Islam

Muslime als die neuen Juden

  • 11.05.2017, 09:00
Diesen März wurde der Dokumentarfilm Islamophobie österreichischer Prägung, der bereits im vergangenen Jahr Premiere feierte, im Wiener UCI-Kino gezeigt.

Diesen März wurde der Dokumentarfilm Islamophobie österreichischer Prägung, der bereits im vergangenen Jahr Premiere feierte, im Wiener UCI-Kino gezeigt. Der Andrang zur dritten Vorstellung war überraschend groß, der Saal an einem Montagabend fast ausverkauft. Der Film von Regisseur Sinan Ertugrul hat den Anspruch, Islamfeindlichkeit in Österreich zu problematisieren. Während auf der einen Seite rassistische Angriffe in den letzten Jahren nachweislich zunehmen, muss sich der Film auf der anderen Seite die Frage gefallen lassen, ob es ihm im Kern um den Schutz von Individuen, oder um den Schutz der Religion geht.

In mehreren ExpertInneninterviews wird betont, dass man Diskriminierung und Angriffe auf Einzelne thematisieren möchte. Verschiedene Beispiele von Diskriminierung werden den Plot hindurch auch immer wieder aufgegriffen. Allerdings präsentiert der Film durchgehend Personen, die dem politischen Islam das Wort reden. Einer der befragten Experten, Universitätsprofessor Rüdiger Lohlker, verkehrt Theodor W. Adornos und Max Horkheimers Dialektik der Aufklärung und versucht diese als Beweis anzuführen, weshalb die Aufklärung per se schlecht sei. Er übergeht dabei schamlos die Dialektik, die bereits im Titel des Buches betont wird.

Auch einige persönliche Beispiele von Islamophobie, die im Film angerissen werden, nehmen der zu Anfang naiv geäußerten Behauptung, es ginge um den Schutz von Individuen, die Glaubwürdigkeit. Es wird suggeriert, das Eintreten gegen sexuelle Gewalt an Frauen in islamischen Ländern sei „koloniales Denken“. Oder dass es bereits rassistisch sei, wenn die Sportlehrerin muslimische Schülerinnen auch an Ramadan auffordert, genügend Wasser zu trinken. Ein eindringliches Motiv, das zum Ende des Filmes mehrmals Erwähnung findet, ist der Vergleich von MuslimInnen und Juden/Jüdinnen in den 1930er Jahren. Dabei wird „Charlie Hebdo“, die französische Satirezeitschrift, die vor zwei Jahren Ziel eines islamistischen Terroranschlags wurde, indirekt zum neuen „Völkischen Beobachter“ erklärt, der es auf Muslime abgesehen habe. Mehrere der im Film interviewten ExpertInnen bezeichnen Religionskritik als eindeutig rassistisch und damit als illegitim. Das ist schade, denn es bekräftigt zum einen das Bild von Religion als quasi-natürlicher Zugehörigkeit, zum anderen stellt es säkulare und reformerische Kräfte ins Abseits.

Anna Grellmeer studiert im Master Politikwissenschaft an der Universität Wien.

Über Frauen, die zu Bomben werden

  • 21.04.2017, 20:05
Das Geschlechterverhältnis im Selbstmordattentat. Ein Interview mit Yasemin Makineci.

Das Geschlechterverhältnis im Selbstmordattentat. Ein Interview mit Yasemin Makineci.

Im Rahmen der Vortragsreihe „Antisemitismus und Geschlecht“ wird Yasemin Makineci einen Vortrag zum Geschlechterverhältnis des Terrorismus und des islamistischen Selbstmordattentates halten. Über dies und andere Themen hat progress mit ihr gesprochen.

progress: In deinem Vortrag wird es um das Geschlechterverhältnis des islamistischen Terrorismus und des Selbstmordattentates gehen. Was unterscheidet die weibliche von der männlichen Täterschaft, beziehungsweise gibt es Unterschiede in den Motiven?
Yasemin Makineci:
Der Öffentlichkeit scheint die Vorstellung einer Frau, die ein Selbstmordattentat verübt, besonders fremd zu sein. Leila Khaled, die zwar keine Selbstmordattentäterin, jedoch noch bis heute eine weibliche Ikone des palästinensischen Terrorismus ist, hat mit der tschetschenischen Selbstmordattentäterinnen-Gruppe Smertnizy, welche mehrere Anschläge in Russland verübte, etwas gemeinsam: Sie erlangten nicht nur allein wegen ihres Terrors Aufmerksamkeit, sondern auch weil die Täterinnen Frauen waren.

