Erinnerungskultur

Die vergessenen Frauen- KZs von Mauthausen

  • 10.03.2016, 14:15
An der Geschichte des ehemaligen Frauen-KZs in Hirtenberg werden die Kehrseiten der zentralistischen Förderstruktur österreichischer Erinnerungskultur und die Marginalisierung der Geschichte von Frauen im hegemonialen Erinnerungsdiskurs deutlich.

An der Geschichte des ehemaligen Frauen-KZs in Hirtenberg werden die Kehrseiten der zentralistischen Förderstruktur österreichischer Erinnerungskultur und die Marginalisierung der Geschichte von Frauen im hegemonialen Erinnerungsdiskurs deutlich.

Trotz der Bemühungen lokaler Gedenkinitiativen konzentriert sich der Großteil der österreichischen Gedenkstättenarbeit auf das ehemalige KZ Mauthausen, das seit 1949 vereinzelt und seit den 1960er Jahren regelmäßig von Schulklassen besucht wird. Bis heute sind schulische Gedenkstättenbesuche nicht verpflichtend, sondern werden lediglich empfohlen. So mag es auch nicht verwundern, dass die meisten der rund 50 ehemaligen Außenlager von Mauthausen weder Schüler_innen bekannt, noch in den hegemonialen Erinnerungsdiskurs integriert worden sind. Ein anschauliches Beispiel dafür liefert die vergessene Geschichte des ehemaligen Frauen-KZs Hirtenberg. In der kleinen Gemeinde im Bezirk Baden erinnert bis auf wenige – von Bäumen überwachsene – Fundamentreste am Gelände der ehemaligen Produktionsanlagen kaum etwas an die Existenz des ehemaligen KZs, in dem Frauen Zwangsarbeit in einer bis heute bestehenden Munitionsfabrik verrichten mussten.

Mit Kriegsbeginn waren die lokalen Arbeiter_innen der seit 1859 bestehenden Munitionsfabrik unter anderem zur Wehrmacht eingezogen und wie an vielen anderen Orten auch durch Zwangsarbeiter_innen ersetzt worden. Rund 400 mehrheitlich politische sowie wenige als „asozial“ verfolgte oder jüdische Frauen (vor allem aus Russland, Italien und Polen) wurden daher ab September 1944 in zwölfstündigen Schichtdiensten zu gefährlichen und gesundheitsschädlichen Arbeiten mit explosiven Materialien gezwungen.

Wenngleich im ehemaligen KZ Hirtenberg nur ein Todesfall bekannt ist, waren die Frauen konstanter Unterernährung und Krankheiten ausgesetzt. Insbesondere im Winter verschlechterte sich die Situation durch Kälte, da die Frauen weder über die nötige Kleidung verfügten, noch die Baracken beheizt werden konnten. Hinzu kamen, wie ehemalige Zwangsarbeiterinnen berichten, die Brutalitäten des Wachpersonals, das sich einerseits durch rund 25 für den äußeren Bereich des Lagers zuständige SS-Männer sowie andererseits durch in Mauthausen oder Ravensbrück ausgebildete KZAufseherinnen zusammensetzte, die die innere Überwachung des Lagers überhatten.

AKTIVE VERDRÄNGUNG. Gerade der Umstand, dass Aufseherinnen immer wieder aus der lokalen Bevölkerung rekrutiert wurden, das Lager selbst in Sichtweite und die Produktionsstätten in Hördistanz zur Ortschaft lagen, gibt Aufschluss darüber, dass das Wissen um das KZ nicht einfach nur vergessen, sondern auch vor Ort aktiv verdrängt wurde. Lediglich ein so genanntes „Kriegerdenkmal“ auf dem Hirtenberger Friedhof weist heute auf die Existenz des ehemaligen KZs hin, da auf dem Grabstein neben männlichen Zwangsarbeitern und zwei unbekannten SS-Männern, die bei einem Luftangriff ums Leben gekommen sind, auch das einzig bekannte Todesopfer des ehemaligen Lagers, Hulja Walja, erwähnt wird. Gleichzeitig verdeutlicht sich an Hand des „Kriegerdenkmals“ auch die im österreichischen Erinnerungsdiskurs oftmals betriebene Vermischung zwischen Opfern und Täter_innen unter dem Vorzeichen, dass Krieg für alle grausam und schlimm gewesen sei, da eine verstorbene ehemalige KZInsassin ganz selbstverständlich am gleichen Grabstein vermerkt wurde wie ehemalige SS-Angehörige.

