Hochschulfinanzierung

Zahlen bitte!

  • 13.07.2014, 13:16

Studierende in Europa finanzieren ihre Bildung zunehmend privat - trotz der politischen Erkenntnis, dass dies eine öffentliche Verantwortung sein sollte. Die nationalen Unterschiede sind markant.

Studierende in Europa finanzieren ihre Bildung zunehmend privat - trotz der politischen Erkenntnis, dass dies eine öffentliche Verantwortung sein sollte. Die nationalen Unterschiede sind markant.

Maria* hat „Hospitality Management” am International University College in Dobrich, einer privaten Universität in Bulgarien, studiert. Sie beschreibt eine der Methoden ihrer Universität Gelder aus der Privatwirtschaft aufzutreiben: „Meine Universität hatte eine Verbindung zu Restaurants und Hotels in Zypern, und ich habe dort so wie andere Studierende ein Praktikum gemacht. Als wir uns über den niedrigen Lohn beschwerten, antwortete die Chefin, dass sie einen Teil uns zahle und einen Teil unserer Universität”.

Der Staat zahlt mehr. Seit 2010 ist der Europäische Hochschulraum offiziell Wirklichkeit und in vielen Bereichen ist die Kooperation zwischen den europäischen Ländern und Hochschulen weit fortgeschritten. Fast überall wird nach dem Bachelor/Master-System studiert, in ECTS „abgerechnet”, und die Studierendenmobilität steigt. Bei der Finanzierung der Hochschulen gibt es jedoch bisher wenig europäische Gemeinsamkeiten.

Ein Blick in die Eurostat-Datenbanken und Untersuchungen der europäischen Studierendenorganisation ESU bringt markante Unterschiede zu Tage. So werden z.B. in den skandinavischen Ländern circa zwei Prozent des BIP für höhere Bildung ausgegeben. In Süd- und Osteuropa liegen die Werte typischerweise zwischen 0.8 und 1.1 Prozent und im Westen zwischen einem und 1.5 Prozent. Da die Studierendenzahlen aber kaum mit der Finanzierung zusammenhängen, sind die Ausgaben je Studierender und Studierendem noch unterschiedlicher.

In Skandinavien und Westeuropa werden jährlich zwischen 12.000 und 16.000 Euro pro StudentIn ausgegeben. Im Süden und Osten sind es zwischen fünf- und achttausend Euro. Dabei werden die meisten Mittel in Ländern aufgewendet, in denen die Hochschulen überwiegend öffentlich finanziert sind. Das ist hauptsächlich in Nord- und Westeuropa der Fall, wo typischerweise unter 20 Prozent der Ausgaben für höhere Bildung aus privaten Quellen stammen.

Versteckte Kosten. Derzeit studiert Maria an der Universität Roskilde. Ihre Erfahrungen mit den Studiensystemen in Dänemark und Bulgarien illustrieren die Unterschiede im europäischen Hochschulraum auf eindrückliche Weise. „Meiner Erfahrung nach gibt es in Bulgarien einen großen Unterschied zwischen privaten und öffentlichen Universitäten,” erzählt Maria: „In den öffentlichen Institutionen ist die Ausstattung sehr schlecht und die Lehrenden kriegen einen sehr niedrigen Lohn. Meine eigene Universität hatte Geld, die Klassen waren kleiner, wir hatten viele Computer und waren gut ausgestattet”.

Für die besseren Studienbedingungen bezahlen Studierende am International University College in Dobrich circa 1500 Euro pro Semester – die öffentlichen Studiengebühren liegen zwischen 70 und 800 Euro. Um diese Summe aufzubringen – 3000 Euro sind circa die Hälfte des Median-Jahreseinkommens – arbeitete Maria oft im Ausland, zum Teil in dem bereits erwähnten Arrangement, welches der Universität gleich doppelt Einkommen bescherte.

Aber auch für ihre KollegInnen an den öffentlichen Hochschulen gab es vielerlei „versteckte“ Kosten. „Manchmal mussten sie Bücher von ihren ProfessorInnen kaufen und diese bei den Prüfungen vorzeigen – das ist eine recht übliche Praxis. Manchmal werden Studierende negativ benotet, und die Lehrenden verlangen, dass die Studierenden zusätzliche Klassen belegen. Da diese nicht im Curriculum stehen, kosten sie extra,” erklärt Maria.

Erfahrungen mit der gängigen Prüfungspraxis waren an beiden Hochschulen, öffentlich und privat, oft demotivierend. „Da es so viele Studierende an den öffentlichen Hochschulen gibt, ist die Bewertung oft sehr zufällig. Aber auch an meiner Schule war es oft nicht möglich die Prüfung nach der Bewertung zu sehen, oder anderweitig Feedback zu kriegen”.

Mit ihrer derzeitigen Studiensituation in Dänemark ist Maria hingegen sehr zufrieden: „Bei den Prüfungen wird man zum Denken angeregt und man ist aufgefordert sich eine eigene Meinung zu bilden und Kritik zu üben statt auswendig zu lernen,” sagt sie. Die dänische Studienbeihilfe und die öffentliche Finanzierung der Universitäten ist ebenfalls ein Faktor: „Ich muss nicht über Geld nachdenken, obwohl ich nur 15 Stunden pro Woche arbeite. In Bulgarien ist es schwierig zu studieren, da die meisten Studierenden neben dem Studium sehr viel arbeiten müssen”.

