Gender Studies

Konserven-Protest

  • 21.06.2017, 17:54
Aufgeklärter Sexualunterricht an Schulen, das Recht auf Abtreibung, Frauenhäuser als Schutzeinrichtungen oder auch einfach die Forderung nach gleichen Möglichkeiten für alle Geschlechter – klingt eigentlich nicht schlecht.

Aufgeklärter Sexualunterricht an Schulen, das Recht auf Abtreibung, Frauenhäuser als Schutzeinrichtungen oder auch einfach die Forderung nach gleichen Möglichkeiten für alle Geschlechter – klingt eigentlich nicht schlecht. Manche Leute bringt das trotzdem auf die Palme. Dies zeigt sich zunehmend in Protesten gegen diese und andere Errungenschaften von Gleichstellungspolitik. Ob es erregte Eltern sind, die gegen Aufklärungsunterricht demonstrieren, oder Papst Benedikt XVI, der vor einer „Genderdiktatur“ warnt. In ganz Europa werden Protestformen stark, die sich gegen die Idee einer gleichberechtigten Gesellschaft wenden.

Mit den unterschiedlichen Auswüchsen dieses Phänomens setzen sich Sabine Hark, Paula-Irene Villa und 16 weitere Autor_innen im Sammelband „Anti-Genderismus“ auseinander. Das Buch vereint verschiedene sozial- und kulturwissenschaftliche Analysen und tastet sich so an die vielfältigen Dimensionen und Funktionen der Abwehrhaltung gegenüber Gleichstellung heran. Warum wird der Genderbegriff derart kontrovers diskutiert? Welche politischen Agenden stehen dahinter und welche argumentativen Strategien werden im Anti-Gender-Diskurs angewendet? Diesen Fragen wird in 14 Beiträgen nachgegangen. Die Auseinandersetzung reicht von der Rolle der evangelischen und katholischen Kirche über hatespeech im Internet hin zur argumentativen Instrumentalisierung des „Kindeswohls“. Gut hat mir gefallen, dass der Sammelband Anti- Genderismus als konservative Protestform analysiert, als Reaktion auf die Prekarisierung, der die Menschen mit dem neoliberalen Umbau der Gesellschaft zunehmend ausgesetzt sind. Er spannt damit einen Bogen zu weiteren gesellschaftlichen Zusammenhängen und stellt klar, dass das Geschlechterverhältnis einen wesentlichen Teilbereich kritischer Gesellschaftsanalyse darstellt. Auch wird deutlich, wie angreifbar und wackelig politische Errungenschaften bleiben, obwohl sie scheinbar zum common sense geworden sind.

Ein Sammelband, der dir das Gefühl gibt, im Recht zu sein, und den aktuellen Diskurs um Gender in Perspektive rückt.

Sabine Hark/Paula-Irene Villa (Hg.): Anti-Genderismus. Sexualität und Geschlecht als Schauplätze aktueller politischer Auseinandersetzungen.
Transkript 2015, 264 Seiten, 26,99 Euro.

Carina Brestian studiert Soziologie an der Universität Wien.

Einfach zu brauchbar

  • 12.05.2017, 21:36
Mediale Angriffe auf die Gender Studies.

Mediale Angriffe auf die Gender Studies.

Was die Gender Studies so machen, sei nicht nachvollziehbar für die Durchschnittsbevölkerung: eine beliebte Beschwerde in Mainstreammedien. Forschungsfragen und Ergebnisse seien unverständlich und das Konzept Gender widerstreite „der ursprünglichsten Wahrnehmung und Empfindung der meisten Menschen“, wie es der Leiter des Politteils der Frankfurt Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) Volker Zastrow stilbildend auf den Punkt brachte.

