tiraden über stressige Klausurphasen (während der eigenen stressigen Pitchphase), verdammt frühe Vorlesungszeiten (9 Uhr, übel, da mach ich die dritte Rauchpause) –, Beschwerden über die Lehrqualität („Niemand sagt mir, was ich wie tun soll, die Uni bereitet einfach nicht auf das Leben vor!“) scheinen vorbei, meine Freund_innen können endlich meine eigene Not im Großraumbüro nachvollziehen.

VERSCHIEDENE HAMSTERRÄDER. Man möchte niemandem die Arbeitswelt an den Hals wünschen, aber die kleine boshafte Stimme im Kopf freut sich doch ganz kurz, dass mit dem Masterabschluss auch die letzten flügge geworden sind und endlich 40 Stunden pro Woche mit 25 Urlaubstagen im Jahr runterreißen müssen. Die Schadenfreude währt nicht lange, denn letztlich sind desillusionierte und erschöpfte Freund_innen, die plötzlich im gleichen Hamsterrad mitrennen müssen, nichts Erfreuliches. Dass die Hamsterräder in völlig unterschiedlichen Käfigen stehen, dämmert mir langsam, als ich merke, dass meine berufseinsteigenden Freund_innen sich längst an den Futtertrögen der Macht positioniert haben.

Noch in der Uni-Bib oder der Kneipe wird ein Startup oder Beratungsunternehmen gegründet. In der Mensa finden sich bei günstigen, warmen Mahlzeiten wertvolle Netzwerke zusammen. Unterstützt von Infopoint, Studierendenvertretung, psychologischem Dienst oder speziellen Angeboten der Kinderbetreuung können im Uni-eigenen Hackspace oder Bandraum Fertigkeiten ausprobiert und entwickelt werden. Rabatte beim Nahverkehr und Laptopkauf, dem Uni-Dönerladen oder dem städtischen Kulturangebot, Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen und damit Wissen – die Ressourcen werden verteilt. Des einen Bildungsförderung ist des anderen Ausschluss, Barriere oder gläserne Decke.

PRIVILEGIEN POPPEN AUF. Man muss nicht erst in einer Burschenschaft vernetzt sein, um von akademischen Strukturen auch langfristig zu profitieren: etwa durch Alumni-Netzwerke, Mentoring-Projekte mit dem Vorstand und der Startpositionierung an den richtigen Schnittstellen. Die ersten treten ihr Erbe an oder studieren direkt aus der staatlich geförderten Eigentumswohnung der akademisierten Eltern heraus.

War es bisher Common Sense, gerade als klassischerweise linke_r Studierende_r, Klassenunterschiede, Rassismus und Sexismus irgendwie blöd zu finden, wandeln sich diese Einstellungen mit dem zunehmenden Profit an den eigenen Privilegien. Zuvor von Möglichkeiten und Lebenswegen überfordert, verengt sich mit der beruflichen Qualifizierung im Angesicht des ernsten Lebens der Blick nach und nach. Steuerlasten wollen gemindert werden und selbsternannte Leistungstragende sich abgesichert wissen.

Die 4-Zimmer-Altbauwohnung, einst als Studi-WG angemietet, bleibt besetzt und eignet sich mit eingefrorenem Mietvertrag und ohne Mitbewohner_in perfekt als zukünftiges Familiennest für die nächste Generation Elite. Herrschaftskritisch, im Rahmen einer selbstverständlich gleichberechtigten Beziehung, wird die Haushaltsarbeit aufgeteilt, indem man via App eine Putzfrau engagiert. Sozialneidisch denke ich an meine dreckige Wohnung und beäuge die vom als kärglich bejammerten Einstiegsgehalt angeschafften neuen Couchgarnituren und Einbauküchen. Die frischgebackenen Master beneiden mich derweil um meine langjährige Berufserfahrung. Ich versuche, mir vor Augen zu halten, was für ein Glück ich hatte, mit 16 Vorstellungsgespräche und Gehaltsverhandlungen führen zu dürfen, scheitere aber, als ich mich daran erinnere, dass die Gleichaltrigen seinerzeit auf Klassenreise in New York waren und ich mir frühestens in fünf Jahren ein neues Sofa leisten kann.

Auch ohne die vermisste Berufserfahrung kann die Werkstudentin von gestern morgen meine neue Vorgesetzte sein. So lebe ich in der ständigen Furcht, eines Tages Vorgesetzten ausgeliefert zu sein, deren eigene Erfahrungen als Arbeitnehmende sich darauf beschränken, schon einmal Promotionsmaterial in der Fußgängerzone verteilt oder eine Kickstarter- Kampagne aufgesetzt zu haben. Das Praktikumsprojekt und ein_e gewogenr_e Professor_in sind „Referenzen”, der Bekanntenkreis „Kontakte”.

Auf den Partys gibt es jetzt richtiges Essen, dazu werden Visitenkarten gereicht, Projektideen und Kooperationen besprochen. Aus meinem bewunderten Erfahrungsschatz heraus rate ich, nun unironisch, zu Berufsunfähigkeitsversicherung und Steuerberatung. Das bringt mir diverse Anfragen für das Korrektorat von Bewerbungsanschreiben ein, und ich wünsche mir die Hausarbeiten der anderen zurück, für die ich leider nie genug Adorno gelesen hatte, obendrein nichts von akademischen Zitierregeln verstanden habe und daher leider nicht helfen konnte. Ich werde endlich nicht mehr gefragt, was ich studiere, sondern danach, was ich eigentlich studiert habe.