Frauen und Männer werden unterschiedlich rekrutiert. Die Hauptanwerberin der irakischen Terrorgruppe Ansar as-Sunna organisierte beispielsweise gezielt Vergewaltigungen von Frauen, um diese dann, als einzigen Ausweg aus dieser „Schande“, zum Selbstmordattentat zu bewegen. AttentatsanwerberInnen garantieren für die Ikonisierung und sprechen die „Ehre“ dieser Frauen sowie ihrer Familie als wiederhergestellt aus. Außerdem übernehmen die Gruppen, die diese Frauen rekrutieren, Aufgaben, die eigentlich ein funktionierender Staat hätte: Sie garantieren die finanzielle Versorgung der Hinterbliebenen.

Welche Rolle spielt dann die soziale Lage der Frauen und natürlich auch Männer, die sich für das Selbstmordattentat entscheiden?
Aus Furcht sprechen die wenigen Frauen, denen die Flucht gelungen ist, sehr wenig darüber. Auch die Quellenlage ist sehr dünn. Jedoch kann man sagen, dass die soziale Herkunft der rekrutierten Männer wesentlich heterogener ist als die der Frauen. Bei Selbstmordattentätern des IS sind Männer mit hoher wie niedriger Bildung; hohem wie niedrigem Einkommen vertreten. Bei den Frauen sieht die Lage jedoch anders aus. Die soziale Herkunft der Frauen ist wesentlich homogener. Eine besondere Auffälligkeit ist, dass Frauen vor allem sehr jung sind. Ihr Alter zum Zeitpunkt des Attentates liegt meist zwischen 15 und 28 Jahren. Es ist allerdings weniger die soziale als vielmehr die ideologische Frage zu stellen.

Welche Rolle spielt der Islam in diesem Phänomen?
Der Missionierungsauftrag des politischen Islam spielt eine große Rolle. Die islamische Volksgemeinschaft, die Umma, erhebt einen omnipotenten Anspruch auf die Welt und ihre Menschen und muss diese daher auch in ihr Unternehmen einfassen oder eben vernichten. Des Weiteren braucht es ein Augenmerk auf die islamische Gesellschaft als solche: Ermordung von Ungläubigen, gemeinhin eben als Djihad bekannt, bezeichnet lediglich den kleinen Djihad. Der große Djihad ist der Kampf des Subjektes gegen sich selbst und seine eigenen, zutiefst menschlichen Triebregungen. Alles, was unkontrollierbar, unislamisch, „unrein“ und damit „westlich“ sei, muss abgespalten werden – der politische Islam verheißt durch das Selbstmordattentat, die Vernichtung des widerspruchsgeplagten Ichs, eine Befreiung irdischen Leidens und verspricht ihm im Himmel das Paradies der Triebabfuhr.

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Kritik am Islam sieht sich immer wieder dem Vorwurf der Islamophobie ausgesetzt. Sollten wir mit der Kritik am Islam nicht lieber vorsichtig sein?
Islamophobie ist ein Kampfbegriff der IslamistInnen und ihrer ideologischen Komplizenschaft. Der Großteil der antirassistischen Linken hat sich diesen islamistischen Kampfbegriff als vermeintlich wertfreie Bezeichnung einverleibt, um ihren politischen GegnerInnen den Lauf vor das Gesicht zu halten. Psychoanalytisch hat eine Phobie wenig mit einem Ressentiment zu tun. Dieser Begriff braucht die Negativbestimmung – dröselt man das nun positiv auf, wird der Islam zu Identität. Genau hier zeigt sich, dass sich linke und rechte Identitäre nichts voneinander nehmen: „Islam“ wird zu etwas wie race. Der Islam ist aber keine Rasse.

Warum fällt es vielen Linken und Liberalen so schwer, Kritik am Islam zu üben? Solidarisiert sich die Linke mit den Falschen?
Zum einen ist es sicherlich die Angst, nicht in der Lage zu sein, eine Kritik am Islam zu üben, ohne sich selbst als VerräterInnen der Unterdrückten zu glauben. Aus dem eigenen Unwillen, die Hässlichkeiten der Moderne zu verstehen, dienen Muslime nicht nur für Rechte, sondern auch für Linke als Projektionsfläche. Zum anderen scheint sich die Linke im Wissen, keine relevante Kraft zur Befreiung der Gesellschaft zu sein, ein revolutionäres Subjekt imaginieren zu müssen, um sich selbst noch eine Existenzberechtigung geben zu können. Dies mündet dann im Islam als schützenswertes Kulturgut. Es sind aber nicht die Institutionen und Personen einer Glaubensgemeinschaft, denen eine Stimme gegeben werden muss, sondern jenen, die von rechts, links und aus der islamischen Community ihre Bedrohung erfahren: Die Solidarität gebührt Ayaan Hirsi Ali oder Hamed Abdel-Samad, sie gebührt den Angehörigen der Opfer von Paris oder Brüssel. Es macht mich traurig und sehr wütend, dass diese Liste mit vielen weiteren lebenden wie ermordeten Unbekannten weitergeht und sie überhört und ihre Erinnerungen vergessen werden. Mit einer Linken, die sich nicht genau mit diesen Personen solidarisiert, möchte ich nicht zusammenarbeiten.

