Asyl

Löcher im Rechtssystem stopfen

  • 03.08.2016, 21:08
In der juristischen Ausbildung wird die gesellschaftspolitische Dimension von Recht gerne vernachlässigt. Studentische Rechtsberatung nimmt in Anlehnung an die angloamerikanische Tradition der „Law Clinics“ seit kurzem auch in Österreich soziale Verantwortung wahr.

In der juristischen Ausbildung wird die gesellschaftspolitische Dimension von Recht gerne vernachlässigt. Studentische Rechtsberatung nimmt in Anlehnung an die angloamerikanische Tradition der „Law Clinics“ seit kurzem auch in Österreich soziale Verantwortung wahr.

Vor dem Gesetz sind alle gleich. In der Theorie. In der Praxis haben nicht alle die Ressourcen, bestehende rechtliche Möglichkeiten auszuschöpfen. In den USA schließen an Universitäten angebundene studentische Rechtsberatungsstellen, die so genannten „Legal Clinics“, eine wichtige Lücke im Rechtsschutzsystem. Hierzulande haben solche Institutionen keine Tradition. Felix Kernbichler, David Weixlbraun und Stephan Rihs verorteten vor zwei Jahren dennoch einen Bedarf – auch aufseiten der Studierenden. Sie gründeten nach eigenen Erfahrungen mit „Legal Clinics“ in den Staaten kurzerhand die „Vienna Law Clinics“. Der im Frühjahr mit dem sozialen Innovationspreis SozialMarie ausgezeichnete Verein will mit seiner kostenlosen, niedrigschwelligen Rechtsberatung einen gesellschaftlichen Beitrag für benachteiligte Gruppen leisten.

RECHTSHILFE FÜR START-UPS UND ASLYWERBENDE. Österreich hat grundsätzlich ein gutes Verfahrenshilfesystem. „Grundsätzlich“, wie Anna Wegscheider, die wie viele im „Vienna Law Clinics“-Kernteam ihr Studium längst abgeschlossen hat, extra wiederholt. Das Lieblingswort der Jurist_innen zieht bekanntlich immer ein „Aber“ nach sich: „Die Angebote sind da, aber zum einen ist die Kommunikation schlecht und zum anderen gibt es Menschen, die aufgrund ihrer Position in der Gesellschaft keinen Zugang zu Rechtsschutz haben.“

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Derzeit fokussieren die „Vienna Law Clinics“ ihre Arbeit auf die aus akademischen Rahmenbedingungen und persönlichem Interesse gewachsenen Bereiche Start-ups sowie Asyl- und Fremdenrecht. Die Arbeitsweisen der beiden je 15-köpfigen Teams könnten nicht unterschiedlicher sein: Während die Start-up-Gruppe persönliche Beratungen zu eigenen Bürozeiten anbietet und angehenden Jungunternehmer_innen rechtliche Erstauskünfte über Gesellschaftsform, Immaterialgüterrecht und Co. erteilt, macht die Asyl-Gruppe keine individuelle Beratung. Sie unterstützt NGOs wie den Verein Ute Bock bei rechtlichen Fragen und kooperiert mit dem Netzwerk AsylAnwalt.

WIN-WIN-SITUATION. Die Arbeit der „Vienna Law Clinics“ wird von Partner-Kanzleien gegengeprüft – ein wesentlicher Punkt der Qualitätssicherung. „Wir haben uns zur Unterstützung entschlossen, weil wir die Idee der studentischen Rechtsberatung toll finden. Nicht umsonst ist dieses Modell bereits seit langer Zeit an internationalen Eliteuniversitäten etabliert“, erklärt Rechtsanwalt Florian Steinhart von Herbst-Kinsky das Engagement der Kanzlei.

Speziell das Asyl- und Fremdenrecht ist besonders komplex, wird in der Ausbildung allerdings vernachlässigt. Auch deswegen findet Rechtsanwältin Julia Ecker, eine weitere professionelle Unterstützerin, das Konzept der Law Clinics „genial“. „Das hätte ich selbst als Studentin gerne gehabt“, so die Fremdenrechtsexpertin. Besonders in der Kooperation mit dem Netzwerk AsylAnwalt sieht sie einen Mehrwert für ihren Arbeitsbereich. So haben die Studierenden zuletzt eine umfassende Recherche für eine Verwaltungsgerichtshof-Judikatur zum Asylrecht erledigt. Ecker: „Das ist toll, denn ein einzelner Anwalt kann nicht hunderte Entscheidungen neben der laufenden Arbeit screenen.“

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Über mangelnde ehrenamtliche Bereitschaft von Studierenden können sich die „Vienna Law Clinics“ nicht beschweren. Im Gegenteil: Aufgrund des Erfolges überlegt man die Erweiterung um eine Konsument_innenschutz-Gruppe. Das Wechselspiel aus Gemeinwohl und studentischem Nutzen ist das, was die Philosophie von Law Clinics ausmacht. Deshalb laufen derzeit auch Gespräche mit dem Dekanat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät über Möglichkeiten, die Arbeit der angehenden Jurist_innen formell im Studium anzuerkennen.

UNTERSCHIEDE. Gelänge die Etablierung dieses Konzepts, wären die „Vienna Law Clinics“ Pioniere in Österreich. Weitere Ansätze gibt es an der Karl-Franzens-Universität in Graz, wo Law Clinics in Form von praxisbezogenen Lehrveranstaltungen, ohne eigentliche Rechtsberatung, umgesetzt werden: Die Grazer „Refugee Law Clinic“ zum Beispiel bietet mehrere Lehrveranstaltungen zum Thema Flüchtlings- und Asylrecht in Zusammenarbeit mit Praktiker_innen sowie Basisinformationen als Flüchtlingsrechts-Kurzguide an. Für die von Eva Schulev-Steindl gemeinsam mit Miriam Karl geleitete „Environmental Law Clinic“ wiederum bearbeiten Studierende in Zusammenarbeit mit NGOs wie dem Umweltdachverband aktuelle Umweltrechtsfälle. „Dies bietet den Studierenden die einzigartige Chance, schon während ihres Jus-Studiums reale Lebenssachverhalte zu behandeln“, so die Professorin. „Dafür müssen sie sich aber auch durch wahre ‚Aktenberge’ wühlen – das Material umfasst teilweise mehrere Gigabyte.“ Und auch eine Legal Clinic für öffentliches Recht und Umweltrecht gibt es in Graz. Sie wird in Kooperation mit der Volksanwaltschaft von Georg Eisenberger geführt: „Mein persönliches Ziel ist es, möglichst vielen Studierenden zu zeigen, wie spannend und fordernd Öffentliches Recht in der Praxis sein kann.“

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MIT RECHT SOZIALEN WANDEL BEWIRKEN. Die stärkere Institutionalisierung der „Vienna Law Clinics“ brächte für Gründungsmitglied Weixlbraun auch einen gesellschaftlichen Mehrwert: „Durch die Anbindung an die Universität wäre eine akademische Reflexion möglich.“ Wiederkehrende Fragestellungen könnten Rechtsschutzprobleme sichtbar machen und Basis für politische Arbeit sein. Denn die Möglichkeit von strategischer Prozessführung – also über einen starken Einzelfall hinaus, soziale, politische oder rechtliche Veränderungen in Gang zu setzen – funktioniert in Österreich immer wieder gut. Das hat zuletzt das als verfassungswidrig gekippte Adoptionsverbot für homosexuelle Paare gezeigt. Solche Fälle würden beweisen, dass man mit dem Recht als Machtinstrument auch gesellschaftliche Veränderungen bewirken kann, streicht „Vienna Law Clinics“-Juristin Wegscheider heraus. Ihre Kollegin Teresa Exenberger bringt es auf den Punkt: „Hier sehen wir eine wichtige Schnittstelle für Law Clinics: Wir können Ressourcen anbieten, die Kanzleien nicht haben.“

Cornelia Grobner ist freie Journalistin und Doktoratsstudentin im Fachbereich Kommunikationswissenschaft an der Universität Salzburg.

Links:
Vienna Law Clinics
Refugee Law Clinic
Environmental Law Clinic
Legal Clinic für öffentliches Recht und Umweltrecht

Der notstandslegitimierte Notstand

  • 21.06.2016, 21:53
Wie Angst für rassistische Asylgesetzgebung genutzt wird.

Wie Angst für rassistische Asylgesetzgebung genutzt wird.