Anne Pohl sollte an dieser Stelle angeben, was sie wo studiert hat.

Da war es nur noch einer

  • 15.06.2016, 20:34
Die Uni Wien will durch die Reduzierung von Masterstudiengängen in der Verwaltung sparen. So werden vier Spezialisierungsmaster der Fakultät für Geschichte ab nächstem Wintersemester zu einem einzigen Masterstudium zusammengefasst. Tatsächliche Einsparungen dürfte das aber nicht bringen.

Die Uni Wien will durch die Reduzierung von Masterstudiengängen in der Verwaltung sparen. So werden vier Spezialisierungsmaster der Fakultät für Geschichte ab nächstem Wintersemester zu einem einzigen Masterstudium zusammengefasst. Tatsächliche Einsparungen dürfte das aber nicht bringen.

Wenn Eva über ihren baldigen Studienabschluss spricht, mischt sich die Freude darüber, bald fertig zu sein mit Nervosität. Denn sie hat nur noch wenige Wochen Zeit, um ihre Masterarbeit fertig zu schreiben und ihre letzte Prüfung zu absolvieren. Anders als bei anderen Masterstudierenden ist der Studienabschluss bis Ende Juni für sie jedoch kein selbst gesetztes Ziel. Schafft sie es nicht, diese Deadline einzuhalten und ihr Studium in den nächsten Wochen abzuschließen, muss sie kurz vor ihrem Masterabschluss noch das Studium wechseln. Denn Evas Studienrichtung Zeitgeschichte wird es ab nächstem Wintersemester nicht mehr geben. Ebenso wenig wie die Masterstudiengänge Frauen- und Geschlechtergeschichte, Wirtschafts- und Sozialgeschichte oder Historisch-kulturwissenschaftliche Europaforschung.

ALLES IN EINEN TOPF. Stattdessen werden all diese Masterstudiengänge ab dem Wintersemester 2016/2017 in einem einzigen neuen Studiengang Geschichte zusammengefasst. Für die circa 140 Studierenden, die zurzeit einen der oben genannten spezialisierten Masterstudiengänge in Geschichte belegen, bedeutet dies daher: entweder dieses Semester fertig werden, wie Eva, oder den neuen Master Geschichte beginnen – und dabei eine ganze Reihe von Lehrveranstaltungen nachholen. Wie viele von den betroffenen Studierenden den Abschluss rechtzeitig schaffen und wie viele umsteigen müssen, ist noch nicht klar. Aus Erfahrung wisse man aber, dass Studierende in so einer Situation eher versuchen würden, das Studium so schnell wie möglich abzuschließen, heißt es an der Universität Wien. Auf jeden Fall gibt es für die Betroffenen ein „Notfallpaket“, das heißt einen per E-Mail ausgeschickten Zeitplan mit Informationen über die Optionen Studienabschluss und Umstieg. Doch die Änderungen werfen nicht nur studiengangspezifische Fragen über Anrechnungen, Umstiege oder Masterarbeits-Deadlines auf, sondern auch grundsätzliche darüber, wie das Bologna-System in Zukunft aussehen soll und wie erfolgreich die Versuche der Universität Wien sind, bei der Verwaltung einzusparen.

Auf die künftig Inskribierten sowie die UmsteigerInnen kommen einige Veränderungen zu. Denn die neuen AbsolventInnen des Bachelors Geschichte können sich ab nächstem Semester nicht mehr durch ihre weiterführende Studienwahl spezialisieren. „Gesamt gesehen bleibt das Studienangebot in seiner Breite bestehen, auch die Differenzierung in Bezug auf das Lehrveranstaltungsangebot in den einzelnen Schwerpunkten bleibt erhalten“, heißt es dazu zwar von der Universität Wien. Doch im Gegensatz zum bisherigen System, in dem die Studierenden ihr gesamtes Masterstudium, also 120 ECTS, in einem Bereich machen konnten, ist eine Schwerpunktsetzung in Zukunft nur mehr im Ausmaß von je höchstens 30 ECTS möglich. Eine weitere Änderung wird sein, dass dieser neue Masterstudiengang nur noch im Wintersemester begonnen werden kann.

FLEXIBILITÄT ODER OBERFLÄCHLICHKEIT. „Fluch und Segen“ nennt Wolfgang Wiesinger von der Studienrichtungsvertretung Geschichte die Einstellung der Masterstudien. Der Segen ist für ihn dabei, dass der neue Master flexibler sein und mehr Auswahlmöglichkeiten bieten soll, anstatt einem strengen modularen Aufbau zu folgen, wie das die vier bald abgeschafften Studiengänge tun. „Das Problem, das wir bisher hatten war, dass die Studienpläne einfach die Institutsstruktur abbildeten“, erklärt Wiesinger. Bisher richtete sich der Lehrinhalt der Geschichte-Master tatsächlich weniger nach inhaltlichen Fragen, sondern nach der Organisationsstruktur der Fakultät. Es gibt ein Institut für Zeitgeschichte, also gibt es einen Master Zeitgeschichte, ein Institut für Wirtschaftsund Sozialgeschichte, also gibt es einen Master Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Die Zusammenfassung dieser Studiengänge zu einem einzigen Masterstudium soll diese Struktur aufbrechen. Oder wie es die Pressestelle der Univerität Wien ausdrückt: „So können die Studierenden durch die Bündelung in einem Programm bei gleichzeitiger Flexibilisierung des Angebots die Spezialisierungsmöglichkeiten individueller gestalten. Weiteres Ziel bei der Umstellung ist, die Anrechenbarkeiten nach Mobilitätsprogrammen und durch den Wahlbereich die Durchlässigkeit zu anderen Disziplinen zu erhöhen.“ Soweit jedenfalls der Plan.

