kritische Wissenschaft

Genderwahn an Hochschulen

  • 23.02.2017, 19:36
Die Besorgnis, Wissenschaft würde durch die Gender Studies für die Umsetzung einer politischen Ideologie missbraucht werden, ist ein präsentes Thema im medialen Diskurs. Aber was ist dran an den Vorwürfen der Unwissenschaftlichkeit und fehlenden Objektivität?

Die Besorgnis, Wissenschaft würde durch die Gender Studies für die Umsetzung einer politischen Ideologie missbraucht werden, ist ein präsentes Thema im medialen Diskurs. Aber was ist dran an den Vorwürfen der Unwissenschaftlichkeit und fehlenden Objektivität?

Bedenken bezüglich der Wissenschaftlichkeit der Gender Studies werden von unterschiedlichen Personengruppen geäußert. Von journalistischen GendergegnerInnen über AntifeministInnen hin zu christlichen FundamentalistInnen (Ja, auch die machen sich Sorgen um den Verfall der Wissenschaft). Eine kritische Reflexion von Forschung ist grundsätzlich durchaus wünschenswert, allerdings muss sie auf einer differenzierten Auseinandersetzung mit dem Gegenstand fußen, um einen konstruktiven Beitrag zu leisten. In der Gendergegnerschaft ist dies nun nicht ganz der Fall; die Gender Studies werden ohne tiefergehende Kenntnis pauschal als „pseudowissenschaftlicher Hokuspokus“ abgelehnt. Das macht es nicht ganz einfach, sich mit Argumenten der GendergegnerInnen auseinanderzusetzen. Versuchen wir es trotzdem, indem wir uns einen Kernvorwurf genauer ansehen: jenen der fehlenden Objektivität der Gender Studies aufgrund ihres politischen Gehaltes.

FEMINISTISCHE INVASION? Es ist kein großes Geheimnis, dass die Gender Studies einer politischen Bewegung entstammen und dass Gender ein höchst politischer Begriff ist. Hinter ihm steht die analytische Beobachtung, dass Menschen nach ihrer Geburt aufgrund ihrer äußeren Geschlechtsmerkmale einer Kategorie (männlich oder weiblich) zugeordnet werden und diese Zuordnung ihren weiteren Lebenslauf bestimmt. Begonnen bei der Sozialisation von Jungen und Mädchen werden sehr unterschiedliche gesellschaftliche Vorstellungen und Anforderungen an Männer und Frauen herangetragen. Das Konzept Gender problematisiert das ungleiche Geschlechterverhältnis, das auf dieser Trennung fußt. Es geht also nicht darum, Menschen umzuerziehen und ihnen ein bestimmtes Verhalten aufzudrängen, sondern darum, den Rahmen für mögliches Verhalten zu erweitern. Männer sollen Gefühle zeigen dürfen und Frauen technische Berufe ergreifen können – wenn ihnen das entspricht – ohne dabei Schwierigkeiten zu bekommen. Es handelt sich also um eine Idee, die, wenn auch nicht unter dem Vorzeichen „Gender“, in weiten Teilen der Gesellschaft akzeptiert und bejaht wird. Aus einer bestimmten Blickrichtung ist es damit durchaus plausibel, Gender als eine Bedrohung wahrzunehmen. Eine Bedrohung für sehr fundamentale gesellschaftliche Strukturen, die trotz des Fortschrittes der letzten 100 Jahre noch bestehen. So sind auch in der westlichen Gegenwartsgesellschaft Frauen diejenigen, die den Großteil von schlechtoder unbezahlter Versorgungsarbeit leisten, häufiger von Gewalt und Armut betroffen sind, weniger in Führungspositionen aufsteigen und Männer diejenigen, die misstrauisch beäugt werden, wenn sie mit Kindern arbeiten wollen. Dass das Infragestellen so fundamentaler gesellschaftlicher Prinzipien Anlass für emotionale Auseinandersetzungen gibt, ist wenig überraschend.