UNVERSTÄNDLICH. Was impliziert dieser Vorwurf genau? Kann von einer Wissenschaft verlangt werden, dass man ihre Tätigkeiten ohne jegliches Vorwissen verstehen und beurteilen kann? Gilt das auch für andere Wissenschaften, Baustatik zum Beispiel? Ich würde eher sagen, dass das unrealistisch ist. Wissenschaftliche Disziplinen haben notgedrungen ihre eigene Sprache, mit der Phänomene analytisch genauer gefasst werden als mit Alltagssprache. Es bleibt wünschenswert, ihre Ergebnisse in geeigneter Weise an Lai_innen zu kommunizieren. Doch gerade hier kann man den Gender Studies kaum ein Versäumnis unterstellen. Denn es gibt unzählige einführende Texte in Flyer-, Buch- und digitaler Form, die alltagsweltlich bestens verständlich sind. Hätte sich Volker Zastrow den einen oder anderen davon zu Gemüte geführt, könnte er kaum behaupten, das Konzept Gender würde in Widerspruch zur „ursprünglichsten Wahrnehmung und Empfindung der meisten Menschen“ stehen, denn diese Wahrnehmung und Empfindung ist zentraler Bestandteil dessen, was mit Gender gefasst werden soll. Und auch wenn es in den Gender Studies unterschiedliche Sichtweisen zum Verhältnis von Kultur und Natur gibt, ist mir noch nie die Behauptung untergekommen, diese „Wahrnehmung und Empfindung der meisten Menschen“, sich als Mann oder Frau zu fühlen, würde schlicht nicht existieren. Wobei man Zastrow ja fast dankbar sein muss, dass er hier von den „meisten“ und nicht von allen Menschen schreibt. Denn das trägt dem Umstand Rechnung, dass es sehr wohl Menschen gibt, die sich nicht in das Mann- Frau-Zweierschema einordnen lassen, oder deren „ursprünglichster Empfindung“ das zugewiesene Geschlecht nicht entspricht. Folgerichtig müsste das als abnormal abgestempelt werden – aber was wäre damit gewonnen? Das widerstrebt mir als Privatperson und auch als Wissenschaftlerin ist es illegitim, ein System für Analysen zu benutzen, das biologisch und in seinen sozialen Konsequenzen nicht treffsicher ist. Spannend ist hier eher, woher der Wunsch kommt, diese strikte Trennung zu erhalten. Ja, die Leute sollen sich fühlen, wie sie sich fühlen. Gerade bei „ursprünglichsten“ Gefühlen sollte die Gefahr, dass sie einem weggenommen werden, ja eigentlich absurd erscheinen. Woher rührt also die Angst, das Genderkonzept würde Menschen zu geschlechtslosen Wesen umerziehen? Und was ist das überhaupt für ein Argument? Ist wissenschaftliche Forschung nur dann wissenschaftlich, wenn sie mit der „Wahrnehmung und Empfindung der meisten Menschen“ übereinstimmt? Gilt das auch für Baustatik?

WIDERSTREITEND. Folgt man Zastrow weiter, widerstreitet Gender nicht nur „der ursprünglichsten Wahrnehmung und Empfindung der meisten Menschen“, sondern auch „den Religionen und naturwissenschaftlicher Forschung“. Auf den vermeintlichen Widerspruch zu naturwissenschaftlicher Forschung bin ich in der letzten progress-Ausgabe („Genderwahn an Hochschulen“) schon eingegangen und möchte hier nur einwerfen, dass die Gender Studies interdisziplinär sind und naturwissenschaftliche Forschung daher ein wesentlicher Bestandteil ist. Bleibt noch der Widerspruch zur Religion und da muss man Zastrow ehrlich zu Gute halten: Das stimmt! Das Konzept Gender widerspricht zumindest in weiten Teilen religiösen Vorstellungen von Mann und Frau. Das ist wahr und das Argument gefällt mir nicht nur so gut, weil es wahr ist, sondern auch weil Zastrow keinen Genierer hat, es im selben Satz mit naturwissenschaftlicher Forschung zu bringen. Die Frage, ob naturwissenschaftliche Forschung nicht auch den Religionen in dem einen oder anderen Punkt „widerstreitet“, könnte ich mir jetzt vielleicht sparen. Aber „widerstreitet“ Religion nicht häufig auch der „ursprünglichsten Wahrnehmung und Empfindung der meisten Menschen“? Stichwort Sexualmoral.

Andere Leute hätten vielleicht Bedenken, diese drei Aspekte so nebeneinanderzustellen. Zastrow hingegen formt diesen Widerspruch um zu einer praktikablen Lösung für den Umgang mit Gender: Du kannst dir aussuchen, wem Gender widerspricht, ob deinem Bauchgefühl, deinem religiösen Glauben oder dem was du als „echte“ Wissenschaft gelten lässt.

NUTZLOS. Naheliegend ist dann auch der medial populäre Vorwurf, die Gender Studies würden keine nützlichen Ergebnisse liefern. Und damit sind wir paradoxerweise genau dort angelangt, wo wir in der letzten progress-Ausgabe stehengeblieben sind: bei dem Vorwurf, dass die Gender Studies zu nahe an politischen Interessen und Vorgängen angesiedelt, also gewissermaßen zu nützlich sind (wie es Villa und Hark in ihrem „Anti-Genderismus“-Buch beschreiben). An dieser Stelle stellt sich für mich schon die Frage, wie eine Wissenschaft, die gesellschaftliche Ungleichheitsstrukturen untersucht, ihre Nützlichkeit anders beweisen sollte, als gesellschaftlich relevantes Wissen über Ungleichheit zu erzeugen. Also wie könnte dieses Wissen nützlich sein, wenn es gleichzeitig keinen Einfluss haben darf? Nutzlos ist das erzeugte Wissen nicht, es ist nur wenig hilfreich für die Argumentation gegen gesellschaftliche und sexuelle Vielfalt. Und das scheint eher das Problem zu sein.