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Die Frage, ob dies tatsächlich möglich sein wird, hängt allerdings weniger vom Aufbau des neuen Studienplans ab, als davon, welche Lehrveranstaltungen dann in der Praxis tatsächlich zur Auswahl stehen werden. Die Studienvertretung Geschichte kritisierte schon früher ein mangelndes Kursangebot der Fakultät. „Im Moment würde es funktionieren, weil die alten Masterstudiengänge dieses Semester noch viele Lehrveranstaltungen anbieten. Aber wie es nächstes Semester läuft, wenn es die Spezialisierungsmaster nicht mehr gibt, muss man sich ansehen“, meint Wiesinger.

Unter den Studierenden herrscht diesbezüglich die Befürchtung vor, dass das Studium im neuen Master oberflächlicher wird. „Ich würde den neuen Master nicht beginnen, außer es gibt wirklich gar keine andere Möglichkeit mehr. Ich habe mich nach dem Bachelor für Zeitgeschichte entschieden, weil mich das am meisten interessiert hat“, erzählt Eva. „Ich habe mir das schon hypothetisch überlegt: Wenn ich jetzt mit dem Bachelor fertig werden würde, würde ich im neuen Master wahrscheinlich die Schwerpunkte Zeitgeschichte und Frauen- und Geschlechtergeschichte wählen. Aber es würde nicht dasselbe sein. Es wäre nicht Zeitgeschichte.“

EINSPARUNGSPOTENTIAL. Neben Schlagworten wie Flexibilisierung und Interdisziplinarität steht aber noch ein anderer Faktor im Raum: Einsparungen in der Verwaltung. Statt bisher vier verschiedene Studiengänge auf vier getrennten Instituten, muss in Zukunft nur noch ein einziger Studiengang administriert werden. „Das ist allerdings vollkommener Blödsinn“, sagt Wiesinger. „Das hören wir übrigens auch von der Studienservicestelle.“

Für die Institute, an denen die spezialisierten Masterprogramme angesiedelt waren, hat das Ende derselben noch eine weitere Dimension: Sie fürchten, dadurch, dass sie keine kompletten Studiengänge mehr anbieten können, international in Zukunft weniger wahrgenommen zu werden. Eine Lösung haben die verschiedenen Institute dafür jedoch schon gefunden – aber auch diese trägt nicht unbedingt zu Einsparungen in der Verwaltung bei: Das Rektorat will nämlich nicht nur bei der Administration einsparen und alte Strukturen aufbrechen, sondern auch die Interdisziplinarität zwischen verschiedenen Fachgebieten fördern. Der neue Geschichte-Master soll laut der Universität Wien daher unter anderem auch „durch den Wahlbereich die Durchlässigkeit zu anderen Disziplinen erhöhen“.

ALLES BEIM ALTEN. Gleichzeitig gründen die Institute für Zeitgeschichte und Wirtschafts- und Sozialgeschichte im nächsten Jahr neue Studiengänge. Diesmal jedoch unter dem Banner der Interdisziplinarität und mit dem erklärten Ziel ihr Profil zu stärken. Das Masterstudium „Zeitgeschichte und Medien“, das diesen Mai präsentiert wurde, ist eine Co-Produktion der Institute Zeitgeschichte, Politikwissenschaft und Publizistik. Die Wirtschafts- und Sozialgeschichte wird sich mit der VWL zusammentun. Das Institut für Osteuropäische Geschichte ist von den aktuellen Kürzungen nicht betroffen, weil es schon länger zusammen mit dem Slawistik-Institut den Studiengang „Osteuropastudien“ betreibt. Auf Nachfrage von progress preist das Institut für Zeitgeschichte seinen neuen Master auch tatsächlich als Möglichkeit zur Weiterführung des alten Masters an. Auch wenn bisher weder Lehrveranstaltungen für das erste Semester dieses neuen Masters feststehen, noch klar ist, wie viel sich an einem Umstieg interessierte Studierende aus dem alte Studienplan anrechnen lassen werden können.