Am 27. April 2016 beschloss der österreichische Nationalrat erneut eine Verschärfung des Asylrechts, wie das auch schon in den letzten Jahren in regelmäßigen Abständen passiert ist. Die aktuelle Novelle bedeutet eine De-facto-Abschaffung des allgemeinen Rechts auf Asyl. So wird es für viele verunmöglicht, ihre Familie nach Österreich nachzuholen, wodurch noch mehr Flüchtende auf gefährliche Migrationsrouten gedrängt werden. Nicht minder problematisch ist die Regelung zu „Asyl auf Zeit“, die den Asylstatus auf drei Jahre beschränkt und danach eine neuerliche Prüfung sämtlicher Asylgründe vorsieht: Dies hebelt aktiv die Teilhabe von Geflüchteten an der Gesellschaft aus und erschwert zahlreichen Menschen eine langfristige Lebensplanung, etwa beim Versuch, eine Wohnung oder einen Job zu bekommen.

AKTUELLE DISKURSE. Diese Verschärfungen wirken sich auf unterschiedliche Aspekte des Lebens Geflüchteter und von Migrant*innen aus, dennoch zielen sie alle auf eines ab: Abschottung. Diese Abschottung aber geschieht – wie jeder andere soziale Prozess – nicht in einem „luftleeren“ Raum, sondern bildet vielmehr konkrete gesellschaftliche Machtverhältnisse ab. Sieht man den Staat als Verdichtung eines materiellen Kräfteverhältnisses, eröffnet das den Blick darauf, dass Gesetze nicht von der vermeintlich privaten Ebene des sozialen Lebens zu trennen sind und gesellschaftliche Kräfteverhältnisse eben dieses Lebens strukturiert und reproduziert.

Hier setzen aktuelle Diskurse über den Notstand an. Dieser sei, so heißt es, unumgänglich: Österreich sehe sich mit einer unbewältigbaren Menge an Geflüchteten konfrontiert. Refugees werden nicht mehr als individuelle Menschen mit eigenen Schicksalen wahrgenommen, sondern als entmenschlichte Masse – was sich auch auf der sprachlichen Ebene manifestiert, etwa durch die Verwendung einer Rhetorik, die ansonsten der Beschreibung von Naturkatastrophen dient.

TRAISKIRCHEN: DIE ÜBERFORDERUNG. Dass diese Bilder der Überforderung relativ wenig mit der Realität zu tun haben, zeigt sich besonders deutlich am Beispiel Traiskirchen. Wenn wir uns an den letzten Sommer erinnern, beherrschten vor allem die katastrophalen Zustände im Erstaufnahmezentrum die mediale Berichterstattung. Politik und Verwaltung schienen nicht in der Lage zu sein, auch nur ein Mindestmaß an Versorgung sicherzustellen. Die Grundversorgung, was Essen oder Hygiene betraf, war mangelhaft, Geflüchtete mussten sich zeitweise stundenlang anstellen, um Essen oder Kleidung zu bekommen. Wurden diese Probleme angesprochen, wurde auf ihre Unlösbarkeit verwiesen: Es wären schlichtweg zu viele Menschen in Traiskirchen, hieß es vonseiten des Innenministeriums. Dass es kein Problem wäre, in einem der reichsten Länder der Welt 4000 Menschen adäquat zu versorgen, wenn der politische Wille dazu vorhanden ist, erklärt sich eigentlich von selbst. Wenig später – als vermehrt Menschen in Österreich ankamen und in den Folgemonaten blieben – gab es plötzlich Unterkünfte.

Wie Traiskirchen in den Jahren zuvor, sind auch diese Unterkünfte in der Regel nicht sonderlich lebenswert, aber: Sie sind vorhanden, obwohl es zuvor jahrelang hieß, es wäre nicht möglich, Plätze bereitzustellen und Traiskirchen zu entlasten. Hier zeigt sich auf der diskursiven Ebene ein kontinuierliches Verschieben dessen, was möglich ist oder nicht, sowie die ständige Anpassung der Auslegung von „Überforderung“: Es ist nicht die angeblich zu hohe Anzahl Geflüchteter, die Österreichs Behörden überlastet, sondern die politische Weigerung, jemals auch nur ein wenig mehr als das Mindestmaß an notwendigen Ressourcen bereitzustellen. Vor allem im Hinblick auf die unzähligen leerstehenden Wohnungen ist das Argument, es gäbe nicht genug Platz für alle, absurd.

EINE FRAGE DER VERTEILUNG. Hier zeigt sich, wie Diskurse der Überforderung konkrete ökonomische Interessen stützen: Anstatt über eine andere Verteilung von Ressourcen zu sprechen, wird – parallel zu rassistischen Diskursen über „undankbare Fremde“, die sich nicht mit unzumutbaren Massenunterkünften zufriedengeben – stetig ein neues Bild der Überforderung produziert. Dass diese Überlastung allerdings nicht einem tatsächlichen Mangel an Ressourcen, sondern bloß dem Unwillen, diese bereitzustellen beziehungsweise umzuverteilen, geschuldet ist, wird nicht angesprochen. Es gibt also nicht grundsätzlich zu wenig Wohnungen, Kindergartenplätze und Schulen, sondern es sind politische Entscheidungen, wie viele Wohnungen gebaut und wie viele Betreuungsplätze angeboten werden. Im öffentlichen Bewusstsein manifestiert sich nur das Problem, nicht aber seine Ursachen und naheliegende Lösungsansätze.

Durch das Nicht-Bereitstellen von grundlegenden Ressourcen hat sich Österreich selbst einen vermeidlichen Notstand konstruiert, auf den dann mit weiteren repressiven Gesetzgebungen reagiert wurde, wie etwa mit der Verschärfung des Asylrechts. Wenn es in Mainstreammedien heißt, der österreichische Staat und die handelnden Politiker_innen wären letzten Herbst überfordert gewesen, und dies der Grund sei, weshalb die Zivilgesellschaft die Versorgung von Refugees übernehmen musste, ist das eine grobe Verzerrung der Tatsachen. ausgeblendet wird, dass ein als überfordernd dargestellter Sachverhalt das Umsetzen neuer Verschärfungen erleichtert und gleichzeitig die Auslagerung staatlicher Aufgaben auf unbezahlte Helfer_innen vorantreibt. Diese „Privatisierung“ staatlicher Aufgaben kann auch zu Überforderung der Helfer_innen führen, nicht zuletzt, wenn ihre Bemühungen Hilfe zu leisten, durch staatliche Repression erschwert werden. So schließt sich der Kreis im Überforderungskarussell und der Notstand erscheint zwar nicht als ideale, aber zwangsläufig notwendige Lösung plötzlich akzeptabel.

Gruppe: Freedom not Frontex
Kontakt: freedomnotfrontex.net

„Österreich ist kein sicheres Land“

  • 23.10.2015, 15:23

Vor sechs Jahren wurde der Kurdin Evin Timtik in Österreich Asyl gewährt. Nun wird ihr plötzlich kein Pass mehr ausgestellt: Sie sei eine Gefahr für den Staat.

Vor sechs Jahren wurde der Kurdin Evin Timtik in Österreich Asyl gewährt. Nun wird ihr plötzlich kein Pass mehr ausgestellt: Sie sei eine Gefahr für den Staat. 

Seit mehr als sechzig Tagen hält Evin Timtik nun schon Mahnwache. Sie sitzt an ihrem Infotisch vor dem Parlament, verteilt Flugblätter, spricht mit Passanten und Passantinnen und sammelt Unterschriften für ihr Anliegen. Auf ihrem T-Shirt und auf einem großen Plakat steht: „Ich will meinen Konventionspass und meine Reisefreiheit zurück!“

In der Türkei studierte Timtik an der Universität Erzincan und war in einem lokalen Jugendverein tätig. Die überzeugte Sozialistin war auch aktivistisch tätig und engagierte sich für Demokratie und Menschenrechte, nahm an verschiedenen Kundgebungen teil. Nach einem Friedhofsbesuch wurde sie festgenommen und misshandelt. Als sie zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt worden war, floh Timtik nach Österreich. Den Behörden konnte sie ihre politische Verfolgung durch Fotos, Gerichtsdokumente und andere Schriftstücke glaubwürdig machen und so wurde ihr im März 2010 Asyl gewährt.