Yasemin Makineci ist Ex-Muslima und studiert Politikwissenschaft an der Universität Wien.
Colin Kaggl studiert ebenfalls Politikwissenschaft an der Universität Wien. Sie lernten sich im Zuge ihrer gemeinsamen Tätigkeit in der Fakultätsvertretung Geisteswissenschaften (FV GEWI) kennen.

Informationen zur Vortragsreihe „Antisemitismus und Geschlecht“ der FV GEWI findet ihr auf Facebook und unter: fv-gewi.at/aktuelles/veranstaltungen/2017

 

Auf in das Alter der Pflichten

  • 24.05.2016, 12:55
Bereits zum zehnten Mal jährt sich das internationale Dokumentarfilmfestival Ethnocineca. Der diesjährige Eröffnungsfilm „Fest of Duty“ füllte das Wiener Votiv Kino und gab progress die Möglichkeit mit der Filmemacherin Firouzeh Khosrovani über aktuelle, vergangene und künftige Projekte zu sprechen. Verbindendes Element ihres filmischen Schaffens ist die Auseinandersetzung mit der iranischen Gesellschaft.

Bereits zum zehnten Mal jährt sich das internationale Dokumentarfilmfestival Ethnocineca. Der diesjährige Eröffnungsfilm „Fest of Duty“ füllte das Wiener Votiv Kino und gab progress die Möglichkeit mit der Filmemacherin Firouzeh Khosrovani über aktuelle, vergangene und künftige Projekte zu sprechen. Verbindendes Element ihres filmischen Schaffens ist die Auseinandersetzung mit der iranischen Gesellschaft.

„Willkommen, meine kleinen Engel. Von nun an müsst ihr den Hijab tragen und euch gut benehmen.“ Eine Reihe aufgeregter, neunjähriger Mädchen wird mit diesen Worten auf ihrem „Fest of Duty“ begrüßt. Nach Vorstellung der Islamischen Republik Iran befinden sich die Mädchen nun im „Alter der Pflicht“. Das „Fest of Duty“ ist ein rituelles Fest, welches die Neunjährigen über ihre Pflichten als erwachsene muslimische Frauen aufklärt. Eins, das erst nach der Islamischen Revolution erschaffen wurde und so die Aufmerksamkeit der iranischen Filmemacherin Firouzeh Khosrovani, weckte:

Es war 2005. Ich lebte und studierte zu dieser Zeit in Italien. Eines Tages sah ich im Staatsfernsehen diese Zeremonie, die an einer iranischen Volksschule durchgeführt wurde. Als ich neun war, gab es das „Fest of Duty“ noch nicht. Das heißt es wurde nicht direkt nach der Islamischen Revolution, sondern erst einige Jahre später erfunden. Ich fand es sehr spannend, wie den kleinen Mädchen gelehrt wird, dass sie von nun an den Hijab tragen müssen. Das ist sehr früh: Mit neun gibt es ja noch nichts zu verdecken.

Gleichzeitig ist es ein sehr schlaues Ritual: Mit Hilfe von Spielen, mit Vorführungen, mit sehr viel Details wird den Mädchen auf attraktive Weise gelehrt, was es heißt eine muslimische Frau zu sein. Es gibt keinen Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenleben. Die Mädchen können in diesem Alter noch gar nicht verstehen, dass mit diesem Ritual versucht wird, ihnen ein sehr rigoroses Wertesystem beizubringen. Das hat mich alles sehr interessiert. Daher filmte ich einer diese Zeremonien und sprach mit den Kindern. Acht Jahre später kam ich zurück und sah mir das Ergebnis dieser Art des Lehrens an. Ich wollte herauszufinden wie die Mädchen nun im Teenager-Alter über Religion und ihre weiblichen Pflichten dachten.

Das Ergebnis zeigt Khosrovani am Beispiel zweier Mädchen: Auf der einen Seite, Maryam. Mit Überzeugung trägt sie den Hijab. Sie spricht viel mit Gott – vor allem wenn sie Probleme hat, die sie mit niemand anderen teilen will. Wieso sie den Tschador tragen soll, erschließt sich ihr jedoch nicht. Er ist unpraktisch, es ist zu heiß darunter: „Wer sagt, dass Gott von uns verlangt unter den härtesten Bedingungen zu leben?“ Und doch, in der Öffentlichkeit trägt Maryam wie die anderen Frauen in ihrer Familie auch, den Tschador – eine Art Umhang, der vor der Revolution verboten war.

