Internationale Paare

Liebe mit Grenzen

  • 13.04.2014, 15:29

Globalisierung, verstärkte Mobilität in Arbeit und Studium, Migration: Immer mehr Ehen werden über nationale und kulturelle Grenzen hinaus geschlossen. Doch das österreichische Fremdenrecht macht bi-nationalen Paaren ein Familienleben oft unmöglich. Magdalena Liedl traf für progress online zwei internationale Paare.

Globalisierung, verstärkte Mobilität in Arbeit und Studium, Migration: Immer mehr Ehen werden über nationale und kulturelle Grenzen hinaus geschlossen. Doch das österreichische Fremdenrecht macht bi-nationalen Paaren ein Familienleben oft unmöglich. Magdalena Liedl traf für progress online zwei internationale Paare.

Übermütig bellend springt die Hundedame Kobi um Lisa und Craig herum. „Komm, Kobi, küss mich, küss mich!“, ruft Lisa lachend. Craig hebt Kobi hoch und hält sie vor Lisas Gesicht und prompt schleckt Kobi ihr begeistert die Nase ab. Auf den ersten Blick sind die beiden ein ganz normales Paar, das an diesem Märznachmittag mit seinem Hund unterwegs ist. Doch dass die beiden zusammen in Wien spazieren gehen können, ist ein ständiger Kampf mit Behörden und Formularen. Denn Lisa ist Österreicherin, Craig Australier.

Kennen gelernt haben sich die beiden schon vor vier Jahren. Lisa war damals für eine Musical-Ausbildung in Melbourne. Als sie nach Österreich zurückkehrte, entschlossen sich die beiden, eine Fernbeziehung zu versuchen. Doch nach zwei Jahren Skype-Gesprächen, Langstreckenflügen und sporadischen Treffen wollten sie endlich im selben Land leben. „Am Magistrat haben sie uns sofort gesagt: Ihr müsst heiraten, sonst geht das nicht“, erzählt Lisa von ihren ersten Erkundigungen, was denn zu tun sei, wenn Craig nach Österreich ziehen wolle. „Aber wenn ihr uns die Heiratsurkunde bringt, ist das kein Problem.“

Doch als Craig schließlich letzten Juni in Wien ankam, folgte das böse Erwachen: Eine Heirat ist keine Garantie, dass ein Ehepaar zusammen in Österreich leben darf. Denn erstens gilt für den/die ausländische/n PartnerIn wie für alle ImmigrantInnen das Prinzip „Deutsch vor Zuzug“. Und zweitens muss der/die österreichische PartnerIn für eine Aufenthaltsgenehmigung nachweisen, dass er oder sie mindestens 1256 Euro netto verdient – mit Aufschlägen für Miete und gemeinsame Kinder; für Studierende oder junge Eltern in Karenz meist ein Ding der Unmöglichkeit.

1256 Euro ist eine Summe, über die auch Teresa schon viel nachgedacht hat. Ihren Mann Marko lernte sie bei einem Aufenthalt als Assistentin an der Universität von Montenegro kennen. Wie Lisa und Craig führten die beiden zunächst eine Fernbeziehung, doch als Teresa schwanger wurde, wollte Marko zu ihr nach Österreich ziehen. Teresa bekam aber nur 1000 Euro Karenzgeld – also knapp zu wenig für Markos Aufenthaltsgenehmigung. Damit ihre Tochter trotzdem mit Mutter und Vater aufwachsen konnte, entschloss sich Teresa schließlich, nach Montenegro zu ziehen.

Verein Fibel. Geschichten wie die von Lisa und Teresa kennt Gertrud Schmutzer vom Verein Fibel gut. Der Verein unterstützt Ehepaare, von denen ein Partner aus einem Nicht-EU-Staat kommt. Und das sind nicht wenige Fälle: Im Jahr 2012 wurden bereits fast 18 Prozent aller Ehen in Österreich mit einem/r Nicht-ÖsterreicherIn geschlossen. Etwa 500 Beratungsgespräche mit solchen Paaren führt der Verein jedes Jahr. „Vor allem Ehen zwischen ÖstereicherInnen und AsylwerberInnen werden von den Behörden ganz schnell als Scheinehen verdächtigt“, erzählt Schmutzer. Aus dieser Angst vor Scheinehen wurde das österreichische Fremdenrecht in den letzten Jahren sukzessive verschärft. Seit der Fremdenrechtsnovelle 2006 gilt nun eine Heirat nicht mehr als Grund für eine Aufenthaltsgenehmigung – wie Lisa, Craig, Teresa und Marko schmerzlich feststellen mussten.

