Hochschule

Was du über die ÖH wissen solltest

  • 12.05.2017, 22:19
Von Bürokratieverwirrung, demokratischen Systemen und Soziologiefesten. Eine Anleitung, um die ÖH in ihren Grundzügen zu verstehen. Für AnfängerInnen, von einer (fast) Anfängerin.

Von Bürokratieverwirrung, demokratischen Systemen und Soziologiefesten. Eine Anleitung, um die ÖH in ihren Grundzügen zu verstehen. Für AnfängerInnen, von einer (fast) Anfängerin.

Das Studium ist verwirrend. „Die“ Uni ist gar nicht eine Uni, sondern befindet sich in ungefähr 400 Gebäuden, ProfessorInnen sind auch nur Menschen und wenn man sich nicht rechtzeitig für etwas anmeldet, hilft auch nicht lieb bitte sagen. Kurzum: Studienbeginn ist so ziemlich die Hölle und anfangs ist man vor allem damit beschäftigt, sich durch einen Bürokratie-Dschungel zu schlagen und dabei nicht aufs Lernen, Essen und Atmen zu vergessen. Aber spätestens, wenn du im zweiten Semester bist, weißt du, dass die Getränke im Automaten überraschend billig sind, und musst nicht mehr halbfreundliche Begegnungen um Wegbeschreibungen bitten. Dann hast du Zeit, dich zu fragen, wie die wirklich wichtigen Dinge funktionieren. Die ÖH zum Beispiel. Die ist nämlich verdammt kompliziert. Aber keine Panik, dieser Artikel bietet dir den ultimativen Guide.

ALLGEMEINES. Die Österreichische Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (kurz ÖH) wurde 1945 gegründet und versteht sich als Sprachrohr der Studierenden gegenüber den Hochschulen und der Politik. Außerdem vertritt sie die österreichischen StudentInnen im internationalen Bereich. Alle zwei Jahre wird sie von allen Studierenden neu gewählt. Von 16. bis 18. Mai steht die nächste Wahl an und deshalb solltest du spätestens dann wirklich Bescheid wissen. Die Mitgliedschaft in der ÖH ist Pflicht, das bedeutet, dass alle Studierenden automatisch ab der Zulassung zum Studium Mitglied sind. Das schließt mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit auch dich ein, du hast also die dementsprechenden Rechte und Pfl ichten. In dem Fall sind es vor allem Rechte – Wählen gehen zum Beispiel (subtile Aufforderung, hust hust).

Derzeit Vorsitzende der ÖH ist Lucia Grabetz vom VSStÖ (Verband Sozialistischer StudentInnen in Österreich), also sozusagen die Arbeiterkammer- Präsidentin der Uni-Welt. Ihre Hauptaufgabe ist gemeinsam mit den anderen drei Vorsitzenden die Vertretung der ÖH nach außen.

STUDIENVERTRETUNG. Organisiert ist die ÖH in mehreren Ebenen. Vermutlich hast du schon von der Studienvertretung (StV) gehört oder ihr ein verzweifeltes Mail geschrieben, weil dir das jemand in einer x-beliebigen Facebook-Gruppe geraten hat. Und das ist auch okay, denn die StV ist die erste Ansprechpartnerin für (verzweifelte) Studierende.

Auf FHs sieht das ein bisschen anders aus. Hier ist die ÖH in drei Ebenen organisiert: Es gibt eine Hochschulvertretung (siehe unten), eine Jahrgangsvertretung, die speziell für die Betreuung eines Jahrgangs zuständig ist, und – wie an den Universitäten – Studienvertretungen.

Jede Studienrichtung hat ihre eigene Studienvertretung mit je nach Studiengröße drei bis fünf Personen, die sich aktiv darum kümmern, den Studienalltag möglichst angenehm zu gestalten, und dir bei Problemen helfen – das Anmeldesystem zu verstehen zum Beispiel. „Den Großteil unserer Zeit investieren wir in Tutorien und Beratung“, meint Timo von der StV BaGru Soziologie an der Universität Wien. „Jeden Tag hat jemand Journaldienst und steht sowohl per Mail als auch persönlich für Fragen bereit – besonders Erstsemestrige holen sich oft Rat“, so Timo im Interview. Außerdem beschicken die Studienvertretungen verschiedene Gremien, in denen sie für die Rechte der Studierenden eintreten. Und auch der Spaß kommt nicht zu kurz: „Wir veranstalten aber auch ein bis zwei Mal im Semester ein Soziologiefest“, betont Timo.