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Auf der anderen Seite, Melika: Zu Hause trägt sie bewusst keine Kopfbedeckung. Nur hin und wieder ein Baseballcappy, beim Tanzen zu Black Eyed Peas zum Beispiel. Ihre alleinerziehende Mutter wirkt wie eine gute Freundin. Melika träumt davon Schauspielerin zu werden, im Westen, denn dort gäbe es mehr Freiheiten. Gleichzeitig hadert sie mit der Frage, welche Rollen sie spielen könnte und welche nicht. Schließlich will sie, dass ihre Filme auch im Iran gesehen werden.

16-Jährige Teenager also, die egal ob mit oder ohne Hijab am Kopf, ihre eigenen Meinungen entwickeln, inklusive aller Probleme die damit einhergehen. Die beiden waren vor dem „Fest of Duty“ beste Freundinnen. Die Entscheidung einen Hijab zu tragen oder nicht war mit ein Grund, dass ihre Freundschaft auseinanderdriftete. Ob die Religion öfters zwischen Beziehungen kommt?

Früher, zu Beginn der Islamischen Revolution, war das auf jeden Fall ein größeres Thema. Heute wird es immer weniger, da die Menschen trotz unterschiedlichem Zugang zur Religion stärker im Dialog stehen. Es gab aber eine Zeit, in der die zwei Pole komplett getrennt waren.
Mir war es sehr wichtig, dass ich ein ausgewogenes Bild der beiden Familien zeige. Beim Schneiden des Films war es eine große Herausforderungen, beiden Mädchen gleich viel Raum zu geben, fair zu sein und keine der beiden unterschiedlichen Lebensweisen zu beurteilen. Mir war es auch wichtig, dass aus dem Film nicht ersichtlich wird, ob ich als Filmemacherin religiös bin oder nicht, ob ich einen Hijab trage oder nicht.

„Rough Cut“: Ein weiterer Film von Firouzeh Khosrovani. Er wurde bereits 2007 veröffentlicht. Die Kurzdoku beurteilt im Gegensatz zu „Fest of Duty“ sehr bewusst. Am Beispiel eines nach der Islamischen Revolution eingeführten Gesetzes zeigt Khosrovani, wie weibliche Körper von moralischen Institutionen kontrolliert werden: Im Namen des Anstands werden die Brüste weiblicher Schaufensterpuppen abgeschnitten, jedes Zeichen von Weiblichkeit eliminiert. „Fest of Duty“ hingegen zeigt zwei jugendliche Mädchen, die sich – zumindest zu Hause – selbst entscheiden, wie sie mit ihrem Körper umgehen. Hat sich etwas in den vergangenen Jahren geändert?

Man muss zwischen der Gesellschaft und dem Staat unterscheiden. Wenn es um den Staat geht, hat sich nichts verändert. Den Hijab im öffentlichen Raum zu tragen, ist verpflichtend. Das heißt, hier geht es nicht darum, wie man entscheidet. Es wird vom Staat diktiert. Im privaten Bereich ist es sehr wohl eine Frage der eigenen Entscheidung und hier ist eine Änderung bemerkbar. Du kannst dich dafür entscheiden, einen Hijab zu tragen, aber du kannst auch dagegen rebellieren und ihn nicht tragen. Es passiert immer öfters, dass die neue Generation mit den Traditionen ihrer Familie bricht.

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Dementsprechend ist es nach wie vor nicht einfach, kritische Filme über die iranische Gesellschaft zu machen, wie sieben weibliche Filmemacherinnen aus dem Iran im Rahmen des kollektiven Filmprojekts „Profession: Documentarist“ erzählen. Eine der Filmemacherinnen ist Firouzeh Khosrovani. Gab es mit „Fest of Duty“ noch keine Probleme, haben sich bei „Rough Cut“ die Behörden bei der Filmemacherin gemeldet:

Ich habe ‚Fest of Duty‘ noch nicht im Iran gezeigt. Sollten die Behörden trotzdem auf den Film aufmerksam werden und mir Probleme machen, habe ich keine Angst. Ich kann den Film legitimieren, da ich eben nicht bewertet habe. Ich zeige kein negatives Bild des Islams. Im Gegenteil, man sieht eine offene religiöse Familie.

Bei ‚Rough Cut‘ hingegen wurde ich beschuldigt, ein negatives Bild des Irans im Ausland zu transportieren. Es war aber kein negatives Bild, sondern die Realität. Die Behörden wollten nicht, dass ich Filme über die iranische Gesellschaft mache und mich dabei auf absurde Gesetze fokussiere ­ wie im Fall der verstümmelten Schaufensterpuppen. Sie hatten Angst, dass das von den Medien außerhalb des Irans als Zensur interpretiert werden könnte. Ich antwortete ihnen: Wenn ihr so beunruhigt über absurde Gesetze seid, wieso gibt es diese Gesetze dann?