Fortschreitende Privatisierung. Rok Primovic ist Vorsitzender der europäischen Studierendenorganisation ESU, die nationale Studierendenvertretungen vernetzt und auf europäischer Ebene Lobby- und Forschungsarbeit betreibt. „In finanzieller Hinsicht kann von einem europäischen Hochschulraum nicht die Rede sein,” sagt er: „In den letzten 15 Jahren war das eine Diskussion, die niemand führen wollte”. Obwohl es ein Bekenntnis der MinisterInnenkonferenz des europäischen Hochschulraums zu öffentlicher Finanzierung gibt, wurde diese nie konkretisiert.

Laut Rok ist Bulgarien mit den großen Unterschieden zwischen privaten und öffentlichen Institutionen eher ein Einzelfall. „In Bulgarien gibt es diesen Trend, da die Studierendenzahlen stark gestiegen sind, ohne dass die öffentlichen Investitionen entsprechend erhöht wurden. Die privaten Institutionen können hohe Gebühren verlangen und es entsteht eine Art Trennung nach sozialen Klassen. In den meisten westeuropäischen Ländern ist die finanzielle Ausstattung der öffentlichen Hochschulen gut, und die Unterschiede nicht so spürbar – die privaten Universitäten füllen dort eher eine Nische”.

Nichtsdestotrotz ist die Privatisierung öffentlicher Bildung auch ein allgemein europäischer Trend und Marias Studienbedingungen in Dänemark Teil eines skandinavischen Idylls. „Obwohl die Staaten recht unterschiedliche Verteilungen wählen, geht der allgemeine Trend dahin, dass Studierende und deren Familien mehr Kosten übernehmen. Studiengebühren werden erhöht, Beihilfen gesenkt oder der Zugang dazu verschärft,” erklärt Rok. In vielen Ländern steigen insbesondere die „versteckten“ Kosten für Bücher, Registrierungen, Bewerbungen, etc. In den Mittelmeerländern, aber auch Irland und Großbritannien ist der Trend am stärksten.

Wer für die Kosten eines Studiums aufkommt, ist in Europa insgesamt also höchst unterschiedlich und Bildungschancen hängen auch deshalb stark mit der eigenen Herkunft zusammen. Das Projekt des gemeinsamen Hochschulraums wird dadurch letztendlich in Frage gestellt. „Bologna ist nicht gerade in Hochform, und viele Länder verlieren Interesse daran. Es gibt eine Diskussion darüber, wie der Prozess weiter betrieben werden kann. Für manche Staaten und die Europäische Kommission wäre die Lösung auch über Finanzen zu diskutieren,” berichtet Rok und ergänzt: „Die ESU fordert ebenfalls eine Diskussion darüber auf europäischer Ebene”. Bleibt zu hoffen, dass das derzeitige politische Klima in Europa diese Bestrebungen nicht zu Nichte macht.

*Name geändert. Vollständiger Name der Redaktion bekannt.

Robin Tschötschel studiert Global Studies an der Universität Roskilde und lebt in Kopenhagen.
Foto: cc-by Jixar

Fachhochschulen: Geist oder Geld?

  • 29.05.2014, 14:35

Am 21.Mai 2014 fand in der Wiener Arbeiterkammer eine Podiumsdiskussion zum Thema „Fachhochschulen: Bildung zwischen Geist und Geld“ statt. Viele Meinungen prallten dabei aufeinander und dies nicht immer nur bezüglich der Fachhochschulen. Margot Landl war für progress online dabei.

Am 21.Mai 2014 fand in der Wiener Arbeiterkammer eine Podiumsdiskussion zum Thema „Fachhochschulen: Bildung zwischen Geist und Geld“ statt. Viele Meinungen prallten dabei aufeinander und dies nicht immer nur bezüglich der Fachhochschulen. Margot Landl war für progress online dabei.

Dwora Stein, die Vizepräsidentin der Arbeiterkammer Wien, ist die erste Rednerin, die an diesem Abend die Bühne betritt. Schon am Beginn ihrer Ansprache schlägt sie ein Thema an, welches an diesem Abend noch öfter zur Sprache kommen soll. Stein kritisert: „Bildung zwischen Geist und Geld – es mangelt an beidem! Bildung ist mehr als verwertbare Qualifikationen. Es geht um gebildete, nicht nur ausgebildete Menschen. Aber dafür wird nicht genug an Geld ausgegeben.“ Geld ist die Lösung aller Probleme, denn: „Geld vermehrt sich und verwandelt sich in Bildung und Geist“. Dwora Stein spricht von den Verbesserungen, die sich die Fachhochschulen wünschen: einen Ausbau auf  60.000 Studienplätze bis zum Jahr 2020, noch mehr berufsbegleitende Angebote, noch mehr soziale Durchlässigkeit. Es sei ein großer Vorteil der Fachhochschulen, dass es dort auch Möglichkeiten gäbe, ohne Matura oder berufsbegleitend zu studieren. Außerdem gäbe es laufend neue Studien, mehr regionale Standorte und die AbsolventInnen würden gut „verwertbar“ sein. Verwertbar, also doch. Kein Wort könnte besser den großen Zwiespalt beschreiben, an dem es an diesem Abend geht: Bildung oder Ausbildung? Verwertbarkeit oder Persönlichkeitsbildung? Geist oder Geld?