Die Gründung all dieser neuen interdisziplinären Studiengänge würde teilweise einen Schritt in Richtung altes Mastersystem darstellen – nur eben mit einem zusätzlichen allgemeinen Studiengang, den es bisher auch schon gab. Oder wie es Studienvertreter Wiesinger ausdrückt: „Die Situation wird ähnlich wie vorher – nur komplizierter zu administrieren.“

Dass die verschiedenen Institute für Geschichte möglicherweise über Umwege wieder zur alten Struktur zurückfinden, macht für Noch-Zeitgeschichte- Studentin Eva keinen Unterschied mehr. „Der größte Stress ist, dass ich vielleicht noch eine Prüfung machen muss, dass ich irgendeine Lehrveranstaltung übersehen habe“, sagt Eva. „Wenn mir doch noch ein Seminar fehlt, muss ich den neuen Master machen. Aber das will ich auf keinen Fall.“ So schreibt sie unter großem Druck ihre Masterarbeit und bereitet sich auf ihre Prüfung vor. „Das ist ja vielleicht das einzige Gute an der ganzen Situation“, lächelt sie verschmitzt. „Ich hab eine Deadline. Ich muss endlich fertig werden.“

Magdalena Liedl studiert Anglistik und Geschichte an der Universität Wien.

„Der Arbeitsmarkt allein kann kein Kriterium sein‘‘

  • 03.05.2013, 14:19

Woher kommt der Trend zur fachlichen Spezialisierung? Warum braucht es bei der Einrichtung neuer Studiengänge eine kritische Diskussion? Worauf sollte man bei der Studienwahl nach dem Bachelor achten? Wissenschaftsphilosoph und -historiker Friedrich Stadler beantwortete unsere Fragen im Interview.

Woher kommt der Trend zur fachlichen Spezialisierung? Warum braucht es bei der Einrichtung neuer Studiengänge eine kritische Diskussion? Worauf sollte man bei der Studienwahl nach dem Bachelor achten? Wissenschaftsphilosoph und -historiker Friedrich Stadler beantwortete unsere Fragen im Interview.

progress: Es gibt immer mehr spezialisierte Master und neue Studiengänge. Woher kommt diese Entwicklung? Wie ist sie historisch zu verstehen?

Friedrich Stadler: Generell ist die Moderne gekennzeichnet durch Spezialisierung, Differenzierung und Rationalisierung. Das spiegelt sich auch in der universitären Ausbildung. Zusätzlich sehen wir seit Ende des 19. Jahrhunderts eine allgemeine Spezialisierung und eine Arbeitsteilung in den Ausbildungsstätten, die von der Gesellschaft und auch vom Arbeitsmarkt eingefordert wird. Wir haben es mit dem ewigen Spannungsfeld von Bildung und Ausbildung zu tun. Dieses Spannungsfeld wird an den Hochschulen unterschiedlich gehandhabt. Das Humboldtsche Ideal, das nie wirklich realisiert wurde, ist der Hintergrund dieser Diskussion. Dazu gibt es eine Dauerdebatte zum Verhältnis von reiner und angewandter Wissenschaft und der Trennung dieser Sphären, die ja im Grunde eine künstliche ist.

progress: Wie unterscheidet sich die reine von der angewandten Wissenschaft?

Stadler: Die reine Wissenschaft ist Grundlagenforschung ohne Zwecke und Ziele. Die angewandte Forschung ist Ausbildung in Hinblick auf Berufsprofile. Wie das Verhältnis zwischen ihnen auszusehen hat, wurde – und wird auch heute noch – immer wieder neu verhandelt.

progress: Wie sinnhaft ist das Entstehen von Subdisziplinen und spezifischen Mastern wie etwa „Medizinrecht“ oder „Peace and Conflict Studies“?

Stadler: Mit einer Bewertung muss man da vorsichtig sein. In den 30ern und 40ern waren auch Psychologie und Soziologie Spezialisierungen. Heute sind sie selbstverständliche Fächer. Die kulturelle Evolution zeigt erst nach einiger Zeit die Sinnhaftigkeit solcher Spezialisierungsprozesse. Der Arbeitsmarkt allein kann dafür aber kein Kriterium sein. Auf der anderen Seite ist es sicherlich problematisch, wenn sogenannte „Orchideenfächer“ blühen und gedeihen, nur weil sie den Vorlieben des akademischen Personals entsprechen. Ich denke, mit einer ernst gemeinten Interdisziplinarität könnte man theoretisch sowie praktisch viele Subdisziplinen einbinden, anstatt für jedes kleine Fach sofort einen eigenen Studiengang zu fordern.

progress: Das klingt nach einer widersprüchlichen Entwicklung: Einerseits gibt es immer mehr Fragmentierung zwischen den Disziplinen, andererseits wird interdisziplinäre Arbeit ja immer wichtiger.

Stadler: Es wird allgemein anerkannt, dass eine übergreifende Perspektive Sinn macht, weil sie einfach den Horizont erweitert. Wobei es dann oft schwer ist, Studienabschlüsse fachlich zuzuordnen. Wir haben 2010 an der Universität Wien einen fächerübergreifenden Master namens „History and Philosophy of Science“ gestartet. Studierende aus allen Disziplinen können zu uns kommen, wenn sie ihr Fach von einer wissenschaftshistorischen Perspektive aus untersuchen wollen. Es gibt auch ein laufendes Doktoratsprogramm. Das Studium macht so gesehen Sinn, weil es nach dem Master weiterführt. Wenn es einen eigenen fachlichen „Track“ gibt und eine „Scientific Community“, dann spricht nichts gegen interdisziplinäre oder spezialisierte Fächer. Man sollte sich all diese Gesichtspunkte vor der Etablierung von Studienrichtungen anschauen.

progress: Wer sollte über neue Studiengänge entscheiden?