Dass „Fest of Duty“ als Film konzipiert wurde, der nur schwer von offizieller Seite kritisiert werden kann, liegt nicht daran, dass sich Khosrovani nach den Problemen rund um „Rough Cut“ entmutigen ließ. Das lässt zumindest das neue Projekt, an dem die Filmemacherin arbeitet, vermuten:

Mein neues Projekt ist weniger dokumentarisch. Ich will die Geschichte der Islamischen Revolution, aber auch der derzeitigen iranischen Gesellschaft durch meine Familie, durch die Bilder, durch eine intime Geschichte erzählen.

Ein Trailer des neuen Projektes zeigt zerrissene Familienfotos. Zerrissen wurden sie von der Mutter der Filmemacherin. Nach der Islamischen Revolution zerstörte sie alle Fotos, auf denen Frauen ohne Hijab zu sehen waren, da der Revolutionsführer Ayatollah Khomeini es verbot, Bilder zu betrachten, die Frauen ohne Hijab zeigen. Die Fotos könnten Männer erregen.

„So wurde ein Teil meiner Familiengeschichte zerrissen und ausrangiert“, erklärt Khosrovanis Stimme im Trailer „Radiograph of a Family“ und bettet abschließend die individuelle Geschichte in den Kontext der iranischen Gesellschaft ein: „Diese Geschichte ist nicht nur meine Geschichte. Es ist die Geschichte vieler iranischen Familien, deren Leben zweigeteilt wurde: vor und nach der Revolution.“

Valentine Auer arbeitet als freie Journalistin in Wien.

Mit Burka gegen das Böse

  • 25.06.2015, 10:58

Superheld*innen des Marvel-Verlags haben nun auch Migrationshintergrund und tragen Kopftuch. Die multikulturellen Hero*ines spielen in der Comicwelt eine genauso wichtige Rolle wie Wolverine, Thor und Iron Man.

Superheld*innen des Marvel-Verlags haben nun auch Migrationshintergrund und tragen Kopftuch. Die multikulturellen Hero*ines spielen in der Comicwelt eine genauso wichtige Rolle wie Wolverine, Thor und Iron Man.

Sie hat eine blonde, wallende Mähne, Kurven wohin das Auge reicht und zeigt  dem  männlichem  Geschlecht, wo der Hammer hängt. So kannten Comic-Fans die bisherige Ms. Marvel. Weibliche Figuren wurden stets maß- los anzüglich gezeichnet. „Mich hat bis dato die übertrieben sexualisierte Dar- stellung der Frau in Comics gestört“, kritisiert die muslimische Feministin Dudu Kücükgöl. Die idealisierte weibli- che Frau sei nicht realitätsgetreu, die Körper stets normiert. „Da ist mir eine Spidermanfigur lieber als eine Heroine mit unrealistischen Körpermaßen“, so die Wirtschaftspädagogin. Das Comic- Imperium Marvel beschloss jedoch, mit der Zeit zu gehen und realitätsna- here Charaktere zu schaffen. Dunkle Haare und Teint, eine geballte Faust verziert mit Ringen, ein Teenie in seiner Blütezeit – die neue Ms. Marvel ist rebellisch  unterwegs.

PAKISTANI-PUNK. Eine Heldin mehr im Marvel-Kosmos – was ist schon dabei? Viel, denn die inter- nationale mediale Aufmerksamkeit war groß. Grund dafür war Kamala Khan. Kamala aka Ms. Marvel ist eine US-Amerikanerin mit pakistanischen Wurzeln. Interessant ist, dass die neue Ms. Marvel Muslima ist. Bei keinem*r bekannten Superhelden*in stand das Thema Religion bisher im Vordergrund – ob  Iron Man dem Christentum oder Buddhismus zugeneigt ist, davon war nie die Rede.

Fäuste mit einer Power, die dich ins Nirvana befördern können – und längere Beine als Heidi Klum. Kamalas Skill ist  es, ihren Körper nach Lust  und Laune zu formen. Die Macherinnen* der neuen Ms. Marvel, G. Willow Wilson und Sanaa Amanat, wollten eine Figur kreieren, mit der sich viele Mädchen identifizieren können - Migrationshintergrund hin oder her.

Sanaa Amanat ist selbst US-Amerikanerin mit pakistanischen Wurzeln und hat viele eigene Erlebnisse in die Figur einfließen lassen. Somit ist Kamala ein Vorzeigemädchen des amerikanisch-muslimischen Lifestyles. „Die Comicwelt reflektiert oft gesellschaftspolitische Entwicklungen. Man kann aber auch sagen, dass der Anstieg der muslimischen Charaktere etwas mit dem modernen muslimischen Lifestyle zu tun hat“, meint Medienmanager Karim Saad.

