Fachhochschule

Keine Studienbeihilfe für FH-Studis?

  • 25.03.2015, 18:08

Personen, die sich in einem Vorbereitungslehrgang auf eine Studienberechtigungsprüfung befinden, haben Anspruch auf Studienbeihilfe – alle, bis auf zukünftige FH-Studierende. Nun wurde eine neue Verordnung erlassen.

Personen, die sich in einem Vorbereitungslehrgang auf eine Studienberechtigungsprüfung befinden, haben Anspruch auf Studienbeihilfe – alle, bis auf zukünftige FH-Studierende. Nun wurde eine neue Verordnung erlassen.

Studieren ohne Matura? Sobald die Studienberechtigungsprüfung erfolgreich absolviert wurde, ist das kein Problem. Ob an einer Universität, Pädagogischen Hochschule oder Fachhochschule: Im Vorfeld müssen zur Vorbereitung auf die Studienberechtigungsprüfung ein- bis zweisemestrige Vorbereitungslehrgänge besucht werden. Nach Studienförderungsrecht haben neben ordentlichen Studierenden auch Personen, die sich auf eine Studienberechtigungsprüfung vorbereiten, Anspruch auf Studienbeihilfe. Für die Zuerkennung müssen bestimmte Vorraussetzungen – wie etwa finanzielle Förderungswürdigkeit – erfüllt sein. Personen, die diese Voraussetzungen mitbringen, bekommen – je nachdem, wie viele Prüfungen sie ablegen müssen – ein bzw. zwei Semester Studienbeihilfe. Alle, bis auf jene, die sich auf eine Studienberechtigungsprüfung für ein Fachhochschulstudium vorbereiten. Um diese Ungleichbehandlung zu beseitigen, wurde nun eine entsprechende Verordnung erlassen. Aber zuerst einmal alles von Anfang an.

KEINE GLEICHSTELLUNG. 2013 wandte sich ein Betroffener mit einer Beschwerde an die Volksanwaltschaft und brachte vor, dass er seit dem Wintersemester 2012/2013 einen zweisemestrigen Vorbereitungslehrgang für die Studienberechtigungsprüfung an einer Fachhochschule absolvierte. Ab Oktober 2013 plante er, an dieser Fachhochschule zu studieren. Für den Studiengang hatte er – unter der Voraussetzung der positiven Absolvierung der Studienberechtigungsprüfung – bereits eine Studienplatzzusage. Für die Zeit des Besuchs des Vorbereitungslehrganges hatte er einen Antrag auf Studienbeihilfe eingebracht, der von der Studienbeihilfenbehörde abgewiesen wurde. Grundlage für den negativen Beihilfenbescheid war die gültige Rechtslage: Nach dem Studienförderungsgesetz (StudFG) haben nur Personen, die sich auf eine Studienberechtigungsprüfung an einer Universität oder Pädagogischen Hochschule vorbereiten, Anspruch auf Studienbeihilfe, nicht aber jene, die dies auf einer Fachhochschule tun. Diesbezüglich fehlte eine Verordnung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung (BMWF).

Aber das ist nur ein Beispiel von vielen, bei denen es zu Benachteiligungen von FH-Studierenden gegenüber Uni-Studierenden kommt (progress berichtete). „Das Problem liegt hier in der unterschiedlichen gesetzlichen Verankerung von Universitäten und Fachhochschulen. Die Vollziehung der Studienvorschriften im Rahmen der Hoheitsverwaltung muss endlich auch für die Fachhochschulen gelten. Rechtlich würde das heißen, das Fachhochschul-Studiengesetz um einen einzigen Satz auszuweiten. Das wird allerdings seit 20 Jahren blockiert“, so ÖH-Vorsitzende Viktoria Spielmann, die hier Versäumnisse ortet.

