this human world

Wir wollen das Publikum nach dem Abspann abholen

  • 04.12.2013, 11:59

Vom 5. bis 12. Dezember findet das Filmfestival „this human world“ in Wien statt. Das Festival bietet eine Fülle an Filmpräsentationen, Diskussionen und Workshops rund um das Thema Menschenrechte. progress online hat mit Ursula Raberger und Julian Berner vom Organisationsteam des Festivals gesprochen.

Vom 5. bis 12. Dezember findet auch heuer wieder das Filmfestival „this human world“ in Wien statt. Das Festival bietet eine Fülle an Filmpräsentationen, Diskussionen und Workshops rund um das Thema Menschenrechte.

progress online hat Ursula Raberger und Julian Berner vom Organisationsteam des Festivals getroffen und mit den beiden über geplante Highlights des diesjährigen Programms, politischen Aktivismus sowie über die Schwierigkeiten, die mit der Organisation eines solchen Festivals verbunden sind gesprochen.

Was war die ursprüngliche Motivation dahinter, ein Filmfestival zum Thema Menschenrechte auch in Wien zu veranstalten?

Julian Berner: Begonnen hat das Festival in Kooperation mit dem Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte und dem One World Festival in Prag - dem international größten Menschenrechtsfilmfestival. Von Seiten des Publikums gab es sofort großes Interesse. So hat sich das Festival von Jahr zu Jahr weiterentwickelt.

Ursula Raberger: Die Motivation war auch, dass man in Österreich Filmen, die sich dem gesamten Spektrum Menschenrechte widmet, eine Plattform bietet - das hat es zuvor so nicht gegeben. Das Festival hat sich seit 2008 in viele Richtungen weiterentwickelt, nicht nur was das Publikum betrifft, sondern auch was die Anzahl der Filme angeht. Wir haben vor allem Dokumentarfilme, aber auch Spiel-, Animations- und Kurzfilme im Programm. Mittlerweile werden rund 80 Filme am this human world präsentiert, zum Großteil sind das Österreich-Premieren.

Die Themen, die in den Filmen behandelt werden, sind nicht gerade leicht, es geht etwa um Frauenhandel, Migration, LGBTI-Probleme et cetera. Wir wollen die Leute aber nicht einfach nach dem Film entlassen, sondern wir bieten ein sehr umfassendes Rahmenprogramm an, das aus Lectures, Workshops und Podiumsdiskussionen besteht. Wir wollen das Publikum nach dem Abspann abholen und mit ihnen diskutieren. So bieten wir dem Publikum auch eine Plattform, über die sie vielleicht einen schlummernden Aktivismus erwecken können und mit NGOs in Kontakt treten können.

Berner: Wir verstehen uns nicht als Spezialisten für jedes Thema, sondern eher als Präsentationsplattform von diversen NGOs und Zivilgesellschaftlichen Organisationen.

Raberger: Es ist uns auch ein Anliegen, Initiativen vor zu stellen, die noch nicht so bekannt sind, wie zum Beispiel Hemayat (Anm: eine Organisation, die Flüchtlinge mit Kriegstraumata betreut. Siehe auch: "Ein Schleier, der sich über die Existenz legt"), die heuer den Menschenrechtspreis der LIGA bekommt.

Was können sich BesucherInnen vom diesjährigen Festival erwarten?

Raberger: Unter dem Motto this human EDUCATION konzentriert sich das Festival dieses Jahr unter anderem auf das Thema Bildung. Dabei wird es vor allem um das Thema Schul- und Hochschulbildung gehen, aber über den Tellerrand Österreichs hinaus. Es werden etwa Filme gezeigt zum Hochschulsystem in China, oder über den Lernwillen von Jugendlichen in Guinea - einem der ärmsten Staaten der Welt. Zu diesem Schwerpunkt wird es begleitend zahlreiche Workshops und Diskussionen geben.

Am 9. Dezember werden wir außerdem eine Diskussion zum Thema „Wege aus der Bildungsmisere“ veranstalten, Viktoria Spielmann von der ÖH wird dort auch mit diskutieren.

Berner: Es wir auch etwas zu den Studentenprotesten geben. Ein Rückblick auf die Proteste sowohl in Österreich als auch den Protesten in London und Sarajevo.