DIE ZERISSENEN. Kamala ist übrigens nicht die erste Muslima in amerikanischen Comics, die mit traditionellen Stereotypen und Geschlechternormen konfrontiert wird. 2002 widmete Marvel einer Burkaträgerin eine komplette Serie. Sooraya Qadir, alias Dust, kann sich in einen tödlichen Sandsturm verwandeln. Durch Wolverines Hilfe kommt die Afghanin nach New York, wo sie in den Kreis der Young X-Men aufgenommen wird. Im Land der unbegrenzten Freiheit und Demokratie ist die Burka jedoch ein No-Go! Neben emanzipierten Superheldinnen muss Dust auch mit anderen Outlaws fertig werden.  Erstaunlich ist, dass Dust im kompletten Comic kein einziges Mal enthüllt wird: , Ninja-Feeling pur! Weniger Arbeit für uns, dachten sich die Zeichner"'innen. Dass es sogar Sequenzen gibt, in denen Sooraya betet, fasziniert nicht nur muslimische Comicleser*innen. Hier werden tiefe Einblicke in das Leben einer Super-Muslima gewährt, aber ebenso wird gezeigt, was es heißt, zwischen zwei Kulturen und Identitäten leben zu müssen.

Neben Marvel Comics ist auch DC Comics auf die Diversitätsschiene aufgesprungen. Bilal Asselah ist ein Franzose mit algerischen Wurzeln und Student  in  Paris. Sein Wohngebiet  liegt in Clichy-Sous-Bois, einem Pariser Vorort, in dem es 2005 tatsächlich zu Revolten kam. Nachdem Bilals Freund bei einem Feuer in einer Polizeistation umkommt, widmet sich Bilal dem Parkour und wird zu „Nightrunner“, um Chaos und Bürger*innenkriegen in der Stadt vorzubeugen. Kurze Zeit später wird Batman auf ihn aufmerksam und kürt ihn zum „Batman von  Paris“.

INTEGRATIONSLEKTÜRE 2.0. „Seine Community repräsentiert zu sehen, prägt mehr als man glaubt“, sagt Comiczeichnerin Soufeina Hamed. Das Erscheinen in Massenmedien ist ein Zeichen dafür, dass  man als aktiver und selbstverständlicher Teil der Gesellschaft angesehen wird. Saad ist derselben Meinung: „Gerade die Film- und Serienindustrie könnte hier  unglaublich viel in  den Köpfen  der jungen Menschen verändern. Man denke etwa an die massiven Erfolge der X-Men Serie, die mehr als drei Milliarden Dollar eingespielt hat.“ Leser*innen sollen sich in den Figuren wiedererkennen können. „Vielfalt in Herkunft und Aussehen machen die Figuren lebendiger und spannender“, erklärt Hamed. Außerdem werden neue Perspektiven auf brisante gesellschaftliche Themen wie Kinder aus Migrationsfamilien eröffnet.

Superheld*innen wie Bilal entsprechen dem heutigen Zeitgeist, Identität spielt hier eine große Rolle. Marvel greift damit ein heikles Thema auf. Sooraya oder Kamala sind der Inbegriff einer modernen muslimischen Frau,  die ihren Beitrag zur Gesellschaft leisten will, aber auf Granit stößt. Integrationslektüre vom Feinsten, wenn man so will.

Ob die Verlage mit Vorurteilen in unserer Epoche aufräumen möchten, da sie sich ihrer immensen Reichweite bewusst sind, oder die ethnische Diversität bloß der kapitalistischen Maschinerie in die Hände gefallen ist? Die Illustratorin Hamed tendiert eher zu letzterem. „Ich würde gerne an eine sozialkritische Absicht glauben. Ich persönlich habe mir aber meinen ersten Comic wegen der pakistanischen Ms. Marvel gekauft“,  meint Hamed.

 

Nour Khelifi studiert Publizistik und Kommunikationswissenschaften und Biologie an der Universität Wien und ist als  freie  Journalistin  tätig.

A New War On Terror

  • 21.02.2015, 19:24

Die Wortwahl in Mediendebatten zu systematischen Gewaltverbrechen führt zu Desinformation und Hetze. Ein Plädoyer für die Abschaffung des Terrorbegriffs.

Die Wortwahl in Mediendebatten zu systematischen Gewaltverbrechen führt zu Desinformation und Hetze. Ein Plädoyer für die Abschaffung des Terrorbegriffs.

Am 10. Februar erschoss der „Anti-Theist“ Craig Stephen Hicks seine muslimischen Nachbar*innen Deah Shaddy Barakat, Yusor Mohammad Abu-Salha und Razan Mohammad Abu-Salha in Chapel Hill, North Carolina. Die großen Nachrichtenagenturen und -Sender ließen sich lange Zeit mit der Berichterstattung über den Anschlag; als sie endlich kam, wurde nicht etwa von rassistischen Morden oder einem rassistischen Terroranschlag gesprochen, sondern von einem „Parkplatzstreit“.