Gewählt werden die VertreterInnen durch Personenwahl. Das bedeutet, dass die StudienvertreterInnen nicht in Zusammenhang mit einer der Fraktionen (dazu später mehr) stehen, sondern als neutrale AnsprechpartnerInnen agieren sollen. Aber auch Freiwillige, die nicht gewählt sind, wirken in manchen Studienvertretungen mit. So zum Beispiel Timo, der sich seit seinem ersten Semester engagiert: „Bei uns werden alle Entscheidungen basisdemokratisch getroff en, was bedeutet, dass alle, die zu unserem wöchentlichen Plenum kommen, mitbestimmen dürfen. Es sind also nicht nur die gewählten VertreterInnen an Entscheidungen beteiligt.“ Dieses Prinzip ist bei Basisgruppen besonders wichtig. Sie wollen niemanden überstimmen, sondern nach einer gemeinsamen Lösung suchen, bis ein Konsens gefunden ist.

FAKULTÄTSVERTRETUNG. Zwischen Studienvertretung und Hochschulvertretung Hochschulvertretung agieren Fakultäts- und Zentrumsvertretungen auf der Ebene der Fakultäten bzw. Zentren. Falls du (wie ich) auch nicht weißt, was eine Fakultät ist und bis jetzt immer nur gelächelt und genickt hast, wenn jemand das Wort erwähnt hat, kommt hier die lang ersehnte Antwort:

Alle zwei Jahre, immer vor einer anstehenden ÖH-Wahl, beschließt die Universitätsvertretung die Zusammenfassung verschiedener Studienrichtungen zu Studienvertretungen und die Zuordnung der Studienvertretungen zu Fakultäts- bzw. Zentrumsvertretungen. Das bedeutet, es handelt sich de facto einfach nur um ein Bündel von Studienvertretungen, die zusammengefasst werden.

Um beim Beispiel Soziologie zu bleiben: Aktuell gehört dieses Fach gemeinsam mit Kultur- und Sozialanthropologie, Publizistik, Gender Studies, Pfl egewissenschaft und Politikwissenschaft zur Fakultät für Sozialwissenschaften. „Wir arbeiten eng mit den anderen Studienvertretungen unserer Fakultät zusammen und sind gut vernetzt“, erklärt Timo.

Insgesamt gibt es zum Beispiel an der Uni Wien 15 Fakultäten. Diese Zahl ändert sich aber von ÖH-Wahl zu ÖH-Wahl und von Universität zu Universität. Manche Universitäten bzw. Fachhochschulen und Pädagogische Hochschulen haben gar keine Fakultäten, sondern „Departments“, die keine eigenen Vertretungen haben. Ob es und zu welcher Fakultät das Studium deines Herzens gehört, erfährst du auf der Webseite deiner lokalen ÖH bzw. Studienvertretung.

Die Fakultätsvertretungen vertreten dich gegenüber dem Dekanat (sozusagen die Frau oder der Herr Direktor, nur mit weniger Klischee und mehr wissenschaftlichem Background) und arbeiten in verschiedenen Unigremien. Diese Ebene der ÖH wird nicht gewählt, sondern die MandatarInnen werden von den je zugeordneten Studienvertretungen entsandt.

HOCHSCHULVERTRETUNG. Die Hochschulvertretung ist die nächsthöhere Ebene. Man kann sie sich als Studierendenparlament jeder einzelnen Hochschule vorstellen. In diesem Organ der ÖH sitzen verschiedene Fraktionen, die ähnlich wie die Parteien im Parlament verschiedene Interessen vertreten. An den einzelnen Hochschulen kandidieren zum Teil andere Fraktionen als auf Bundesebene.

Alle Hochschulvertretungen müssen verpfl ichtend je ein Referat für Bildungspolitik, Sozialpolitik und wirtschaftliche Angelegenheiten (Wirtschaftsreferat) einrichten, können aber bei Bedarf auch andere initiieren. Ein Referat ist eine Organisationseinheit, die eine bestimmte Aufgabe innerhalb der ÖH erfüllen soll.