Stadler: Das liegt im Aufgabenbereich der Universitäten, des Senats und ist sicherlich auch abhängig vom Bedarf der Studierenden. Wir können im Lauf der Wissenschaftsgeschichte sehen, dass Fächer größer und kleiner werden, auftauchen und verschwinden. Das hat mit einer Eigendynamik zu tun, aber auch mit einer gesellschaftlichen Wertigkeit.

progress: Wie entsteht eine „Scientific Community”?

Stadler: Dazu braucht es Personen, Publikationen, aber auch eine akademische und außerakademische Öffentlichkeit. In den Geistes- und Kulturwissenschaften stellt sich auch die Frage nach den Grundlagen der Wissenschaften und den Methoden, weil Spezialisierungen ja immer die Frage provozieren, was das Spezielle an ihnen ist und was sie von anderen Disziplinen trennt oder mit ihnen verbindet. Das ist nicht nur eine Frage der Organisation und Administration eines Studiums, sondern auch eine theoretische und kognitive Fragestellung, die beantwortet werden muss. Wenn man sich damit auseinandersetzt, sehe ich kein Problem an einer Spezialisierung. Wenn aber keine kritische Diskussion in der Gesellschaft stattfindet, dann ist das problematisch.

progress: Immer mehr private Bildungseinrichtungen bieten teure Master und Postgraduate-Programme an. Besteht hier die Gefahr der Geschäftemacherei?

Stadler: Die Öffnung des freien Marktes ergibt natürlich das Problem, dass zwischen verschiedenen Ausbildungsstätten konkurriert wird. Die Privatuniversitäten sind eine Antwort auf gewisse Defizite im Hochschulbereich, aber auch Symptome für eine neue Organisation der Wissenschaften. An sich ist das keine schlechte Entwicklung, weil dadurch eine gewisse Pluralität einzieht. Dazu braucht es aber auch gleiche Bedingungen für alle Studierenden. Es sollten keine Privilegien aufgebaut werden. Der Studienzugang sollte mit gleichen Chancen verbunden sein. Es ist klar, dass private Institutionen schneller reagieren können und Marktlücken füllen, weil sie zum Beispiel kleiner sind oder sie ein Sponsoring hinter sich stehen haben. Die Qualitätskontrolle ist hier sicher entscheidend.

progress: Wann würden Sie Studierenden zu einem spezialisierten Master raten?

Stadler: Ich würde raten, diese neuen Master bei der Studienwahl durchaus kritisch zu analysieren. Auch im internationalen Vergleich. Wenn es in einem Bereich etwa nur einen Master an nur einer Hochschule gibt, wäre ich schon skeptisch. Wenn aber die Begeisterung für ein Fach da ist, dann ist das eigentlich das einzige Kriterium für die Studienwahl. Mir hat man früher als Student auch gesagt, dass Philosophie überlaufen ist und dass es damit keine Jobmöglichkeiten gibt. Aber es war das, was mich eben interessierte und mich so im Studium vorantrieb. Das wäre bei anderen Fächern nicht der Fall gewesen. Ich denke, dass die individuelle Begeisterung hier das Entscheidende ist.

Friedrich Stadler ist Universitätsprofessor für Wissenschaftsgeschichte, -theorie und -philosophie an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter und Gründer des Instituts Wiener Kreis.

Ist das alles?

  • 03.05.2013, 14:09

Wer sich nach dem Bachelor entschließt, weiter zu studieren, begegnet heute einem Massenangebot an weiterführenden Studiengängen. Doch nicht immer halten die spezifischen Master, was sie versprechen.

Wer sich nach dem Bachelor entschließt, weiter zu studieren, begegnet heute einem Massenangebot an weiterführenden Studiengängen. Doch nicht immer halten die spezifischen Master, was sie versprechen.

Arbeiten oder weiterstudieren? Die Entscheidung darüber, wie es nach dem Bachelor weiter gehen soll, ist nicht immer leicht. Nicht zuletzt in Folge der holprigen Umsetzung des Bologna-Prozesses sind BachelorabsolventInnen am Arbeitsmarkt nach wie vor schlecht gestellt und werden selten als vollwertige AkademikerInnen wahrgenommen. Laut Statistik Austria hängen rund 80 Prozent der AbsolventInnen nach dem Bachelorstudium einen Master an. Die meisten Studierenden bleiben dabei jener Universität treu, an der sie ihren Bachelor absolviert haben. Einige entscheiden sich trotzdem für einen Wechsel an ein anderes Institut, eine andere Hochschule oder überhaupt für ein weiterführendes Studium im Ausland. In den letzten Jahren wurde der Markt an Studiengängen stark ausgeweitet. Es entstanden neue Subdisziplinen, interdisziplinäre Studienprogramme und oft auch komplett neue Studienfächer. Das Geschäft mit den Mastern boomt. Die Konkurrenz steigt dabei nicht nur zwischen privaten und öffentlichen Bildungseinrichtungen, sondern auch unter den Studierenden. Um die wenigen Master-Plätze wird gekämpft. Gleichzeitig scheint bei Vielen aber angesichts des Massenangebots auch Verunsicherung zu herrschen. Es stellt sich nicht selten die Frage nach der Sinnhaftigkeit der so vage wie auch vielversprechend klingenden Studiengänge. Geht man etwa ein Risiko ein, wenn man sich auf ein Master-Programm einlässt, das nur an einer einzigen Hochschule existiert? Kann man sich mit dem spezifischen Masterabschluss am Arbeitsmarkt etablieren? Wird das Fach wieder aussterben? Ist man als StudienabsolventIn eines exotischen Fachs ein gefragter Underdog, oder wird man eher als Versuchskaninchen mit namenlosem Studienabschluss wahrgenommen? All das sind Fragen, die mit der Studienwahl verknüpft sind. „Mit einer Bewertung muss man da vorsichtig sein, die kulturelle Evolution zeigt erst nach einiger Zeit die Sinnhaftigkeit solcher Spezialisierungsprozesse“, meint dazu Wissenschaftsphilosoph und -historiker Friedrich Stadler im Interview (Anm. d. Red.: Weiterlesen auf S. 6). Simone Grössing hat sich mit drei Studierenden über ihre unterschiedlichen Erfahrungen mit spezialisierten Master-Programmen unterhalten und ist dabei auf so manche Kritik gestoßen.