GEHEIME QUELLEN. 2015, fünf Jahre später, ist der Konventionspass, der ihr ausgestattet wurde, abgelaufen. Sie ging zur Behörde und stieß dort zunächst auf Schweigen: „Es gab plötzlich irgendwelche Verzögerungen, alles wurde hinausgeschoben“, sagt Timtik. Monate später dann das Schreiben: Timtik könne kein Pass mehr ausgestellt werden, weil die „gerechtfertigte Annahme bestünde, sie würde mit ihrem Aufenthalt im Ausland die innere und äußere Sicherheit des Landes gefährden“. Diese Information hätte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) „von einer Quelle des Bundesministeriums für Inneres“.

ZURÜCKGENOMMENE RECHTE. „Hier wird mir ein Recht, das Recht auf Reisefreiheit nämlich, das ich mir erkämpft habe, wieder weggenommen“, beschwert sich die Kurdin. Sie kritisiert auch die Intransparenz der Entscheidung: Die Behörden verweigern nämlich die Einsicht in den entscheidenden Akt des Innenministeriums. Prinzipiell kann die Ausstellung eines Reisepasses nach Paragraf 92 des Fremdenpolizeigesetzes verwehrt werden. Timtiks Anwalt Clemens Lahner dazu: „Die Verweigerung der Ausstellung eines Passes aufgrund einer bloßen Behauptung ist nicht zulässig. Wenn eine Behörde einen Antrag abweist, muss sie die Ablehnung begründen, damit man in einer Beschwerde Gegenargumente vorbringen kann.“ Gegen den Vorwurf und den Vorgang hat Timtik nun vor dem Bundesverwaltungsgericht Einspruch erhoben. „Einfach zu sagen ‘Nein, weil ich es sage’, das geht vielleicht in Nordkorea, aber nicht in einem Rechtsstaat“, so Lahner. Die Einschränkung der Akteneinsicht wird vom Paragrafen 17 Abschnitt 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes abgeleitet, gibt BMI-Sprecher Karl-Heinz Grundböck Auskunft. Dort steht, dass die Akteneinsicht eingeschränkt werden kann, wenn die Einsichtnahme eine „Schädigung berechtigter Interessen“ oder eine “Gefährdung der Aufgaben der Behörde oder den Zweck des Verfahrens“ darstellt. Evin Timtik wird nicht nur vorgeworfen, eine Gefahr für den österreichischen Staat, sondern auch eine Gefahr für ihr eigenes Verfahren zu sein.

(c) Olja Alvir

KEIN AUSWEIS. Momentan hat Timtik überhaupt keinen Ausweis. Auch die „Identitätskarte für Fremde“ wird ihr vom BFA nicht augestellt, da dies „grundsätzlich so lange nicht passiert, so lange ein Verfahren zur Ausstellung eines Konventionspasses läuft“, so Grundböck.

Sie kann nun auch einfache Alltagsaufgaben wie ein Konto zu eröffnen oder einen eingeschriebenen Brief bei der Post abzuholen nicht erledigen. „Ich werde wie eine Kriminelle behandelt, obwohl ich nichts gemacht habe. Ich lebe in einem offenen Gefängnis“, fasst Timtik ihre Situation zusammen. „Inwiefern das irgendeinen Sinn ergeben soll, wenn meine Mandantin schon fünf Jahre lang einen Konventionsreisepass hatte und damit auch gereist ist, ohne dass ihr jemals irgendwo ein strafrechtlicher Vorwurf gemacht worden wäre, verschweigt das BFA“, fügt Lahner hinzu.

BÜROKRATISCHE SCHIKANE. „Ich flüchte wegen Repression aus der Türkei und dann werde ich in Österreich wieder mit ihr konfrontiert. Ich fühle mich nicht mehr sicher; Österreich ist kein sicheres Land“, sagt die Kurdin aus der Türkei auch im Hinblick auf die Behandlung syrischer Geflüchteter. Sie sieht ihren Kampf um Reisefreiheit auch in einem größeren Kontext. „Ich befürchte, dass aus meinem Fall ein Präzendenzfall gemacht wird und dass nun auch anderen Menschen mit Asylstatus Ähnliches droht“ sagt sie. Über Versagungen von Konventionspässen aus Gründen der Gefährdung der Sicherheit werden laut Grundböck keine statistischen Aufzeichnungen geführt.

REPRESSION. In Österreich engagierte sich Timtik im Vorstand der Anatolischen Föderation, einem nicht unumstrittenen linken Verein. Zwei seiner Mitglieder wurden diesen Sommer in Deutschland wegen Verbindungen zur in der Türkei verbotenen marxistisch-leninistischen Partei DHKP-C unter einem ebenfalls umstrittenen Paragraphen verurteilt. Der österreichische Verfassungsschutz stufte die Anatolische Föderation Österreich bis vor Kurzem allerdings als unbedenklich ein. Am 13. Oktober führte die Polizei dann im Wiener Vereinslokal eine Razzia durch, bei der auch Timtik vorübergehend zur Datenaufnahme in Haft genommen wurde. Auffällig ist, dass in Österreich und Deutschland solche Polizei-Aktionen gegen kurdische Vereine vor dem Hintergrund der Verhandlungen zwischen der EU und der Türkei zur aktuellen Geflüchtetensituation vermehrt stattfinden. Die aktuelle Offensive und die Repression ihr und ihren Vereinskollegen und Kolleginnen gegenüber sieht Timtik als Teil der aktuellen Außenpolitik Österreichs im Kontext mit den Beziehungen zwischen EU und Türkei.

„Das Recht auf Asyl ist Menschenrecht, es ist kein Geschenk, dass der Staat Österreich gütig übergibt“, möchte Timtik die aktuelle Mediendebatte zurechtrücken. „Das Recht auf Asyl wurde mitunter blutig erkämpft“, mahnt sie. Seit 20. Oktober befindet sie sich nun in Hungerstreik.

 

Olja Alvir studiert Physik und Germanistik an der Universität Wien.

„They don't see people, they see numbers“

  • 25.06.2015, 16:38

„They don't see people, they see numbers“, kritisiert Paola P. europäische Politiker_innen. Die Pädagogin lebt seit 25 Jahren auf Lampedusa. Im Interview mit progress spricht sie über Grenzen, europäische Flüchtlingspolitik und Migration, die schon immer Teil des Insellebens war.

„They don't see people, they see numbers“, kritisiert Paola P. europäische Politiker_innen. Die Pädagogin lebt seit 25 Jahren auf Lampedusa. Im Interview mit progress spricht sie über Grenzen, europäische Flüchtlingspolitik und Migration, die schon immer Teil des Insellebens war. 

„Das Unbekannte mit offenen Armen willkommen heißen“

  • 24.03.2015, 08:41

„Möchten Sie mit einem Asylbewerber Verstecken spielen?“ Dieser Tage kommt es vor, dass man auf dem Weg von der U-Bahn zum mobilen Stadtlabor der Technischen Universität angesprochen wird, um im Resselpark an einem besonderen Versteckspiel teilzunehmen. Hintergrund ist eine Performance im Rahmen des imagetanz 2015.

„Möchten Sie mit einem Asylbewerber Verstecken spielen?“ Dieser Tage kommt es vor, dass man auf dem Weg von der U-Bahn zum mobilen Stadtlabor der Technischen Universität angesprochen wird, um im Resselpark an einem besonderen Versteckspiel teilzunehmen. Hintergrund ist eine Performance im Rahmen des imagetanz 2015.

Unter dem Titel „Organized Disintegration“ gestaltet Núria Güell ein Versteckspiel im Resselpark. Die Künstlerin aus Barcelona widmet sich dabei Asylsuchenden in Österreich und ihrer Position am Arbeitsmarkt. Es geht um Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit dieser Personen, eben: hide & seek, wie das Versteckenspiel im Englischen heißt.

ARBEITSMARKT. Die rechtliche Lage von arbeitssuchenden Asylsuchenden ist verstrickt und kompliziert. Peter Marhold von helping hands hat versucht, einen Leitfaden für genau diese Problematik anzufertigen und musste einsehen, dass selbst erfahrene Jurist*innen ihm dabei nicht helfen konnten. Zu ungenau seien die diesbezüglichen Gesetze. Im Grunde läuft es darauf hinaus, dass am Arbeitsmarkt kein Platz für Asylsuchende ist.