Vor allem für AsylwerberInnen in einer Beziehung stellt sich ein weiteres Hindernis: Der Antrag auf die Aufenthaltsgenehmigung darf nicht in Österreich, sondern muss im Herkunftsland des/der ausländischen PartnerIn gestellt werden. „Aber wie soll denn zum Beispiel ein syrischer Flüchtling nach Syrien zurückkehren, um einen solchen Antrag zu stellen?“, fragt Schmutzer. „Der kann sich das alleine finanziell nicht leisten.“ Auch für Marko war diese Frage nicht ganz einfach zu lösen. Die österreichischen Behörden verlangten von ihm nämlich Dokumente, die es in Montenegro nicht gibt, etwa einen Strafregisterauszug. „Da mussten wir der Polizei in Montenegro wieder ewig erklären, was wir da wollten und das ganze am Ende übersetzen lassen“, erzählt Teresa.

Doch nicht alle bi-nationalen Paare haben gleichermaßen mit solchen Hindernissen zu kämpfen. Irene Messinger hat das Phänomen Scheinehe in ihrer Doktorarbeit untersucht. Das Ergebnis: Es werden nicht nur PartnerInnen aus bestimmten Herkunftsländern eher der Scheinehe verdächtigt, sondern vor allem auch junge ÖsterreicherInnen. „Diskriminiert werden unterprivilegierte Männer und junge Frauen – vor allem Frauen, die bei ihrem Kind zu Hause bleiben“, weiß auch Schmutzer aus ihrem Arbeitsalltag. Ein reicher Österreicher, der eine Amerikanerin heiratet, hat kaum Probleme, doch die Beziehung zwischen einer jungen ÖsterreicherIn und einem Partner aus Asien oder Afrika ist meist mit großen Schwierigkeiten verbunden. 

Einwanderung nach Gemeinschaftsrecht. Eine Möglichkeit das Mindesteinkommen und „Deutsch vor Zuzug“ zu umgehen, ist die Einwanderung nicht nach nationalem österreichischem Recht sondern nach EU-Gemeinschaftsrecht abzuwickeln. Das kann, wer schon einmal vom EU-Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat – also schon einmal einige Zeit im EU-Ausland gelebt hat, etwa durch einen Erasmus-Aufenthalt. Dann fallen all die strengen nationalen Regelungen weg. „Paaren wird aber auch leicht unterstellt, den Status der Freizügigkeit zu inszenieren“, warnt Schmutzer.

Genau dieses EU-Prozedere wollen nun Lisa und Craig nutzen. Denn Lisa hat lange Zeit in Polen gelebt – was die Angelegenheit nun eigentlich erleichtern müsste. Doch dass sie lange genug im EU-Ausland gelebt hat, ist schwer zu beweisen. Dass sie ihren Führerschein in Polen gemacht hat, gilt nicht – die notwendige Zeitspanne für Kurse und Prüfungen ist zu kurz. Und da ihre Eltern eine Eigentumswohnung in Polen besitzen, kann sie auch nicht nachweisen, dass sie während ihres Aufenthaltes Miete gezahlt hat. „Und sonst habe ich auch nicht mehr jede Rechnung von 2007, dass ich sagen könnte: Hier habe ich das in Polen gekauft, und da das.“, sagt Lisa. Für sie ist also weiterhin nicht klar, ob Craig eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis erhält. Mit seinem aktuellen Visum darf er nun einmal bis April bleiben.

Teresas und Markos Geschichte hat bereits ein gutes Ende gefunden. „Ich hatte Heimweh und habe mich mit meinem Kind in Montenegro nicht wohl gefühlt“, erzählt Teresa aus ihrer Zeit in Montenegro. Sie wollte also so schnell wie möglich wieder nach Österreich zurückkehren. Nach ihrer Karenzzeit begann Teresa wieder an der Uni in Montenegro zu arbeiten – allerdings bezahlt vom Österreichischen Auslandsdienst. Dadurch konnte sie bereits nach einem Jahr durch österreichische Lohnzettel ihren Verdienst nachweisen. Marko machte inzwischen eine Deutsch-A2 Prüfung. „Zum Glück hat damals gerade ein Prüfungszentrum in Montenegro aufgemacht, sonst hätten wir dafür wieder nach Belgrad fahren müssen.“ Mittlerweile lebt Teresa zusammen mit Marko und ihrer kleinen Tochter wieder in Österreich.