Enttäuschender Hürdenlauf. Theresa wirkt enttäuscht, als sie von ihrem kurzzeitigen Studienaufenthalt an der Kunstuni Linz erzählt. Die 24-Jährige hat nach ihrem Bachelor in Kunstwissenschaft und Philosophie, an der Katholisch- Theologischen Privatuniversität Linz, einen Master in Medienkultur- und Kunsttheorien an der Kunstuni angehängt. Ihre Absicht war es, dem bisher sehr breiten Philosophiestudium ein wenig Form zu verpassen. „Ich dachte, es wäre interessant, einmal spezifischer und etwas werkorientierter zu arbeiten.” Doch schon beim Inskribieren auf der Kunstuniversität stieß Theresa auf die ersten Hürden: Das Bachelor-Zeugnis wurde nicht sofort anerkannt. Nach Diskussionen und mehreren Versuchen gelang es Theresa schließlich, sich für den Master zu inskribieren. Die anfängliche Motivation und Vorfreude war dann aber schnell verschwunden. Der Aufenthalt an der Kunstuni fiel für sie eher ernüchternd aus. Anstatt intensiver Auseinandersetzung mit dem Fach, erfuhr sie oberflächliche Wissensvermittlung seitens der Lehrenden und war mit fachlichen Bildungslücken unter den Studierenden konfrontiert. „Ich glaube, ein großes Problem ist, dass da Menschen aus ganz unterschiedlichen künstlerischen und kulturtheoretischen Studienrichtungen zusammenkommen. Da sitzt man dann in einem Seminar und die Voraussetzungen und Kenntnisse sind völlig verschieden“, meint sie zur Situation in den Lehrveranstaltungen. Theresa brach den Master in Linz schon während des ersten Semesters ab und zog nach Wien, um dort das Master-Studium in Philosophie und ein Kunststudium an der Akademie zu beginnen. Den Sinn von Teildisziplinen versteht sie bis heute nicht ganz und stellt ihn in Frage: „Für mich persönlich ist die Verteilung in neue Geisteswissenschaften irgendwie überflüssig. Es besteht hier einfach die Gefahr, sich in irgendwelchen Details zu verlieren, anstatt den Blick für Zusammenhänge zu bewahren.“

Selektiv und exklusiv. Ähnlich erging es auch dem 24-jährigen Moritz. Nach seinem Bachelorabschluss in Politikwissenschaften an der Universität Wien entschied er sich für den aufbauenden Master „Peace and Conflict Studies“ an der Universität Marburg. Nicht nur wegen der „guten Studienbedingungen“ und der „intensiven persönlichen Betreuung“ bewarb er sich für den Studiengang, sondern auch wegen des Stellenwerts, den er der Spezialisierung im Studium selbst zumisst: „Ich finde es schön, wenn ich mich richtig in ein Thema hineinarbeiten kann. Wenn mich ein Themenbereich an der Uni richtig interessiert und mir Spaß macht, wird das wohl auch ein Bereich sein, in dem ich nachher arbeiten möchte.“ Oft sind die weiterführenden Studiengänge aber stark limitiert. In Deutschland ist ein Studienplatz im Master inzwischen keine Selbstverständlichkeit mehr. Die Masterstudiengänge werden immer selektiver und exklusiver, gerade bei den kleinen, spezialisierten Studiengängen. Im Fall des Masters in Marburg bewerben sich durchschnittlich 450 Studierende für 30 Studienplätze. Deswegen rechnete Moritz zuerst auch gar nicht mit einer Aufnahme. Umso größer war die Freude, als er dann eine Zusage von der Uni bekam. Die geringe Anzahl an Studierenden stellte sich dann schnell als Vorteil heraus: „Die Betreuung war schon einmalig, alle ProfessorInnen kennen dich vom ersten Tag an – sie wissen, wie du heißt und was dich interessiert.“ Das war aber nur einer der wenigen positiven Aspekte. Wie auch Theresa fiel Moritz schnell auf, dass der Master ihm zu wenig in die Tiefe ging: „Die Lehrveranstaltungen waren leider alle ziemlich einführend und nichts Neues für mich. Der Master galt als interdisziplinär, eine Beschreibung, mit der sich viele spezialisierte Master schmücken. Ich finde, das ist heute oft einfach ein Euphemismus für Oberflächlichkeit“, kommentiert Moritz die Situation an der Uni. Zudem fiel das Vorlesungsverzeichnis weit dünner aus als erhofft und war stark von den Forschungsinteressen der ProfessorInnen abhängig. Das Studium stellte sich im Großen und Ganzen als zu wenig weiterbildend für ihn heraus. „Ich denke, man kann sich an einer großen Uni und in einem ‚großen’ Master-Programm mit viel Kursangebot teilweise besser spezialisieren als in kleinen Masterprogrammen mit wenig Auswahl.“ Aus diesem Grund entschied sich Moritz, zu seinem Grundstudium zurückzukehren. Seit diesem Sommersemester studiert er Politikwissenschaften im Master an der Universität Wien.