Applaus für mehr Geld

Der große Saal der Arbeiterkammer Wien ist an diesem Abend etwa zu zwei Dritteln gefüllt. „Bildung zwischen Geist und Geld“ ist die zweite Veranstaltung der dreiteiligen Veranstaltungsreihe „Im Dialog: 20 Jahre Fachhochschulen – Arbeit – Bildung – Wohlstand“. Sie wurde von der Fachhochschul-Konferenz gemeinsam mit dem Standard, der Arbeiterkammer Wien, der Industriellenvereinigung und dem Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Fachhochschulen in Österreich organisiert.

Der Präsident der Fachhochschul-Konferenz Helmut Holzinger hält die zweite Eröffnungsrede. Er schlägt in dieselbe Kerbe wie Dwora Stein und fordert „im Sinne der Studierenden eine Erhöhung der Fördersätze. Um den Studierenden gute Bedingungen sichern zu können, brauchen wir eine Wertsicherung.“ Und er ergänzt: „Doch die Regierung hat in ihrem Programm mehr Unterstützung verschriftlicht, als sie erfüllen kann!“ Das Publikum applaudiert. Mehr Geld für Bildung. Darüber sind sich an diesem Abend alle einig.

Mehr Engagement zur Gesellschaftsverbesserung

Das Impulsreferat für die anschließende Podiumsdiskussion hält Eva Blimlinger, die Rektorin der Akademie der bildenden Künste Wien. Das Logo der österreichischen Klassenlotterie wird groß auf die Wand projiziert. „Das österreichische Bildungssystem hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der österreichischen Klassenlotterie“, erklärt Eva Blimlinger sarkastisch. Aus einer langen Ausführung über Einkommen in Österreich im Jahr 1910 sowie heute zieht sie das Fazit, dass die überwiegende Mehrheit aller Superreichen kein Studium abgeschlossen hat. „An den Universitäten ist das gesetzlich definierte Ziel ein anderes als an Fachhochschulen: Das Streben nach Bildung und Autonomie sowie der Gesellschaft zu dienen.“ Eva Blimlinger differenziert hier, wie auch später in der Diskussion, klar zwischen der Orientierung von Fachhochschulen und Universitäten. Doch sie stellt für das gesamte höhere Bildungssystem dieselben Forderungen: mehr soziale Durchlässigkeit, mehr Engagement zur Gesellschaftsverbesserung, mehr politische und gesellschaftliche Teilhabe und eine kritische Betrachtung des Kapitalismus. „Der Wert der Bildung ist in der kapitalistischen und postfordistischen Gesellschaft ein monetärer. Und mit den ECTS wird diesem System Rechnung getragen.“ Am Ende wird Eva Blimlingers langer Vortrag nicht nur zu einer Kritik am Bildungssystem, sondern an der gesamten modernen Gesellschaft: „Heutzutage ist alles ein Projekt. Partnerschaften, ein Kind, ein Abendessen mit Freunden, ein Urlaub, ein Wohnungswechsel. Das Projekt ist der Arbeitsorganisationsmodus für unser Leben geworden. Ein Leben in ständiger Unsicherheit.“

Kritisch betrachten, nicht nur nachkauen

Bernhard Lahner, der zweite stellvertretende Vorsitzende der Österreichischen HochschülerInnenschaft von der „Fraktion engagierter Studierender“ (FEST), beschäftigt sich besonders mit der Situation von Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen. Er sieht wesentliche Unterschiede zwischen Universitäten und Fachhochschulen. Deshalb ist es schwierig, Vergleiche anzustellen. „Die gesetzliche Lage der Fachhochschulen ist eine völlig andere“, erklärt er. „Sie sind unternehmensrechtlich organisiert. Studierende gehen einen Ausbildungsvertrag ein. Da die Studienplätze durch öffentliche Gelder beziehungsweise von den ErhalterInnen finanziert werden, gibt es Zugangsbeschränkungen. Außerdem unterscheiden sich die Fachhochschulen auch untereinander stark.“  Die ÖH setzt sich schon länger für ein gemeinsames Hochschulgesetz ein. Im HochschülerInnengesetz 2014 wurde nun unter anderem erwirkt, dass die Fachhochschulvertretung nun direkt durch ein Listenwahlrecht gewählt wird. Außerdem bestimmt der Erhalter oder die Erhalterin einer Fachhochschule eine reale Person, die als Kontaktperson den Studierenden zur Verfügung steht, wenn diese beispielsweise einen Raum für Veranstaltungen mieten wollen.

Auch Bernhard Lahner würde sich ein wenig mehr Freiraum für die FachhochschulstudentInnen wünschen: „Durch eine Fachhochschule wird man durchgeschleust, um in drei Jahren fertig zu sein. Dort schaut man, dass man die Ausbildung macht, weil genau diese das Ziel ist. Da schaut man nicht, was es sonst für Möglichkeiten gibt. Doch genau diesen Zugang sollte man aufbrechen“, meint der Hochschulpolitiker, der selbst an einer Pädagogischen Hochschule studiert. „Das Studium sollte Raum geben, um den eigenen Horizont zu erweitern und Sachen kritisch zu betrachten und sie nicht nur nachzukauen.“

Trennung von Theorie und Praxis?

Um etwa 18.30 Uhr eröffnet Katrin Bauer vom Standard schließlich die Podiumsdiskussion. Die Gäste auf der Tribüne sind Barbara Blaha, Leiterin des Politkongresses „Momentum“ und ehemalige ÖH-Vorsitzende, Eva Blimlinger, Andreas Breinbauer, Rektor der Fachhochschule des Berufsförderungsinstitutes Wien, Carola Iller, Universitätsprofessorin für Erwachsenenbildung an der Universität Linz und Claus J. Raidl, Präsident der Österreichischen Nationalbank. Barbara Blaha ist mit 31 Jahren die jüngste Diskutantin, auch im Publikum sieht man kaum Studierende oder andere jüngere Menschen.