SCHIEFE LOGIK. Der Betroffene konnte nicht nachvollziehen, dass eine solche Verordnung bislang nicht erlassen wurde und sah darin eine grobe Ungleichbehandlung. Damit ist er nicht allein. Die 19-jährige Olivia Hawelka studiert Marketing und Kommunikationsmanagement und hatte im Vorjahr an der Fachhochschule Kufstein einen Vorbereitungslehrgang für die Studienberechtigungsprüfung an einer Fachhochschule besucht. Sie kann diese Ungleichbehandlung weder verstehen, noch nachvollziehen. Es sei „absurd, auf wie vielen verschiedenen Ebenen Studierende und zukünftige Studierende an Fachhochschulen benachteiligt werden“. Auch die Volksanwaltschaft hinterfragte die sachliche Begründung für diese fehlende Verordnung.

Daraufhin erklärte der damalige Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Karlheinz Töchterle, dass mit der Absolvierung eines Vorbereitungslehrganges an einer Fachhochschule noch keine automatische Zulassung zu einem Fachhochschulstudium verbunden sei. „Dem hielt die Volksanwaltschaft entgegen, dass es mittlerweile zahlreiche Studienrichtungen an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen gibt, bei denen nach Absolvierung der Studienberechtigungsprüfung ebenfalls erst noch Auswahl- und Eignungsverfahren durchlaufen werden müssen, um zum gewünschten Studium zugelassen zu werden“, so der zuständige Volksanwalt Peter Fichtenbauer.

Dieser kritisierte diese Vorgangsweise auch im Bericht an das Parlament 2014 und regt an, Personen, die einen Vorbereitungslehrgang für eine Studienberechtigungsprüfung an einer Fachhochschule besuchen, eine Studienbeihilfe unter den gleichen Bedingungen zu gewähren, wie anderen Personen, die sich auf eine Studienberechtigungsprüfung vorbereiten.

NEUE VERORDNUNG. Schlussendlich konnte das Bundesministerium überzeugt werden. Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Reinhold Mitterlehner bestätigte die „Absicht” die Kandidatinnen und Kandidaten der Studienberechtigungsprüfung an Fachhochschulen mit denen der Universitäten und Pädagogischen Hochschulen gleichzustellen. Die erforderliche Verordnung wurde auch mit Wirkung ab dem Studienjahr 2014/15 erlassen und damit sind die gleichen Bedingungen für alle gegeben. Olivia Hawelka hätte sich diese Verordnung schon früher gewünscht. Jetzt kann sie rückwirkend keinen Antrag mehr stellen. Anders sieht es für die 22-jährige Döndü Ersoy aus: Sie ist besonders erfreut über die neue Verordnung. Aufgrund des Vorbereitungslehrganges musste sie ihren Vollzeitjob auf Teilzeit reduzieren und verdient dadurch wesentlich weniger. „Nun kann ich es endlich angehen und auch einen Antrag auf Studienbeihilfe stellen“, sagt sie. „Wir begrüßen, dass nun alle Studierenden die Möglichkeit haben, in der Zeit der Prüfungsvorbereitung finanziell entlastet zu werden. Die Verordnung ist ein erster Schritt in die richtige Richtung“, schließt Spielmann.

 

Sandra Schieder studiert Journalismus und Public Relations an der FH JOANNEUM in Graz.

Exklusive Gesundheitsstudien

  • 23.05.2014, 17:42

Gedrängte Studienpläne, Wartejahre und unbezahlte Praktika stehen in den gesundheitswissenschaftlichen Studien der Fachhochschulen auf der Tagesordnung. Neben dem Studium zu arbeiten, ist kaum möglich – was zu einer schlechten sozialen Durchmischung führt

Gedrängte Studienpläne, Wartejahre und unbezahlte Praktika stehen in den gesundheitswissenschaftlichen Studien der Fachhochschulen auf der Tagesordnung. Neben dem Studium zu arbeiten, ist kaum möglich – was zu einer schlechten sozialen Durchmischung führt.