Ein Traum, von dem sich Lisa und Craig schön langsam verabschieden. „Wir haben in den letzten Wochen immer öfter darüber nachgedacht, nach Australien zu ziehen“, erzählt Lisa. Für sie wäre es leichter, in Australien einzuwandern als für Craig in Österreich. „Ich könnte dort auch arbeiten“, meint Craig. Hier in Österreich kann er das zurzeit nicht. „Das ist auch mit dem Geld schwierig. Hätten wir mehr Geld, könnte ich mir in dieser Zeit ein bisschen Europa ansehen. Aber alles, was ich hier tun kann, ist warten, warten, warten. Das ist wirklich Zeitverschwendung.“

Links zum Thema

Verein Fibel http://www.verein-fibel.at/
Verein Ehe ohne Grenzen http://www.ehe-ohne-grenzen.at/
Rechtsberatung Helping Hands http://www.helpinghands.at/
Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20004242 
Eheschließungen Statistik Austria http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bevoelkerung/eheschliessungen/index.html

Durch die Heirat ins Exil

  • 14.07.2014, 14:32

Die NS-Rassegesetze machten Beziehungen zwischen Deutschen und Jüdinnen und Juden kompliziert, ein normales Familienleben unmöglich. Schein-Scheidungen um Berufsverbote zu umgehen gab es ebenso, wie Schein-Ehen, um sich nach der Flucht vor der Abschiebung zu schützen. Irene Messinger hat untersucht, wie Jüdinnen die Heirat zur Flucht nutzten.

Die NS-Rassegesetze machten Beziehungen zwischen Deutschen und Jüdinnen und Juden kompliziert, ein normales Familienleben unmöglich. Schein-Scheidungen um Berufsverbote zu umgehen gab es ebenso, wie Schein-Ehen, um sich nach der Flucht vor der Abschiebung zu schützen. Irene Messinger hat untersucht, wie Jüdinnen die Heirat zur Flucht nutzten.

Rosl Ebners Hochzeit war wohl keine besonders romantische Angelegenheit. „Wir haben im Rathaus in einem kleinen Zimmer unterm Hitlerbild den Segen des Standesbeamten bekommen.“, beschreibt sie später trocken die Zeremonie. Mit ihrem frisch angetrauten Mann, einem Franzosen mit polnischen Wurzeln, konnte sich die gebürtige Österreicherin kaum verständigen; für die Eheschließung war er bezahlt worden. Damit die Hochzeit wenigstens ein bisschen feierlich wirkte, besorgte Rosls Schwester noch schnell einen Blumenstrauß.

Die Hochzeit zwischen Schriftstellerin und Kabarettistin Erika Mann und dem britischen Lyriker Wystan Hugh Auden war wohl ähnlich unromantisch. Er war homosexuell und die beiden kannten sich bis dahin nicht.

Das Ja-Wort gaben sich die beiden Paare aus einem einzigen Grund: Durch die Heirat wurden die beiden Jüdinnen Rosl Ebner und Erika Mann französische bzw. britische Staatsbürgerinnen – die Garantie, nach der Flucht nicht zurück nach Deutschland abgeschoben zu werden. „Komisch, dass wir gerade in den Tagen heirateten, in denen meine Ausbürgerung von den Nazis beschlossen worden sein muss.“ schreibt Erika Mann in einem Brief.

Solche Scheinehen zwischen deutschen oder österreichischen Jüdinnen und Franzosen oder Briten sind in den späten Dreißiger Jahren keine Einzelfälle. Über 60 Ehen wie die von Rosl Ebner und Erika Mann hat Politikwissenschaftlerin Irene Messinger aufgespürt und untersucht. Da Frauen damals mit einer Heirat noch automatisch die Staatsbürgerschaft ihres Mannes annahmen, war die Heirat im Ausland für viele Jüdinnen die Gelegenheit zur Flucht. Manchen vermittelten Freunde oder politische Organisationen potentielle Ehemänner, andere heirateten einfach ihre Cousins im Nachbarland.

progress: Ich würde gerne zuerst allgemein über die Situation von „gemischten“ Paaren in Nazi-Deutschland sprechen. Wie war die rechtliche Situation solcher Paare? Und wie wurden Mischehen überhaupt definiert?