OBJEKTIV ODER DOCH POLEMISCH? Die Gender- KritikerInnen sprechen von einer „Genderisierung“ der Hochschulen, als ob es sich um eine staatlich verordnete „Invasion“ handle, die Unmengen an Steuergeldern verschlingen würde. Diese Behauptung hält einem Blick in die Realität jedoch nicht Stand. So sind beispielsweise an österreichischen Hochschulen 2.420 ProfessorInnen tätig, wobei sechs Professuren eine Volldenomination für Geschlechterforschung haben. Das Bild der Invasion ist, wenn auch wenig plausibel, dennoch wirkungsmächtig und nur ein Beispiel für den fast durchgängig polemischen Stil genderkritischer Beiträge, die den „Genderwahn“ als Gefahr für die Wissenschaft darstellen. Die Soziologinnen Sabine Hark und Paula-Irene Villa weisen darauf hin, dass dabei meist, ohne weitere Erörterung, von einem alltagsweltlichen Verständnis von Wissenschaft ausgegangen wird, das an positivistische Maßstäbe der Naturwissenschaften angelehnt ist. Dies ist aus mindestens zwei Gründen problematisch: Erstens delegitimiert ein derartiges Wissenschaftsverständnis jegliche Erkenntnismethoden der Kultur-, Sozial- und Geisteswissenschaften. Zweitens ist ein alltagsweltliches Wissenschaftsverständnis bestenfalls für den Alltag geeignet, eine vermeintlich wissenschaftliche Kritik darauf zu stützen, ist aber alles andere als passend. Widersprüchlich ist weiters, dass der Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit, trotz des engen Wissenschaftsbegriffes, nur an die Gender Studies gerichtet wird (übrigens auch an ihre naturwissenschaftlichen Forschungsarbeiten). Es werden weder ganze wissenschaftliche Disziplinen noch sozialwissenschaftliche Forschungen von Gleichgesinnten angegriffen. All das spricht dafür, dass die Abwertung der Gender Studies nicht einer bloßen Besorgnis um Wissenschaftlichkeit geschuldet ist, sondern eher den Bedenken und Feindseligkeiten jener, die an den alten Strukturen hängen und eigene Privilegien gefährdet sehen. Es handelt sich um eine politische Motivation genau jener Art, wie sie den Gender Studies vorgeworfen wird und die wissenschaftlicher Objektivität vermeintlich im Weg steht.

POLITISCHE OBJEKTIVITÄT? In diesem Zusammenhang ist zu fragen, was wissenschaftliche Objektivität überhaupt sein kann. Das Bild eines isolierten Wissenschaftlers, der im Labor kulturunabhängige Ergebnisse produziert, ist in der Realität nicht haltbar. Jede forschende Person ist auch Teil der Gesellschaft, hat Vorstellungen und Wertehaltungen, die in den Forschungsprozess miteinfließen. Alleine die Wahl eines Forschungsgegenstandes ist schon von gesellschaftlichen Umständen geprägt. Denn was als erforschenswert angesehen wird, ist keine Frage, die objektiv beantwortet werden kann, sondern das Ergebnis von gesellschaftlichen Diskursen und Kräfteverhältnissen. Objektivität ist im Sinne einer völligen Unabhängigkeit von Gesellschaft undenkbar, egal in welcher wissenschaftlichen Disziplin. Dies bedeutet allerdings nicht, dass keine nachvollziehbare wissenschaftliche Erkenntnis möglich wäre, sondern nur, dass es einen bedachten Umgang mit der eigenen Rolle als forschende Person und dem Entstehungszusammenhang der Ergebnisse geben muss. Aus diesen Überlegungen heraus hat sich in den Sozialwissenschaften ein reger Diskurs darüber etabliert, wie solch ein Umgang Teil des Forschungsprozesses selbst werden kann. Gerade die Gender Studies haben hierzu einen wesentlichen Beitrag geleistet.

Carina Brestian hat Soziologie und Gender Studies an der Universität Wien studiert.

Grundkurs kritische Wissenschaft: A wie … Aufklärung, D wie … Dialektik

  • 05.12.2015, 18:46

Oft sind kritische Theorien schwer zugänglich, was den komplizierten Verhältnissen, die sie zu beschreiben versuchen, geschuldet sein kann. Aber manchmal geht es auch einfacher. Der folgende Text will den Begriff der Dialektik der Aufklärung einfach, aber nicht vereinfachend erklären.