Katrin Bauer beginnt die Debatte mit einer Befragung der TeilnehmerInnen zu deren individuellen Bildungsweg im Hinblick auf die Verwertbarkeit ihrer Ausbildungen. Der gemeinsame Nenner der Wortmeldungen kann als Offenheit für alle Möglichkeiten bezeichnet werden. Die meisten stammen aus keinem akademischen Umfeld und bemängeln die fehlende soziale Durchlässigkeit in Österreich. „Manchmal helfe ich Kindern mit Migrationshintergrund bei der Hausübung. Letztes Mal hat eins davon zu mir gesagt: `Dein Sohn hat es so gut! Der kann dich immer alles fragen!´“, erzählt Barbara Blaha.

Die DiskussionsteilnehmerInnen auf dem Podium hatte unterschiedliche Ansichten. Es kam zu hitzigen Diskussionen um das Thema Fachhochschulen und Universitätsausbildung. Foto: Christopher Glanzl

Lebendiger wird die Diskussion, als die Moderatorin das Gespräch auf die Trennung zwischen Theorie und Praxis lenkt. „Die Fachhochschulen haben hier einen guten Mix“, findet Andreas Breinbauer und ergänzt: „Eine Trennung zwischen Theorie und Praxis soll es nicht geben. Allerdings würden wir gerne mehr forschen.“

Andere DiskussionsteilnehmerInnen sehen Universitäten und Fachhochschulen allerdings stärker differenziert: „Die Universitäten sind oft weniger berufsbezogen. Aber das ist nicht immer nachteilig“, meint Carola Iller. Eva Blimlinger spricht sich noch klarer für eine Differenzierung aus: „Die Theorie ist die Praxis der Universität. Es ist schon sinnvoll, hier zwischen Universitäten und Fachhochschulen zu differenzieren. Auch die Sinnhaftigkeit eines Doktorats an den Fachhochschulen sollte man überdenken. Was bringen diese ganzen Abschlüsse? Was bringt es, alles zu formalisieren?“ Mit dem Stichwort Doktorat, welches bereits Helmut Holzinger in seiner Eröffnungsrede fallen gelassen hat, kommt Feuer in die Diskussion. „Nicht alles braucht ein Doktorat! Und nicht jedes Doktorat ist gleich! Ich habe früher oft gesagt: Wer von dieser oder jener Hochschule kommt, den nehmen wir nicht“, wettert Claus Raidl. Spätestens auf diese Provokation hin fahren die Hände im Publikum in die Höhe. Helmut Holzinger spricht sich leidenschaftlich für ein Doktorat an Fachhochschulen aus. Ideologien prallen aufeinander. Claus Raidl belächelt ihn aus seinem dunkelroten Ledersessel und winkt ab. Noch mehrere Wortmeldungen werden gehört, allerdings zu verschiedensten und unzusammenhängenden Themen. Von Ethik im Naturwissenschaftsunterricht bis zu einer Lobrede auf das Bundesheer. Viele TeilnehmerInnen, die etwas sagen möchten, nutzen die Gelegenheit.  

Ideologien und Minderwertigkeitskomplexe

Katrin Bauer erteilt erneut den DiskussionsteilnehmerInnen das Wort. Die nächste Frage dreht sich um stärkere Diversifizierung im Hochschulsektor. Der Präsident der Österreichischen Nationalbank Claus Raidl erklärt Oberösterreich einer Medizinuniversität ebenso unwürdig wie die Fachhochschulen eines Doktorats. „Das wär nur ein Denkmal für den Landeshauptmann!“. Etwas sachlicher äußern sich die anderen TeilnehmerInnen zu dem Thema. Eva Blimlinger und Carola Iller sprechen sich gegen eine weitere Differenzierung aus, da sie die Studienwahl noch weiter erschweren würde. Schuld an dem Frauenmangel in MINT-Fächern beispielsweise sei eher fehlender weiblicher Anschluss im Studium und eine zu kurze Orientierungsphase. Lediglich Andreas Breinbauer spricht sich für eine weitere Differenzierung der Studiengänge aus.

Doch das neue Thema hält sich nicht lange. Zu viele persönliche Äußerungen zur Frage von Theorie und Praxis sind noch ausständig. Das Publikum ist unruhig, es gibt noch einmal eine Wortmeldungsrunde. Katrin Bauer erteilt Karl Pfeiffer, dem Rektor der FH Joanneum das Wort. Er verteidigt vehement den „theoretischen Background“ der Fachhochschulen und will diese nicht als minderwertig beurteilt sehen: „Die FHs sollen nicht auf die Berufsfeldorientierung reduziert werden! Die angewandte Forschung an den FHs ist anerkannt und kann durchaus mit den Technischen Universitäten mithalten.“ Es scheint so, als würde die angebliche Herabwürdigung von Fachhochschulen hier viele Menschen persönlich kränken.