Carina Brestian studiert Soziologie an der Universität Wien.

Politische Alltagsdiskussionen

  • 11.05.2017, 20:07
Wer Leute dazu animieren will, über den eigenen Tellerrand zu blicken, ist gut beraten, das selbst auch zu tun.

Wer Leute dazu animieren will, über den eigenen Tellerrand zu blicken, ist gut beraten, das selbst auch zu tun.

Ich weiß nicht, ob ihr das auch kennt, aber ich finde mich relativ häufig in politischen Diskussionen wieder, in denen sich alles in mir zusammenkrampft, wenn ich meinem Gegenüber so zuhöre. Und da ist es egal, ob es um Grenzzäune, Frauenquoten oder Mindestsicherung geht. Ärgerlich finde ich eigentlich immer dasselbe: Die verkürzte Art, wie über soziale Probleme nachgedacht wird, wo sie uns doch eigentlich alle betreffen und genug Anstoß zum kritischen Denken existiert.

Die akademische und politische Linke generiert seit jeher kritisches Wissen, um ungerechte Gesellschaftsverhältnisse zu bekämpfen, nicht zuletzt, indem sie Bewusstsein darüber schafft. Nun lässt sich natürlich einwenden, dass es seit jeher auch gesellschaftliche Kräfte gibt, die sich tatkräftig gegen eine entsprechende Modernisierung wehren. Verständlicherweise – von sozialer Ungleichheit profitieren ja auch die einen oder anderen. Aber diese Profiteur_innen sitzen mir in meinem Alltag eigentlich kaum gegenüber. Zumindest strukturiert sich die Argumentation meiner Gesprächspartner_innen meist nicht danach, ob sie profitieren oder nicht. Viel eher scheint es egal zu sein, wie relevant ein politisches Thema ist. Dass alle Menschen ein differenziertes Wissen dazu haben, ist ganz offensichtlich zu viel verlangt. Irgendwie eh klar. Alltagswissen entsteht eben unter bestimmten Voraussetzungen, die das zunächst kaum anders ermöglichen.

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WISSEN UND HANDELN. Eine der wohl bemerkenswertesten Einsichten aus der Wissenssoziologie ist, dass Wissen immer in Zusammenhang mit Handeln gefasst werden muss, das heißt, dass jedes Wissen auf den Handlungsrahmen bezogen ist, in dem es nützlich sein soll und in dem es bestehen muss. In der akademischen Auseinandersetzung mit Geschlecht können theoretische Überlegungen und empirische Befunde zu einer umfassenden Analyse des Geschlechterverhältnisses zusammengetragen werden, die Aufschluss über die hierarchische Positionierung von Männern und Frauen in der Gesellschaft gibt. Für den Alltag dieser Männer und Frauen ist es zunächst aber völlig ausreichend zu wissen, wie man sich dem eigenen Geschlecht entsprechend kleidet und verhält (und auch für die Genderforscherin ist diese Kompetenz abseits ihrer akademischen Metaposition unverzichtbar). Alltagswissen beschränkt sich also zunächst auf das, was im Handlungsrahmen des eigenen Alltags so auftaucht und relevant wird. Dazu gehören auch Inhalte des öffentlichen Diskurses über politische Themen, die mehr oder weniger bewusst aufgenommen werden.

Nun sind Inhalte des öffentlichen Diskurses, zum Beispiel die Berichterstattung in Mainstreammedien, nicht immer darauf ausgelegt, Sachverhalte adäquat darzustellen, egal wie wichtig das Thema sein mag. Nebst der Tatsache, dass Medien einem starken Verwertungszwang unterliegen und daher zunehmend auf Unterhaltung und Skandalisierung setzen, sind sie freilich auch Schauplätze politischer Kämpfe, in denen unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen, die Ausdruck politischer Kräfteverhältnisse sind. Und diese Stimmen tauchen auch in Alltagsdiskussionen wieder auf.

Das macht Alltagsdiskussionen zu Räumen der politischen Auseinandersetzung. Und zwar zu welchen, auf die wir direkten Einfluss haben. Wir sind also gut beraten, uns Kommunikationsstrategien zu überlegen, bei denen wir am Ende nicht selbst völlig verzweifeln. Weil nervenaufreibend ist das schon, immer wieder erklären zu müssen, dass an der Prekarisierung der Arbeitswelt nicht wirklich „die Ausländer“ schuld sind und die Feministinnen nicht an der „Verweichlichung des Mannes“.