Eine weitere Aufgabe der Universitätsvertretung ist es, VertreterInnen in den Senat zu schicken. Der Senat ist ein Entscheidungsorgan der Universität, in dem Lehrende, allgemeines Personal und eben Studierende sitzen. Hier werden unter anderem Curricula beschlossen.

BUNDESVERTRETUNG. Die ÖHBundesvertretung ist die Vertretung aller Studierenden an Universitäten, Privatuniversitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen in Österreich. Die Bundesvertretung besteht aus 55 VertreterInnen.

Seit 2015 wird die ÖH-Bundesvertretung wieder direkt durch Listenwahl gewählt. 2017 kandidieren folgende Fraktionen, die zum Teil Parteien nahestehen:
AG – AktionsGemeinschaft (Studentenforum), Vorfeldorganisation der ÖVP
FLÖ – Unabhängige Fachschaftslisten Österreichs, parteiunabhängig
GRAS – Grüne & alternative StudentInnen, Vorfeldorganisation der Grünen
JUNOS – Junge liberale Studierende, Vorfeldorganisation der NEOS
KSV-LILI – Vorfeldorganisation der Bundes-KPÖ
KSV-KJÖ – Vorfeldorganisation der steirischen KPÖ
NO MA'AM – Spaßfraktion
RFS – Ring Freiheitlicher Studenten, Vorfeldorganisation der FPÖ
VSStÖ – Verband Sozialistischer StudentInnen in Österreich, Vorfeldorganisation der SPÖ

Diese Fraktionen sind es, die du per Listenwahl wählen kannst, um ihnen Sitze im ÖH-Bundesrat zu verschaff en. Yay, Demokratie!

Die Bundesvertretung vertritt die Interessen aller Studierenden österreichweit, berät in verschiedenen Referaten und gibt zusätzlich Broschüren zu studienrelevanten Themenstellungen heraus. Zu einer wichtigen Aufgabe gehört das Bilden der Ausschüsse für Bildungspolitik, Gleichstellungsfragen, Internationale Angelegenheiten, Sonderprojekte, Sozialpolitik und jenem für wirtschaftliche Angelegenheiten. Diese werden je nach Stärke der Fraktionen in der Bundesvertretung beschickt. Zweimal pro Semester fi nden Sitzungen statt, die öff entlich zugänglich sind.

Außerdem besetzt auch die ÖH-Bundesvertretung Referate. Neben den gesetzlich vorgeschriebenen Referaten existieren momentan noch folgende andere: das Referat für Studien- und MaturantInnenberatung, das Referat für ausländische Studierende, das Referat für Fachhochschul-Angelegenheiten, das Referat für pädagogische Angelegenheiten, das Referat für Internationale Angelegenheiten, das Referat für Öff entlichkeitsarbeit, das Unabhängige Tutoriumsprojekt, das Referat für feministische Politik, das Referat für Menschenrechte und Gesellschaftspolitik, das Referat für Barrierefreiheit, das queer_referat und das Referat für Privatuniversität-Angelegenheiten.

Ein gutes Beispiel, um zu verstehen, was ein Referat macht, ist jenes für Öff entlichkeitsarbeit. Dieses Referat kümmert sich um die Webseite der ÖH und gibt Flyer und Broschüren heraus. Außerdem ist progress, also die Zeitung, die du gerade liest, Teil davon.

Seit 2015 ist auf Bundesebene die AG mit 16 Mandaten vorherrschend, knapp dahinter die GRAS mit 12. Wenn nicht eine Fraktion die absolute Mandatsmehrheit erreicht, bilden mehrere eine Koalition, um die Exekutive zu übernehmen (wir sind ja schließlich in Österreich …). Derzeit sind das FEST (Fraktion engagierter Studierender, tritt 2017 nicht für die BV an), FLÖ, GRAS und VSStÖ. Die Exekutive setzt die Beschlüsse der Bundesvertretung um und sorgt dafür, dass in den Referaten und Arbeitsbereichen alles glatt läuft. Großteils sind hier ehrenamtliche MitarbeiterInnen am Werk, es gibt aber auch zahlreiche Angestellte, die in den Referaten tätig sind. Bei Fragen stehen die Referate und Arbeitsbereiche jederzeit zur Verfügung.

