Landwirtschaft

Eine Stimme für „White Trash“

  • 01.06.2016, 17:37
Die Sozialanthropologin Jessica Bollag gibt in „I'm not leaving Eldon“ Rednecks eine Stimme. Wir haben mit ihr gesprochen.

Die Sozialanthropologin Jessica Bollag gibt in „I'm not leaving Eldon“ Rednecks eine Stimme.

„White Trash“, Hillbilly und Rednecks – Begriffe, die in den USA mit der unteren sozialen Schicht verknüpft werden: keine Bildung, kein Einkommen, dafür viel Alkohol und viel zu teure Statussymbole, die sich die Leute gar nicht leisten können. So das Stereotyp. Bewohner*innen des kleines Dorfes Eldon sind sich bewusst, dass ihnen das Image des „White Trash“ anhaftet. Gleichzeitig ist Eldon die größte Mais- und Sojaproduzentin der USA. Doch die unabhängigen Bauernhöfe werden immer stärker von multinationalen Konzernen verdrängt – wichtigste und schlechte Arbeitgeber, Retter und Teufel zugleich. Die Sozialanthropologin Jessica Bollag verlieh den Bewohner*innen Eldons eine Stimme in ihrem Dokumentarfilm „I'm not leaving Eldon“. progress sprach mit der Filmemacherin über Narrenfreiheit, über Stellen- und Autonomieverluste, über den steigenden Meth-Konsum im kleinen Eldon und wie all das zusammenhängt.

progress: Eldon ist ein kleines Dorf in Iowa und daher nicht gerade ein Ort, den man einfach so kennt. Wieso bist du ausgerechnet dort gelandet?
Jessica Bollag: Ich habe Ellen, eine der Protagonist*innen bei einem Auslandsaufenthalt in Costa Rica kennen gelernt. Wir haben uns sofort gut verstanden. Ein Jahr später hat sie mich zu Ihrer Hochzeit in Eldon eingeladen. Zuerst dachte ich: „Das wird total langweilig werden!“ Es gibt in Eldon ja nichts außer Maisfelder. Aber es hat sich als sehr actionreich erwiesen. Bei diesem Aufenthalt erzählten mir die Leute über das Stereotyp des „White Trash“. Gleichzeitig erfuhr ich von den sozialen Problemen, dass es immer weniger Stellen gibt und immer mehr Auswanderung. Vier Jahre später musste ich meine Magisterarbeit machen und da war das Thema sehr schnell klar: Ich wollte zeigen, wie die Agrarindustrie sich verändert hat - von den einzelnen unabhängigen Bauernhöfen zu den Riesenkonzernen.

[[{"fid":"2262","view_mode":"colorbox","fields":{"format":"colorbox","field_file_image_alt_text[und][0][value]":"Filmemacherin Jessica Bollag in Wien.","field_file_image_title_text[und][0][value]":"Foto: Niko Havranek"},"type":"media","attributes":{"alt":"Filmemacherin Jessica Bollag in Wien.","title":"Foto: Niko Havranek","height":"253","width":"380","class":"media-element file-colorbox"}}]]

Diese wirtschaftliche Veränderung ist auch ein zentraler Teil deines Films. Wie hat sich das auf die Bevölkerung ausgewirkt?
Es ist ein riesiger Autonomieverlust. Die Elterngeneration hatte noch Bauernhöfe und somit auch Land, das dazu gehörte. Das wurde nach und nach an große Konzerne verkauft. Dazu kommt, dass sich die Maschinen mittlerweile autonom steuern lassen und es weniger Arbeitskräfte braucht. Der Mais wird trotzdem weiter verarbeitet, allerdings in dieser Riesenfabrik, die etwa 1 ½ Stunden Autofahrt von Eldon entfernt ist und wie eine Stadt wirkt. Dort müssen die Leute jetzt arbeiten. Es gibt einen Teil der Bevölkerung, wie zum Beispiel Cole, einer der Hauptprotagonisten, der diese Probleme sieht. Andere habendie Hoffnung verloren. Oder sie reden sich ein, dass die Konzerne notwendig sind. Sie identifizieren sich so sehr mit dieser riesigen Maisproduktion und glauben daher, es gäbe keine andere Möglichkeit. Das wird ihnen auch von den großen Konzernen so eingeredet.