Oft sind kritische Theorien schwer zugänglich, was den komplizierten Verhältnissen, die sie zu beschreiben versuchen, geschuldet sein kann. Aber manchmal geht es auch einfacher. Der folgende Text will den Begriff der Dialektik der Aufklärung einfach, aber nicht vereinfachend erklären.

Was ist die Aufklärung und was ist das Problem mit der Aufklärung? Mit diesen Fragen haben sich Theodor W. Adorno und Max Horkheimer in einem Buch namens „Dialektik der Aufklärung“ beschäftigt. Die beiden gelten als Vertreter der Frankfurter Schule beziehungsweise der Kritischen Theorie – einem Forschungszusammenhang von Wissenschafter_innen, die sich im 20. Jahrhundert mit verschiedenen Aspekten der Ideologieund Gesellschaftskritik beschäftigten. Die „Dialektik der Aufklärung“ schrieben Adorno und Horkheimer in den 1940er Jahren im amerikanischen Exil. Das Buch versucht vor dem Hintergrund der Shoah zu verstehen, wie die Ziele der Aufklärung zu der industriell organisierten Vernichtung von Millionen von Menschen führen konnten.

Die „Dialektik der Aufklärung“ gilt als ein äußerst kompliziertes Werk und viele schrecken davor zurück. Der folgende Text ist ein Versuch, die darin enthaltenen komplexen Zusammenhänge möglichst verständlich zu erklären. Ich möchte hier keine Zusammenfassung geben, sondern einen Einblick in manche Gedanken, die für mich besonders wichtig wurden. Dabei orientiere ich mich zwar am Buch, erzähle aber meine Version der Geschichte, die mit anderen Theorien und Erfahrungen verwoben ist. Ich konzentriere mich vor allem auf die Rolle der Vernunft im Spannungsfeld von Herrschaft und Befreiung.

DIE VERNUNFT. Ein zentrales Prinzip der Aufklärung ist, dass der Mensch durch Vernunft zur Befreiung gelangen kann. Immanuel Kant prägte den Wahlspruch der Aufklärung: Befreie dich aus deiner selbstverschuldeten Unmündigkeit – mit Hilfe deines Verstandes kannst du selbstbestimmt Entscheidungen treffen. Es brauche mündige, vernünftige Bürger_innen, um eine Demokratie zu gestalten. Vernunft ist also wichtig für die demokratische Idee und wird als etwas verstanden, das jedem Menschen inne wohnt – so das Ideal. Doch praktisch wurde diese Vernunftfähigkeit nicht allen zugeschrieben. Frauen, „psychisch Kranke“, Kinder, Kriminelle – verschiedene Gruppen wurden als unvernünftig abgestempelt, und so wurde ihnen auch die Teilhabe an gesellschaftlichen Entscheidungen verwehrt. Das geschah oft ganz offen und konkret, z.B. hatten Frauen bis ins 20. Jahrhundert hinein kein Wahlrecht. Mit abstrusen, anthropologischen und biologischen Beweisen erklärten Wissenschaftler, dass Frauen nicht vernunftfähig seien. Frauen seien vielmehr zu einem Leben als Hausfrauen und Mütter bestimmt, wofür offenbar keine Vernunft notwendig sei.

Mit der Aufklärung sollte Vernunft Religion als strukturierendes Prinzip von Gesellschaft ersetzen. Fakten treten an die Stelle des Mythos. So ist es nicht mehr Gott, der dir deinen Platz in der Gesellschaft zuschreibt, sondern die Vernunft bzw. die Wissenschaft. Und so legitimierte die vernünftige, scheinbar objektive Wissenschaft die herrschende Ordnung und die Positionen von herrschenden und beherrschten Gruppen. Vernunftfähigkeit wurde auch allen Opfern des Kolonialismus abgesprochen, was so weit ging, dass ernsthaft darüber diskutiert wurde, ob die kolonisierten Subjekte überhaupt Menschen seien.