Die ehemalige Vorsitzende der ÖH, Barbara Blaha (mit Mikro), wünscht den FHs mehr Selbstbewusstsein, aber auch eine Anregung des gesamtgesellschaftlichen Denkens. Foto: Christopher Glanzl

Die geplante Zeit der Veranstaltung wurde bereits um zwanzig Minuten überschritten und die Moderatorin will die Diskussion nun rasch zu einem Ende bringen. Die DiskutantInnen dürfen den Fachhochschulen nun noch schnell etwas wünschen. Im Klartext bedeutet das, noch einmal Position zu beziehen. Claus Raindl lehnt sich in seinem Ledersessel zurück, gießt sich das letztes Mal Mineralwasser ein und holt zum Gegenschlag aus: „Ich bin für noch mehr Differenzierung. Fachhochschulen und Universitäten wurden aus anderen Absichten gegründet. Das ist nur elitäre Etikettenschwindelei“. Erneut schwillt die Lautstärke im Publikum an. Karin Bauer gibt rasch das Mikrofon an Carola Iller weiter. „Wir sollten mit dem Schachteldenken aufhören. Fachhochschulen und Universitäten sollten stärker kooperieren, aber die Unterschiede sind wertvoll“, formuliert diese etwas diplomatischer. Barbara Blaha wünscht den FHs „mehr Selbstbewusstsein, aber auch eine Anregung des gesamtgesellschaftlichen Denkens“. Eva Blimliner bleibt pragmatisch und wünscht sowohl den Universitäten als auch den Fachhochschulen „mehr Geld“, womit sich der Kreis zum Thema der Veranstaltung schließt. Andreas Breinbauer schließt sich dem an und fügt hinzu: „Mein Auftrag an die FHs: Bleibts dabei! Aber trotzdem wäre ein wenig mehr Zeit und Geld für Reflexion wünschenswert.“

Margot Landl studiert Politikwissenschaft sowie Lehramt Deutsch und Geschichte an der Universität Wien.

 

„Die gesetzliche Grundlage muss für alle Hochschultypen einheitlich sein“

  • 08.05.2013, 12:14

In drei Teilen stellt progress euch die Positionen der bundesweiten SpitzenkandidatInnen aller Fraktionen mit Klubstatus in der ÖH-Bundesvertretung vor. Florian Lerchbammer (AG), Anna Lena Bankel (FEST), Florian Kraushofer (FLÖ), Marie Fleischhacker (GRAS), Claudia Gamon (JuLis) und Julia Freidl (VSStÖ) diskutierten im ersten Teil Fragen zur Bedeutung von Hochschulen, deren Finanzierung und Qualität im Studium. Oona Kroisleitner und Georg Sattelberger moderierten die Runde.

In drei Teilen stellt progress euch die Positionen der bundesweiten SpitzenkandidatInnen aller Fraktionen mit Klubstatus in der ÖH-Bundesvertretung vor. Florian Lerchbammer (AG), Anna Lena Bankel (FEST), Florian Kraushofer (FLÖ), Marie Fleischhacker (GRAS), Claudia Gamon (JuLis) und Julia Freidl (VSStÖ) diskutierten im ersten Teil Fragen zur Bedeutung von Hochschulen, deren Finanzierung und Qualität im Studium. Oona Kroisleitner und Georg Sattelberger moderierten die Runde.

progress: Wir haben euch gebeten einen Gegenstand mitzubringen, den ihr mit Hochschule verbindet. Welche Bedeutung haben Hochschulen für euch? 

Marie Fleischhacker: Ich habe einen Kompass mitgebracht. Der passt für mich perfekt, da Orientierung an den Hochschulen oft fehlt. Die STEOP soll durch ein „Studium-Generale“ ersetzt werden, bei dem man sich während der ersten beiden Semester orientieren kann und Lehrveranstaltungen aus verschiedensten Bereichen absolvieren kann, um so verschiedene Studienrichtungen kennenzulernen. So sollen StudienanfängerInnen tatsächliche Orientierung bekommen.

Julia Freidl: Für mich und für uns als VSStÖ bedeutet Hochschule Bildung und vor allem kritische Bildung. An der Wirtschaftsuniversität habe ich erlebt, dass die Neoklassik am Serviertablett angeboten wird, es aber keinen Platz für andere Strömungen und Sichtweisen gibt. In der Wirtschaftskrise hat man gesehen, dass die Neoklassik nicht die Lösung für alles ist. Genau deswegen ist kritische Bildung wichtig. Ich habe Bücher von verschiedenen heterodoxen ÖkonomInnen mitgebracht. Besonders aus Sicht der Wirtschaftsuni soll heterodoxe Ökonomie kein Nischenangebot bleiben.

Florian Kraushofer: Ich habe ein Universitätsgesetz (UG) mitgebracht. Das ist meine deutlichste Assoziation mit Hochschulen. Am UG wird gerne sofort herumgedoktort, wenn man auch nur denkt einen Bruchteil einer Lösung zu haben. Das UG ist natürlich auch das Gesetz, das festlegt, wie Hochschulen funktionieren, was sie formt und dort muss man auch ansetzen. Hochschule bedeutet natürlich kritisches Denken, selbstständiges Lernen und sich Gedanken über das zu machen, was einem vorher nicht serviert worden ist – wo man etwas ausprobieren kann.

Florian Lerchbammer: Universität ist ein Ort von Bildung und nicht von Ausbildung. Wir sind aufgefordert die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass wir sorgenfrei studieren können. Für die AG habe ich eine überdimensional große Taschenlampe mitgebracht, weil wir einen Schwerpunkt auf Transparenz legen möchten. Wir wollen die Einbindung der Universitäten in das Transparenzgesetz, um eine effizientere Mittelverwendung zu erreichen, damit am Ende des Tages mehr Geld überbleibt und wir somit mehr ausfinanzierte Studienplätze haben. In Zukunft soll bei einer Mittelerhöhung nicht das Prinzip der Gießkanne zum Tragen kommen, sondern das Geld in den Hörsaal fließen, wo es hin sollte.