Weitere Belege für den fragwürdigen Umgang mit dem ehemaligen Lagergelände ergeben sich auch dadurch, dass es phasenweise als Campingplatz benutzt wurde. Obgleich das „Mauthausen Komitee Österreich“ (MKÖ) seit 2011 Begleitungen durch das ehemalige KZ anbietet, werden diese, nicht zuletzt wegen der geringen Bekanntheit des ehemaligen Lagers, selten in Anspruch genommen. So mag es auch nicht verwundern, dass in Hirtenberg erst 2015 zum ersten Mal eine Gedenkfeier für die ehemaligen Zwangsarbeiter_innen abgehalten wurde.

KEIN EINZELFALL. Von den rund 50 ebenfalls kaum bekannten Außenlagern fungierten gleich mehrere als „Frauenlager“. So wurden KZ-Insassinnen von Mauthausen in die ehemaligen Lager Schloss Mittersill, Lenzing, Amstetten, Schloss Lannach und St. Lambrecht deportiert und gezwungen, Fabriks- und Bahnbauarbeiten sowie Reinigungstätigkeiten zu verrichten. Die Geschichte der Frauen in Mauthausen und der ehemaligen Frauenlager wird im hegemonialen Erinnerungsdiskurs sowie der Gedenkkultur bis heute verdrängt oder marginalisiert.

Dies liegt neben herrschenden Geschlechterbildern und -mythen in der Erinnerungskultur auch daran, wie beispielsweise Doris Neuhofer kritisiert, „dass die Förderung der Pluralität von NS-Gedenkstätten in Österreich keine Tradition hat und dass es offensichtlich auch keinen Bedarf von Seiten der Verantwortlichen gibt, dies zu verändern“. Somit behält Peter Gstettner, der sich seit geraumer Zeit um eine würdige Gedenkstätte auf der österreichischen Seite des ehemaligen KZs am Loiblpass in Kärnten/Koroška bemüht, Recht, wenn er meint: „Das Gedenken in Mauthausen zu konzentrieren, bedeutete aber auch, die anderen Verbrechensorte an die Peripherie abzudrängen und sie der Vergesslichkeit der Republik zu überantworten. An den peripheren Tatorten wurden fast alle Spuren des mörderischen Geschehens getilgt.“

Judith Goetz ist Literatur- und Politikwissenschafterin sowie Mitglied der Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit.

„Erinnern heißt auch handeln“

  • 05.12.2015, 12:48

Der Verein Erinnern Gailtal präsentiert sein neues Buch „Ausgelöschte Namen. Die Opfer des Nationalsozialismus im und aus dem Gailtal“.

Der Verein Erinnern Gailtal präsentiert sein neues Buch „Ausgelöschte Namen. Die Opfer des Nationalsozialismus im und aus dem Gailtal“.

Der Verein Erinnern Gailtal und sein Obmann Bernhard Gitschtaler bekamen 2014 mediale Aufmerksamkeit durch einen Prozess, den sie gegen die FPÖ führten. 2015 ist der Anlass dafür erfreulicher: Bernhard Gitschtaler gibt sein zweites Buch heraus. „Ausgelöschte Namen. Die Opfer des Nationalsozialismus im und aus dem Gailtal“, welches sich 200 Biographien von Opfern aus dem Tal im Südosten Kärntens widmet.

In den vielschichtig aufgearbeiteten Geschichten der Opfer werden die Kontinuitäten der Diskriminierung vor und nach der NS-Zeit deutlich. Die Diskriminierung der Kärntner Slowen_innen im 19. Jahrhundert findet ebenso Eingang in das Buch wie die fehlende Entschädigung von Jüd_innen nach 1945. Damit werden die Ereignisse während des Nationalsozialismus politisch und historisch kontextualisiert. Diese Kontextualisierung „soll es ermöglichen, die jeweiligen Biographien und Leidensgeschichten besser zu verstehen“ und damit, so Gitschtaler, „auch Menschen, die sich mit der Thematik noch nicht befasst haben, einen Zugang ermöglichen“. Das ist ihm und seinen Autor_innen definitiv gelungen und so richtet sich das Buch an ein breites Publikum und nicht nur an Historiker_innen und eingearbeitete Antifaschist_innen.