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RAUM DER REFLEXION. Aber wie lässt sich eine Diskussion so gestalten, dass Reflexion möglich ist und sie nicht in Ärger und Frustration endet? Raphaela Weiss vom Verein „Sapere Aude“ zur Förderung politischer Bildung beschreibt für ihre Arbeit in Workshops, dass es zunächst wichtig sei, sich einer belehrenden Haltung à la „Ich sag euch jetzt wie’s funktioniert!“ zu entledigen. Ähnlich argumentiert der Geschlechterforscher Paul Scheibelhofer von der Uni Innsbruck, dass es in der Vermittlung von kritischem Wissen nicht darum gehen soll, Leute zu erleuchten. Anstatt also krampfhaft zu versuchen, das eigene Wissen in die Köpfe anderer zu füllen, ist es viel sinnvoller sich anzusehen, was sie selbst aus kritischen Überlegungen an Wissen generieren. Ein wichtiger Punkt dabei ist laut Scheibelhofer, einen Bezug zu eigenen Erfahrungen herstellen zu können. Gerade bei gesellschaftspolitischen Themen ist das oft gut möglich. So können ganz im Sinne guter alter Soziologie persönliche Probleme als soziale Themen erkannt werden. Dieser Zugang bietet auch die Chance, selbst etwas aus einem Gespräch mitzunehmen und Wissenskoalitionen zu bilden.

Ganz in diesem Sinne ist es weiters hilfreich, sich nicht über Aussagen zu empören, auch wenn das mitunter eine der schwersten Aufgaben in Diskussionen ist. Ein genialer Trick, um auch die eigenen Emotionen hier abzufangen, ist es, wie Weiss vorschlägt, Fragen zu stellen, wenn einem eine Aussage nicht einleuchtet: „Es bringt tausendmal mehr, Leute selbst auf Zusammenhänge bzw. auf die Komplexität mancher Dinge draufkommen zu lassen, als ihnen eine fremde Meinung aufzuzwingen.“ Fragenstellen zeigt Interesse an der Sichtweise der anderen, ist respektvoll, schafft Vertrauen und kann damit zu einer guten Gesprächsbasis beitragen, auf der es dann, wie Weiss argumentiert, viel leichter wird, Aussagen zu überdenken. Durch Fragenstellen lässt sich weiters, wie die Sozialwissenschaftlerin Katharina Debus betont, die „Beweislast“ umkehren, so dass nicht nur meine Perspektive „erklärungsbedürftig“ ist, sondern auch die andere. Fragen kommen weniger aufdringlich daher als Gegenreden und eignen sich dadurch gut als Input zum Weiterdenken. Durch Zuhören erfährt man aber auch selbst mehr, bekommt einen tieferen Einblick in Gedankengänge und Argumentationslinien des Gegenübers und kann damit Verständnis für dessen Positionierung erzeugen. Verständnis, das nicht nur das Gegenüber beruhigen kann, sondern auch einen selbst. Es ermöglicht, die eigene Einstellung gegenüber anderen zu verändern. Zu verstehen, warum sich eine Person so positioniert, wie sie es tut, kann es deutlich leichter machen, mit dieser Positionierung zurechtzukommen und bietet vielleicht sogar Anlass, sich mit eigenen Erwartungen auseinanderzusetzen, die an andere Personen gestellt werden. Und nicht zuletzt ist Verständnis aufzubringen ebenfalls ein wertvoller Beitrag auf der Beziehungsebene, weil es der anderen Person vermittelt, ernstgenommen zu werden. Die Beziehungsebene beschreibt Debus als ganz zentral für einen Raum der Reflexion, denn Vertrauen macht in der Vermittlung von Problematiken vieles leichter. Dazu, meint sie, ist es auch förderlich, Missverständnisse von vornherein aus dem Weg zu räumen. Böse Absichten, die einem unterstellt werden könnten, sind ja relativ schnell verneint: „Ich bin keine Männerhasserin, aber ich bin dafür, dass Frauen und Männer die gleichen Möglichkeiten im Leben haben. Und du?“ Denn das funktioniert auch in die andere Richtung. Auch einem selbst kann es ein beruhigendes Gefühl geben, zu wissen, dass das Gegenüber nicht prinzipiell ein sexistisches oder rassistisches Arschloch ist. Hier lässt sich an einen weiteren Punkt anknüpfen, auf den die Sozialwissenschaftlerin aufmerksam macht: Hinter einer diskriminierenden Aussage steht nicht unbedingt die Absicht, zu diskriminieren. Es ist daher sinnvoll, zwischen Absichten und Effekten zu unterscheiden.

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Letztendlich, so meint auch Debus, können wir nicht den Anspruch haben, von unserem Gegenüber ein sofortiges „Ach ja, stimmt!“ zu bekommen. Sie sieht Widerstand als zentralen Teil des Lern- und Reflexionsprozesses, in den wir viel emotionale Energie hineinstecken.