Das war also die ÖH im Schnelldurchlauf. Und genau deshalb zahlst du deine 19,20 Euro ÖH-Beitrag. Schon irgendwie das Geld wert, oder?

Clara Porak studiert Deutsche Philologie und Bildungswissenschaften an der Uni Wien.

Genderwahn an Hochschulen

  • 23.02.2017, 19:36
Die Besorgnis, Wissenschaft würde durch die Gender Studies für die Umsetzung einer politischen Ideologie missbraucht werden, ist ein präsentes Thema im medialen Diskurs. Aber was ist dran an den Vorwürfen der Unwissenschaftlichkeit und fehlenden Objektivität?

Die Besorgnis, Wissenschaft würde durch die Gender Studies für die Umsetzung einer politischen Ideologie missbraucht werden, ist ein präsentes Thema im medialen Diskurs. Aber was ist dran an den Vorwürfen der Unwissenschaftlichkeit und fehlenden Objektivität?

Bedenken bezüglich der Wissenschaftlichkeit der Gender Studies werden von unterschiedlichen Personengruppen geäußert. Von journalistischen GendergegnerInnen über AntifeministInnen hin zu christlichen FundamentalistInnen (Ja, auch die machen sich Sorgen um den Verfall der Wissenschaft). Eine kritische Reflexion von Forschung ist grundsätzlich durchaus wünschenswert, allerdings muss sie auf einer differenzierten Auseinandersetzung mit dem Gegenstand fußen, um einen konstruktiven Beitrag zu leisten. In der Gendergegnerschaft ist dies nun nicht ganz der Fall; die Gender Studies werden ohne tiefergehende Kenntnis pauschal als „pseudowissenschaftlicher Hokuspokus“ abgelehnt. Das macht es nicht ganz einfach, sich mit Argumenten der GendergegnerInnen auseinanderzusetzen. Versuchen wir es trotzdem, indem wir uns einen Kernvorwurf genauer ansehen: jenen der fehlenden Objektivität der Gender Studies aufgrund ihres politischen Gehaltes.

FEMINISTISCHE INVASION? Es ist kein großes Geheimnis, dass die Gender Studies einer politischen Bewegung entstammen und dass Gender ein höchst politischer Begriff ist. Hinter ihm steht die analytische Beobachtung, dass Menschen nach ihrer Geburt aufgrund ihrer äußeren Geschlechtsmerkmale einer Kategorie (männlich oder weiblich) zugeordnet werden und diese Zuordnung ihren weiteren Lebenslauf bestimmt. Begonnen bei der Sozialisation von Jungen und Mädchen werden sehr unterschiedliche gesellschaftliche Vorstellungen und Anforderungen an Männer und Frauen herangetragen. Das Konzept Gender problematisiert das ungleiche Geschlechterverhältnis, das auf dieser Trennung fußt. Es geht also nicht darum, Menschen umzuerziehen und ihnen ein bestimmtes Verhalten aufzudrängen, sondern darum, den Rahmen für mögliches Verhalten zu erweitern. Männer sollen Gefühle zeigen dürfen und Frauen technische Berufe ergreifen können – wenn ihnen das entspricht – ohne dabei Schwierigkeiten zu bekommen. Es handelt sich also um eine Idee, die, wenn auch nicht unter dem Vorzeichen „Gender“, in weiten Teilen der Gesellschaft akzeptiert und bejaht wird. Aus einer bestimmten Blickrichtung ist es damit durchaus plausibel, Gender als eine Bedrohung wahrzunehmen. Eine Bedrohung für sehr fundamentale gesellschaftliche Strukturen, die trotz des Fortschrittes der letzten 100 Jahre noch bestehen. So sind auch in der westlichen Gegenwartsgesellschaft Frauen diejenigen, die den Großteil von schlechtoder unbezahlter Versorgungsarbeit leisten, häufiger von Gewalt und Armut betroffen sind, weniger in Führungspositionen aufsteigen und Männer diejenigen, die misstrauisch beäugt werden, wenn sie mit Kindern arbeiten wollen. Dass das Infragestellen so fundamentaler gesellschaftlicher Prinzipien Anlass für emotionale Auseinandersetzungen gibt, ist wenig überraschend.