Ich habe den Film gemeinsam mit Freund*innen gesehen und es kam die Kritik auf, dass der Film Klischees und Stereotype reproduziert. Siehst du den Umgang mit den Klischees problematisch?
Ich wollte mit den Klischees spielen, wie die Leute in Eldon es auch tun. Es sollte also um die Produktion und Reproduktion der Klischees gehen. Zu Beginn des Films ist es auf jeden Fall sehr klischeehaft, wie einer der Bewohner beispielsweise auf dem Rasenmäher daher kommt. Aber mit dem Protagonisten Cole sollten diese Stereotype reflektiert werden.

[[{"fid":"2264","view_mode":"colorbox","fields":{"format":"colorbox","field_file_image_alt_text[und][0][value]":"Plakate des Filmfestivals an einer Wand und im Spiegel.","field_file_image_title_text[und][0][value]":"Foto: Niko Havranek"},"type":"media","attributes":{"alt":"Plakate des Filmfestivals an einer Wand und im Spiegel.","title":"Foto: Niko Havranek","height":"253","width":"380","class":"media-element file-colorbox"}}]]

Genau, auch die Menschen selbst bezeichnen sich als „White Trash“, als Hillbillies. Inwiefern geht es bei der Bezeichnung mit diesen negativ konnotierten Begriffen auch um eine Art Abgrenzung von dem, was außerhalb Eldons liegt?
Ich finde, es geht mehr um eine selbstironische Bezeichnung. Die Leute eignen sich diese Begriffe selbstironisch an. Hier vermischen sich Scham und Stolz extrem. Gleichzeitig geht das mit einer Narrenfreiheit einher: Wenn ich mich so bezeichne, gibt mir das eine Freiheit. Ich bin sowieso „White Trash“, da kann ich nichts falsch machen.

Gibt es auch Leute, die diese Stereotype, aber auch den sozialen Abstieg, den Eldon erfährt auf irgendeine Art und Weise versuchen aufzubrechen oder entgegen zu steuern?
Das ist eine gute Frage. Ich denke aber, das das sehr schwierig ist. Natürlich gibt es einige, die aufsteigen wollen. Das funktioniert aber eher, wenn man noch irgendwie eine Möglichkeit sieht, dass man aus diesen Abstieg rauskommt. Dann versucht man sich auch eher von diesen Stereotypen abzugrenzen. Aber die Leute sind in einer verzweifelten und schwierigen Situation. Sollen sie ihren einzigen Arbeitgeber bekämpfen? Sie sind abhängig. Die Konzerne und Fabriken sind Retter und Teufel zugleich. Wenn man froh sein kann, überhaupt in der Fabrik zu arbeiten, ist diese selbstironische Verwendung der Stereotype auch ein möglicher Umgang mit den eigenen Problemen.

Auf der einen Seite sprechen die Menschen davon, dass man die Türen in Eldon nicht zusperren muss, auf der anderen Seite spielen Waffen eine große Rolle. Wie erklärst du dir diese Ambivalenz?
Ein großes Problem, das ich im Film nicht zeigen konnte ist, dass es in Eldon keine Polizei gibt. Polizei gibt es erst in der nächsten Stadt und meiner Meinung nach interessiert sich die auch nicht wirklich für Eldon. Aber die Leute werden immer ärmer, während der Meth-Konsum steigt. Es gab auch einen Mord in Eldon, bei dem es um Drogen ging. Da fährt die Polizei hin, sperrt ein wenig die Gegend ab und das war es.

[[{"fid":"2263","view_mode":"colorbox","fields":{"format":"colorbox","field_file_image_alt_text[und][0][value]":"Filmemacherin Jessica Bollag in einer Interviewsituation.","field_file_image_title_text[und][0][value]":"Foto: Niko Havranek"},"type":"media","attributes":{"alt":"Filmemacherin Jessica Bollag in einer Interviewsituation.","title":"Foto: Niko Havranek","height":"253","width":"380","class":"media-element file-colorbox"}}]]

Haben die Leute, die du interviewt hast, den Film schon gesehen?
Ja. Mir war es aus ethischen Gründen sehr wichtig, dass sie den Film absegnen. Deswegen bin ich auch nochmal nach Eldon, bevor ich ihn veröffentlicht habe. Dann haben wir improvisiert. In einer Garage, auf Campingstühlen sitzend, daneben Kühlboxen mit Bier – so haben wir den Film angesehen.