Anstellungsverhältnisse sind illegal. Es gibt mit einer speziellen Erlaubnis die Möglichkeit nach drei Monaten Aufenthalt im Land Saisonarbeit im Tourismusbereich oder in der Landwirtschaft zu verrichten. Der einzige sonstige Ausweg ist die Selbstständigkeit, wodurch prekäre Verhältnisse vorprogrammiert sind. Nur über Werkverträge dürfen Asylsuchende längerfristig Geld verdienen.

Foto: Eva Ludwig-Glück Brut Wien

UNGLEICHE MACHTVERTEILUNG. Núria Güell musste sich für ihr Projekt auch hauptsächlich mit rechtlichen Gegebenheiten auseinandersetzen. Das Festival für Choreografie, Performance und unheimliche Körper zeigt mit diesem Spiel die eindeutige Machtverteilung. Asylwerber*innen verstecken sich, Passant*innen und Festivalbesucher*innen können dann nach ihnen suchen.

Asylsuchende sind es gewohnt, sich innerhalb der Gesellschaft unsichtbar machen zu müssen. Die Praxis am Arbeitsmarkt ist nur eins von vielen Beispielen, die diese Fähigkeit erfordern. Das Resultat daraus ist Abschottung, Kriminalisierung und Langeweile. Amine, der auch schon beim Refugee Protest Camp mitgewirkt hat, beschreibt die fehlende Tagesstruktur und das lange Warten als extrem zermürbend. Er ist überzeugt, dass die Gesetzgebung Asylsuchende dazu bringt, den Prozess des Asylantrags frühzeitig abzubrechen und aufzugeben.

ÖFFNUNG DES ARBEITSMARKTES. Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch, sieht in dieser Causa dringenden Handlungsbedarf. Der Arbeitsmarkt müsse unbedingt geöffnet werden, zumindest aber nach drei Monaten Aufenthalt. Das fordert er auch für Ausbildungen. Das emotional aufgeladene Thema wird immer wieder von Politiker*innen instrumentalisiert. Nicht zuletzt, da sehr viele Österreicher*innen ebenfalls einen Job suchen. Die Meinung, dass eine Öffnung des Arbeitsmarktes einen zahlenmäßigen Anstieg der Asylsuchenden in Österreich bedeuten würde, hält sich hartnäckig. Gleichzeitig wären Abschiebungen schwieriger.

Foto: Eva Ludwig-Glück Brut Wien

Den Asylwerber*innen geht es nicht nur um das Geld, das sie potentiell verdienen würden. Sie haben ein Gefühl der Sinn- und Zwecklosigkeit. Berichte aus Traiskirchen bezeugen immer wieder, dass Langeweile und Ziellosigkeit psychisch erdrückend sind. Umso mehr freuen sich die Asylsuchenden, die an „Organized Disintegration“ teilnehmen, über die Möglichkeit Kontakt zu Mitmenschen zu finden und über ihr Anliegen zu informieren.

ZWISCHENWELT. Das mobile Stadtlabor vor der TU ist wie gemacht dafür, Ausgangs- und Treffpunkt des Spiels zu sein. Das Gebilde aus Seecontainern ist eine öffentliche Intervention zwischen U-Bahn-Station und Universitätsgebäude. Es ist temporär und mobil. Die einzelnen Stücke hatten in ihrem früheren Dasein ganz andere Aufgaben: Sie transportierten die verschiedensten Konsumgüter von A nach B, bevor sie schließlich im Resselpark landeten. Man könnte sagen, sie sind gestrandet. Genauso fühlen sich auch viele Asylsuchende in Wien. Sie befinden sich in einer Zwischenwelt, leben oft gezwungenermaßen parallel zur Mehrheitsgesellschaft. Sie müssen sich die Zeit bis zum Asylbescheid vertreiben und versuchen neben der Jobsuche ihre Chancen zu erhöhen, indem sie zum Beispiel Deutsch lernen oder sich andere Fähigkeiten aneignen.

RASSISMUS. Das Hauptproblem neben der unübersichtlichen rechtlichen Situation in Österreich ist der hier institutionalisierte Rassismus. Außerdem werden die wenigen Jobs, die tatsächlich an Asylsuchende herangetragen werden, an diejenigen vergeben, die sie für den niedrigsten Lohn machen. Bei Werkverträgen gibt es keinen Mindestlohn – es zählt nicht die Zeit, die für die Tätigkeit aufgebracht werden muss, sondern lediglich das „Werk“.

Ob Núria Güell einen Weg gefunden hat, diese Gesetze zu unterwandern? Ihre klare Antwort lautet: nein. Genau deswegen hat sie das Projekt „Organized Disintegration“ umgesetzt. Die unfairen Gesetze kann man nicht durch einen einfachen Trick umgehen. Man solle politisch aktiv werden und mit Asylwerber*innen arbeiten. Jede*r kann sie auf Werkvertragsbasis beschäftigen, solange die Gesetze der „Neuen Selbstständigkeit“ eingehalten werden, doch das reicht nicht. Es fehlt ein Bewusstsein dafür, dass Arbeit ein wichtiger Bestandteil des menschlichen Selbstwertgefühls ist. Güells Aufgabe ist erfüllt, wenn sie einige wenige Leute auf die Lebensrealitäten von Asylsuchenden aufmerksam macht.

 

Katja Krüger ist Unternehmerin und studiert Gender Studies an der Universität Wien.

Integration, die durch den Magen geht

  • 10.06.2014, 16:53

Am 17. Februar wurde am Meidlinger Markt in Wien ein neues Lokal eröffnet: Purple Eat wird von einem Verein zur Unterstützung ehemaliger AsylwerberInnen betrieben. Serviert werden Speisen aus den Herkunftsländern der MigrantInnen. Ein Lokalaugenschein.

Zwei alte Männer sitzen vor einem Marktstand und rauchen. Hin und wieder wechseln sie ein Wort miteinander. Von fern trägt der Wind die Klänge eines Lieds herbei, das im Radio gespielt wird. Der Geruch von Essen erfüllt die Luft, und immer wieder ist das Klappern und Klirren von Geschirr zu hören. Die Zeit scheint träge zu vergehen an diesem sonnigen Nachmittag am Meidlinger Markt. Vor einem der Stände steht eine Tafel, die in knallrosa Lettern die Tagesspeise verkündet: „Krautrouladen (vegetarisch
oder mit Bio-Rind)“. Die Fassade des dazugehörigen Lokals ist violett – passend zu seinem Namen: Purple Eat. Aber nicht nur die Farbe des Standes hebt ihn von seiner Umgebung ab. Hinter Purple Eat steht ein besonderes Konzept. Das Lokal wird von Purple Sheep betrieben, einem Verein zur Unterstützung ehemaliger AsylwerberInnen, deren Asylantrag abgelehnt worden ist. „Die Leute kommen alle ganz kurz vor der Abschiebung zu uns“, erklärt Kurosch Allahyari, Obmann von Purple Sheep. Es sind Menschen, die
schon seit Jahren in Österreich leben, deren Kinder hier zur Schule gehen und FreundInnen hier haben. „Wenn der Staat so lange braucht, um ein Asylverfahren zu entscheiden, und die Leute gut integriert sind, dann sollten sie hier bleiben dürfen“, sagt Allahyari.
In der Regel ist das aber nicht der Fall. Deshalb bringt Purple Sheep Menschen in dieser Situation im Freunde Schützen Haus unter und kämpft mit ihnen gemeinsam darum, eine Niederlassungsbewilligung zu erwirken.

das Lokal Purple Eat. Vor dem Lokal steht eine Tafel, auf der das Tagesgericht angekündigt wird. Foto: Christopher Glanzl

Alle helfen, wo sie können.
Zudem betreiben die ehemaligen AsylwerberInnen gemeinsam mit den MitarbeiterInnen von Purple Sheep nun eben auch ein Lokal. Frau Recepi arbeitet in der Küche mit. Sie wohnt seit zwei Jahren im Freunde Schützen Haus, zusammen mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern. Vor sieben Jahren ist sie aus Mazedonien nach Österreich gekommen. Sie hat in St. Pölten gelebt, bis ihr Asylantrag
abgelehnt wurde. Der Verein versucht die Abschiebung zu bekämpfen. „Wir nehmen die Personen ins Haus auf und lassen den Fall über das Innenministerium noch einmal überprüfen“, sagt Kurosch Allahyari. Dennoch dauert es meist zweieinhalb Jahre, bis die Leute Bleiberecht erhalten. „Aber es hat bisher noch keine Abschiebung bei uns gegeben. Alle Fälle, die wir aufgenommen haben, sind auch durchgegangen.“ Bei Frau Recepi ist das bisher noch nicht gelungen. Sie kocht seit der Eröffnung von Purple Eat im Stand. „Sonntags koche ich nicht, und dann freue ich mich immer schon auf Montag. Ich liebe die Arbeit“, erzählt sie lachend. Auch ihr Mann hilft bei Purple Eat mit. „Alle, die können, sind eingeteilt“, sagt Kurosch Allahyari. Die Idee für das Lokal entstand durch Feste im Freunde Schützen Haus, bei denen die Gäste von der internationalen Kost begeistert waren. Daraufhin hat der Verein begonnen Catering anzubieten, und schließlich wurde der Stand am Meidlinger Markt eröffnet. „Wir werden von der Umgebung und den Menschen am Markt sehr freundlich aufgenommen. Alle helfen, wo sie können“, berichtet Kurosch Allahyari erfreut.