Interdisziplinäre Perspektive. Peter (25) begann den Master in „Socio-Ecological Economics and Policy“ im Herbst 2012. Nachdem er das aufwendige Aufnahmeverfahren bestanden hatte, gehörte er zusammen mit 29 anderen Studierenden der ersten Generation des neuen Studiengangs an. Peter hatte zuvor einen VWL-Bachelor an der WU absolviert. Dort hatte er von einer Professorin vom neuen Studienangebot gehört. Anstatt der Möglichkeit einer Spezialisierung, war es aber eher die interdisziplinäre Perspektive des Studiums, die Peter anzog. „Dieser Master ist eigentlich breiter als etwa der VWL-Master, alleine schon in Hinblick auf die thematische Aufteilung. Diese reicht von der Ökonomie bis in die Soziologie und Regional Studies.“ Peter wollte sich verstärkt mit einer verknüpfenden Sichtweise, die sich auch mit umweltpolitischen und sozioökonomischen Fragen befasst, auseinandersetzen, anstatt sich auf nur rein ökonomische Themen zu fokussieren. Die Studienprogrammleitung hat sich außerdem zum Ziel gemacht, den allseits vorherrschenden „Departementalism“ zu überwinden. Deswegen wird der Master auch auf Englisch angeboten. Unter Peters KollegInnen finden sich so Studierende aus aller Welt und aus verschiedensten Disziplinen. „Die Stimmung unter den Studierenden ist angenehm. Das Nebeneinander funktioniert gut. Aber die verschiedensten Sichten miteinander zu verknüpfen, das ist oft schwierig.“ Mit seinem aus dem VWLBachelor mitgebrachten Vorwissen sei er zudem klar im Vorteil: „Ein Ingenieurwissenschaftler tut sich natürlich schwerer mit Makroökonomie als ein Wirtschaftsstudent.“

Das Argument, dass man mit einer Spezialisierung am Arbeitsmarkt besser gestellt ist, hat für Peters Studienwahl aber keine vorrangige Rolle gespielt. Viel wichtiger ist für ihn, sich intensiv auf die Materie einzulassen – eine Sichtweise, die seit der Umstellung auf das Bachelor- und Mastersystem immer stärker in den Hintergrund rückt. „Ein spezifischer Master kann gerade deswegen nützlich sein, weil Bachelor-Studiengänge oft gar keine Spezialisierung mehr zulassen. Das war im Diplomstudium noch anders“, meint Peter dazu.

Garantien kann ich nicht bieten

  • 13.07.2012, 18:18

Journalismus ist seit jeher eine Branche, die Studierende anzieht. Die Fachhochschule Wien startet im kommenden Herbst ein neues Journalismus-Masterstudienprogramm. Das PROGRESS sprach mit Institutsleiter Reinhard Christl über das Pro und Contra einer solchen Ausbildung.

Journalismus ist seit jeher eine Branche, die Studierende anzieht. Die Fachhochschule Wien startet im kommenden Herbst ein neues Journalismus-Masterstudienprogramm. Das PROGRESS sprach mit Institutsleiter Reinhard Christl über das Pro und Contra einer solchen Ausbildung.

PROGRESS: Was macht den Journalismus-Master für Studierende interessant?

REINHARD CHRISTL: Das Masterstudium bietet die Möglichkeit, das Fachwissen, das Studierende aus einem abgeschlossenen Bachelor-Studium mitbringen, durch eine akademische Journalistenausbildung zu ergänzen. Es ermöglicht den Studenten eine praxisnahe Berufsausbildung.

Bei welchen Bachelor-Studien ist es Ihrer Meinung nach sinnvoll, einen Journalismus- Master anzuhängen, beziehungsweise wem würden Sie davon abraten?

Grundsätzlich gibt es keine Einschränkungen. Natürlich gibt es aber prädestinierte Studiengänge, die sich auch ganz logisch ergeben. Wirtschaftsjournalisten und Journalisten, die sich im Bereich der Politik perfekt auskennen, werden immer gefragt sein. Insofern ist es natürlich sinnvoll, ein Wirtschafts-, Geschichte- oder Politikstudium mit dem Master aus Journalismus zu verbinden. Auch Juristen und Mediziner sind sehr gefragt, genauso aber auch Leute mit einem abgeschlossenen Technikstudium. Was allerdings alle gemeinsam haben müssen ist eine wirkliche Leidenschaft für den Beruf Journalismus. Davon abraten würde ich jenen Personen, die lediglich die Lust verspüren, einmal in den Journalismus reinzuschnuppern.