INSTRUMENTELLE VERNUNFT. Um dies zu fassen, prägten Horkheimer und Adorno den Begriff der ,,Instrumentellen Vernunft“. Dieser besagt, dass alles unter dem Prinzip des Nutzens steht und der Durchsetzung der eigenen Interessen dient. Die Vernunft ist geleitet von Profit- und Konkurrenzdenken. Vernünftig ist demnach, wer Kosten-Nutzen-Rechnungen macht und sich dafür entscheidet, zu tun, was am meisten individuellen Nutzen verspricht. Wer sich dagegen entscheidet, gilt als unvernünftig.

In diesem Sinn gelten auch Menschlichkeit und Solidarität als unvernünftig. Der weit verbreitete Begriff des Gutmenschen entstammt dieser Logik: Wer das Wohl anderer Menschen zum Maßstab seines Handelns macht, ist unvernünftig. Menschlichkeit ist ein anderes Prinzip, das manchmal in unserer Gesellschaft zur Geltung kommt, das aber immer wieder unterdrückt und beiseitegeschoben wird. Was wirklich gilt, ist die Instrumentelle Vernunft, die einer kapitalistischen, profitorientierten Logik gehorcht.

Trotzdem verweist die Idee der Vernunft, die allen Menschen innewohnt, auf eine emanzipatorische Idee – nämlich dass Vernunft ein universales menschliches Prinzip ist, auf dessen Basis eine demokratische Gesellschaft erst verwirklicht werden kann.


NATURBEHERRSCHUNG. Ein weiteres wichtiges Moment der Aufklärung ist die Veränderung des Verhältnisses des Menschen zur Natur. Beim Projekt der Zivilisation geht es darum, die Angst vor der Natur und ihrer Unberechenbarkeit in den Griff zu kriegen. So dient der technologische Fortschritt dem besseren Umgang mit Naturgewalten und auch der Nutzung der Natur für menschliche Zwecke. Das Motiv dahinter ist ein durchaus positives – die Welt soll besser bewohnbar für die Menschen sein. Beschwerlichkeiten wie extreme Wetterverhältnisse oder harte Arbeit sollen erleichtert werden, damit ein gutes Leben für alle möglich ist.

Das Problem dabei ist, dass dies in Form von Naturbeherrschung passiert. Beherrschung bedeutet, Gewalt über die Natur zu haben. Es bedeutet auch, dass der Mensch sich von der Natur entfremdet und sich als Subjekt setzt, das dann die Natur als Objekt beherrscht. Die Natur wird zum Objekt des Menschen, wird mess- und nutzbar gemacht. Alles – auch die anderen Menschen und die eigene, innere Natur.Die ganze Welt wird ein Feld, das der Mensch bzw. das Subjekt beherrschen kann.

Und so werden auch Menschen zu Objekten, die beherrscht und nutzbar gemacht werden können; zu Objekten, die in kapitalistischen Produktionsverhältnissen funktionieren; zu Objekten, die verwertet, bearbeitet und im schlimmsten Fall auch vernichtet werden können. Die Beziehungen der Menschen zu den Dingen – aber auch zu anderen Menschen – stehen unter dem Vorzeichen der Nutzbarkeit und der Verwertung. Die Beziehungen werden so in der Logik der instrumentellen Vernunft entfremdet.



BILDUNG UND EMANZIPATION. Die Vernunft hat beide Momente in sich – sie ist von Gewalt und Herrschaft geleitet, aber sie enthält immer auch die Möglichkeit der Emanzipation. Tatsächlich kann mensch gerade mit Wissen und Vernunft die eigene Position reflektieren, Herrschaftsverhältnisse hinterfragen und die Gesellschaft kritisieren. Vernunft kann selbstermächtigend und befreiend sein.

Unwissenheit und Unbildung sind Herrschaftsinstrumente, mit denen Menschen in unterdrückenden Verhältnissen gehalten werden. Nicht umsonst waren Lesen und Schreiben in verschiedenen Phasen der Geschichte widerständige Akte. Im 19. Jahrhundert war es beispielsweise in den amerikanischen Südstaaten verboten, Sklav_innen das Schreiben beizubringen. Alphabetisierung kann eine befreiende Praxis sein. Mit der Fähigkeit zu lesen wächst das Bewusstsein für unterdrückende Verhältnisse und auch die Möglichkeit, die Welt zu verändern.