OBJEKTIV ODER DOCH POLEMISCH? Die Gender- KritikerInnen sprechen von einer „Genderisierung“ der Hochschulen, als ob es sich um eine staatlich verordnete „Invasion“ handle, die Unmengen an Steuergeldern verschlingen würde. Diese Behauptung hält einem Blick in die Realität jedoch nicht Stand. So sind beispielsweise an österreichischen Hochschulen 2.420 ProfessorInnen tätig, wobei sechs Professuren eine Volldenomination für Geschlechterforschung haben. Das Bild der Invasion ist, wenn auch wenig plausibel, dennoch wirkungsmächtig und nur ein Beispiel für den fast durchgängig polemischen Stil genderkritischer Beiträge, die den „Genderwahn“ als Gefahr für die Wissenschaft darstellen. Die Soziologinnen Sabine Hark und Paula-Irene Villa weisen darauf hin, dass dabei meist, ohne weitere Erörterung, von einem alltagsweltlichen Verständnis von Wissenschaft ausgegangen wird, das an positivistische Maßstäbe der Naturwissenschaften angelehnt ist. Dies ist aus mindestens zwei Gründen problematisch: Erstens delegitimiert ein derartiges Wissenschaftsverständnis jegliche Erkenntnismethoden der Kultur-, Sozial- und Geisteswissenschaften. Zweitens ist ein alltagsweltliches Wissenschaftsverständnis bestenfalls für den Alltag geeignet, eine vermeintlich wissenschaftliche Kritik darauf zu stützen, ist aber alles andere als passend. Widersprüchlich ist weiters, dass der Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit, trotz des engen Wissenschaftsbegriffes, nur an die Gender Studies gerichtet wird (übrigens auch an ihre naturwissenschaftlichen Forschungsarbeiten). Es werden weder ganze wissenschaftliche Disziplinen noch sozialwissenschaftliche Forschungen von Gleichgesinnten angegriffen. All das spricht dafür, dass die Abwertung der Gender Studies nicht einer bloßen Besorgnis um Wissenschaftlichkeit geschuldet ist, sondern eher den Bedenken und Feindseligkeiten jener, die an den alten Strukturen hängen und eigene Privilegien gefährdet sehen. Es handelt sich um eine politische Motivation genau jener Art, wie sie den Gender Studies vorgeworfen wird und die wissenschaftlicher Objektivität vermeintlich im Weg steht.

POLITISCHE OBJEKTIVITÄT? In diesem Zusammenhang ist zu fragen, was wissenschaftliche Objektivität überhaupt sein kann. Das Bild eines isolierten Wissenschaftlers, der im Labor kulturunabhängige Ergebnisse produziert, ist in der Realität nicht haltbar. Jede forschende Person ist auch Teil der Gesellschaft, hat Vorstellungen und Wertehaltungen, die in den Forschungsprozess miteinfließen. Alleine die Wahl eines Forschungsgegenstandes ist schon von gesellschaftlichen Umständen geprägt. Denn was als erforschenswert angesehen wird, ist keine Frage, die objektiv beantwortet werden kann, sondern das Ergebnis von gesellschaftlichen Diskursen und Kräfteverhältnissen. Objektivität ist im Sinne einer völligen Unabhängigkeit von Gesellschaft undenkbar, egal in welcher wissenschaftlichen Disziplin. Dies bedeutet allerdings nicht, dass keine nachvollziehbare wissenschaftliche Erkenntnis möglich wäre, sondern nur, dass es einen bedachten Umgang mit der eigenen Rolle als forschende Person und dem Entstehungszusammenhang der Ergebnisse geben muss. Aus diesen Überlegungen heraus hat sich in den Sozialwissenschaften ein reger Diskurs darüber etabliert, wie solch ein Umgang Teil des Forschungsprozesses selbst werden kann. Gerade die Gender Studies haben hierzu einen wesentlichen Beitrag geleistet.

Carina Brestian hat Soziologie und Gender Studies an der Universität Wien studiert.

Apolitische Vertretung

  • 24.06.2015, 17:25

Die ŠRVŠ, die junge Studierendenvertretung der Slowakei, will,,unideologisch“ gegen Studiengebühren kämpfen.

Die ŠRVŠ, die junge Studierendenvertretung der Slowakei, will ,,unideologisch“ gegen Studiengebühren kämpfen.

