Burschenbundball

Antisemitische Kapitalismuskritik am Linzer "Burschenbundball"

  • 07.02.2014, 13:49

Am 8. Februar diesen Jahres propagieren deutschnationale Burschenschaften am Linzer Burschenbundball den Kampf gegen „egoistische Selbstverwirklichung“ und „Entwurzelung“. Sämtliche Motive ihres reaktionären Antikapitalismus sind durchzogen von antisemitischen Stereotypen. Ressentimenthaltige Kapitalismuskritik ist jedoch keine Eigenheit des österreichischen „nationalen“ Lagers.

Am 8. Februar diesen Jahres propagieren deutschnationale Burschenschaften am Linzer Burschenbundball den Kampf gegen „egoistische Selbstverwirklichung“ und „Entwurzelung“. Sämtliche Motive ihres reaktionären Antikapitalismus sind durchzogen von antisemitischen Stereotypen. Ressentimenthaltige Kapitalismuskritik ist jedoch keine Eigenheit des österreichischen „nationalen“ Lagers.

Jedes Jahr feiern deutschnationale Burschenschaften im „Palais des Kaufmännischen Vereins“ den sogenannten „Burschenbundball“. Er stellt damit neben dem Akademikerball (vormals WKR-Ball) für Antisemiten, Frauenfeinde und Rassisten sämtlicher Couleur eine der wichtigsten Festlichkeiten im Jahr dar. Maßgeblich verantwortlich für die Durchführung und Organisation der Feierlichkeiten zwischen Männerbündelei und Deutschtümelei ist die Burschenschaft Arminia Czernowitz, auf deren Homepage man gegen „egoistische Selbstverwirklichung“ ankämpft und sich in einer „staatenübergreifenden, deutschen (...) Volksgemeinschaft“ verwurzelt sieht.

Auf der Homepage des deutschnationalen Balls findet sich - neben einer Werbeanzeige der „Akademischen Burschenschaft Oberösterreicher Germanen“ - ein weiteres sehr typisches Motiv reaktionärer, antikapitalistischer Rhetorik: (siehe Bild) FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache wettert in einem Inserat gegen „Entwurzelung und Beliebigkeit“. Was aber meint diese Parole?

Antisemitische Kapitalismuskritik

Der Kampf gegen „Entwurzelung“ ist ein oft bemühtes Motiv antisemitischer Globalisierungskritik, das eine Rückkehr zum Natürlichen anstrebt und den Globalisierungsprozess aufgrund seiner internationalisierenden Tendenzen ablehnt. Nach dem Politmagazin „profil“ konnte man bereits 2003 in der wöchentlich erscheinenden Zeitschrift der Freiheitlichen Partei Österreichs „Zur Zeit“ genauestens nachverfolgen, was sich dort der österreichische Ökonom Friedrich Romig, der das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes als „kommunistische Tarnorganisation“ titulierte und dafür wegen übler Nachrede teilweise schuldig gesprochen wurde, unter dem Begriff „Globalisierung“ versteht: „als Weg, auf dem das Judentum (...) weltweite Dominanz erlangt.“

In vorkapitalistischen Gesellschaften beruhte Ausbeutung auf einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis: der leibeigene Bauer etwa war an den Grundherren gebunden. Seit der Durchsetzung kapitalistischer Produktionsverhältnisse im 19. Jahrhundert sind keine direkten, personengebundenen Abhängigkeitsverhältnisse mehr gegeben (wie etwa im Feudalismus). Es dominieren „unpersönliche“ und undurchschaubare Zwänge zur individuellen Sicherung des eigenen Lebensabends. Angesichts der krisenhaften, für die einzelnen menschlichen Existenzen oft tragischen Entwicklungen des Kapitalismus, kommt es zu immer neuen Formen von Personalisierungen der kapitalistischen Verhältnisse. „Personalisierungen“ meint, dass gesellschaftliche Strukturen auf das bewusste Wirken von einzelnen Personen zurückgeführt werden.

Der Antisemitismus ist also eine besondere Form der Personalisierung des Kapitalismus – und wurde in den „Rassetheorien“ des 19. Jahrhunderts beschrieben . Es wird „dem Juden“ per se eine ökonomische Orientierung an Geld und Gewinn zugeschrieben, die in ihrer Wesensart und somit in ihrer „Rasse“ wurzeln soll. Ebenso soll in ihnen ein unbedingter Wille zum Erstreben der Weltherrschaft schlummern. Zugleich erscheinen diese auch als übermächtig: Über Banken und Börse beherrschen sie die großen Unternehmen der Welt. Gleichzeitig gelten die Juden jedoch als „heimatlos“ und „entwurzelt“, aber mit weltweiten Verbindungen zu ihresgleichen.

Diese beiden Stereotypen führen konsequenterweise zur paranoiden Wahnvorstellung der „jüdischen Weltverschwörung“, der Antisemiten wie Romig verfallen sind. Diese Stereotypen finden sich am deutlichsten im wohl bekanntesten antisemitischen Pamphlet – den Protokollen der Weisen von Zion – das als einflussreiche Programmschrift antisemitischer Verschwörungsideologie gilt und 1929 im Parteiverlag der NSDAP publiziert wurde.