Und wie waren die Reaktionen?
Es war speziell für die Leute, dass sie eine Stimme bekommen haben. Das sind sie nicht gewohnt. Gleichzeitig finden sie es gut, dass ich kein romantisches Bild gezeichnet habe. Ich hatte ein wenig Angst, weil natürlich kritisiere ich sie manchmal indirekt. Aber es ist ein Bild, welches nicht verschönert. Aber genau das hat ihnen gefallen, dass man kein kitschiges Bild von den armen Proleten auf dem Land, sondern auch genug Ecken und Kanten sieht. Damit konnten sie sich identifizieren.

Valentine Auer arbeitet als freie Journalistin in Wien.

Ein Leben (fast) ohne Supermarkt

  • 10.06.2014, 16:04

Auf der Suche nach nachhaltigen und regionalen Lebensmitteln schließen sich immer mehr Menschen zu Foodcoops zusammen. progress hat sich angesehen, wie ein Leben fast ohne Supermarkt funktionieren kann.

Auf der Suche nach nachhaltigen und regionalen Lebensmitteln schließen sich immer mehr Menschen zu Foodcoops zusammen. progress hat sich angesehen, wie ein Leben fast ohne Supermarkt funktionieren kann.

Dienstagabend in einem Kellergeschoss im 15. Wiener Gemeindebezirk. In den Räumen des PerpetuuMobile 2.3 stapeln sich Kisten mit Gemüse, Getreide, Nudeln und Sojaprodukten. Dazwischen wuseln Menschen umher, vergleichen den Inhalt der Kisten mit Listen und wiegen Erdäpfel, Frühlingszwiebeln, Salat, Rüben und Pastinaken ab. Es ist Abholtag in der vegan food coop, einer von über 20 Foodcoops in Österreich. Gerade ist eine Lieferung eingetroffen, frisch vom Bauernhof.

„Ich hatte sehr lange Zeit eine Biokiste, aber ich wollte dann noch einen Schritt weiter gehen. Ich wollte wissen, wo mein Essen herkommt“, erzählt Christina. Sie studiert an der BOKU und ist seit anderthalb Jahren Mitglied der vegan food coop. Der Kontakt zu Produzent_innen ist ihr besonders wichtig: „Ich kann hier wirklich sehen und nachprüfen, wie meine Lebensmittel angebaut werden. Wir organisieren öfters Reisen zu Bauernhöfen und können uns anschauen, wie die wirtschaften.“

Genossenschaftlich organisiert. Foodcoops oder Lebensmittelkooperativen sind keine neue Erfindung. Schon im 19. Jahrhundert wurde in Großbritannien die erste Konsumgemeinschaft gegründet. Im Kontext der beginnenden Industrialisierung schlossen sich Arbeiter_innen zusammen, um der Abhängigkeit von Händler_innen, denen oft Betrug und der Verkauf minderwertiger Ware vorgeworfen wurden, zu entfliehen und organisierten den Einkauf ihrer Lebensmittel gemeinsam. Eine Foodcoop funktioniert im Prinzip genauso: Gemeinsam wird entschieden, was und wo eingekauft wird. Auch heute ist die Motivation vor allem das fehlende Vertrauen in die vorhandenen Strukturen wie Supermärkte oder Diskonter. „Für manche Dinge gehe ich schon noch in den Supermarkt, nicht alles kann ich über die Foodcoop besorgen. Aber immer öfters verlasse ich in den Supermarkt, ohne etwas gekauft zu haben, weil ich alles, was mir interessant erscheint, auch in der Foodcoop bekomme“, sagt Christina.

Nicht weit entfernt vom PerpetuuMobile 2.3, das sich die vegan food coop mit einer Siebdruckerei und diversen anderen linken Projekten teilt, hat eine der ältesten Foodcoops Wiens ihr Lokal. In den hellen Räumlichkeiten von D’Speis riecht es wie im Bioladen, neben Gemüse stehen hier auch Wein, Bier, Öl und Essig in den Regalen. Lange Bestelllisten hängen an der Wand, in verschiedenen Kühlschränken warten Milchprodukte, Tofu und Fleisch darauf, abgeholt zu werden. Samuel, der seit fast zwei Jahren bei D’Speis aktiv ist, hat auch davor schon Bio-Lebensmittel gekauft und ist dumpstern gegangen. „Für mich gab es mehrere Gründe, einer Foodcoop beizutreten: Einerseits natürlich die Qualität und der Preis der Lebensmittel. Andererseits ist eine Foodcoop auch ein politisches Statement. Wir sind nicht von Supermärkten oder Großhändler_innen abhängig, sondern bestimmen selbst, was wir wann einkaufen und unterstützen damit Kleinbäuer_innen.“ Dazu kommt für Samuel noch die soziale Komponente. Er grinst und erzählt: „Wenn ich mein Zeug in der Speis abhole, muss ich dafür immer mindestens eine Stunde einrechnen. Nicht, weil das Abholen so lange dauert, sondern weil ich hier Menschen treffe und mit ihnen plaudere.“ Dabei schätzt der Student es sehr, aus seinem gewohnten Umfeld herauszukommen und sich auch mal mit älteren Menschen auszutauschen.