Finanziert wird Purple Eat unter anderem durch Spenden. Der Stand wird von Bauträger Hans Jörg Ulreich, der auch das Freunde Schützen Haus mitbegründet hat, zur Verfügung gestellt und auch bei den Nahrungsmitteln wird der Verein unterstützt. „Anders könnten wir das nicht machen und auch den Preis nicht halten. Wir haben vor allem bei den Fleisch- und Milchprodukten nur Bioprodukte und bei den Weinen auch“, erklärt Kurosch Allahyari. „Das Weingut Heinrich stellt uns alles kostenlos zur Verfügung, unser Fleisch bekommen wir gratis von Bioviertel. Genauso verhält es sich mit dem Kaffee von Grandoro.“ Insgesamt hat Purple Eat dadurch relativ geringe Ausgaben. Nur auf diese Weise kann das Lokal ein Menü um sieben Euro anbieten.

das Lokal Purple Eat. Foto: Christopher Glanzl

Integration einmal anders.
Und tatsächlich scheint das Konzept gut zu funktionieren. Der Stand ist liebevoll gestaltet. In den Fenstern stehen Kräuter, vom Dach baumelt die Figur eines Raben im Wind. Vor dem Lokal sind mehrere hellgrüne und weiße Tische verteilt, manche durch bunte
Blumentöpfe verziert. Momentan ist nicht viel los, nur drei der Tische sind besetzt, doch zur Mittagszeit ist das anders. „Die Leute warten, bis ein Tisch frei wird oder setzen sich zu anderen dazu“, erzählt Kurosch Allahyari stolz. Das Essen kommt bei den Gästen
sehr gut an. Heute gibt es mazedonische Krautrouladen und Blattsalat. Als Vorspeise werden Linsen mit Schafskäse und dazu Gebäck serviert, und als Dessert gibt es Blätterteigtaschen mit Cremefüllung. Frau Recepi hat die Krautrouladen auch in ihrem Herkunftsland gekocht. Dabei wird Weißkraut mit Bio-Rindfleisch (optional), Champignons, Zwiebeln und Reis gefüllt, gekocht und mit schwarzem Pfeffer gewürzt. Dazu kommen Dille und Tomatensauce sowie Kartoffeln.

Besonders ist das Essen, das bei Purple Eat serviert wird, vor allem auch, weil es auf traditionelle Weise zubereitet wird. „Wir sagen den Leuten, die kochen, dass sie nicht versuchen sollen, die Rezepte in irgendeiner Weise an den österreichischen Geschmack anzupassen“, erklärt Kurosch Allahyari. Es werden bunt gemischt Speisen aus verschiedenen Ländern präsentiert, immer eine vegetarische Version und eine mit Fleisch. Das Ziel sei, ÖsterreicherInnen an andere Kulturen heranzuführen und gleichzeitig einen Ort zu schaffen, an dem die ehemaligen AsylwerberInnen mit den hier Ansässigen in Kontakt treten können. „Wir wollen Integration von einer anderen Richtung aufziehen. Es soll nicht darum gehen, dass die Ausländer endlich Deutsch lernen, sich integrieren und Leistungen erbringen. Sie sollen das tun können, was sie möchten.“ Frau Recepis Kinder spielen vor dem Lokal. Ihr Lachen wird nur durch den Wind unterbrochen, der hin und wieder die Tür des Stands mit einem lauten Knall zuschlägt. Momentan wird die  Abschiebung der Familie Recepi vorbereitet. „Wir werden das nicht zulassen“, sagt Kurosch Allahyari. „Die Familie Recepi bleibt auf jeden Fall in Österreich.“

Patricia Urban studiert Kultur- und Sozialanthropologie und Publizistik an der Universität Wien.

Ein Schleier, der sich über die Existenz legt

  • 18.10.2013, 21:23

Der Verein Hemayat bietet seit 1994 traumatisierten Folter- und Kriegsüberlebenden medizinische, psychologische und psychotherapeutische Betreuung. Die Psychologin und Psychotherapeutin Barbara Preitler hat den Verein mitbegründet. Claudia Aurednik sprach mit ihr über die Traumata von Flüchtlingen.

Der Verein Hemayat bietet seit 1994 traumatisierten Folter- und Kriegsüberlebenden medizinische, psychologische und psychotherapeutische Betreuung.  Die Psychologin und Psychotherapeutin Barbara Preitler hat den Verein mitbegründet. Claudia Aurednik sprach mit ihr über die Traumata von Flüchtlingen.

progress: Das Wort Hemayat bedeutet im Arabischen Betreuung und Schutz. Hat es vor der Gründung des Vereins keine Betreuungsmöglichkeiten für traumatisierte Kriegsflüchtlinge gegeben?

Barbara Preitler: Erst Anfang der 1990er Jahre kam man in Mitteleuropa zu der Erkenntnis, dass Menschen mit traumatischen Erlebnissen – wie etwa Krieg, Flucht und Folter – psychotherapeutisch betreut werden müssen. Im Laufe des Balkankriegs wurden einzelne Initiativen gegründet, die sich um  Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien gekümmert haben. Wir aber waren der erste Verein, der Folter- und Kriegsüberlebende psychotherapeutisch betreut hat. Unser erstes Jahresbudget, in der Höhe von 10.000 US-Dollar, haben wir damals von der UNO bekommen. Eine NGO, die Deutschkurse angeboten hat, hatte uns erlaubt nach Kursende ihre Räumlichkeiten zu nutzen. Im Laufe der Zeit haben wir uns als Verein etabliert. Dennoch mussten wir ständig mit Mängeln kämpfen. Diese reichten von zu wenig Geld und Personal bis hin zu fehlenden Räumen und unzureichenden  Sprachkenntnissen. Nur zu wenige KlientInnen hatten wir nie. Aktuell warten 300 Personen auf einen Therapieplatz bei Hemayat.

Aus welchen Ländern kommen Ihre KlientInnen? 

Unsere KlientInnen kommen aus circa 40 verschiedenen Ländern. Die meisten stammen aus dem Iran sowie aus arabischen und afrikanischen Ländern. Derzeit betreuen wir sehr viele Menschen aus Tschetschenien und Afghanistan und langsam kommen auch immer mehr syrische Flüchtlinge zu uns.

Unter welchen psychischen Problemen leiden Ihre KlientInnen? 

Viele leiden an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Diese tritt meist nach einem außergewöhnlich schlimmen Erlebnis auf – mit unterschiedlichen Symptomen: Die Menschen leiden etwa an schmerzhaften Erinnerungen, die sich unterschiedlich zeigen. Manchmal erinnern sich die Betroffenen ständig an das Erlebte und beschreiben die Situation als eine Art Schleier, der sich über ihre gesamte Existenz legt und immer präsent ist. Bei Anderen ist es aber so, dass erst durch ein bestimmtes Ereignis die traumatischen Erlebnisse wieder hochkommen. Dies kann sich in Alpträumen und in den schlimmsten Fällen in Flashbacks äußern. Dem gegenüber stehen die Symptome der Vermeidung. Es wird alles getan, um die schmerzhafte Erinnerung abzublocken.

Treten in weiterer Folge auch Depressionen auf? 