AUSZUCKEN? Welche Rolle Emotionen in Räumen der Reflexion spielen können, ist wohl relativ offen. Das Spektrum an Diskussionsgefühlen ist riesig: Aggression, Empathie, Angst, Dankbarkeit und so weiter. Auch die Arten der Gefühlsäußerungen sind vielfältig und wirken situationsabhängig unterschiedlich. Das macht viele Wege des Umgangs mit eigenen und fremden Emotionen in Diskussionen plausibel. So ist Weiss in Workshop-Situationen darum bemüht, Diskussionen um politische Themen auf einer sachlichen Ebene zu halten. Wobei sie meint, dass es auch hier manchmal legitim ist, Emotionen einzubringen, gerade bei sozialpolitischen Themen, wo ein emotionaler Bezug zum eigenen Leben besteht. Ihr geht es darum, Wege zu vermitteln, konstruktiv über Politik zu sprechen. Einen anderen Aspekt hat mir unlängst ein Fundraiser auf der Straße in Bezug auf seine Arbeit beschrieben. Beim Spendeneintreiben für Amnesty International ist es eine wesentliche Aufgabe, Bewusstsein über politische Missstände zu schaffen. Sympathie aufzubauen und eine emotionale Verbindung zu Problemen herzustellen ist dabei das Um und Auf. Und warum auch nicht? Emotionale Energie ist ein zentraler Antrieb, für Gerechtigkeit zu kämpfen. Oder auch für etwas Anderes. Gerade für rechte Politiken werden Emotionen gekonnt instrumentalisiert. Nicht umsonst setzt der Rechtspopulismus darauf, Wut oder Ängste in den Menschen zu schüren. Und auch wenn rechte Erzählungen von sozialen Problemen und Lösungen die Realität nicht adäquat abbilden, sind die entstandenen Emotionen dennoch real und verlangen politisch danach, ernstgenommen zu werden. Insofern ist die klassische Forderung „Man muss die Leute halt auch verstehen“ nicht ganz abwegig. Das muss allerdings mit Bedacht erledigt werden und darf, wie Debus betont, nicht dazu führen, dass diskriminierende Diskurse Raum bekommen und legitimiert werden: „Vielmehr kann es hilfreich sein, einerseits diskriminierenden Aussagen klare Grenzen zu setzen und andererseits gemeinsame nicht-diskriminierende Anliegen zu finden, die ernst genommen werden, wie zum Beispiel die Sorge vor ökonomischer Prekarisierung, das Gefühl mangelnder Mitbestimmung oder der Wunsch nach Orientierung und Handlungsfähigkeit“. Es geht freilich nicht darum, in jeder Situation für jede Person Verständnis und Mitgefühl aufzubringen, oder immer ruhig zu bleiben. Sondern diese Möglichkeiten neben vielen anderen wahrzunehmen und zu nutzen.

PÄDAGOGISCHER AUFTRAG? Vermittlung von kritischem Wissen kann keineswegs nur auf individueller Ebene passieren. Freilich muss es immer darum gehen, Strukturen mitzudenken. Die individuelle Ebene ist aber nicht unwesentlich, weil sie unseren unmittelbaren Einflussbereich darstellt. Unsere Nerven sind es, die es uns danken, wenn politisch relevante Inhalte in geeigneter Weise diskutiert werden. Es geht nicht zuletzt auch darum, Wege zu finden, solche Diskussionen für sich selbst erträglich oder sogar fruchtbar zu machen.

Carina Brestian studiert Soziologie an der Universität Wien.

Genderwahn an Hochschulen

  • 23.02.2017, 19:36
Die Besorgnis, Wissenschaft würde durch die Gender Studies für die Umsetzung einer politischen Ideologie missbraucht werden, ist ein präsentes Thema im medialen Diskurs. Aber was ist dran an den Vorwürfen der Unwissenschaftlichkeit und fehlenden Objektivität?

Die Besorgnis, Wissenschaft würde durch die Gender Studies für die Umsetzung einer politischen Ideologie missbraucht werden, ist ein präsentes Thema im medialen Diskurs. Aber was ist dran an den Vorwürfen der Unwissenschaftlichkeit und fehlenden Objektivität?

Bedenken bezüglich der Wissenschaftlichkeit der Gender Studies werden von unterschiedlichen Personengruppen geäußert. Von journalistischen GendergegnerInnen über AntifeministInnen hin zu christlichen FundamentalistInnen (Ja, auch die machen sich Sorgen um den Verfall der Wissenschaft). Eine kritische Reflexion von Forschung ist grundsätzlich durchaus wünschenswert, allerdings muss sie auf einer differenzierten Auseinandersetzung mit dem Gegenstand fußen, um einen konstruktiven Beitrag zu leisten. In der Gendergegnerschaft ist dies nun nicht ganz der Fall; die Gender Studies werden ohne tiefergehende Kenntnis pauschal als „pseudowissenschaftlicher Hokuspokus“ abgelehnt. Das macht es nicht ganz einfach, sich mit Argumenten der GendergegnerInnen auseinanderzusetzen. Versuchen wir es trotzdem, indem wir uns einen Kernvorwurf genauer ansehen: jenen der fehlenden Objektivität der Gender Studies aufgrund ihres politischen Gehaltes.