Diese „Vorsicht“ bei der Bezeichnungen von An- oder Übergriffen Weißer findet im obligatorischen Nachsatz „die Polizei schließt einen rassistischen Hintergrund aus“ mittlerweile fast schon eine Zuspitzung als Gag. Bittere Ironie ist auch, dass nun offenbar keine Atheisten (oder Autofahrer*innen) genötigt werden, sich von Craig „I hate religion“ Stephen Hicks zu distanzieren, aber das ist wohl eine andere Geschichte.

Ähnlich wie mit dem Rassismus gestaltet es sich mit dem offenbar nichtexistenten weißen Terrorismus: Selbst Anders Breivik, der 2011 in Norwegen 77 vorwiegend Jugendliche in einem lange und akribisch geplanten Massaker erschoss, gilt als „Wahnsinniger“ und „Psychopath“. (Dass er unter anderem exakt wegen Terrorismus verurteilt wurde, ging in der Prozess-Berichterstattung unter.)

Ab wie vielen Menschen ist es eigentlich ein terroristischer Anschlag, wenn die Opfer Muslime oder Nicht-Weiße und der Täter ein Weißer ist? Die Antwort ist, dass es keine Antwort gibt. Der Begriff Terrorismus ist in den westlichen Medien und ihrer Gesellschaft nämlich ausschließlich für Gewalttaten Nicht-Weißer vorbehalten. Weiße Verbrechen werden somit individualisiert und pathologisiert, während den Verbrechen und der Gewalt Nicht-Weißer eine permanent systematische Komponente angehängt wird.

Zusätzlich zeigt die Tatsache, dass es keine objektiven Maßstäbe dafür gibt, wie sich ein Terroranschlag von einem Massaker oder einem Amoklauf abgrenzt, wie beliebig und deshalb gefährlich der Begriff ist. Eine der unzulänglichen Definitionen für „Terror“ ist „die systematische Verbreitung von Angst und Schrecken durch Gewaltaktionen zum erreichen politischer Ziele“. (Dass diese Definition sich übrigens manchmal auch mit jener für das Gewaltmonopol des Staates deckt, lassen wir mal außen vor.) Der breite Interpretationsspielraum dieser Definition wird nicht zufällig nie genutzt, um beispielsweise Gewalt und Verbrechen von Kolonialmächten als solche zu verurteilen; nein, der Terror ist trotz lateinischer Wurzel eine Erfindung der Post-9/11-Ära. Der US-amerikanische „War on Terror“ und seine gesellschaftlichen und innenpolitischen Auswirkungen schließlich haben gezeigt, dass der Terrorbegriff zum Begriffsterror geworden ist.

Harte Zeiten, harte Buchstaben: Das fast lautmalerische Zitterwort macht natürlich wunderbare Schlagzeilen und weltbedeutenden Journalismus, jedoch führt die beliebige (und an den falschen Orten inflationäre) Anwendung und das Verschwimmen der ohnehin schon schwammigen Anhaltspunkte nur zu Desinformation, Zementierung von Ungerechtigkeiten und Hetze gegen Nicht-Weiße. Wir brauchen einen neuen Kampf gegen den Terror: Nieder mit der rassistischen Begriffskultur.

 

Olja Alvir studiert Germanistik und Physik an der Universität Wien.

„Seit damals sind wir die Nazis“

  • 13.07.2012, 18:18

In der Wiener Brigittenau wird seit Jahren um den Ausbau eines islamischen Kulturzentrums gerungen. Das Problem? BefürworterInnen und GegnerInnen leben in zwei getrennten Welten. Eine Reportage.

In der Wiener Brigittenau wird seit Jahren um den Ausbau eines islamischen Kulturzentrums gerungen. Das Problem? BefürworterInnen und GegnerInnen leben in zwei getrennten Welten. Eine Reportage.

Ein Mann springt auf eine Parkbank und hält eine Moschee aus Pappe in die Höhe. „Anzünden!“, tönt es vereinzelt, aber kräftig aus den Reihen der sechshundert Demonstrantinnen und Demonstranten. Die verstreuten Schreihälse haben etwas gemein: Sie tragen Glatzen, Bomberjacken und Springerstiefel. Ihr Geifer steckt die Masse an: „Anzünden!“, „Niederbrennen!“, schreien nun RentnerInnen und Hausfrauen mit Neo-Nazis um die Wette. Einige schnappen sich die Papp-Moschee, werfen sie zu Boden, trampeln sie platt.
Vor zwei Jahren trug sich dieses Schauspiel im Wiener Stadtteil Brigittenau zu. Es sollte das Zusammenleben im Bezirk verändern. Hannelore Schuster, 61, verzieht der Ärger das Gesicht, wenn sie an diesen Tag erinnert wird. „Seit damals sind wir die Nazis“, sagt sie. Schuster ist die Sprecherin der Bürgerinitiative Dammstraße, die damals zur Demonstration aufgerufen hat. Sie will verhindern, dass der türkische Kulturverein Atib sein Vereinshaus zu einem fünfstöckigen Veranstaltungszentrum ausbaut. Ein Platz für tausend Musliminnen und Muslime? Nicht in der Dammstraße.