Gemüsekisten in einer foodcoop

Unregelmässige Regelmässigkeit. In der vegan food coop wird es derweil ruhiger, der große Andrang ist vorbei. Jede Woche ist eine andere Person dafür zuständig, das Lokal aufzusperren, damit alle Mitglieder der Foodcoop ihre bestellten Lebensmittel abholen können. „In unregelmäßiger Regelmäßigkeit kann sich jede_r online für diesen Dienst eintragen“, erklärt Christina. Alle Aufgaben in der Foodcoop werden abwechselnd übernommen: Die Bestellungen werden online gesammelt und an die Produzent_innen übermittelt, neue Produzent_innen oder Produkte, die für die Foodcoop interessant sein könnten, werden gesucht und der Kontakt mit den Produzent_innen muss aufrecht erhalten werden. „Wir nennen das Produzent_innenrelationshipmanagement“, erklärt die Studentin. Bei welchen Bäuer_innen bestellt wird, entscheidet die Foodcoop basisdemokratisch im Plenum. Dort werden auch für eine rein vegane Gruppe heikle Diskussionen geführt. Etwa, ob sich Produkte wie Honig mit den Prinzipien der Foodcoop vereinen lassen. Diese Selbstbestimmung kostet Zeit und Engagement. Christina wird nachdenklich, als sie erklärt, dass Foodcoops nicht für jede_n das Richtige seien: „In den Supermarkt zu gehen, ist bequem, in der Foodcoop musst du die Arbeit der Kassiererin selbst übernehmen und den Preis deiner Bestellung auf einem Kontoblatt ausrechnen. Wer in einer Foodcoop einkaufen will, muss bereit sein, Aufgaben zu übernehmen.“

Basisdemokratie für Anfänger_innen. Bei D’Speis, die ungefähr 70 Mitglieder zählt, überlegt man sich, wie damit umgegangen werden kann, wenn nicht alle, die von der Foodcoop profitieren, auch Aufgaben übernehmen: „Grundsätzlich ist unser Motto, dass sich alle entsprechend ihrer Fähigkeiten einbringen sollen, aber leider gibt es schon aktivere und weniger aktive Leute. Für Neulinge wollen wir ein Buddy-System einführen, damit sie anfangs von erfahrenen Mitgliedern lernen, wie die einzelnen Arbeitsschritte in der Foodcoop erledigt werden“, erzählt Samuel. Die Foodcoop versucht auch, gezielt Menschen aus der Nachbarschaft anzusprechen und einzubinden. So beteiligen sich neben Studierenden auch einige ältere Menschen, vor allem Frauen – trotz Hürden, wie Samuel berichtet: „Das ist schwierig, weil unsere Organisationsform auf den ersten Blick chaotisch wirkt. Viele erleben bei uns zum ersten Mal ein basisdemokratisches Plenum und müssen sich erst mit dieser Art der Entscheidungsfindung anfreunden.“ Das monatliche Plenum von D’Speis läuft aber gut, auch wenn es schon mal voll werden oder lange dauern kann. Große ideologische Fragen werden auf Klausuren geklärt und verschiedene Arbeitskreise entlasten das Plenum bei alltäglichen Arbeiten. 