FEMINISTISCHE INVASION? Es ist kein großes Geheimnis, dass die Gender Studies einer politischen Bewegung entstammen und dass Gender ein höchst politischer Begriff ist. Hinter ihm steht die analytische Beobachtung, dass Menschen nach ihrer Geburt aufgrund ihrer äußeren Geschlechtsmerkmale einer Kategorie (männlich oder weiblich) zugeordnet werden und diese Zuordnung ihren weiteren Lebenslauf bestimmt. Begonnen bei der Sozialisation von Jungen und Mädchen werden sehr unterschiedliche gesellschaftliche Vorstellungen und Anforderungen an Männer und Frauen herangetragen. Das Konzept Gender problematisiert das ungleiche Geschlechterverhältnis, das auf dieser Trennung fußt. Es geht also nicht darum, Menschen umzuerziehen und ihnen ein bestimmtes Verhalten aufzudrängen, sondern darum, den Rahmen für mögliches Verhalten zu erweitern. Männer sollen Gefühle zeigen dürfen und Frauen technische Berufe ergreifen können – wenn ihnen das entspricht – ohne dabei Schwierigkeiten zu bekommen. Es handelt sich also um eine Idee, die, wenn auch nicht unter dem Vorzeichen „Gender“, in weiten Teilen der Gesellschaft akzeptiert und bejaht wird. Aus einer bestimmten Blickrichtung ist es damit durchaus plausibel, Gender als eine Bedrohung wahrzunehmen. Eine Bedrohung für sehr fundamentale gesellschaftliche Strukturen, die trotz des Fortschrittes der letzten 100 Jahre noch bestehen. So sind auch in der westlichen Gegenwartsgesellschaft Frauen diejenigen, die den Großteil von schlechtoder unbezahlter Versorgungsarbeit leisten, häufiger von Gewalt und Armut betroffen sind, weniger in Führungspositionen aufsteigen und Männer diejenigen, die misstrauisch beäugt werden, wenn sie mit Kindern arbeiten wollen. Dass das Infragestellen so fundamentaler gesellschaftlicher Prinzipien Anlass für emotionale Auseinandersetzungen gibt, ist wenig überraschend.

OBJEKTIV ODER DOCH POLEMISCH? Die Gender- KritikerInnen sprechen von einer „Genderisierung“ der Hochschulen, als ob es sich um eine staatlich verordnete „Invasion“ handle, die Unmengen an Steuergeldern verschlingen würde. Diese Behauptung hält einem Blick in die Realität jedoch nicht Stand. So sind beispielsweise an österreichischen Hochschulen 2.420 ProfessorInnen tätig, wobei sechs Professuren eine Volldenomination für Geschlechterforschung haben. Das Bild der Invasion ist, wenn auch wenig plausibel, dennoch wirkungsmächtig und nur ein Beispiel für den fast durchgängig polemischen Stil genderkritischer Beiträge, die den „Genderwahn“ als Gefahr für die Wissenschaft darstellen. Die Soziologinnen Sabine Hark und Paula-Irene Villa weisen darauf hin, dass dabei meist, ohne weitere Erörterung, von einem alltagsweltlichen Verständnis von Wissenschaft ausgegangen wird, das an positivistische Maßstäbe der Naturwissenschaften angelehnt ist. Dies ist aus mindestens zwei Gründen problematisch: Erstens delegitimiert ein derartiges Wissenschaftsverständnis jegliche Erkenntnismethoden der Kultur-, Sozial- und Geisteswissenschaften. Zweitens ist ein alltagsweltliches Wissenschaftsverständnis bestenfalls für den Alltag geeignet, eine vermeintlich wissenschaftliche Kritik darauf zu stützen, ist aber alles andere als passend. Widersprüchlich ist weiters, dass der Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit, trotz des engen Wissenschaftsbegriffes, nur an die Gender Studies gerichtet wird (übrigens auch an ihre naturwissenschaftlichen Forschungsarbeiten). Es werden weder ganze wissenschaftliche Disziplinen noch sozialwissenschaftliche Forschungen von Gleichgesinnten angegriffen. All das spricht dafür, dass die Abwertung der Gender Studies nicht einer bloßen Besorgnis um Wissenschaftlichkeit geschuldet ist, sondern eher den Bedenken und Feindseligkeiten jener, die an den alten Strukturen hängen und eigene Privilegien gefährdet sehen. Es handelt sich um eine politische Motivation genau jener Art, wie sie den Gender Studies vorgeworfen wird und die wissenschaftlicher Objektivität vermeintlich im Weg steht.