Anna Lena Bankel: Derzeit symbolisiert Hochschule für mich und für uns als FEST ein mit Ketten verschlossenes Buch. Hochschulen definieren sich darüber, wer nicht hinein soll, wer dementsprechend von den Hochschulen ausgeschlossen sein soll. Dabei wird dauernd die Kapazitätenfrage vorgeschoben, anstatt kreative Lösungen zu suchen. Hochschulen müssen das kritische Denken fördern. Das kann aber bereits im Kindergarten beginnen. Auf jeder Ebene von Bildung kann kritisches Denken gefördert werden, nicht erst bei Master und PHD.

Claudia Gamon: Ich habe von John S. Mill „Über die Freiheit“ mitgenommen. Die Uni ist für mich eine Bildungsstätte. Für mich als Landpomeranze war es eine tolle Erfahrung, andere Menschen kennenzulernen, mit denen man leidenschaftlich über Ökonomie diskutieren kann. Wissen bedingt die Freiheit und umgekehrt. Das Buch hat auch eine besondere Bedeutung: Ein Kurs über Ethik und Ökonomie war die einzige Wahlfreiheit, die ich in meinem Bachelor hatte. Dort habe ich das Buch das erste Mal gelesen. Im Nachhinein hätte ich mir mehr Freiheit im Studium gewünscht.

progress: . Zumindest zwei von Euch fordern verstärkte Hochschulfinanzierung aus dem privaten Sektor. Was sind die Für und Wider zusätzlicher Drittmittelfinanzierung?

Lerchbammer: Neben der Forderung, dass es mehr Geld von der Regierung braucht, gehen wir einen Schritt weiter: Wir sollten wirklich darüber nachdenken mehr private – also Drittmittel – in das Hochschulbudget zu integrieren. Es macht keinen Unterschied, ob der Hörsaal den Namen eines Unternehmens trägt, es macht aber sehr wohl einen Unterschied, wie viel Platz in einem Hörsaal ist und welche Infrastruktur wir vorfinden. Natürlich muss sichergestellt werden, dass sogenannte Orchideenfächer von der Regierung finanziert werden und nicht unter die Räder von wirtschaftlichen Interessen kommen.

Gamon: Solange die Regeln klar sind und Lehre und Forschung unabhängig sind, habe ich kein Problem damit. Ich glaube, dass Angst davor besteht, in eine Abhängigkeit zu fallen. Viele Studien können von einer größeren Involvierung der Wirtschaft und einem größeren Praxisbezug profitieren. Gerade in technischen Studien gibt es viele Möglichkeiten, bereits während dem Studium mit Unternehmen zusammenzuarbeiten. Auf der TU gibt es ja Beispiele für tolle Kooperationen und ich glaube, das könnte man weiter unterstützen.

Kraushofer: Prinzipiell ist für uns Drittmittelfinanzierung nicht das Feindbild schlechthin. Wenn die Unabhängigkeit der Universitäten garantiert ist, dann darf das ruhig auch passieren. Garantiert ist das aber natürlich nur, wenn die Universitäten bereits vom Staat ausfinanziert sind, was wir auch fordern. Dass man einen Hörsaal nach jemandem benennt und dafür Geld über Jahre hinweg Geld bekommt, ist illusorisch.

Lerchbammer: Das war ja nur ein plakatives Beispiel.

Kraushofer: Ja, eines wo offensichtlich ist, dass es harmlos ist. Wenn man aber an Forschung gebundene Drittmittel lukriert, dann sind die Ergebnisse oft nicht öffentlich und dürfen nur von dem Unternehmen, das die Forschung gesponsert hat, verwendet werden. Forschungsergebnisse, die auf einer Universität gewonnen werden, sollen aber der Gesellschaft zugutekommen.

Gamon: Das stimmt. Aber der Grund dafür ist die fehlende Grundfinanzierung. Deswegen fühlen sich Universitäten bis zu einem gewissen Grad gezwungen, solche Verträge einzugehen. Das ist eher das Problem und nicht die Drittmittelfinanzierung an sich.

Freidl: Es ist aber auch eine berechtigte Angst, dass durch Auftragsforschung die Grundlagenforschung zur Seite gedrängt wird und nur mehr jene Forschung, bei der Gewinn für Unternehmen rausschaut, im Vordergrund steht. Deshalb sollten wir uns in erster Linie um eine Ausfinanzierung der Hochschulen bemühen, dann können wir über Drittmittel sprechen.

Fleischhacker: Das Problem bei Drittmitteln ist, dass die Studierenden ausgebeutet werden. Zum Beispiel auf Fachhochschulen erbringen Studierende über Ausbildungsverträge Leistungen, die an Konzerne gehen und nur von diesen verwendet werden dürfen. Die Studierenden haben dann bis zu zehn Jahre überhaupt kein Recht mehr etwas von dem, was sie in ein Projekt hineingesteckt haben, zu verwenden. So dürfen Hochschulen nicht finanziert werden.