In knapp zwei Monaten beendet Barbara König ihr Radiologietechnologie-Studium an der Fachhochschule (FH) Campus Wien. Die 23-Jährige ist eine von 4.580 Studierenden der Gesundheitswissenschaften an Österreichs FHs. Zwar entschied sie sich nach der Matura erst für ein Biologie-Studium an der Uni Wien, nach zwei Semestern erkannte sie aber, dass ihr „das Praktische“ und „der Kontakt mit Menschen“ fehlte, also trat sie beim EMS-Test an, um einen Medizinstudienplatz zu bekommen. Dieser wurde ihr auch zugesagt – allerdings in Innsbruck. Ein Wohnortwechsel kam für die Wienerin aber nicht in Frage. Daraufhin begab sie sich auf die Suche nach einem anderem Studium.

Der Bachelorstudiengang Radiologietechnologie gehört neben Fächern wie Logopädie, Biomedizinische Analytik oder Musiktherapie zu den 14 an österreichischen FHs angebotenen Vollzeitbachelorstudien im Bereich der Gesundheitswissenschaften. Ihr Studium beschreibt König als „sehr technisch und anspruchsvoll“, trotzdem zog sie es ohne größere Komplikationen durch. „Es ist motivierend, wenn man ein Ziel vor Augen hat“, erklärt sie. Dadurch, dass es an den FHs kein „Verschieben aufs nächste Semester“ wie an der Universität gibt, sei alles planbarer und vor allem absehbar.

Bevor sie überhaupt zum Studium zugelassen wurde, musste König jedoch ein mehrstufiges Aufnahmeverfahren, bestehend aus Motivationsschreiben, psychologischem Test, Wissensabfrage und persönlichem Gespräch, absolvieren. „Die Zugangsbeschränkungen an den FHs führen dazu, dass sich Studierende für ein Studium an mehreren oder sogar allen Standorten bewerben“, sagt Michael Hnelozub, FH-Referent der ÖH-Bundesvertretung. Die FHs haben allerdings unterschiedliche Annahmefristen, weshalb FH-Erhalter_innen schon kurz nach der Zusage eine Kaution oder Studiengebühren einheben. Zum einen, um Planungssicherheit zu haben, wie viele Studierende ein Studium beginnen – aber auch, damit „sich Studierende nicht mehr umentscheiden können“, so Hnelozub. Studierende müssen sich somit sofort entscheiden, ob sie einen bereits sicheren Studienplatz annehmen oder lieber das Risiko eingehen und abwarten, ob sie noch eine Zusage von ihrer Wunsch-FH bekommen.

Solche Mehrfachbewerbungen waren bei Tobias Haas noch kein Thema. Er absolvierte von 2008 bis 2011, im ersten Jahrgang, das Bachelorstudium Gesundheit und Krankenpflege an der FH Campus Wien. Die Bewerber_innen wurden damals fast alle aufgenommen. Heute arbeitet Haas als Krankenpfleger in einem Wiener Spital und macht an der Uni Wien den Master in Pflegewissenschaften. An den FHs selbst gibt es nur selten weiterführende Masterstudien, die meisten aufbauenden Lehrgänge kosten mehrere tausend Euro.

Zwischen zwei Nachtschichten erinnert sich Haas daran, dass sein Studiengang, der als erster dieser Art an einer FH angeboten wurde, noch schlecht organisiert war: „Es war teilweise notwendig, nach den Praktika noch auf die FH zu fahren und Prüfungen zu schreiben. Das hat sich aber mittlerweile gebessert.“ Das Krankenpflegegesetz sieht ein Mindestmaß an Praktikumsstunden während der Ausbildung vor. Bei Haas umfassten sie die Hälfte der gesamten ECTSPunkte des Bachelorstudiums. „Dadurch musste der Theorieteil in 90 ECTS gequetscht werden“.

Theorie und Praxis. „Im Prinzip sind wir Montag bis Freitag mit unseren Praktika beschäf- tigt“, sagt König. Von Beginn an ist der Stundenplan der Radiologietechnologie in Theorieblöcke mit anschließenden praktischen Übungen in Krankenhäusern oder Diagnosezentren in Wien, Niederösterreich oder dem Burgenland unterteilt. Nach dem Aufnahmeverfahren mussten die Studierenden unterschreiben, dass sie für Fahrtkosten und Ähnliches selbst aufkommen können, erzählt König. Wenn ein Praktikum nur halbtags läuft, geht es danach zum Theoriebüffeln zurück an die FH. Praxis bekommen die Studierenden zusätzlich dadurch, dass sie an einander üben. „Wir legen uns etwa gegenseitig ein EKG an“, so König.