Aber auch für diese hat der Band einiges zu bieten, ist er doch der erste, der aller NS-Opfer aus dem Gailtal erinnert.Die Biographien werden in thematische Gruppen zusammengefasst, denen jeweils ein Kapitel vorangestellt ist, in dem die nationalsozialistische Verfolgung der Opfergruppe – sowohl allgemein im gesamten NS-Staat als auch konkret im Gailtal – beschrieben wird.

Der Band beginnt mit der Recherche zur SS-Aktion „Arbeitsscheu Reich“ gegen sogenannte Asoziale, eine Opfergruppe, die erst langsam und viel zu spät im Erinnerungsdiskurs ihren Platz findet. Es folgt ein ausführlicher Beitrag von Wolfgang Haider über die Opfer der NS-„Euthanasie“. Gerade bei dieser Gruppe, schreibt Haider, sei es lange üblich gewesen, nur die Vornamen der Opfer zu nennen und sie damit aus dem kollektiven Gedächtnis zu löschen. Durch die Opferbiographien wird klar, wie viele Personen sich ihrer Behandlung widersetzten – dadurch wird mit dem Stereotyp des passiven Opfers gebrochen. Im Buch werden erstmals alle NS- „Euthanasie“-Opfer aus dem Gailtal genannt. Viel recherchiert wurde hier auch zu den Täter_innen: Der Abschnitt bearbeitet die Rolle der Ärzt_innen und Pfleger_innen und gibt einen tiefen Einblick in deren Mordpraktiken, Ideologie und Autoritätshörigkeit.

Rom_nija und Sint_ezze, Homosexuelle, Jüd_innen, Kärntner Slowen_innen, Geistliche, Zeugen Jehovas, Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter_innen, Widerständige, Deserteure, politisch Andersdenkende und Kritiker_innen des NS-Regimes erfahren in „Ausgelöschte Namen“ eine würdige Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus. Die Geschichte dieser Opfergruppen, die in unterschiedlicher Intensität und mit unterschiedlichen ideologischen Vorzeichen verfolgt und ermordet wurden, wird ausführlich erklärt und konkret auf die Region bezogen.

Über die ausgelöschten Namen hinaus wird im Buch die Geschichte des Gailtals während des Nationalsozialismus erzählt. Die Leser_innen erfahren vor allem viel über die Partisan_innen im Tal – ein Thema, das in Kärnten wie auch im restlichen Österreich lange totgeschwiegen wurde und sehr umkämpft ist. Im unteren Gailtal formierte sich 1943 die Gruppe der Schütt-Partisan_innen, die heute noch ein großes Tabu darstellt.

Einziges Manko des Buches stellt das Kapitel über Homosexuelle im NS dar, das vorgibt, sich mit der Geschichte homosexueller Männer und Frauen zu beschäftigen, de facto zweitere aber außen vor lässt. Das zeigt sich schon im Titel „Der Rosa Winkel – Homosexuelle als NS-Opfer“. Frauen trugen keine rosa Winkel. Lesben wurden nicht systematisch verfolgt, aber dennoch oft als sogenannte Asoziale in KZs gebracht und mit einem schwarzen Winkel versehen. Diese Tatsache wird im Buch leider nicht erwähnt.

Der Androzentrismus spiegelt sich auch in der Sprache des Buches wider. Es kann darüber diskutiert werden, ob der deutschsprachige Buchmarkt es verunmöglicht zu gendern. Wenn sich die Autor_innen aber dazu entschließen, ausschließlich die männliche Form zu verwenden, dann sollten sie auch im Kapitel zur NS-„Euthanasie“ konsequent bleiben und Pflegerinnen bei den Pflegern „mitmeinen“ und nicht durchgehend die sexistische Bezeichnung „Schwestern“ unnötigerweise hinzufügen.

Bei der Lektüre wird immer wieder deutlich, wie sehr im Gailtal versucht wurde und wird, die NS-Opfer aus dem kollektiven Gedächtnis der Region zu löschen. Dem versucht das Buch etwas entgegenzusetzen. Dabei legen die Autor_innen ihren Forschungsprozess offen dar und erzählen davon, dass es ihnen wichtig war, die persönlichen Erfahrungen der Opfer miteinzubeziehen, dass ihnen des Öfteren Steine in den Weg gelegt wurden und dass sich die Recherche manchmal schwierig gestaltete.