Traumatisierte Menschen neigen generell dazu, besonders empfänglich für physische und psychische Erkrankungen zu sein. Im Zuge meiner wissenschaftlichen Tätigkeit beschäftige ich mich viel mit Trauer, die jedoch nicht als psychische Krankheit diagnostiziert werden kann. Trauer ist eine normale Reaktion auf Verlust. Die Flüchtlinge, mit denen ich arbeite, haben massive Verluste erlitten. Meist haben sie das Haus, die Freunde, ihre Peer-Groups, ihren Arbeitsplatz und ihre Haustiere verloren. Flüchtlinge, denen ausschließlich diese Dinge widerfahren sind, habe ich aber bislang nicht getroffen. Die meisten Flüchtlinge haben alle ihre Angehörigen verloren, ohne dass sie die Möglichkeit einer Verabschiedung hatten. Diese „komplizierte Trauer“ ist natürlich mit einer langanhaltenden Traurigkeit verbunden.

Was wird beim Umgang mit Flüchtlingen zu wenig beachtet? 

Meiner Ansicht nach findet die Tatsache, dass die Fluchtrouten selbst für die Flüchtlinge hochtraumatisch geworden sind, zu wenig Beachtung. Die meisten von ihnen sind oft monate- oder jahrelang unterwegs und den Schleppern ausgeliefert. Die Bandbreite der Arten von Schleppern reicht dabei vom brutalsten Menschenhändler bis zum größten Menschenfreund. Für die Flüchtlinge ist es aber eine reine Glückssache, an wen sie bei ihrer Flucht geraten. Denn sie sind rechtlos, man kann mit ihnen tun, was man will. Viele von ihnen sind dadurch noch zusätzlich traumatisiert worden. Es wäre also gut, wenn sie in „Welcome-Centers" und nicht in Polizeianhaltezentren aufgenommen werden würden.

Viele Frauen erleben im Krieg oder während der Folter sexuelle Gewalt. Sind sie dadurch stärker von Traumatisierungen betroffen?

Wir täuschen uns wirklich sehr, wenn wir davon ausgehen, dass ausschließlich Frauen vergewaltigt werden. Denn auch viele Männer wurden sexuell missbraucht und vergewaltigt. Diese Traumata werden jedoch tabuisiert. Frauen haben hingegen ein gemeinsames Wissen darüber, was ihnen in Kriegs- und Diktatursituationen passiert ist. Sie leiden besonders stark unter der Angst, dass die sexuelle Gewalt weitergehen könnte und dass ihre Männer davon erfahren könnten. Dennoch möchte ich da keine Opferhierarchie konstruieren. Es ist sowohl für Männer als auch für Frauen schrecklich, etwas Derartiges erlebt zu haben.

Was kritisieren Sie am Umgang mit Flüchtlingen in Österreich? 

Ich habe manchmal den Eindruck, als würde eine Schuldvermutung gegenüber allen AsylwerberInnen gelten. Es kann nicht sein, dass jemand, der um Asyl bittet, automatisch des Asylmissbrauchs bezichtigt wird. Bei dem Anspruch auf Asyl handelt es sich um ein Menschenrecht. Es ist schwer vorstellbar, dass jemand einfach aus Spaß, ohne etwas mitzunehmen seine oder ihre Heimat verlässt, sich Schleppern anvertraut, auf einem seeuntauglichen Boot nach Europa fährt und in griechischen Parks von Neonazis verfolgt wird. Daher sollten wir damit aufhören, diesen menschenverachtenden Generalverdacht über alle und jeden zu erheben. Ich mache diese Arbeit aus der tiefsten Überzeugung und weil jeder Mensch gewisse Grundrechte hat. Wenn jemand das Pech hat, Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu sein, dann hat dieser das Recht auf jede Formdes Schutzes und der Rehabilitation.

Die Autorin ist Zeithistorikerin, freie Journalistin und studiert derzeit Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der WU Wien.

Siehe auch: Schlepperei in Zeiten unbegrenzter Grenzen

Schlepperei in Zeiten unbegrenzter Grenzen

  • 18.10.2013, 20:52

Wenn es um Schlepperei geht, wird emotionalisiert. Wer trotzdem differenziert, muss die restriktive Asylpolitik der EU als eine ihrer größten Förderinnen erkennen.

Wenn es um Schlepperei geht, wird emotionalisiert. Wer trotzdem differenziert, muss die restriktive Asylpolitik der EU als eine ihrer größten Förderinnen erkennen.

„In DDR-Zeiten hießen ‚Schlepper’ übrigens ‚Fluchthelfer’ und alle (außer der SED) fanden sie ganz toll. Nur ein Gedanke.“ Mitten in der Augusthitze, als die „Schlepper-Mafia“ nach der Verhaftung von drei Aktivisten der Refugee-Bewegung gerade in aller Munde war, sorgte Armin Wolf mit diesem Tweet für ein wenig zusätzliche Erregung. Die FPÖ tat in einer OTS-Meldung ihre Empörung darüber kund, dass Wolf „doch tatsächlich schwerst kriminelle Schlepper mit idealistischen Fluchthelfern aus DDR-Zeiten vergleicht“. Helmut Brandstätter mokierte sich im Kurier: „Wenn jetzt Fluchthelfer aus der kommunistischen Diktatur DDR mit heutigen Schlepperbanden verglichen werden, hört sich der Spaß auf.“ Als Begründung erteilte er den LeserInnen Geschichtsunterricht: „Alleine an der Berliner Mauer wurden zwischen 1962 und 1989 mindestens 251 Menschen getötet, die von Deutschland Ost nach Deutschland West übersiedeln wollten.“ Unerwähnt blieb hingegen, dass in den vergangenen 25 Jahren alleine im Mittelmeer schätzungsweise 20.000 Bootsflüchtlinge ertrunken sind, die versucht haben von Afrika nach Europa zu gelangen. Um Spaß ist es beim Thema Flucht zu DDR-Zeiten genauso wenig gegangen wie heute.

Das Delikt der Schlepperei liegt laut Fremdenpolizeigesetz dann vor, wenn Menschen materiellen Gewinn daraus erzielen, den illegalen Grenzübertrittanderer zu fördern – auf freiwilliger Basis, ohne Gewaltandrohung, Vorspiegelung falscher Tatsachen und Machtmissbrauch. Dadurch ist es klar vom Delikt des Menschenhandels abgegrenzt. SchlepperInnen bringen Geschleppte für Geld über Grenzen. MenschenhändlerInnen beuten ihre Opfer aus. Dazu, dass dieser Unterschied in der rechtlichen Definition kaum jemandem bewusst ist, haben Medien – in Österreich wenig überraschend allen voran die Krone –, aber auch so manche PolitikerIn viel beigetragen: Schlepperei wird mit Brutalität und Skrupellosigkeit verknüpft und tritt reflexartigeAssoziationen mit schweren Gewalttaten und Menschenhandel los. Jeder Versuch einer differenzierten Auseinandersetzung mit Schlepperei und den strukturellen Widersprüchen der europäischen Flüchtlingspolitik, auf die sie verweist, erscheint in diesem Licht von vornherein als anrüchig.

Legale Fluchthilfe. Es macht aber durchaus Sinn, das Delikt der Schlepperei in einem größeren – auch historischen – Kontext zu reflektieren und dazu einen Blick in die deutsche Geschichte zu wagen. 1977 war auf organisierte Fluchthilfe angewiesen, wer aus der DDR floh, und der deutsche Bundesgerichtshof urteilte diesbezüglich: „Der Fluchthilfevertrag kann auch unter Berücksichtigung seines Gesamtcharakters nicht als verwerflichbetrachtet werden.“ Wer Flüchtende dabei unterstützt, „das ihnen zustehende Recht auf Freizügigkeit zu verwirklichen, kann sich auf billigenswerteMotive berufen und handelt sittlich nicht anstößig“. Für ihre Dienste durften FluchthelferInnen eine Vergütung verlangen, die sie auch vor Gericht einklagen konnten. Der stellvertretende Außenminister der DDR, Kurt Nier, kritisierte, dass damit „die Existenz und Tätigkeit krimineller Menschenhändler in der BRD legalisiert“ werde.