Die Pflichtpraktika, die sie absolvieren muss, sind, wie auch in den anderen gesundheitswissenschaftlichen Studiengängen auf der FH, unbezahlt. Bei der Studierendensozialerhebung 2011 gab kein_e einzige_r Studierende_r an, für ein Pflichtpraktikum in diesem Bereich bezahlt worden zu sein. Gleichzeitig gilt 100-prozentige Anwesenheitspflicht bei den Praktika. „Ich darf keine Sekunde verpassen“, kritisiert König, „wenn ich krank bin, kann ich aber einfach nicht kommen.“ Zwar gibt es meist die Möglichkeit das Versäumte in den Ferien nachzuholen. „Gern wird das aber nicht gesehen“, meint König.

„Das Problem, mit dem wir am öftesten konfrontiert sind, ist das der Studienjahrwiederholung“, sagt Hnelozub. Krank zu sein ist bei den Vollzeitstudien mit ihrem dichten Stundenplan nicht drin. Zwar gibt es die Möglichkeit, Fächer zu wiederholen – wenn eine kommissionelle Prüfung nicht bestanden oder die Anwesenheitspflicht in einer klinischen Übung nicht erreicht wird –, allerdings stellt dies Studierende vor weitere Probleme. „In den technischen Studien- fächern ist es meistens kein Problem, wenn man ein Fach in das nächste Jahr hineinzieht“, sagt Hnelozub. Wegen den Voraussetzungsketten in den Gesundheitsfächern „verliert man hier aber gleich ein ganzes Studienjahr“. Durch das stark begrenzte Platzkontingent in den Gesundheitswissenschaften kann es aber sein, dass im Folgejahrgang gar kein Studienplatz mehr frei ist. „Dadurch haben Studierende dann ein Wartejahr oder steigen aus dem Studium aus“, sagt der FH-Referent.

Vollzeitstudium und Teilzeitarbeit. Neben dem gedrängten Studienplan ist es schwierig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Lediglich zehn Prozent aller Studierenden der Gesundheitswissenschaften an FHs arbeiten während des ganzen Semesters, 17 Prozent jobben gelegentlich. König kellnerte an Wochenenden bis zu 30 Stunden, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, ein Job unter der Woche wäre unmöglich gewesen. Auch Haas hat während seinem Studium gearbeitet – als persönlicher Assistent: „Das waren sehr flexible Zeiten, die ich mir selbst einteilen konnte.“ Neben einem FH-Vollzeitstudium könne man im Grunde nur in „sehr prekären Verhältnissen“ jobben oder bezahlte Ferialpraktika absolvieren. Die schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Studium spiegelt sich auch in der sozialen Lage der Studierenden der Gesundheitswis-senschaften wider: 54 Prozent kommen aus einem bildungsnahen Elternhaus. Somit seien diese FH- Studien auch „sehr elitäre Studien“, sagt Hnelozub.

 

Oona Kroisleitner studiert Rechtswissenschaften an der Uni Wien.

Fachhochschulen: Geist oder Geld?

  • 29.05.2014, 14:35

Am 21.Mai 2014 fand in der Wiener Arbeiterkammer eine Podiumsdiskussion zum Thema „Fachhochschulen: Bildung zwischen Geist und Geld“ statt. Viele Meinungen prallten dabei aufeinander und dies nicht immer nur bezüglich der Fachhochschulen. Margot Landl war für progress online dabei.

Am 21.Mai 2014 fand in der Wiener Arbeiterkammer eine Podiumsdiskussion zum Thema „Fachhochschulen: Bildung zwischen Geist und Geld“ statt. Viele Meinungen prallten dabei aufeinander und dies nicht immer nur bezüglich der Fachhochschulen. Margot Landl war für progress online dabei.