POLITISCHE OBJEKTIVITÄT? In diesem Zusammenhang ist zu fragen, was wissenschaftliche Objektivität überhaupt sein kann. Das Bild eines isolierten Wissenschaftlers, der im Labor kulturunabhängige Ergebnisse produziert, ist in der Realität nicht haltbar. Jede forschende Person ist auch Teil der Gesellschaft, hat Vorstellungen und Wertehaltungen, die in den Forschungsprozess miteinfließen. Alleine die Wahl eines Forschungsgegenstandes ist schon von gesellschaftlichen Umständen geprägt. Denn was als erforschenswert angesehen wird, ist keine Frage, die objektiv beantwortet werden kann, sondern das Ergebnis von gesellschaftlichen Diskursen und Kräfteverhältnissen. Objektivität ist im Sinne einer völligen Unabhängigkeit von Gesellschaft undenkbar, egal in welcher wissenschaftlichen Disziplin. Dies bedeutet allerdings nicht, dass keine nachvollziehbare wissenschaftliche Erkenntnis möglich wäre, sondern nur, dass es einen bedachten Umgang mit der eigenen Rolle als forschende Person und dem Entstehungszusammenhang der Ergebnisse geben muss. Aus diesen Überlegungen heraus hat sich in den Sozialwissenschaften ein reger Diskurs darüber etabliert, wie solch ein Umgang Teil des Forschungsprozesses selbst werden kann. Gerade die Gender Studies haben hierzu einen wesentlichen Beitrag geleistet.

Carina Brestian hat Soziologie und Gender Studies an der Universität Wien studiert.

„Immerhin hab’ ich das Semesterticket“

  • 25.03.2015, 19:19

Die akademische Welt – eine Spielwiese der Entfaltung und Horizonterweiterung? Vielleicht, wenn du die Szene-Codes kennst. Paula Balov darüber, was an der Uni wirklich zählt.

Die akademische Welt – eine Spielwiese der Entfaltung und Horizonterweiterung? Vielleicht, wenn du die Szene-Codes kennst. Paula Balov darüber, was an der Uni wirklich zählt.

„Freuen Sie sich aufs Studieren,“ sagte die Frau vom Jobcenter, als ich frisch nach dem Abi (die deutsche Matura, Anmerkung der Red.) bei ihr landete: „Es wird die schönste Zeit Ihres Lebens.“ Ähnliches hörte ich auch von Freund_innen und Verwandten. Ich freute mich tatsächlich darauf, immerhin wurde sie mir von allen Seiten schmackhaft gemacht. Die Leute bezogen sich dabei nicht auf Ermäßigungen oder das Semesterticket, sondern auf diese ach so freie – nein, die freieste Form des Lernens, auf die unzähligen Perspektiven, die sich ergeben würden, blablabla.

Meine Erwartungen an die Universität waren bescheiden. Ich dachte, in einem Seminar geht es in erster Linie ums Lernen, darum eine Atmosphäre zu schaffen, in der jede_r seine_ihre Ideen und Probleme einbringen kann und hoffentlich mit dem Gefühl rauskommt: „Geil, ich hab was kapiert, ich hab einen Zusammenhang erkannt, ich habe die und die Fragen gefunden, die ich spannend finde…“

STATTDESSEN: Jede Menge akademischer Szene-Codes. Wer drückt etwas verschwurbelter aus? Wer macht mehr Namedropping? Wer kennt die richtigen Schlagwörter? Wer hat Marx gelesen? Aus meiner Motivation mich an Seminaren zu beteiligen, wurde zurückhaltendes in der Ecke Sitzen, weil ich mich nicht dumm fühlen wollte.

Ich bin Mittelschichtskind und als solches in vielerlei Hinsicht privilegiert. Es gibt jedoch einen Punkt, in dem ich nicht so privilegiert bin: Sprache. Deutsch habe ich erst in der Grundschule gelernt und wegen meiner (Aus-)Sprache nicht ernst genommen zu werden, war lange Alltag für mich. („Wie süß, solche Fehler machen nun mal ausländische Kinder!“)
Auch wenn meine Eltern studiert haben und ich mit meinem Vater am Mittagstisch über Beuys und Postmoderne philosophierte, haben wir das nie auf Angeberdeutsch getan. Mein Vater hat alltägliches Mazedonisch geredet und ich auf einem mazedonisch-kroatisch-deutschen Mix. Im Vordergrund stand das Verständnis. Ich war also mit dem geisteswissenschaftlichen Kauderwelsch nicht so vertraut wie meine Kommiliton_innen aus mehrheitsdeutschen, akademischen Familien.

Ich sah mit der Zeit ein, dass ich, um komplexe Zusammenhänge zu erfassen, nicht um Fachwörter und theoretische Konzepte herumkomme und diese auch sehr hilfreich sein konnten. Ich sah und sehe jedoch nicht ein, dass dieser zwar hilfreiche, aber auch oft überflüssige Sprachstil, zusammen mit einer elitären Performance, die Eintrittskarte in die akademische Welt bildet.