„Erinnern heißt auch handeln“, heißt es im Vorwort zu „Ausgelöschte Namen“, und der Herausgeber erklärt, dass Erinnerungsarbeit nur dann erfolgreich sein könne, wenn sie eine Sensibilisierung für die Ausgrenzungsmechanismen der heutigen Zeit schaffe. Diese aufklärerische Herangehensweise zeichnet das Buch ebenso aus wie die sehr aufwendige und genaue Recherchearbeit.

 

Katharina Gruber hat Politikwissenschaft in Wien studiert und ist in der politischen Bildungsarbeit und im Journalismus und in der Sozialarbeit tätig.

Der vergessene Weltkrieg

  • 12.04.2014, 10:50

100 Jahre sind seit dem Ersten Weltkrieg vergangen. 2014 wird von Medien und Regierungen als das Super-Gedenkjahr zelebriert. Eine letzte Chance, den Ersten Weltkrieg zu einem aktiven Teil der österreichischen Erinnerungskultur zu machen?

100 Jahre sind seit dem Ersten Weltkrieg vergangen. 2014 wird von Medien und Regierungen als das Super-Gedenkjahr zelebriert. Eine letzte Chance, den Ersten Weltkrieg zu einem aktiven Teil der österreichischen Erinnerungskultur zu machen?

Würde mensch dem Bild Glauben schenken, dass für Touristinnen und Schulklassen bei Sehenswürdig­keiten in Österreich vom Ersten Weltkrieg insze­niert wird, würde es sich bei dem ersten industriell geführten, europäischen Krieg um wenig mehr handeln als ein Stück kitschige Habsburger_innen-familiengeschichte: Die Ermordung des Thronfolger­paares erscheint als einzige Kausalität eines Krieges, in dessen Folge ein „geliebter" Kaiser stirbt und die romantisierte Monarchie untergeht. Die gesell­schaftlichen Umbrüche, die Gräuel und das Elend des Kriegs werden marginalisiert, höchstens wird noch auf die Geschichte von Soldaten an der Front verwiesen.

WAS BLEIBT? Dabei wäre ein vielschichtiger Um­gang mit dem Ersten Weltkrieg dringend notwendig: Schon seit Längerem wird er in der Geschichts­schreibung als „Urkatastrophe" des 20. Jahrhunderts angesehen. Entscheidungen und Fehler nach dem „Großen Krieg", der hinsichtlich Kriegsführung und seiner Auswirkungen für den europäischen Kontinent ein Einschitt war, haben sich direkt auf jene Ereignisse und Handlungen niedergeschlagen, die schließlich zum Zweiten Weltkrieg führten. Die österreichische Erinnerungskultur in Bezug auf letzteren ist zwar nicht weniger problematisch, aber dennoch deutlich präsenter. Im Gegensatz zum Zweiten Weltkrieg gab es nie einen Historiker_in-nenstreit oder eine Waldheimaffäre, die zu einer öffentliche (re)n Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg geführt hätten. Zusätzlich beschränkt der als „schmerzlich" erfahrene „Verlust" des ehemals großen Habsburger_innenreichs vielfach eine ad­äquate Erinnerungskultur.

Ein weiteres Problem ergibt sich aus dem Fehlen von Zeitzeug_innen. Menschen, die den Ersten Weltkrieg bewusst miterlebt haben, müssten heute weit über 100 Jahre alt sein. Weil niemand mehr von diesem Krieg erzählen kann, gibt es keine aktive Erinnerung, und Erfahrungen aus und Darstellungen über den Ersten Weltkrieg können nur noch aus zweiter Hand stammen. Ein Umstand, der in naher Zukunft auch auf den Zweiten Weltkrieg zutreffen wird.

WER GEDENKT? Junge Menschen verfügen oftmals nur noch über ein unzureichendes Faktenwissen über die Geschehnisse des Krieges, das nicht ausreicht, um ein wirkliches Verständnis für diese Zeit zu entwickeln. Dass der Erste Weltkrieg in der Generation der unter 25-Jährigen in Verges­senheit zu geraten droht, kann der Generalsekretär des Österreichischen Schwarzen Kreuzes, Alexander Barthou, bestätigen: „Wir haben festgestellt, dass die unmittelbare Erinnerung an die Generation, die im ersten Weltkrieg gekämpft hat, gerade bei jungen Leuten, nicht mehr da ist. Vater, Großvater - das ist alles schon eine andere Generation. Deshalb geraten der ganze Krieg und vor allem die Opfer immer mehr in Vergessenheit."