Vor etwas mehr als 25 Jahren haben sie für einen Systemwechsel gesorgt. Die slowakischen StudentInnen hatten bei der Samtenen Revolution im November 1989,  mit der die Regierung der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei friedlich zu Ende ging, eine Schlüsselrolle gespielt. Mit Massenprotesten, Streiks und dem Ruf nach Demokratie haben sie zur Demokratisierung der Gesellschaft beigetragen. Die heutige Studierendenvertretung der Slowakei, die SRVS, passt da nicht ganz ins Bild. Zumindest nicht, wenn es um radikale Forderungen geht.

Foto: Rosanna Atzara

POLITIK OHNE WAHLKAMPF. „Wir sind sehr demokratisch", sagt Jana Smelkova über die SRVS. Seit Oktober letzten Jahres steht sie an der Spitze der Generalversammlung der Studentska rada vysokych sköl. Sie vertritt die rund 175.000 Studierenden der Slowakei gegenüber dem Bildungsministerium. Die 26-Jährige ist Doktoratsstudentin an der Rechtsfakultät der Comenius. Alle zwei Jahre können slowakische StudentInnen ihre Delegierten wählen. Mit einer Zweidrittelmehrheit wird ihre Vorsitzende oder ihr Vorsitzender gewählt. Eine direkte, bundesweite Wahl der studentischen Vertretung gibt es damit im Gegensatz zu Österreich, wo diese heuer wieder eingeführt wurde, nicht.

Alle, die sich aktiv beteiligen, machen dies pro bono. Auch Jana übt ihren Job neben einer Lehrtätigkeit an der Uni und ihrem Studium ehrenamtlich aus. Der SRVS steht nur ein kleines, vom Bildungsministerium kommendes Budget zur Verfügung, Gebühren für die Studierenden gibt es nicht.

Mit der Struktur der SRVS ist Jana großteils zufrieden. „Die Delegierten werden direkt von den StudentInnen gewählt und kennen deren Anliegen sehr gut", sagt Jana. Dass es weder Wahlkampf noch politische Studierendenorganisationen gibt, die sich bei der SRVS engagieren, stört sie nicht. „Wenn wir Entscheidungen in der Generalversammlung treffen, brauchen wir ohnehin eine Mehrheit." Generell sieht sich die SRVS als nicht politisch, es gibt keine sozialpolitischen, gesamtgesellschaftlichen Forderungen und Ansprüche und auch keine - offiziellen - parteipolitischen Präferenzen von Delegierten und VertreterInnen. 

Frencien Bauer ist seit 2012 bei der SRVS. Er betont hingegen, dass Vertretungsarbeit immer auch politisch sei. „Sobald du die Rechte einer Gruppe vertrittst, machst du natürlich Politik. Ich finde, dass wir in der politischen Debatte mehr mitmischen sollten", sagt der Student der Wirtschaftsuniversität in  Bratislava. 2004 sind die slowakischen StudentInnen das letzte Mal auf die Straße gegangen. Damals wollte die Mitte-rechts-Regierung Studiengebühren einführen. Ein solches Bedrohungsszenario ist auch das einzige, bei dem sich Jana Smelkova vorstellen kann, die StudentInnen zu mobilisieren, denn die SRVS tritt gegen Studiengebühren ein. Auch mehr Geld für die Unis fordert die Vertretung regelmäßig. „Die Stimme der StudentInnen wird hier nicht wirklich gehört", beklagt Matej Smalik, Student an der Comenius. „Wir sind die einzige offizielle StudentInnenvertretung der Slowakei und in den repräsentativen Entscheidungsgremien des Hochschulwesens vertreten. Natürlich bringen wir dort unsere Forderungen ein. Wir sprechen mit dem Bildungsministerium", sagt Jana Smelkova.