Islamisierung. Die GegnerInnen des Ausbaus treffen sich monatlich zu einem Stammtisch, veranstalten Informationsabende und riefen bisher zu zwei Demonstrationen auf. Die BürgerInnen-initiative entstand im Sommer 2007, wenige Tage nachdem die Baubehörde der Stadt Wien der Vergrößerung des türkischen Vereinshauses zugestimmt hatte. Trotz eines alten Gegen-Antrags aller Parteien des Bezirksparlaments, der vor Parkplatznot und Lärmbelästigung warnt.
Schusters Wohnung ist eine von 1.400, die in der Nachbarschaft des Zentrums liegen. Ihr Balkon im fünften Stock gibt den Blick frei auf den Gebäudekomplex. Wer ihr zuhört, merkt schnell, dass es um mehr geht als bloß um Lärm und Parkplätze. Um eine Parallelgesellschaft, die keine Zweifel am Koran dulde und für Zwangsverheiratungen stehe, geht es dann. Schuster greift nach einem Ordner, darin sind die Unterschriften von 11.400 Menschen aufgelistet, die mit ihrem Namen gegen die Islamisierung der Brigittenau protestieren.
Die Dammstraße ist ein ruhiger Teil von Wien, Bäume und Sträucher lockern Asphalt und Beton auf. Die meisten der mehrstöckigen Wohnhäuser gehören der sozialdemokratisch verwalteten Stadt, die Wohnungen darin werden unter dem Marktpreis vermietet. Hier leben vor allem TürkInnen und ÖsterreicherInnen – Tür an Tür aneinander vorbei. „Die Türken tun einfach so, als ob wir nicht hier wären“, sagt eine Frau, die am Atib-Zentrum vorbeispaziert. Die Türkinnen und Türken auf der anderen Seite der Mauer wünschten, sie könnten dasselbe von den Österreicherinnen und Österreichern behaupten.

Eine Fehlermeldung. Wer sich im umstrittenen Gebäude umsehen will, kommt nicht weit. Ein erster persönlicher Besuch scheitert, da sich unter den fünfzehn anwesenden Männern keiner findet, der Deutsch spricht. Atib hat eine Infotafel aufgestellt, die über die Ausbaupläne informieren soll. Wer eine E-Mail an die dort angegebene Adresse sendet, erhält eine Fehlermeldung: „I‘m sorry to have to inform you that your message could not be delivered.“ Erst gemeinsam mit einer türkischen Übersetzerin, die mit Atib nichts zu tun hat, lässt sich eine Besichtigung arrangieren. Die Männer machen für die türkische Studentin eine Ausnahme, eigentlich dürfe nur Pressesprecher Nihat Koca mit JournalistInnen reden.
Im Zentrum findet sich fast alles, was man zum täglichen Leben braucht. Ein Lebensmittelladen, ein Frisör, ein Gesellschaftsraum mit Fernseher und Billardtisch, eine Großküche, Klassenzimmer und zwei Gebetshäuser. Eines für Männer, eines für Frauen.
Das Gebetshaus der Männer ist ein hoher Saal, sechshundert Quadratmeter groß, die Wände werden von türkisfarbenen Keramikfliesen verziert – ein Import aus der fernen Heimat. Die gewölbte Decke wird von drei Bögen getragen, zwischen ihnen sind Dachfenster aus Glas eingelassen, die den Raum in ein angenehmes Licht tauchen.
Der Gebetsraum der Frauen sieht anders aus. Es ist ein dunkles, fensterloses Zimmer, keine hundert Quadratmeter groß. Die Decke und die Wände sind weiß, ohne jede Dekoration, in einer Ecke steht ein Radiator, an den Wänden lehnen Biergartentische. Es riecht muffig. Es gebe keinen besseren Platz, sagen die Männer.
Atib wird laut Pressesprecher Koca mit dem Ausbau nicht vor 2011 beginnen. Die Sprecherin der BügerInneninitiative, Hannelore Schuster, rechnet sich Chancen aus, das Projekt davor noch zu verhindern. Im kommenden Herbst finden in Wien Wahlen statt. Wenn der Bürgermeister seine absolute Mehrheit im Stadtparlament verliert, werden die Karten neu gemischt. „Tausende Menschen unterstützen uns“, sagt Schuster. Dass darunter auch Neo-Nazis sind, nimmt sie in Kauf? Sie will nicht daran erinnert werden.