Dwora Stein, die Vizepräsidentin der Arbeiterkammer Wien, ist die erste Rednerin, die an diesem Abend die Bühne betritt. Schon am Beginn ihrer Ansprache schlägt sie ein Thema an, welches an diesem Abend noch öfter zur Sprache kommen soll. Stein kritisert: „Bildung zwischen Geist und Geld – es mangelt an beidem! Bildung ist mehr als verwertbare Qualifikationen. Es geht um gebildete, nicht nur ausgebildete Menschen. Aber dafür wird nicht genug an Geld ausgegeben.“ Geld ist die Lösung aller Probleme, denn: „Geld vermehrt sich und verwandelt sich in Bildung und Geist“. Dwora Stein spricht von den Verbesserungen, die sich die Fachhochschulen wünschen: einen Ausbau auf  60.000 Studienplätze bis zum Jahr 2020, noch mehr berufsbegleitende Angebote, noch mehr soziale Durchlässigkeit. Es sei ein großer Vorteil der Fachhochschulen, dass es dort auch Möglichkeiten gäbe, ohne Matura oder berufsbegleitend zu studieren. Außerdem gäbe es laufend neue Studien, mehr regionale Standorte und die AbsolventInnen würden gut „verwertbar“ sein. Verwertbar, also doch. Kein Wort könnte besser den großen Zwiespalt beschreiben, an dem es an diesem Abend geht: Bildung oder Ausbildung? Verwertbarkeit oder Persönlichkeitsbildung? Geist oder Geld?

Applaus für mehr Geld

Der große Saal der Arbeiterkammer Wien ist an diesem Abend etwa zu zwei Dritteln gefüllt. „Bildung zwischen Geist und Geld“ ist die zweite Veranstaltung der dreiteiligen Veranstaltungsreihe „Im Dialog: 20 Jahre Fachhochschulen – Arbeit – Bildung – Wohlstand“. Sie wurde von der Fachhochschul-Konferenz gemeinsam mit dem Standard, der Arbeiterkammer Wien, der Industriellenvereinigung und dem Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Fachhochschulen in Österreich organisiert.

Der Präsident der Fachhochschul-Konferenz Helmut Holzinger hält die zweite Eröffnungsrede. Er schlägt in dieselbe Kerbe wie Dwora Stein und fordert „im Sinne der Studierenden eine Erhöhung der Fördersätze. Um den Studierenden gute Bedingungen sichern zu können, brauchen wir eine Wertsicherung.“ Und er ergänzt: „Doch die Regierung hat in ihrem Programm mehr Unterstützung verschriftlicht, als sie erfüllen kann!“ Das Publikum applaudiert. Mehr Geld für Bildung. Darüber sind sich an diesem Abend alle einig.

Mehr Engagement zur Gesellschaftsverbesserung

Das Impulsreferat für die anschließende Podiumsdiskussion hält Eva Blimlinger, die Rektorin der Akademie der bildenden Künste Wien. Das Logo der österreichischen Klassenlotterie wird groß auf die Wand projiziert. „Das österreichische Bildungssystem hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der österreichischen Klassenlotterie“, erklärt Eva Blimlinger sarkastisch. Aus einer langen Ausführung über Einkommen in Österreich im Jahr 1910 sowie heute zieht sie das Fazit, dass die überwiegende Mehrheit aller Superreichen kein Studium abgeschlossen hat. „An den Universitäten ist das gesetzlich definierte Ziel ein anderes als an Fachhochschulen: Das Streben nach Bildung und Autonomie sowie der Gesellschaft zu dienen.“ Eva Blimlinger differenziert hier, wie auch später in der Diskussion, klar zwischen der Orientierung von Fachhochschulen und Universitäten. Doch sie stellt für das gesamte höhere Bildungssystem dieselben Forderungen: mehr soziale Durchlässigkeit, mehr Engagement zur Gesellschaftsverbesserung, mehr politische und gesellschaftliche Teilhabe und eine kritische Betrachtung des Kapitalismus. „Der Wert der Bildung ist in der kapitalistischen und postfordistischen Gesellschaft ein monetärer. Und mit den ECTS wird diesem System Rechnung getragen.“ Am Ende wird Eva Blimlingers langer Vortrag nicht nur zu einer Kritik am Bildungssystem, sondern an der gesamten modernen Gesellschaft: „Heutzutage ist alles ein Projekt. Partnerschaften, ein Kind, ein Abendessen mit Freunden, ein Urlaub, ein Wohnungswechsel. Das Projekt ist der Arbeitsorganisationsmodus für unser Leben geworden. Ein Leben in ständiger Unsicherheit.“