Heute ist fast immer auf „kommerzielle Fluchthilfe“ angewiesen, wer in Europa Schutz sucht. Aber ihre Bewertung in Europa hat sich seit dem Fall des Eisernen Vorhangs grundlegend gewandelt. Wo vormals von „Flucht“ die Rede war, geht es jetzt um „illegale Einreise“; aus nicht strafbaren Hilfs- undDienstleistungen wurde innerhalb weniger Jahre ein hochkriminalisiertes Verbrechen. Als Schlepperei wurde Fluchthilfe in den 1990ern zum strafbaren Delikt, das in weiterer Folge immer weiter ausgedehnt wurde – in Österreich zuletzt mit dem Fremdenpolizeigesetz 2005. Dr. Kurt Schmoller, damals Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg, attestierte eine „Überkriminalisierung“: Die Strafmaße seien unverhältnismäßig hoch und von der Möglichkeit der Definition von Ausnahmen – zum Beispiel für humanitäre Hilfe und die Zusammenführung von Angehörigen – wurde nicht Gebrauch gemacht.

Keine Fluchtwege. Die größten KritikerInnen der Missachtung des Rechts auf Freizügigkeit durch kommunistische Staaten arbeiten nunmehr selbst massiv an der Beschneidung der Mobilität eines beträchtlichen Teils der Weltbevölkerung. Die Möglichkeiten, auf reguläre Weise in ein europäisches Land einzureisen, um dort Asyl zu beantragen, wurden in den letzten 20 Jahren beinahe zur Gänze abgeschafft. Die viel verwendete Metapher der „Festung Europa“ beschreibt diese Situation nur dürftig. Aufgrund von Visapflicht, Drittstaaten-Regelungen und der Verlagerung der europäischen Grenzpolitik auf Transitstaaten scheitern viele Flüchtlinge nicht erst an den Grenzen der sich abschottenden europäischen Staaten. „Durch die Vorverlagerung der Grenzkontrollen werden sie bereits daran gehindert, ihren Weg in Richtung Europa überhaupt aufzunehmen“, konstatiert Tillmann Löhr in seinem Buch „Schutz statt Abwehr“ und schreibt deshalb von „Europas unbegrenzten Grenzen“.

Der Weg zum Asylverfahren führt heute folglich meist unweigerlich in die Illegalität und zur Inanspruchnahme „kommerzieller Fluchthilfe“. In diesem Sinne kamen John Morisson und Beth Crosland bereits 2001 in einem Paper für die UNHCR zu dem Schluss, dass ein großer Teil der Maßnahmen europäischer Staaten im Kampf gegen Schlepperei im Grunde Teil des Problems sei. Das restriktive europäische Grenzregime produziere nicht nur die Bedingungen, in denen die Nachfrage nach den Diensten von SchlepperInnen boomt. Die EU riskiere auch, das Menschenrecht auf Asyl in Europa faktisch abzuschaffen, solange keine ausreichenden legalen und sicheren Fluchtwege – beispielsweise durch Schutzvisa – geschaffen werden. Diese Zusammenhänge werden in der Regel jedoch weitgehend ignoriert. Leichter ist es, den Schwarzen Peter kriminellen Schlepperbanden zuzuschieben.

Auch nach dem Tod von über 300 Flüchtlingen vor Lampedusa am 3. Oktober ließen die Kampfansagen gegen Schlepperei nicht lange auf sich warten. EU-Kommissarin Cecilia Malmström kündigte prompt an, „die Anstrengungen im Kampf gegen Schleuser, die menschliche Hoffnungslosigkeit ausbeuten, zu verdoppeln“. Kausalitäten werden dabei einfach auf den Kopf gestellt, kritisiert der Oxforder Migrationsexperte Hein de Haas. Das neue Grenzkontrollsystem Eurosur wird nun als Maßnahme gegen das Sterben im Mittelmeer präsentiert. Dass die Bemühungen der Europäischen Grünen im entsprechenden Gesetz tatsächlich nennenswerte und konkrete Verbesserungen der Seenotrettung zu verankern, in den EU-Gremien wiederholt abgelehnt wurden, wird nicht dazu gesagt. Nur eine Woche später ertranken erneut Dutzende Flüchtlinge vor der italienischen Küste.

Zur Lage an der EU-Außengrenze kommt hinzu, dass mit der seit 2003 gültigen Dublin-II-Verordnung eine Situation geschaffen wurde, die Schlepperei auch innerhalb der EU fördert. Seither können Flüchtlinge nur in jenem Land Asyl beantragen, in das sie zuerst eingereist sind. Um den menschenunwürdigen Verhältnissen, denen AsylwerberInnen in Ländern wie Griechenland, Italien und Ungarn ausgesetzt sind, zu entgehen, müssen sie auch innerhalb Europas die Gefahren und Kosten irregulärer Grenzübertritte auf sich nehmen.

Kriminalisierung. Während es in diesem Rahmen höchst fraglich ist, dass der Schlepperparagraph Flüchtlingen zu Gute kommt, scheint er durchaus dazu geeignet, jene zu kriminalisieren, die tatsächlich helfen: Stephan Schmidt und Elias Bierdel waren 2004 nach der Rettung von 37 in Seenot geratenen Flüchtlingen mit dem Hilfsschiff Cap Anamur in Italien wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung in einem besonders schweren Fall angeklagt und wurden erst fünf Jahre später freigesprochen. Ähnliches widerfuhr 2007 Abdelbasset Zenzeri und Abdelkarim Bayoudh, den Kapitänen zweier tunesischer Fischerboote, die 44 afrikanische Flüchtlinge gerettet hatten. Zunächst der Schlepperei verdächtigt, wurden sie 2009 wegen „Beihilfe zur illegalen Einreise“ zu drei Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt. Im gleichen Jahr wurde dieses Urteil zwar aufgehoben, die beiden Kapitäne wurden jedoch wegen Widerstand gegen ein Kriegsschiff zu 2,5 Jahren Haft verurteilt. Erst 2011 wurden sie vom Berufungsgericht tatsächlich freigesprochen. In Österreich wurde 2004 gegen den Anwalt Georg Bürstmayr wegen Schlepperei ermittelt, nachdem er tschetschenische Flüchtlinge in Tschechien über ihr Recht aufgeklärt hatte, in Österreich Asyl zu beantragen.

Der Anwalt Lennart Binder schilderte kürzlich den weniger prominenten Fall einer kurdischen Aktivistn, die selbst nach Österreich geflohen war. Nachdem sie anderen kurdischen Flüchtlingen Unterschlupf gewährt hatte, ließen diese ihr 15 Euro da, weil sie ihren Kühlschrank leergegessen hatten. Jetzt sei sie wegen „gewerbsmäßiger Schlepperei“ angeklagt. Auch wenn die Ermittlungen gegen Bürstmayr rasch eingestellt wurden, hilfeleistende Seeleute letztlich freigesprochen wurden und Abdelbasset Zenzeri trotz allem sagte: „Ich würde es wieder tun“. Solche Geschichten transportieren, dass von Hilfeleistungen für Flüchtlinge in Notsituationen besser absieht, wer sich gehörige Scherereien mit der Justiz nicht leisten kann. Der europäische Kampf gegen illegale Migration und Schlepperwesen fördert Entsolidarisierung, kriminalisiert Zivilcourage und leistet damit einen weiteren Beitrag zur Produktion konkreter humanitärer Katastrophen. Dass sich das Desaster vom 3. Oktober zutragen musste, damit nun erwogen wird, der Kriminalisierung von Hilfeleistung und Seenotrettung ein Ende zu setzen, ist ein Armutszeugnis für Europa.

Schlepperei soll nicht verharmlost werden. Sie kann professionelle und verantwortungsvolle Dienstleistung sein und Leben retten. Ohne Zweifel gibt es zugleich eindeutig strafwürdige Fälle, bei denen die Grenze zum Menschenhandel verschwimmt und Flüchtlinge leichtfertig in den Tod geschickt werden. Eine verantwortungsvolle Politik müsste sich diesem differenzierten Spannungsfeld stellen und Konsequenzen daraus ziehen, statt eine pauschale und immer intensivere Kriminalisierung von Schlepperei weiter voranzutreiben. Dass SchlepperInnen oft primär aus finanziellen Interessen und nicht aus humanitären Motiven handeln, kann durchaus angenommen werden. Sicher ist aber, dass auch die Abschottung der europäischen Außengrenzen nicht in der Sorge um die Menschenrechte wurzelt.

Die Autorin hat Kultur- und Sozialanthropologie in Wien und Paris studiert.

Siehe auch: Ein Schleier, der sich über die Existenz legt

Ohne Papiere, ohne Rechte?