Bankel: Das Problem liegt besonders dort, wo Unternehmen in Infrastruktur investieren wollen. Das sind eben keine Spenden sondern Investitionen, für die eine Gegenleistung erwartet wird. Studiengänge, die Unternehmen mehr interessieren als andere, werden so immer besser ausgestattet. Warum kann es nicht möglich sein, in einen Fond einzuzahlen, aus dem dann über alle Hochschultypen und Studiengänge verteilt wird? Dann wird plötzlich klar, dass Unternehmen ihren eignen Interessen nachgehen und dass das Hauptinteresse eben nicht Bildung ist, sondern gewisse Ausbildungsarten zu fördern.

progress: Wenn die Differenz auf die zwei Prozent des BIPs nicht aus Drittmittel kommen soll, woher dann?

Freidl (lacht): Vom Staat braucht es zunächst ein Einsehen, dass in Bildung investiert werden muss – 1,3 Prozent des BIPs für die Hochschulen sind zu wenig. Vermögensbezogene Steuern könnten etwa 3 Milliarden Euro zum Budget beitragen. Es gibt eine Berechnung der AK, die zeigt, dass durch die Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer zusätzliche 500 bis 700 Millionen Euro in das Budget fließen könnten. Die Anpassung der Grundwerte bei der Grundsteuer, die seit den 1970er Jahren nicht mehr verändert wurden, könnte weitere 500 Millionen Euro bringen. Und dann die allgemeinen Vermögenssteuern.

Lerchbammer: Anstatt zu überlegen, wie wir irgendwelchen Leuten Geld wegnehmen, wäre es ein besserer Ansatz darüber nachzudenken, wie wir das Budget verteilen. Wir als ÖH könnten uns ja auch dafür einsetzen, dass Geld weg von den Pensionisten und Pensionistinnen hin zu den Studierenden kommt. Aber dass wir uns Gedanken über Vermögenssteuern machen, geht zu weit.

Freidl: Es geht nicht ums Geldwegnehmen sondern um Umverteilung, also um Verteilungsgerechtigkeit.

Kraushofer: Es sollte nicht Aufgabe der ÖH sein, sich ein Opfer zu suchen – seien es die Reichen oder die PensionistInnen. Bildung ist eine Investition, auch für den Staat Österreich. Es ist total bescheuert zu sagen, wir investieren in diesen Bereich nicht. Das wird auch Österreich teuer zu stehen kommen – in 30 oder 40 Jahren. Es muss für den Staat möglich sein dieses Geld aufzutreiben.

Gamon: Es muss um ein Bekenntnis für Wissenschaft und Bildung gehen, weil das die einzige nachhaltige Ressource ist, die der österreichische Wohlstand hat. Ich würde es aber ablehnen, dass die ÖH dazu Stellung bezieht, wo man das Geld abziehen soll. Vermögenssteuern würde ich aber ablehnen.

Fleischhacker: Es braucht den politischen Willen, mehr Geld in Bildung zu investieren. Bei den Vermögenssteuern gibt es mehrere Modelle. Es ist wichtig, dass umverteilt wird und dass das Geld in die Bildung fließt. Man kann das ja auch schön sehen an Ländern, in denen es progressivere Steuersysteme gibt, wo dann tatsächlich auch mehr in Bildung investiert wird.

progress: In der Hochschulfinanzierungsdebatte werden immer wieder Studiengebühren ins Feld geführt. Die JuLis fordern Studiengebühren, während die Koalitionsfraktionen die ersatzlose Abschaffung der noch bestehenden fordern. Von der AG gab es heuer keine deutliche Position.

Lerchbammer: Die AG lehnt Studiengebühren ab, weil nicht sichergestellt ist, dass ich in Mindestzeit studieren kann. Außerdem ist nicht sichergestellt, dass die Studiengebühren Studienplatz, -ort und –zweckgebunden verteilt werden. Verkürzt gesagt: keine Vignette ohne Autobahn. Dementsprechend lehnen wir Studiengebühren ab.

Gamon: Ich will das nicht so verkürzt sehen. Die Unis müssen natürlich ausfinanziert werden. Deswegen würde ich das, was wir fordern, als Selbstbehalt beschreiben, weil es ja auch nicht die gesamten Studienkosten decken soll, sondern ein gewisser Beitrag von 10 bis 30 Prozent der Studienkosten. Es ist auch eine Frage der Gerechtigkeit, ob z.B. jemand, der eine Lehre gemacht hat, unser Studium zur Gänze finanzieren muss – das ist auch der Grund für unser Plakat [„Deine Mutter finanziert mein Studium“ Anmk.]. Ich erachte Selbstbehalte als fair, weil ich auch überdurchschnittlich davon profitiere.

Freidl: Fair ist es nicht, wenn Kinder, deren Eltern nicht viel Geld haben, von den Hochschulen gedrängt werden. Oder ausländische Studierende, die über 700 Euro zahlen müssen. Das ist nicht fair. Was man auch sagen muss, ist das Studiengebühren keinen Beitrag zur Finanzierung der Hochschulen leisten können. Sie sind höchstens ein Tropfen auf dem heißen Stein. Außerdem zahlen AkademikerInnen später bis zum dreifachen wieder in den Steuertopf und damit an den Staat zurück.

progress: Stellen Studiengebühren eurer Meinung nach eine zusätzliche Barriere zum Hochschulzugang dar?

Gamon: Die Debatte darüber, dass Studiengebühren eine Hürde seien, ist ein wenig verkürzt, weil sie ignoriert, dass es genügend Studiengebühren- und Beihilfenkonzepte gibt. Diese stellen sicher, dass es trotzdem noch eine gute soziale Durchmischung an den Unis gibt. Ich kann grundsätzlich aber auch akzeptieren, dass die andere Seite sagt, dass Bildung gratis sein soll. Dann muss das aber auch konsequent gefordert werden und für alle Bildungswege gelten. Was ich aber nicht akzeptieren kann, ist, dass es verschiedene Hürden gibt, weil es doch genügend Evidenz dafür gibt, dass das eben nicht so ist, in den Ländern die das anwenden.