Kritisch betrachten, nicht nur nachkauen

Bernhard Lahner, der zweite stellvertretende Vorsitzende der Österreichischen HochschülerInnenschaft von der „Fraktion engagierter Studierender“ (FEST), beschäftigt sich besonders mit der Situation von Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen. Er sieht wesentliche Unterschiede zwischen Universitäten und Fachhochschulen. Deshalb ist es schwierig, Vergleiche anzustellen. „Die gesetzliche Lage der Fachhochschulen ist eine völlig andere“, erklärt er. „Sie sind unternehmensrechtlich organisiert. Studierende gehen einen Ausbildungsvertrag ein. Da die Studienplätze durch öffentliche Gelder beziehungsweise von den ErhalterInnen finanziert werden, gibt es Zugangsbeschränkungen. Außerdem unterscheiden sich die Fachhochschulen auch untereinander stark.“  Die ÖH setzt sich schon länger für ein gemeinsames Hochschulgesetz ein. Im HochschülerInnengesetz 2014 wurde nun unter anderem erwirkt, dass die Fachhochschulvertretung nun direkt durch ein Listenwahlrecht gewählt wird. Außerdem bestimmt der Erhalter oder die Erhalterin einer Fachhochschule eine reale Person, die als Kontaktperson den Studierenden zur Verfügung steht, wenn diese beispielsweise einen Raum für Veranstaltungen mieten wollen.

Auch Bernhard Lahner würde sich ein wenig mehr Freiraum für die FachhochschulstudentInnen wünschen: „Durch eine Fachhochschule wird man durchgeschleust, um in drei Jahren fertig zu sein. Dort schaut man, dass man die Ausbildung macht, weil genau diese das Ziel ist. Da schaut man nicht, was es sonst für Möglichkeiten gibt. Doch genau diesen Zugang sollte man aufbrechen“, meint der Hochschulpolitiker, der selbst an einer Pädagogischen Hochschule studiert. „Das Studium sollte Raum geben, um den eigenen Horizont zu erweitern und Sachen kritisch zu betrachten und sie nicht nur nachzukauen.“

Trennung von Theorie und Praxis?

Um etwa 18.30 Uhr eröffnet Katrin Bauer vom Standard schließlich die Podiumsdiskussion. Die Gäste auf der Tribüne sind Barbara Blaha, Leiterin des Politkongresses „Momentum“ und ehemalige ÖH-Vorsitzende, Eva Blimlinger, Andreas Breinbauer, Rektor der Fachhochschule des Berufsförderungsinstitutes Wien, Carola Iller, Universitätsprofessorin für Erwachsenenbildung an der Universität Linz und Claus J. Raidl, Präsident der Österreichischen Nationalbank. Barbara Blaha ist mit 31 Jahren die jüngste Diskutantin, auch im Publikum sieht man kaum Studierende oder andere jüngere Menschen.

Katrin Bauer beginnt die Debatte mit einer Befragung der TeilnehmerInnen zu deren individuellen Bildungsweg im Hinblick auf die Verwertbarkeit ihrer Ausbildungen. Der gemeinsame Nenner der Wortmeldungen kann als Offenheit für alle Möglichkeiten bezeichnet werden. Die meisten stammen aus keinem akademischen Umfeld und bemängeln die fehlende soziale Durchlässigkeit in Österreich. „Manchmal helfe ich Kindern mit Migrationshintergrund bei der Hausübung. Letztes Mal hat eins davon zu mir gesagt: `Dein Sohn hat es so gut! Der kann dich immer alles fragen!´“, erzählt Barbara Blaha.