Foto: Rosanna Atzara

KEIN PLATZ. Auch wenn die SRVS gegen Studiengebühren ist, für Zugangsbeschränkungen spricht sich Jana Smelkova dennoch aus. Das liege vor allem an der finanziellen Situation an den Universitäten: „Die Universitäten bekommen mehr Geld, wenn sie mehr Studierende aufnehmen. Darunter leidet dann das Betreuungsverhältnis und die Qualität des Studiums." Ein akademischer Titel sei, so die Befürchtung vieler StudentInnen, nichts mehr wert, wenn es zu viele AkademikerInnen am Markt gebe. „Ein Test vor der Zulassung zum Studium würde dafür sorgen, dass nur die Besten genommen werden und die AbsolventInnen bessere    Chancen am Arbeitsmarkt haben. Und wenn man den Test nicht besteht, kann man ihn wiederholen", so Jana. Derzeit obliegt es den Unis, solche Zugangstests zu machen. Und viele tun es auch.

Mit der Bologna-Struktur - also der Aufteilung in Bachelor, Master und PhD - ist die SRVS zwar grundsätzlich einverstanden, an der Umsetzung hapert es aber. „Wir finden es gut, dass die internationale Mobilität verbessert wurde, aber bei der Änderung der Curricula gab es schon Probleme", sagt Jana Smelkova. „Die Lehrpläne wurden oft einfach übernommen. Und der Bachelor als Abschluss ist in der Gesellschaft nicht wirklich angekommen", sagt auch Frencien Bauer.

SERVICE. Gesetzlich verankert ist die SRVS erst seit 1996. Aktuell besteht sie aus 136 Delegierten, die von den 36 privaten, öffentlichen und staatlichen Universitäten entsandt werden. Je nach Zahl der Studierenden variiert die Anzahl der Delegierten. Die größte Universität des Landes, die Comenius-Universität in Bratislava, schickt derzeit 15 Delegierte. Dort studieren aktuell etwa 29.000 StudentInnen. Zum Vergleich: An der Uni Wien waren im Wintersemester 2013 rund  92.000 Studierende  inskribiert.

Zu den größten Errungenschaften der SRVS zählen die Errichtung einer Ombudsstelle für StudentInnen an den Unis, die Einbindung der Studierenden bei der Qualitätssicherung und steuerliche Begünstigungen für StudentInnen. Die SRVS gliedert sich in sechs Arbeitsbereiche: Es gibt SekretärInnen für interne Angelegenheiten, Finanzielles, internationale Beziehungen, akademische Angelegenheiten, soziale Angelegenheiten und für Öffentlichkeitsarbeit.

Die Wahlbeteiligung an den Unis ist eher niedrig, sagt Jana Smelkova. „Es ist schon frustrierend, dass sich die StudentInnen kaum für Politik und ihre Vertretung interessieren." Auch die Studentin Kristina Jurkovicova beklagt, dass sich die slowakischen StudentInnen wenig organisieren: „Ich habe auch im Ausland studiert, dort war das ganz anders. Es gab Vereine für alles Mögliche. Hier haben wir nur die SRVS."
 

Rosanna Atzara hat Politikwissenschaft und Transkulturelle Kommunikation an der Universität Wien studiert. Jetzt studiert sie Journalismus und Neue Medien an der FH Wien der WKW. 

Welcher Hochschultyp bist du?

  • 28.09.2012, 00:18

Zu welcher Hochschule du wirklich gehörst: Mach den Selbsttest!

Zu welcher Hochschule du wirklich gehörst: Mach den Selbsttest!

Was machst du in deiner Freizeit am liebsten?

D: Mit Kindern spielen. Obwohl, eigentlich hab ich am liebsten Sommerferien.
C: Hausaufgaben.
A: In einem verrauchten Beisl Bier trinken und über die Weltrevolution diskutieren.
E: Shoppen. Oder Golf spielen. Oder ins Casino gehen. Hauptsache eigentlich, ich kann mit meinem BMW irgendwo vorfahren und unter meinesgleichen sein.
B: Mich verwirklichen. Kunst schaffen. Meine Individualität ausleben!

Stell dir vor, du wärst für einen Tag WissenschaftsministerIn. Welche Maßnahmen würdest du in der Hochschulpolitik setzen?

E: Studiengebühren in der Höhe von 5000 Euro einführen. Denn was nichts kostet, ist nichst wert! Leistung muss sich lohnen! Sonst könnten ja alle studieren, unvorstellbar!
C: Hochschulpolitik? Mit Politik hab ich nichts zu tun. Ich will ja nur in Ruhe in die Schule gehen, ähh studieren mein ich. Und dann meinen fixen, gut bezahlten Job haben.
A: Ich wehre mich strikt gegen solch eine Konzentration von Macht bei einer Person.
B: Studierenden-selbstverwaltete Räume an allen Hochschulen. Wir brauchen Platz, um uns wirklich entfalten zu können!
D: Längere Ferien für Studis!