Brothers in Arms

Solche antisemitischen Wahngebilde kann man auch bei der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ feststellen. Jürgen Gansel, der seit 2004 Abgeordneter im Sächsischen Landtag ist und seine Magisterabschlussarbeit nicht zufällig über „Antikapitalismus in der konservativen Revolution“ schrieb, definiert die Globalisierung als das „planetarische Ausgreifen der kapitalistischen Wirtschaftsweise unter der Führung des Großen Geldes.“ Dieses habe, so zitiert man Gansel im Buch „Neonazis in Nadelstreifen“ von Andreas Speit und Andrea Röpke, „obwohl seinem Wesen nach nomadisch und ortlos, seinen politisch-militärisch beschirmten Standort vor allem an der Ostküste der USA.“

Diese Ausführungen enthalten freilich ein kaum verhülltes Bündel antisemitischer Stereotypen, wobei hier das Wort „nomadisch“ als Synonym für „heimatlos“ fungiert und die „Ostküste“ der USA ein Synonym für die jüdische Weltverschwörung ist. Das ehemalige SS-Mitglied Franz Schönhuber brachte 2002 in „Nation & Europa“ (Nr. 9/02) den Kern des antisemitischen Antikapitalismus auf den Punkt: „Die Fronten sind klar: Besorgte Menschen in der ganzen Welt von links bis rechts versuchen, sich im Kampf gegen die Globalisierung zu einigen. Sie wissen, was Globalisierung bedeutet, nämlich Amerikanisierung plus Judaisierung.”

Das deutlichste Beispiel für antisemitischen Antikapitalismus als Konnex linker und rechter Agitation ist Jürgen Elsässers „Volksinitiative gegen das Finanzkapital“.  Das ehemalige Mitglied des Kommunistischen Bundes Jürgen Elsässer rief 2009 zur Gründung dieser auf, da sie ein „bewusster Angriff des anglo-amerikanischen Finanzkapitals“ sein sollte, den es abzuwehren gelte. Hauptaufgabe der Initiative sei „die entschädigungslose Nationalisierung des Finanzsektors“. Kurz nach der Gründung der Initiative ließ der damalige NPD-Vorsitzende Holger Apfel über den Pressesprecher der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag verlautbaren, die Volksinitiative solidarisch zu begleiten. 2010 brachte Elsässer, nach Ausschluss aus der linken Zeitung „Neues Deutschland“, in der er bisher publizieren durfte, ein eigenes Magazin namens „Compact“ auf den Markt. Seit August 2011 erscheint das Blatt in der Compact-Magazin GmbH, die dafür von Elsässer zusammen mit seinen Genossen Kai Homilius und Andreas Abu Bakr Rieger gegründet wurde.

Andreas Abu Bakr Rieger ist deutscher Konvertit, der 1990 zum „Jihad gegen die Marktwirtschaft“ aufrief,  und 1993 betörte, dass die Nationalsozialisten für eine „gute Sache“ gekämpft hätten, bei ihrem Hauptfeind allerdings „nicht ganz gründlich“ gewesen seien. Abu Bakr ist Herausgeber der „Islamischen Zeitung“ und hat – welch Überraschung – 2011 sein Buch „Weg mit dem Zins!“ im Kai Homilius Verlag herausgebracht. Neben Hans Modrow, dem Ehrenvorsitzenden der deutschen Linkspartei, ist auch der österreichische Historiker Hannes Hofbauer zu erwähnen, der für seine Tätigkeit als Chef des linken Promedia-Verlages bekannt ist und ebenfalls für „junge welt“, „analyse und kritik“ und das „Neue Deutschland“ schreiben darf.

Dass auch namhafte Linke in Elsässers Querfront-Blättchen schreiben, ist kein Zufall, hat sich doch beispielsweise auch die österreichische Sozialdemokratie dieses Gedankengut zu eigen gemacht. Alfred Gusenbauer, anno dazumal Vorsitzender der SPÖ, erklärte gegenüber dem „profil“ (Nr. 15/02) den Gegensatz zwischen Arbeit und Kapital für „überholt“: „Der wahre Widerspruch liegt heute zwischen dem Realkapital und dem Finanzkapital, also dem Zusammenwirken von Unternehmern und Arbeitnehmern einerseits und den Mechanismen der Finanzmärkte andererseits.“ Diesen personalisierenden Antikapitalismus kann man bereits bei den anti-marxistischen, anarchistischen Theoretikern wie Michail Bakunin sowie bei manchen Sozialdemokraten wie Ferdinand Lassalle erkennen, deren Theorie ebenfalls auf der Ebene der Zirkulation verharrt.

Die Vertreter des antisemitischen Antikapitalismus, ob sie sich nun rechts oder links sehen, haben also eines gemeinsam: Man unterscheidet zwischen dem produktiven, heimatverbundenen Industriekapitalisten und gierigen Finanzhaifischen mit kosmopolitischer Orientierung. Es ist die Unterscheidung zwischen „schaffendes“ und „raffendes Kapital“ in neuer Terminologie, wodurch man alte antisemitische Ressentiments im Stil des nationalsozialistischen Gottfried Feders bedient, der einst die „jüdische Zinsknechtschaft“ brechen wollte. Wie Stephan Grigat bereits 2009 in der „Wiener Zeitung“ vom 19.03.2012 feststellte, hinkt die FPÖ allerdings zumindest terminologisch noch etwas hinterher: Vor einigen Jahren noch bezeichnete man dort die grüne und linke Opposition in klassischer Nazidiktion als „Handlanger der Amerikaner“.

Wenn Heinz-Christian Strache also in diesen Tagen in einem Inserat gegen „Entwurzelung“ wettert, so darf jedenfalls kein Zweifel daran bestehen, wer damit gemeint ist: Der Jude als Personalisierung der kapitalistischen Ökonomie.

 

David Kirsch studiert in Wien und schreibt auf exsuperabilis.blogspot.com