Messinger: Als Mischehen wurden nur Ehen zwischen – immer in Anführungszeichen, weil ich keine Definitionen des NS-Regimes übernehmen möchte – „Deutschblütigen“ und „Nicht-Deutschblütigen bezeichnet, also mehrheitlich Juden und Jüdinnen, aber auch Menschen, die  heute mit dem N-Wort oder dem Z-Wort bezeichnet würden. Ehen mit Ausländern wurden nicht als Mischehen bezeichnet. Ich habe das nur in meinem Vortrag unter „Ehen mit Fremden“ zusammengefasst, weil ich es spannend fand, die beiden Konzepte in Relation zu setzen. Mischehen waren starken Repressionen ausgesetzt, während es vergleichsweise einfach war einen Ausländer oder eine Ausländerin zu heiraten.

Gab es bei den Repressionen auch innerhalb der Kategorie der Mischehen rechtliche Unterschiede?

Ja, das war sehr komplex. Es gab Unterschiede ob der Mann oder die Frau jüdisch war, ob sie Kinder hatten, ob sie Mitglieder der Kultusgemeinde waren. Die besten Chancen hatten Ehen, bei denen der Mann – also der Familienerhalter und so weiter – „deutschblütig“ war.

Hier spielten also auch Geschlechterstereotype eine Rolle.

Ja, vor allem auch, wenn es darum ging, dass nicht nur die Ehefrau, sondern die Mutter der Kinder „deutschblütig“ war. Das war sozusagen die zweitbeste Gruppe. Paare mit Kindern waren immer besser geschützt als kinderlose Paare. In der Nazi-terminologie wurde dann unterschieden in „privilegierte“ und nicht-privilegierte Mischehen, mit unterschiedlichen Konsequenzen für den Alltag und die Überlebenschancen.

Welche Repressalien gab es nun für Mischehen?

Es wurde auf politischer wie sozialer Ebene Druck ausgeübt: Hausdurchsuchungen, Verhaftungen, regelmäßige Denunziationen der Nachbarn. Aber man muss sich die regionalen Unterschiede anschauen. In Deutschland wurden Vorschriften oft ganz anders ausgelegt als in Österreich. In Wien haben zum Beispiel die meisten Mischehen überlebt. Sie waren natürlich schon Repressalien ausgesetzt und wurden in so genannte Judenhäuser umgesiedelt, aber in Deutschland kam es dazu, dass die jüdischen Partner aus Mischehen ins KZ kamen.

Gab es deswegen auch Trennungen?

Ja, im Ehegesetz 1938 gab es die Möglichkeit, sich aus rassischen Gründen scheiden zu lassen. Aber es wurde nicht nur die Scheidung erleichtert, sondern es wurde auch massiver Druck von der Gestapo ausgeübt. Und durch Arbeitsverbote und so weiter wurden die Paare ohnehin in eine sehr prekäre Situation gedrängt. Bei den Scheidungen gab es aber auch geschlechterspezifische Unterschiede. Frauen sind eher zu ihren jüdischen Männern gestanden, während sich Männer eher von ihren jüdischen Partnerinnen getrennt haben. Vielleicht auch aus Karrierebewusstsein. Ein schönes Beispiel ist da der Schauspieler Hans Albers: Dem wurde gesagt, entweder er kann nicht weiter als Schauspieler arbeiten oder er lässt sich von seiner jüdischen Frau Hansi Burg scheiden. Es gab aber ein großes Interesse im NS-Regime, dass er weiter Schauspieler bleibt. Sie haben also einen Deal eingefädelt: Er hat sich offiziell getrennt, seine Frau hat zum Schein einen Norweger geheiratet, aber sie blieben weiter ein Paar. Es gab also unterschiedliche Formen, Druck auszuüben, aber auch unterschiedliche Formen, damit umzugehen.