Kraushofer: Es ist unfair zu sagen, es gibt Länder, in denen funktioniert das, deswegen führen wir das auch bei uns ein. Wenn wir uns die Studierendensozialerhebung anschauen, dann sehen wir, anhand der Jahre, in denen die Studiengebühren eingeführt und abgeschafft wurden, dass es eben nicht funktioniert hat.

Gamon: In unserem Modell soll das Geld autonom eingehoben und direkt an die Unis ausgezahlt werden. Man kann sich Ideen von anderen Ländern hernehmen. Dass man diese dann aber für Österreich anpassen muss, steht außer Frage.

Fleischhacker: Skandinavische Länder zum Beispiel: Da gibt es ein progressives Steuersystem, keine Studiengebühren und fast keine Zugangsbeschränkungen. Also das funktioniert schon. Es ist kontraproduktiv zu sagen, man will Studiengebühren und trotzdem mehr Studierende. Es gibt Zahlen, die zeigen, dass Studiengebühren als Hürde gesehen werden. Und selbst wenn man von Studiengebühren befreit ist, muss man immer noch das Geld aufbringen, um sie zuerst einzubezahlen.

progress: Die FEST bekommt ihre Mandate vor allem von den FHs. Diese heben mehrheitlich Studiengebühren ein und haben alle Zugangsbeschränkungen. Wie steht ihr dazu?

Bankel:  Fachhochschulen fallen ins Privatrecht und sind keine öffentlichen Universitäten. Aber: Der Staat finanziert Fachhochschulen fast zur Gänze, die Beteiligung von Unternehmen liegt bei etwa 2 Prozent. Die Struktur einer Fachhochschule ist aber wie in einer Ausbildungsfirma. Die Rechtsform von Fachhochschulen ist extrem problematisch, wir fordern schon seit Jahren, dass es ein einheitliches Hochschulgesetz geben soll – darin kann es aber natürlich verschiedene Hochschultypen geben. Die Grundlage für alle Hochschultypen muss ein Gesetz sein und nicht drei.Aber grundsätzlich lehnen wir Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren ab. Bildung ist ein Menschenrecht und muss für jede und jeden frei zugänglich sein.

progress: Derzeit müssen, unter anderem, Drittstaatenangehörige doppelt so hohe Studiengebühren bezahlen. Wie steht ihr dazu?

Freidl: Das ist eine Katastrophe. Zu uns sind Studierende in die Sozialberatung gekommen und haben uns erzählt, dass sie nicht mehr wissen, wie sie ihr Studium finanzieren sollen. Wenn man schon von einem Hochschulraum und einer europäischen Hochschulpolitik redet, braucht es auch europäische Lösungen und da ist der Wissenschaftsminister ganz klar gefordert, sich für Ausgleichszahlungen zwischen jenen Ländern, zwischen denen es Studierendenströme gibt, einzusetzen. Es gibt ja beispielsweise bereits den nordischen Rat, wo das mit Ausgleichszahlungen ganz gut funktioniert. Da sollten wir ansetzen, anstatt Studierende, die sich ohnehin in einer sehr prekären Situation befinden, dann auch noch mit doppelten Studiengebühren zu belasten.

Kraushofer: Prinzipiell kann ich mich da anschließen. Was man vielleicht aber noch dazu sagen sollte ist, dass die doppelten Studiengebühren nicht das einzige Problem sind. Drittstaatsangehörige haben andere Aufnahmebedingungen. Sie dürfen zum größten Teil nur sehr wenig arbeiten. Oder etwa das passive Wahlrecht, das wäre nochmal ein eigenes Thema. Sie werden auf vielen Ebenen der österreichischen Hochschulen diskriminiert und das ist eine Frechheit.

Lerchbammer: Wir lehnen Studiengebühren unter diesen Studienbedingungen ab, auch die doppelten. Wir sollten uns nicht davor fürchten, dass jemand zu uns zum Studieren kommt, sondern die Rahmenbedingungen schaffen, dass er dann auch hier bleibt.

Bankel: Ergänzend muss man noch sagen, dass es nicht nur die rechtlichen Hürden, die doppelten Studiengebühren oder etwa Probleme bei Zulassungsprüfungen gibt. Drittstaatenangehörige müssen auch jedes Mal, wenn es darum geht, ihre Aufenthaltsgenehmigung zu verlängern, zittern, wem sie da jetzt am Amt gegenüber sitzen. Da wird oft mit reiner Willkür entschieden. Es braucht das Bekenntnis der ÖH sich gegen Rassismus zu engagieren, und zwar nicht nur auf legistischer Basis, sondern auf allen Gebieten – eben als gesellschaftspolitisches Programm.

Gamon: Die doppelten Studiengebühren gehen auf keinen Fall, das ist einfach diskriminierend. Es ist volkswirtschaftlich und menschlich ein Blödsinn jemanden hier studieren, aber später nicht in Österreich leben und arbeiten zu lassen.

Fleischhacker: Ich glaube, wir stimmen alle überein, dass die doppelten Studiengebühren eine große Diskriminierung darstellen. Wie auch schon gesagt, sind sie aber auch nur ein Faktor in einer Reihe von Diskriminierungen.