Ursula Raberger (Foto: Sarah Langoth)

Ein weiterer Schwerpunkt wird sich der rechtlichen Situation von LGBTI Personen weltweit annehmen. Was können Festival-BesucherInnen davon erwarten?

Raberger: Zu diesem Themenbereich werden unter anderem Filme zur Situation der Communities in Uganda und Kamerun gezeigt. Aber auch das Thema Intersexualität wird präsent sein. Außerdem wird es eine Führung auf der Uni-Wien zum Thema Homosexualität in der Wissenschaftsgeschichte geben. Die Führung findet in enger Kooperation mit dem Verein QWIEN (Anm: Zentrum für schwul/lesbische Kultur und Geschichte) und dem Historiker Andreas Brunner statt.

Es wird auch zwei große Diskussionen zum LGBTI-Rights-Worldwide geben. Eine Diskussion wird das Thema Intersexualität im Fokus haben, zu diesem Thema werden wir auch einen Film aus Neuseeland zeigen. An diesem Podium wird auch die erste Intersex-Beauftragte Österreichs, Gabriele Rothuber, teilnehmen.

Ihr arbeitet dieses Jahr auch mit der Organisation „Women Make Movies“ aus New York zusammen. Wie wird sich diese Kooperation am Festival zeigen?

Raberger: Das ist eine ganz tolle Organisation, die Frauen dabei unterstützt Filme zu machen, zu produzieren und ihnen auch bei der Vermarktung hilft. Letztes Jahr haben sie ihr 40-jähriges Jubiläum gefeiert. Kristen Fitzpatrick von WMM wird zum Festival kommen und fünf ausgewählte Film-Juwelen aus ihrem Programm präsentieren.

Wird es auch ein Rahmenprogramm für Frauen geben, die Interesse daran haben selber Filme zu machen?

Raberger: Es wird eine große Diskussion zu Frauen in der Filmindustrie geben, bei der wir auch die Frage stellen werden, ob Amerika hierbei ein Vorbild sein kann. Kristen von WMM wird daran teilnehmen, aber auch Vertreterinnen von FC-Gloria, die sich der Thematik in Österreich annehmen. Das ist ein sehr spannendes Thema, vor allem auch mit Blick auf Österreich. Der Männeranteil in der Filmindustrie ist immer noch sehr hoch. Wir wollen dabei auch darüber diskutieren, was man als Frau in Österreich machen kann, um Erfolg in diesem Bereich zu haben.

Ist es euch abseits des Frauenschwerpunkts auch wichtig, dass feministische Themen eine Querschnittsmaterie am gesamten Festival sind?

Raberger: Ja, auf alle Fälle. Es ist uns auch wichtig verschiedene Strömungen in der Frauenbewegung zu zeigen, auch solche die nicht unbedingt Gehör finden. Zum Beispiel werden wir einen Film über den feministischen Protest in Tunesien nach Ben-Ali zeigen.

Einer meiner persönlichen Highlights wird der Film „Untold Stories“ sein. Der Film beschäftigt sich mit der iranischen Frauenbewegung. Dabei stellt sich eine Exiliranerin, die mittlerweile in Schweden lebt, die Frage was eigentlich mit ihren Mitstreiterinnen im Iran geworden ist und macht sich auf die Suche nach ihnen. Sie findet diese Frauen schließlich und lädt sie zu einem Austausch nach Schweden ein. Sie erzählen dann von ihren Erlebnissen in den Folterkellern des Regimes. Das ist eine sehr bewegende Dokumentation, die auch die Kraft dieser Frauen betont.

Berner: Wir achten am Festival generell auf eine sehr ausgewogene Mischung. Uns ist eine ausgeglichene Geschlechterdurchmischung in unserem Ehren-Komitee, in der Jury aber auch bei allen Diskussionen und den Workshops wichtig.

This human world will ja nicht einfach nur ein Filmfestival sein, sondern will BesucherInnen auch dazu anregen selbst aktiv zu werden. Wie wollt ihr diesen Spagat bewältigen?

Berner: Wir wollen nicht einfach nur Betroffenheit auslösen, sondern auch einen positiven Zugang bieten, um zu zeigen, dass politische Arbeit eine Bereicherung für Alle sein kann. Auch wenn es oft schwere Filme sind, es soll kein schweres Festival sein, das traurig macht.