Es gab aber nicht nur Schein-Scheidungen sondern auch Schein-Ehen. Was hast du hier untersucht?

Ich habe mit die Eheschließungen im Jahr 1938 angeschaut, die von der jüdischen Gemeinde in Wien registriert wurden. Ich habe mir gedacht, mal schauen, wer hier in Wien geheiratet hat, aber auch, welche Ehen im Ausland geschlossen wurden. Das war ja einfacher. Und bis wann konnten Jüdinnen überhaupt noch ausreisen, um im Ausland zu heiraten? Das machten vor allem Frauen, die im Grenzgebiet lebten. So haben zum Beispiel Grazerinnen Männer aus dem ehemaligen Jugoslawien geheiratet oder Wienerinnen Prager Juden.

Wie lange war so etwas möglich?

Von den Fällen, die ich kenne, fanden die meisten Eheschließungen in den Jahren 38 und 39 statt, vereinzelt auch noch 1940, allerdings nicht in Österreich. Dann war das nicht mehr möglich.

Wie wurden nun solche Scheinehen angebahnt? Man braucht dazu ja Kontakte im Ausland.

Ja, das ist ein wichtiger Punkt. Kontakte waren unumgänglich. Es gab Kontakte in politischen Netzwerken. Zum Beispiel habe ich viele Frauen im Internationalen Sozialistischen Kampfbund gefunden, der viele Mitglieder mit Briten verheiratet hat. Oder auch Vereinigungen in den Exilländern, wo es mehr darum ging, dass die Frauen nun nicht mehr abgeschoben werden konnten. Großbritannien und die Schweiz haben etwa oft nur kurzfristig Schutz geboten. Aber es sind auch familiäre Netzwerke wirksam geworden, wo dann Frauen ihren Cousin geheiratet haben oder die Mutter als Kupplerin tätig war.

Aber man brauchte ja nicht nur Kontakte, sondern wahrscheinlich auch Geld. Ich kann mir vorstellen, dass vor allem Frauen aus gut situierten Familien ins Ausland geheiratet haben. Was hast du dazu herausgefunden?

Bei den Fällen, die ich untersucht habe, kamen die Frauen tatsächlich aus der politischen Elite oder aus der künstlerischen Ecke. Die Frage ist nur: Finde ich diese Fälle einfach leichter, weil über diese Frauen Biographien geschrieben werden und sie Autobiographien hinterlassen haben? Ich habe auch vereinzelt Fälle aus der Arbeiterklasse gefunden – zum Beispiel  ein Hausmädchen, das nach Großbritannien gegangen ist und dort geheiratet hat. Aber die waren natürlich unter Druck und haben sich wahrscheinlich bemüht, keine Spuren zu hinterlassen. Ich glaube, die Eliten haben sich ganz einfach leichter getan, nachher darüber zu reden und zu dieser Fluchtstrategie zu stehen.

Was geschah nach der Eheschließung? Wurden die Ehen gleich wieder geschieden nachdem die Frau die Staatsbürgerschaft bekommen hatte?

Manche Ehen, die ich untersucht habe, wurden noch im selben Jahr oder im Jahr danach wieder geschieden. Es gibt auch Fälle – allerdings kenne ich die nur aus Erzählungen – von palästinensischen Männern, die nach Polen gefahren sind, dort eine Polin geheiratet haben, sie nach Palästina oder Israel gebracht haben, um sie in Sicherheit zu bringen, sich scheiden ließen und gleich wieder nach Europa fuhren, um die nächste Polin zu heiraten.

 

 

Zur Person: Irene Messinger ist ausgebildete Sozialarbeiterin und studierte Politikwissenschaften an der Universität Wien. Sie schrieb ihre Dissertation zum Thema „Verdacht auf Scheinehe. Intersektionelle Analyse staatlicher Konstruktionen von 'Schein- und Aufenthaltsehe' und ihrer Auswirkungen im Fremdenpolizeigesetz 2007“. Sie arbeitete in der Rechtsberatung für Asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren und ist Lehrbeauftragte für „Gender & Diversity“ an der FH Wien für Soziale Arbeit.

Links zum Thema

Website von Irene Messinger homepage.univie.ac.at/irene.messinger

Verein Fibel www.verein-fibel.at

 

Magdalena Liedl studiert Anglistik und Zeitgeschichte an der Uni Wien.