Die DiskussionsteilnehmerInnen auf dem Podium hatte unterschiedliche Ansichten. Es kam zu hitzigen Diskussionen um das Thema Fachhochschulen und Universitätsausbildung. Foto: Christopher Glanzl

Lebendiger wird die Diskussion, als die Moderatorin das Gespräch auf die Trennung zwischen Theorie und Praxis lenkt. „Die Fachhochschulen haben hier einen guten Mix“, findet Andreas Breinbauer und ergänzt: „Eine Trennung zwischen Theorie und Praxis soll es nicht geben. Allerdings würden wir gerne mehr forschen.“

Andere DiskussionsteilnehmerInnen sehen Universitäten und Fachhochschulen allerdings stärker differenziert: „Die Universitäten sind oft weniger berufsbezogen. Aber das ist nicht immer nachteilig“, meint Carola Iller. Eva Blimlinger spricht sich noch klarer für eine Differenzierung aus: „Die Theorie ist die Praxis der Universität. Es ist schon sinnvoll, hier zwischen Universitäten und Fachhochschulen zu differenzieren. Auch die Sinnhaftigkeit eines Doktorats an den Fachhochschulen sollte man überdenken. Was bringen diese ganzen Abschlüsse? Was bringt es, alles zu formalisieren?“ Mit dem Stichwort Doktorat, welches bereits Helmut Holzinger in seiner Eröffnungsrede fallen gelassen hat, kommt Feuer in die Diskussion. „Nicht alles braucht ein Doktorat! Und nicht jedes Doktorat ist gleich! Ich habe früher oft gesagt: Wer von dieser oder jener Hochschule kommt, den nehmen wir nicht“, wettert Claus Raidl. Spätestens auf diese Provokation hin fahren die Hände im Publikum in die Höhe. Helmut Holzinger spricht sich leidenschaftlich für ein Doktorat an Fachhochschulen aus. Ideologien prallen aufeinander. Claus Raidl belächelt ihn aus seinem dunkelroten Ledersessel und winkt ab. Noch mehrere Wortmeldungen werden gehört, allerdings zu verschiedensten und unzusammenhängenden Themen. Von Ethik im Naturwissenschaftsunterricht bis zu einer Lobrede auf das Bundesheer. Viele TeilnehmerInnen, die etwas sagen möchten, nutzen die Gelegenheit.  

Ideologien und Minderwertigkeitskomplexe

Katrin Bauer erteilt erneut den DiskussionsteilnehmerInnen das Wort. Die nächste Frage dreht sich um stärkere Diversifizierung im Hochschulsektor. Der Präsident der Österreichischen Nationalbank Claus Raidl erklärt Oberösterreich einer Medizinuniversität ebenso unwürdig wie die Fachhochschulen eines Doktorats. „Das wär nur ein Denkmal für den Landeshauptmann!“. Etwas sachlicher äußern sich die anderen TeilnehmerInnen zu dem Thema. Eva Blimlinger und Carola Iller sprechen sich gegen eine weitere Differenzierung aus, da sie die Studienwahl noch weiter erschweren würde. Schuld an dem Frauenmangel in MINT-Fächern beispielsweise sei eher fehlender weiblicher Anschluss im Studium und eine zu kurze Orientierungsphase. Lediglich Andreas Breinbauer spricht sich für eine weitere Differenzierung der Studiengänge aus.

Doch das neue Thema hält sich nicht lange. Zu viele persönliche Äußerungen zur Frage von Theorie und Praxis sind noch ausständig. Das Publikum ist unruhig, es gibt noch einmal eine Wortmeldungsrunde. Katrin Bauer erteilt Karl Pfeiffer, dem Rektor der FH Joanneum das Wort. Er verteidigt vehement den „theoretischen Background“ der Fachhochschulen und will diese nicht als minderwertig beurteilt sehen: „Die FHs sollen nicht auf die Berufsfeldorientierung reduziert werden! Die angewandte Forschung an den FHs ist anerkannt und kann durchaus mit den Technischen Universitäten mithalten.“ Es scheint so, als würde die angebliche Herabwürdigung von Fachhochschulen hier viele Menschen persönlich kränken.