Es soll auch kein Festival sein, von dem man einfach schockiert entlassen wird. Im Gegenteil: Es soll verschiedene politische und aktionistische Strömungen genauso aufzeigen, wie Möglichkeiten selbst aktiv werden zu können.

Julian Berner (Foto: Sarah Langoth)

Seit gut einem Jahr gibt es in Wien die selbstorganisierten Refugeeproteste. Nächstes Jahr wird eine Dokumentation von Igor Hauzenberger über diese Proteste erscheinen. Ihr kooperiert dieses Jahr auch mit ihm. Was könnt ihr uns über diese Kooperation erzählen?

Berner: Er hat den diesjährigen Trailer des Festivals gemacht, der aus seinem Material für die Dokumentation über das Protest-Camp besteht. Das ist eine wirklich tolle Produktion. Uns ist es auch ein Anliegen, darauf aufmerksam zu machen, was gerade auch in Wien passiert. Igor Hauzenberger wird während des Festivals auch eine Präsentation über den derzeitigen Stand der Dokumentation geben.

Wird es am Festival Möglichkeiten für die Refugees geben, ein Sprachrohr zu bekommen?

Berner: Die Präsentation von Igor ist durchaus dafür gedacht. Darum dreht sich der gesamte Dokumentarfilm, dass eben diese Leute eine Bühne bekommen.

Ihr wollt ein sehr gemischtes Publikum ansprechen. Gleichzeitig hat sich das Festival in den letzten Jahren sehr stark auf einen innerstädtischen Bereich beschränkt. Gibt es Überlegungen das Festival künftig mehr über Wien zu verteilen?

Berner: Dazu gibt es bereits Bestrebungen. Dieses Jahr verändern wir das bereits auch ein wenig. So wird die Brunnenpassage heuer auch einer der Veranstaltungsorte sein. Unter anderem wird der Eröffnungsfilm dort präsentiert - und zwar gratis. Das ist unser erster Versuch aus dem innerstädtischen Bereich heraus zu kommen.

Raberger: Wir wollen Menschen einladen, an der Menschenrechtsthematik Teil zu haben, die vorher vielleicht nicht die Möglichkeit gehabt hätten, weil sie unser Filmfestival bisher einfach nicht auf ihrem Radar hatten. 

Wie schwierig ist es jedes Jahr wieder SponsorInnen und UnterstützerInnen für das Festival zu finden?

Berner: Sehr schwierig. Wir hanteln uns von Jahr zu Jahr.

Raberger: Es ist jedes Jahr aufs Neue wieder ein Kampf.
Berner: Es ist aber auch ein zweischneidiges Schwert. Wir haben wahnsinnig viele UnterstützerInnen, die immer mit Inbrunst dabei sind. Das ist sehr befriedigend. So oder so ist es aber ein großer finanzieller Aufwand.

Bekommt ihr keine finanzielle Unterstützung vom Bund oder von der Stadt?

Berner: Doch natürlich, ohne diese Unterstützung wäre es absolut unmöglich.

Wo würdet ihr das Festival in ein paar Jahren gerne sehen?

Raberger: Ich würde mich freuen wenn das Festival vermehrt ein Publikum erreicht, dass nicht bereits per se aktivistisch tätig ist. Und, dass wir auch weiterhin für eine breitere Öffentlichkeit sorgen, für Themen die sonst wenig Gehör finden.

Berner: Ich wünsche mir, dass das Festival es weiterhin schafft darauf aufmerksam zu machen, dass man sich täglich entscheidet, was rund um einen passiert und was bei einem selbst passiert. Plus, dass wir einmal die Mittel haben wirklich alle FilmemacherInnen, die wir einladen wollen, auch wirklich einladen zu können.

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Programmheft

Ursula Raberger promovierte zum Thema queerer israelischer Film an der Universität Wien und arbeitet seit 4 Jahren für das internationale LGBT-Filmfestival TLVFest in Tel Aviv. Heuer ist sie als Vertretung der Künstlerischen Leitung bei this human world tätig und übernimmt die Leitung der PR des Filmfestivals

Julian Berner schloss 2009 sein Studium an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF "Konrad Wolf") in Berlin/Potsdam-Babelsberg ab. Nach der mehrjährigen Organisation des größten internationalen Studentenfilmfestivals „Sehsüchte“ in Berlin, leitet er seit 2010 gemeinsam mit Zora Bachmann das this human world Filmfestival.