Der Master-Studiengang dauert vier Semester. Angesichts der Tatsache, dass man sich journalistisches Wissen in der Praxis sehr schnell selbst aneignen kann, stellt sich natürlich die Frage, welche Vorteile man aus einer akademischen Ausbildung im Vergleich zu einer praktischen zieht?

Das mit der schnellen Selbstausbildung stimmt in gewisser Weise. Das Master-Studium soll aber auch gar nicht die Praxis ersetzen, die man im Berufsleben erlernt. Es bietet vielmehr die Möglichkeit, sämtliche Sparten des Journalismus kennenzulernen. Sowohl jene des Print-, als auch die des TV-, Radio- und Online-Journalismus.

Der Online-Journalismus wird ja in den kommenden Jahren eine immer größere Rolle spielen. Einige prophezeien bereits das Aussterben der Printmedien. Welche innovativen Ansätze bietet die FH hier?

Es ist schwierig, zu diesem Thema bereits konkrete Lösungsansätze vorzulegen. Der Online-Journalismus ist eine sehr junge Art des Journalismus und dementsprechend schwer ist es auch, eine fundierte Ausbildung dafür zu bieten. Wir werden allerdings mit Spezialisten aus der Branche zusammenarbeiten.

Das lässt die Krisen-Frage offen. Was wird Ihrer Meinung nach aus den Printmedien? Hat es denn überhaupt noch Sinn, sich in diese Richtung zu orientieren?

Ich glaube nicht an ein komplettes Aussterben der Printmedien. Natürlich wird ihre Anazahl zurückgehen, da die Konkurrenz aus dem Internet groß ist. War es früher üblich, Immobilien oder Autos in Zeitungen anzubieten, so geschieht dies nun vorwiegend im Internet. Insofern wird es für Zeitungen schwieriger werden, die notwendigen finanziellen Mittel aufzubringen.

Neben der Krise, die den Journalismus an sich betrifft, gibt es ja noch eine zweite: Jährlich wächst die Zahl der Publizistik- AbsolventInnen, die Printmedien müssen aber sparen – wie steht es denn um die Jobchancen als JournalistIn?

Nun, wie bereits gesagt. Der Journalismus ist eine Berufssparte, die man leidenschaftlich betreiben muss. Entscheidet man sich dafür, weil man sich Reichtum erwartet, oder einfach Freude am Zeitungslesen hat, wird man vermutlich eine Enttäuschung erfahren. Man muss mit dem Hauch des Weltverbesserers ausgestattet sein, um in diesem Beruf glücklich zu werden. Mit der richtigen Ausbildung, einer gewissen Risikobereitschaft und der nötigen Leidenschaft wird man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ohne Arbeit enden. Man muss allerdings auch damit rechnen, dass es sich bei der Bezahlung nicht immer um große Summen handeln wird. Auf jeden Fall werden Qualitätsjournalisten auch dann gefragt sein, wenn es im Internet einem jeden möglich sein wird, journalistisch tätig zu sein. Davon kann man ausgehen.

Es gibt an Fachhochschule Wien auch einen Bachelor-Studiengang für Journalismus. Wie viele der AbsolventInnen haben es denn tatsächlich in ein Angestelltenverhältnis geschafft und wie viele arbeiten noch freiberuflich?

Konkrete Zahlen habe ich da nicht. Ich kann aber sagen, dass die Abgänger der ersten beiden Jahre zu einem hohen Prozentsatz eine Karriere in einem Angestelltenverhältnis begonnen haben. Und das auch bei renommierten österreichischen Tageszeitungen. In den darauffolgenden Jahrgängen war dies nicht mehr ganz so der Fall. Dementsprechend schlechter fällt daher auch die Karrierebilanz aus.

Wir sprechen beim Masterstudium von 34 freien Plätzen pro Jahr, was also im besten Fall auch 34 AbsolventInnen wären. Ein Zuwachs von 34 JournalistInnen pro Jahr wäre wohl auch bei einem massiven Rückgang der Arbeitsplätze kein Problem, aber wie sieht das Ganze angesichts der tausenden Publizistik- AbsolventInnen aus?

Der Master-Studiengang bildet Qualitätsjournalisten aus. Mit einer derartigen Ausbildung fällt es bestimmt leichter, einen Beruf zu ergreifen. Ich möchte Publizisten auf keinen Fall abwerten, aber unter den vielen Absolventen befindet sich nur eine Hand voll zukünftiger Journalisten. Und diese wenigen, die die nötigen Qualifikationen besitzen, diese werden sich dann mit unseren Absolventen die freien Arbeitsplätze teilen müssen.

Das heißt, der Master-Studiengang kann keine Garantie für einen Job bieten?

Nein, Garantien kann ich und auch sonst niemand selbstverständlich nicht bieten. Aber ein Absolvent hat die besten Chancen, mit abgeschlossenem Master einen journalistischen Beruf ergreifen zu können. Vor allem, weil schon während der Ausbildung dafür gesorgt wird, dass man auch in der Praxis tätig ist.