Die ehemalige Vorsitzende der ÖH, Barbara Blaha (mit Mikro), wünscht den FHs mehr Selbstbewusstsein, aber auch eine Anregung des gesamtgesellschaftlichen Denkens. Foto: Christopher Glanzl

Die geplante Zeit der Veranstaltung wurde bereits um zwanzig Minuten überschritten und die Moderatorin will die Diskussion nun rasch zu einem Ende bringen. Die DiskutantInnen dürfen den Fachhochschulen nun noch schnell etwas wünschen. Im Klartext bedeutet das, noch einmal Position zu beziehen. Claus Raindl lehnt sich in seinem Ledersessel zurück, gießt sich das letztes Mal Mineralwasser ein und holt zum Gegenschlag aus: „Ich bin für noch mehr Differenzierung. Fachhochschulen und Universitäten wurden aus anderen Absichten gegründet. Das ist nur elitäre Etikettenschwindelei“. Erneut schwillt die Lautstärke im Publikum an. Karin Bauer gibt rasch das Mikrofon an Carola Iller weiter. „Wir sollten mit dem Schachteldenken aufhören. Fachhochschulen und Universitäten sollten stärker kooperieren, aber die Unterschiede sind wertvoll“, formuliert diese etwas diplomatischer. Barbara Blaha wünscht den FHs „mehr Selbstbewusstsein, aber auch eine Anregung des gesamtgesellschaftlichen Denkens“. Eva Blimliner bleibt pragmatisch und wünscht sowohl den Universitäten als auch den Fachhochschulen „mehr Geld“, womit sich der Kreis zum Thema der Veranstaltung schließt. Andreas Breinbauer schließt sich dem an und fügt hinzu: „Mein Auftrag an die FHs: Bleibts dabei! Aber trotzdem wäre ein wenig mehr Zeit und Geld für Reflexion wünschenswert.“

Margot Landl studiert Politikwissenschaft sowie Lehramt Deutsch und Geschichte an der Universität Wien.

 

FHs abschaffen? Ja! Und auch nein.

  • 29.09.2012, 16:58

Die oftmals vorgebrachte Kritik an Fachhochschulen läuft darauf hinaus, dass sie nicht wissenschaftlich bilden, sich den Anforderungen der Arbeitsmärkte unterwerfen, sie auf schnellen Studierendendurchlauf aus und ihre Entscheidungsstrukturen stark hierarchisch sind.

Die oftmals vorgebrachte Kritik an Fachhochschulen läuft darauf hinaus, dass sie nicht wissenschaftlich bilden, sich den Anforderungen der Arbeitsmärkte unterwerfen, sie auf schnellen Studierendendurchlauf aus und ihre Entscheidungsstrukturen stark hierarchisch sind. An den FHs werden Studierende sowohl als Kund_innen als auch als Produkte behandelt, die es auf dem Markt zu positionieren gilt. Gleichzeitig wird die Studienplatz-Zahl als anhand arbeitsmarktlicher Bedürfnisse objektivierbar dargestellt. Ein früherer FH-Rektor bezeichnete das als „höheres Kaffeesudlesen“. Ebenso problematisch sind die hohe persönliche Abhängigkeit der Studierenden, die starren schulischen Strukturen, die in einer vorgeschriebenen Anwesenheitspflicht gipfeln, sowie die faktisch kaum vorhandenen akademischen Selbstverwaltungsmöglichkeiten (wie zum Beispiel Mitbestimmungsmöglichkeiten der Studierenden).

Das sind Probleme, die allesamt nicht der FH-Zieldefinition einer stärkeren Anwendungsorientierung immanent sind, aber oft als Kern des  FH-Wesensverkannt werden. So wären gerade die Studien der Rechtswissenschaften und der Medizin prototypisch für FHs, werden aber dort nicht angeboten. Sollen die FHs daher abgeschafft werden? Wenn alle Hochschultypen beispielsweise in einen einheitlichen Hochschulraum transformiert werden, bitte gerne. Andernfalls greift die Kritik an den FHs zu kurz, und blendet parallellaufende Entwicklungen an den Universitäten aus.