Stell dir vor, du stehst morgens auf und denkst: „Geil, gleich Blockseminar Postcolonial Studies!“, und hast ungelogen übertrieben viel Bock zu lernen. Und eine halbe Stunde nach Seminarbeginn fühlst du dich so klein, dass du am liebsten wieder in dein Bett kriechen würdest.

SO ERGING ES MIR OFT. Als würden mir ständig Leute reinwürgen, wie viele Defizite ich habe: Indem sie z.B. das, was ich gerade gesagt hatte, in Akademisch übersetzten, ehe es als Unterrichtsbeitrag gewertet wurde. Rhetorik und Performance sind das A und O. Wie naiv von mir zu denken, dass es ums Lernen gehen würde.

„Immerhin habe ich das Semesterticket“, dachte ich oft. Und Uni-Freund_innenschaften. Aber auch an denen ist Elite- und Leistungsdenken nicht vorbeigegangen: Einmal hat mich eine Kommilitonin eingeladen mit ihr und einer Dozentin Kaffee trinken zu gehen. Wir sprachen über ein Seminar, das wir im ersten Semester besucht hatten. „Du hast die Texte nie gelesen, oder?“, sagte sie schmunzelnd-herablassend vor der Dozentin. Doch, hatte ich. Aber ich hatte viele – trotz Fleiß und Mühe – nicht verstanden und nicht gerade den Eindruck, dass in dieses Seminar ein Raum gewesen wäre darüber zu sprechen. Zu oft wurde ich seltsam angeguckt, wenn ich Verständnisprobleme äußerte, so ein Ach-wie-süß-die-ist-zu-blöd-das-zu-checken-Blick. Ich fühlte mich bloßgestellt und als faul abgestempelt, auch noch direkt vor der Dozentin.

Ein anderes mal bin ich nach längerer Zeit wieder zu einem Seminar gekommen. Ich hatte neuen Mut getankt, es endlich mit dem Studieren hinzukriegen. Nach dem Unterricht fragte mich eine Kommilitonin, ob ich noch irgendwohin mitkommen könnte. „Nein, ich bin auf dem Sprung“, sagte ich. „Ach was, ich kenn dich doch! Du bist nie auf dem Sprung!“, kommentierte diese und meinte eigentlich: Du bist doch so ne schlechte Studentin, was wirst du schon großartig zu tun haben? Nee, is klar, ich sitz den ganzen Tag zu Hause und feil’ mir die Fußnägel, im Gegensatz zu ihr, die schon ihr ich weiß nicht wievieltes Praktikum in China gemacht hat.

MIT FICK-DICH-BLICK und Scheuklappen geisterte ich durch die Uni, bis ich mir sagte: So kann das nicht weitergehen. Also, was habe ich gemacht? Den nächsten Fehler: Geh mal zu den Gender-Studies, da ist es bestimmt anders! Lol. Ist die Rede von Klassismus und Hindernissen an der Uni, die durch Sprache und elitäre Performance produziert werden, siehst du weit und breit nur nickende Köpfe. Und dann geht es unbehelligt weiter mit schwer lesbaren Texten von Lann Hornscheidt (Wer braucht schon Absätze?) und Wortverschwurbelung vom Feinsten: „Akademische Entpositionierungen und paradoxe Entkomplexisierungen durch Intersektionalität“. Puh.

Witzigerweise schiebe ich mit diesem Text gerade auf, den ersten Satz meiner Bachelor-Arbeit niederzuschreiben. Ich bin den ganzen Tag dagelegen und habe mich selbst fertiggemacht: „Warum traust du dir so wenig zu?“ Dann ist es mir wieder eingefallen: Weil ich in der Uni gelernt habe, dass ich defizitär bleibe, was auch immer ich tue. Aber hey, ich habe es fast bis zur Bachelor-Arbeit geschafft und bin dafür verhältnismäßig unverbittert. Und ich habe eine Sache, die mich antreibt, weiterzumachen: Trotz. Gut für mich. Schlecht für die, die kein Mittelschichtsprivileg und keinen akademischen Hintergrund haben, die deutsch noch später gelernt haben – oder noch lernen, für die 300 Euro Studiengebühren sehr viel Geld sind und, die es vielleicht nicht bis zur Bachelor-Arbeit schaffen. Wahrscheinlich dürfen sie sich später noch anhören, sie seien „bloß faul“ gewesen. Zum Kotzen.

 

Paula Balov studiert Regionalstudien Asien/ Afrika an der Humboldt-Universität zu Berlin. Dieser Text erschien zuerst auf herzbrille.wordpress.com, wo sie regelmäßig über Feminismus und Ex-Jugoslawien aus postmigrantischer Perspektive schreibt und Kurzfilme veröffentlicht.