Das Innenministerium hat das Schwarze Kreuz in Österreich offiziell mit dem Gedenken der Opfer des Ersten Weltkriegs beauftragt. In diesem Rahmen werden, hauptsächlich von Ehrenamtlichen Gedenk­stätten, vor allem aber Soldatenfriedhöfe, sowohl in Österreich als auch solche österreichischer Solda­ten im Ausland betreut. Barthou sieht die Aufgabe des Schwarzen Kreuzes darin, „gefallenen Soldaten eine Identität zu geben, das Interesse an dem zu wecken, was passiert ist" und dadurch „Arbeit für den Frieden" zu leisten. Neben der unzureichenden finanziellen Unterstützung des Vereins ist dabei der fast ausschließliche Fokus auf soldatische Opfer und die stark militärische Konnotation, die der Verein trägt, auffällig.

Abseits von Soldatenfriedhöfen - auf denen aller­dings auch Krankenschwestern begraben sind - gibt es in Österreich kaum Denkmäler oder Ausstellun­gen, die ein permanentes Gedenken, vor allem über einen soldatischen Kontext hinaus, ermöglichen würden. Wenig bekannt ist die Tatsache, dass an die 30.000 Frauen im Ersten Weltkrieg, vor allem als Krankenschwestern, an und hinter der Front statio­niert waren. Ihre Erinnerungen wurden nach dem Krieg nicht beachtet. Lediglich im Heeresgeschicht­lichen Museum existiert eine Dauerausstellung zum Ersten Weltkriegs, die anläßlich des Gedenkjahres überarbeitet und neu präsentiert wird. Auch hier ist der soldatisch-militärische Kontext überreprä­sentiert, ein Umstand, der im Jahr 2013 durch die Ausstellung „Women at War", in der es um die Rolle von Frauen an der (Heimat-)Front ging, nur gering­fügig kompensiert wurde. Denn die Ausstellung war nur zeitlich begrenzt zu sehen, wies darüber hinaus eine Reihe von inhaltlichen Fehlern und sexistischen Darstellungen auf und wurde ausschließlich von Männern inszeniert bzw. betreut.

2014 - EIN WENDEPUNKT? Mit dem Gedenkjahr und dem damit generierten „öffentlichen Inter­esse" wurde nun aber auch eine Vielzahl neuerer Forschungen und Publikationen angestoßen, die erstmals auch lange vernachlässigten Forschungsge­bieten Aufmerksamkeit widmen. Christa Hämmerle, Historikerin an der Universität Wien, beschreibt in ihrem Buch „Heimat/Front", das im Februar im Böhlau Verlag erschienen ist, Perspektiven abseits einer auf Schlachten und Persönlichkeiten fokussier-ten Geschichtsschreibung und widmet den Fronter­fahrungen von Kriegskrankenschwestern ein ganzes Kapitel. Sonderausstellungen, die ab dem Frühjahr in Salzburg, Innsbruck, der Nationalbibliothek und der niederösterreichi­schen Landesausstellung auf der Schallaburg zu sehen sind, dürfen mit Spannung erwartet werden, versprechen sie doch teilweise „vollkommen neue Perspektiven auf die sogenannte Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts".

Das Außenministerium hat anlässlich des Gedenk­jahres ein Grundlagenpapier herausgegeben, an dem führende österreichische Wissenschaftler_innen mitgearbeitet haben und das auf der Website des Ministeriums als lesenswerter und kostenloser Über­blick aktueller Forschung und Geschichtsschreibung zum Thema eingesehen werden kann. Dass sich in Österreich zukünftig analog zu der hier forcierten vielschichtigen Darstellung des Ersten Weltkriegs eine aktivere Erinnerungskultur abseits des militäri­schen Kontextes etablieren kann, bleibt zu hoffen.

 

Magdalena Hangel studiert Germanistik, Geschich­te und Gender Studies an der Universität Wien und arbeitet zurzeit an ihrer Doktorinnenarbeit.

Buchtipp: Christa Hämmerle: Heimat/Front. Geschlechtergeschichte/n des Ersten Weltkriegs in Österreich Ungarn. Wien: Böhlau Verlag 2014

Webtipp: Reader Außenministerium: http://bit.ly/lme8u03.