Was muss ein Studium und eine Hochschule für dich bieten?

C: Klare, vorgegebene Strukturen, die von mir keinerlei Selbstständigkeit und Eigenverantwortung fordern, eine Klassengemeinschaft und natürlich die besten Jobchancen.
D: Viel Praxis-Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Und extra lange Sommerferien natürlich.
E: Die Hochschule muss ganz klar ein geschützter Raum für die gesellschaftliche Elite sein, um die Leistungsgesellschaft von morgen zu formieren.
B: Freiraum für meine Ideen, meine Phantasie und meinen künstlerischen Schaffenstrieb.
A: Die Uni muss natürlich die revolutionäre Zelle der Gesellschaft sein. Früher oder später werden wir den Kapitalismus stürzen - ausgehend von den Studis, auf Basis von internationaler Solidarität!

Was ziehst du am liebsten an?
E: Marco Polo, Lacoste und Tommy Hilfiger. Kleidung, die meinen Status in der Gesellschaft verdeutlicht, man muss sich schließlich vom H&M-Pöbel abgrenzen.
B: Bunte, weite Leinenkleidung, die im Freien so schön im Wind flattert! Am liebsten mag ich meine selbstgemachten Batik-T-Shirts.
A: Diese Frage ist doch nur Ausdruck des kapitalistischen Konsumwahns. Jean und Kapuzenpulli, mehr ist wirklich nicht notwendig.
D: Ach, das ist mir egal. Wird ja sowieso schmutzig und irgendwann kaputt.
C: Auf jeden Fall am neuesten Stand der Mode. Außerdem hängt das ganz von der Situation ab: Immer das Bestmögliche für sich rausholen!

Wie würdest du dich mit einem Wort selbst beschreiben?
D: Gutherzig.
A: Persönlichkeiten sind viel zu komplex, um sie mit einem Wort zu beschreiben. Das muss kritisch reflektiert werden.
E: Gesellschaftsspitze.
B: Kreativ.
C: Zielstrebig.
 

ERGEBNIS:

A ÖFFENTLICHE UNIVERSITÄT
Du bist der/die klassische Uni-StudentIn, gehst zu Mittag ins Kaffeehaus frühstücken und verbringst deine Zeit lieber mit endlosen Grundsatzdiskussionen als auf der Uni. Du bist chaotisch, planst nicht viel länger als bis übermorgen und verfolgst vor allem ein Ziel: Die Weltrevolution starten!

B KUNSTUNI
Für dich steht Kreativität und Selbstentfaltung an erster Stelle. Du trägst gern selbstgemachte Kleidung und wenn du nicht gerade malst, tanzt du am liebsten deinen Namen, so wie du es in der Waldorfschule gelernt hast.

C FACHHOCHSCHULE
Die FH ist genau das Richtige für dich - mit Eigenverantwortung kannst du nicht so richtig umgehen und bist daher froh über deinen fix vorgegebenen Stundenplan. Außerdem ist dir zu viel Theorie schon in den allgemeinbildenden Fächern in der Schule auf die Nerven gegangen und du hast daher vor allem aus einem Grund die FH gewählt: Praxisnähe.

D PÄDAGOGISCHE HOCHSCHULE
Weil der Job als Kinderanimateurin in deinem Lieblings-Magic-Life-Club schon vergeben war, hast du mal an der PH inskribiert. Auch nicht so schlecht - die Kinder sind die gleichen und für das mit der Party hast du dann eh die neunwöchigen Sommerferien.

E PRIVATUNIVERSITÄT
Die Reproduktion der gesellschaftlichen Elite ist für dich eine wesentliche Aufgabe der Uni. Dafür musst du (bzw. müssen deine Eltern) aber auch ordentlich etwas springen lassen. Mit deinen abwechselnd hellblauen und rosa Hemden mit aufgestelltem Kragen bist du aber auch auf der Wirtschaftsuni oder am Juridikum gern gesehen, wenn das Geldbörserl doch nicht so dick ist.