Aber Bildung ist nicht nur auf die üblichen Orte der Wissensproduktion – Schule, Universität, Forschungsstätten – beschränkt. Es gibt auch andere Orte, an denen kritische Wissensproduktion und Bildung stattfinden, insbesondere auch soziale Bewegungen. Gerade schwarze Feministinnen wie bell hooks betonen die Bedeutung von Wissen für Veränderung und Befreiung aus unterdrückenden Verhältnissen. Wissen kann auch ein Mittel sein, um die herrschende Wissenschaft zu hinterfragen.

Es geht nicht darum, dass wir uns von der Vernunft verabschieden, sondern darum, ihre problematischen Anteile zu erkennen und zu kritisieren. Das Ideal der Aufklärung will, dass alle Menschen sich ihres Verstandes bedienen können, um so in die Lage zu kommen, selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen. Das will eine kritische Pädagogik auch. Aber sie will darüber hinaus die Menschen zur Freiheit und zur Kritik erziehen; sie also dazu bringen, dass sie selbst die Herrschaft hinterfragen.

 

Aber können Menschen zur Freiheit erzogen werden? Erziehung ist das Gegenteil von Freiheit. Die Orte und die Formen des Lernens in unserer Gesellschaft sind von Zwang und Autorität gekennzeichnet – die Schule ist Pflicht und Lehrer_innen sind Autoritätspersonen, die die Macht haben, Schüler_innen Noten zu geben. Darüber hinaus hat Bildung in unserer Gesellschaft den Zweck, Schüler_innen zu guten Konsument_innen und Arbeiter_innen zu machen. Sie sollen in den kapitalistischen Verhältnissen funktionieren und dazu müssen sie die instrumentelle Vernunft erlernen. Auch die Universität ist nicht frei von diesen Verwertungsstrukturen, sondern bewegt sich in der gleichen instrumentellen Logik. Bildung fördert so nicht mehr kritisches Denken und Freiheit, sondern Anpassung an die herrschenden Verhältnisse.

DIALEKTIK. Es gibt Momente, die nicht den Prinzipien der instrumentellen Vernunft entsprechen. Diese Impulse kommen immer wieder durch, aber werden auch immer wieder unterdrückt oder integriert. So haben auch soziale Bewegungen, die emanzipatorischen Prinzipien der Solidarität folgen stets auch eine instrumentelle Logik in sich, die sich mehr oder weniger stark durchsetzt.

Auch Gefühle sind kein Gegensatz zur instrumentellen Vernunft. Selbst wenn sie manchmal im Widerspruch zur Vernunft stehen, sind Gefühle nicht außerhalb oder unabhängig von den herrschenden Verhältnissen. Es gibt viele Gefühle, die auch eine stabilisierende Funktion in Herrschaftsstrukturen einnehmen, aber manchmal können Gefühle auch befreiend sein. Dieser dialektische Moment ist wichtig: Gefühle, wie auch die Vernunft bringen Befreiung und Emanzipation – aber auch Herrschaft und Unterdrückung. Es geht darum, diese Dialektik an sich zu verstehen und zu erkennen, dass ein und dasselbe Ding gleichzeitig unterdrückend und befreiend sein kann.

Im Wissen ist dieses dialektische Moment auch enthalten: An Schule und Universität wird gelernt, sich an die herrschenden Verhältnisse anzupassen. Trotzdem gibt es immer wieder Augenblicke, in denen Kritik möglich ist und die befreienden Aspekte von Vernunft und Bildung zu Tage treten. Diese Spuren der Befreiung im Wissen gilt es zu finden und zu stärken.

Rosa Costa arbeitet an einem Sparkling-Science-Projekt zu Critical Science Literacy an der Universität Wien.

Literaturverweise:
Max Horkheimer und Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung, S. Fischer, Frankfurt 1969.
bell hooks: Teaching to Transgress. Education as the Practice of Freedom. New York, London: Routledge. 1994.