Beim Salzkörndl gibt es noch keine Probleme mit untätigen Mitgliedern. Die Foodcoop hat sich im letzten Sommer in Salzburg gegründet und besteht derzeit aus 35 bis 40 Leuten, vor allem Studierenden. Luisa ist eine von ihnen, sie kannte das Prinzip der Foodcoops von Freund_innen aus Berlin. „Aus meinem erweiterten Freundeskreis erfuhr ich, dass geplant war, in Salzburg eine Foodcoop zu gründen. Ich war also von Anfang an dabei. Die Gründung war ein langer Prozess, schon die Namensfindung war nicht so leicht, und dann mussten wir auch noch ein Lokal finden.“ Die junge Foodcoop trifft sich alle zwei Wochen und versucht gemeinsam, neue Lieferant_innen zu finden, um das Produktsortiment zu erweitern. Dieses besteht derzeit aus Gemüse, Eiern, Milchprodukten, Brot, Getreide und Hülsenfrüchten, die alle regional und biologisch angebaut werden. „Nicht alle Produzent_innen haben das Bio-Siegel, auch wenn sie nach diesen Kriterien anbauen. Wir schauen uns die Betriebe genau an und wenn wir ihnen vertrauen, müssen die Lebensmittel nicht zertifiziert sein. Persönlicher Kontakt ist dafür natürlich eine Voraussetzung“, erzählt Luisa. Neben den regionalen Produkten gibt es bei Salzkörndl auch Fairtrade-Kaffee und Selbstgemachtes: „Jede Woche macht eine andere Person von uns einen Aufstrich, der dann gegen freie Spende mitgenommen werden kann. Manchmal organisieren wir auch BrotbackWorkshops.“

Wenn Samuel und Christina von den nicht-regionalen Lebensmitteln erzählen, die die Wiener Foodcoops gemeinsam bestellen, klingen sie beinahe so, als hätten sie ein schlechtes Gewissen. Neben Kaffee von linken Genossenschaften aus Südamerika gibt es Zitrusfrüchte und Avocados aus Italien. „Unsere Lebensmittel sind regional, mit Ausnahmen, wo es nicht anders geht. Zusätzlich versuchen wir, unsere Sachen möglichst unverpackt oder mit Pfandsystemen zu bekommen“, erklärt Samuel die Kriterien von D’Speis. Neben den Avocados und Zitronen bestellen die gut vernetzten Wiener Foodcoops auch andere Lebensmittel gemeinsam, zum Beispiel Nudeln, Hülsenfrüchte oder Getreide. Um Letzteres selbst weiterverarbeiten zu können, besitzt D’Speis eine Getreidemühle und eine Haferflockenpresse, die von allen Mitgliedern der Lebensmittelkooperative benutzt werden kann. Eine kooperativenübergreifende Brotbackgruppe bäckt mit dem selbst gemahlenen Mehl. „Es gibt auch eine Tofugruppe, die für alle Wiener Foodcoops Tofu produziert“, erzählt Samuel begeistert und beginnt zu träumen: „In Zukunft wäre es toll, auch eigene Felder oder Gärten in der Umgebung zu haben und Foodcoops mit der Ernte zu beliefern.“ So könnte nach und nach eine kleine Wirtschaft nach den Vorstellungen der Lebensmittelkooperativen entstehen: solidarisch, regional, nachhaltig und selbstverwaltet.

Grenzen des Wachstums. Eine andere alternative Form der Lebensmittelbeschaffung ist Community Supported Agriculture (CSA), das wie eine Art Crowdfunding für Landwirt_innen funktioniert: Bereits vor dem Anbau wird gemeinsam entschieden, was angebaut wird. Durch zugesicherte Abnahmemengen können die Bäuer_innen besser planen und sind finanziell abgesichert. „Foodcoops und CSA gehen Hand in Hand“, erklärt Christina: „Die vegan food coop ist auch eine Abholstelle für einen CSA-Hof. Die Foodcoop selbst hat aber keine Anteile und kein Mitbestimmungsrecht.“

Foodcoops werden zunehmend zu einer Konkurrenz für (Bio-)Supermärkte, denn viele von ihnen wachsen stetig. Auch das Salzkörndl will größer werden: „In Zukunft wollen wir bis zu 60 Mitglieder haben. Alles darüber ist zu groß“, so Luisa. Bei D’Speis hat man diese Erfahrung schon gemacht. Samuel berichtet von einer freundschaftlichen Abspaltung: „Als wir zu viele wurden, haben einige von uns eine neue Foodcoop gegründet. Sie konnten dabei von unseren Erfahrungen profitieren. Das ist das Ziel: viele kleine Foodcoops, in jedem Grätzel eine!“

 

Joël Adami studiert Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der Universität für Bodenkultur Wien.

Webtipp: Verzeichnis aller österreichischen Foodcoops: foodcoops.at