  • 20.08.2014, 09:12

In Wien eröffnet mit UNDOK eine neue gewerkschaftliche Anlaufstelle. Zielgruppe sind jene, die undokumentiert arbeiten und dabei oft ausgebeutet werden.

In Wien eröffnet mit UNDOK eine neue gewerkschaftliche Anlaufstelle. Zielgruppe sind jene, die undokumentiert arbeiten und dabei oft ausgebeutet werden.

Wochenlang hat Zoheir S. undokumentiert am Bau gearbeitet. Dann blieb ihm sein Arbeitgeber seinen Lohn schuldig. Eine prekäre Situation, trotzdem hat Zoheir S. für sein Recht gekämpft. Bei der offiziellen Eröffnung von UNDOK – Anlaufstelle zur gewerkschaftlichen Unterstützung UNDOKumentierter Arbeitender – Anfang Juni im ÖGB-Haus berichtete der ehemalige Asylwerber vor 150 Gästen über seine Erfahrungen.

Als „undokumentierte Arbeit“ wird die Lohnarbeit von Migrant_innen bezeichnet, die über kein Aufenthaltsrecht verfügen oder aufgrund ihres Aufenthaltstitels keinen oder nur beschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Im Alltag wird dies oft als „Schwarzarbeit“ bezeichnet. Undokumentierte Arbeit ist häufig unsicher, schlecht bezahlt und gefährlich. Denn Arbeitgeber_innen nutzen die prekäre Situation von Betroffenen immer wieder aus, erpressen sie, beuten sie aus, zahlen Löhne zu spät oder gar nicht und umgehen damit arbeitsrechtliche Standards. Hinzu kommt, dass undokumentiert Arbeitende oftmals nicht über ihre Rechte Bescheid wissen und von Abschiebung bedroht sind.

Bindeglied zwischen Arbeits- und Fremdenrecht. Deswegen lautet das Motto von UNDOK „Arbeit ohne Papiere, aber nicht ohne Rechte!“. Die Botschaft ist klar: Undokumentiert Arbeitende haben Rechte und sollen für diese kämpfen, sie haben beispielsweise Anspruch auf Krankenversicherung und auf eine adäquate Entlohnung. Bestehende Beratungsangebote seien aber oftmals nicht niederschwellig genug. Mit kostenlosen, mehrsprachigen Informationen will UNDOK dem endlich etwas entgegensetzen. „Wir wollen ein Bindeglied zwischen Arbeits- und Aufenthaltsrecht schaffen“, erklärt Karin Jović. Die Mitwirkenden sind sich bewusst, dass ein unsicherer Aufenthaltsstatus allerdings eine Hürde sein kann, sich an Stellen wie UNDOK zu richten. Durch die enge Zusammenarbeit mit antirassistischen Initiativen und NGOs erhofft man sich Know-how im Bereich Fremdenrecht. Außerdem können Betroffene unverbindliche Anfragen per Telefon stellen. Eventuelle Risiken bei rechtlichen Schritten sollen gemeinsam mit den Betroffenen abgeklärt werden. Die Entscheidung, wie es in ihrem konkreten Fall weitergehen soll, treffen die Betroffenen immer selbst.

Wanted: Selbstorganisation. So wichtig die individuelle Betreuung ist, für UNDOK ist gleichzeitig klar, dass der Kampf um Arbeitsrechte nicht vor den Türen des Beratungsbüros aufhört. „Das langfristige Ziel ist eine Selbstorganisation und Vernetzung der undokumentiert arbeitenden Kolleginnen und Kollegen“, so Sandra Stern, die als basisgewerkschaftliche und antirassistische Aktivistin bei UNDOK tätig ist. „Allein durch Einzelklagen ändert sich nichts an der systematischen Überausbeutung von undokumentiert Arbeitenden.“ Seit 2011 schmiedet der UNDOK-Arbeitskreis Bündnisse mit politischen Akteur_innen aus unterschiedlichsten Bereichen und treibt eine Verankerung des Themas in den Gewerkschaften voran. Neben diesen machen sich nun auch Interessensvertretungen wie die ÖH oder die Arbeiterkammer Wien, NGOs, migrantische Selbstorganisationen und antirassistische Aktivist_innen für die Rechte undokumentiert Arbeitender stark. Vorbilder fand man in verschiedenen
europäischen Ländern, in Österreich fehlte ein solches Projekt bisher gänzlich.

Dabei ist die Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit zur Verbesserung der Situation von undokumentiert Beschäftigten dringend notwendig. Noch immer haben Gewerkschaften das Thema „Arbeit ohne Papiere“ nicht auf ihrer Agenda oder arbeiten sogar oft gegen die Interessen von Migrant_innen, wenn sie herrschende Migrationsregime und -gesetze unterstützen. Nationalistische Gewerkschaftspolitik verschleiert, dass eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen einzelner Gruppen eine Schwächung der Anliegen aller unselbstständig Beschäftigten bedeutet. Die UNDOK-Anlaufstelle macht deshalb auf Spaltungen in der Arbeitnehmer_innenschaft aufmerksam und will das Thema undokumentierte Arbeit gesellschaftlich sichtbar machen, ganz nach dem Motto: Undokumentierte Arbeit geht uns alle etwas an – ob mit oder ohne Papiere.

Dokumentierter Lohnbetrug. Auch zahlreiche Studierende leisten in Österreich undokumentierte Arbeit. Mit der Verdoppelung der
Studiengebühren für Nicht-EU-Bürger_innen haben sie hautnah die Folgen diskriminierender Politik erlebt. Am Arbeitsmarkt ist es nicht wesentlich anders – auch hier sind Studierende aus „Drittstaaten“ massiven Beschränkungen ausgesetzt. Zwar verfügen Studierende während ihres Studiums über eine Aufenthaltsbewilligung und sind dahingehend abgesichert, allerdings können sich viele mit dem bewilligten Beschäftigungsausmaß (zum Beispiel zehn Stunden pro Woche) ihr Leben nicht finanzieren und müssen somit darüber hinaus undokumentierter Lohnarbeit nachgehen. Ähnlich gestaltet sich die Situation von Asylwerber_innen: Sie verfügen während des Asylverfahrens zwar über ein zeitweiliges Aufenthaltsrecht, dürfen aber nur mit einer Beschäftigungsbewilligung, vor allem in der Saisonarbeit, legal arbeiten. Den meisten Asylwerber_innen bleibt die Möglichkeit, regulär zu arbeiten, somit versperrt.

So ging es auch Zoheir S., der über einen Freund mit UNDOK und der Gewerkschaft in Kontakt gekommen ist. Gemeinsam sollte der ausstehende Lohn erkämpft werden. Die betroffene Sub-Firma von Porr meldete allerdings Konkurs an und bestritt, dass Zoheir S. jemals für sie gearbeitet hätte. Eine außergerichtliche Einigung brachte Zoheir S. schließlich den kollektivvertraglich festgelegten Mindestlohn plus die ihm zustehenden Zuschläge.

In der Vergangenheit setzten österreichische Gewerkschaften bei Fällen wie diesem vor allem auf die Bestrafung von Arbeitgeber_innen. Razzien und Behördenkontrollen sind jedoch nicht immer im Sinne der Beschäftigten, besonders wenn deren Aufenthaltsstatus unsicher ist und ihnen die Abschiebung droht. UNDOK will daher den Fokus auf die Betroffenen und ihre Rechte legen. Dem steht nach der erfolgreichen Eröffnung der UNDOK-Anlaufstelle nicht mehr viel im Weg. Für Sandra Stern ist klar: „Als Gewerkschaft wollen wir nicht vor Konflikten zurückschrecken, sondern diese austragen!“

UNDOK, ÖGB (Catamaran), Johann-Böhm-Platz 1, 1020 Wien

Öffnungszeiten: MO, 9.00 Uhr – 12.00 Uhr und MI, 15.00 Uhr – 18.00 Uhr

Termine jenseits der Öffnungszeiten sind nach Vereinbarung
möglich. Tel.: +43/1/534 44 -39040, Email: office@undok.atwww.undok.at

Sonja Luksik studiert Politikwissenschaft an der Uni Wien.

Wenn alles am Spiel steht

  • 28.03.2013, 22:16

Der Protest der Refugees aus der Votivkirche geht nun in einem Kellergewölbe eines alten Wiener Klosters weiter: 64 Flüchtlinge laufen um ihr letztes Hemd, die Politik stellt sich blind. Ein Lokalaugenschein.

Der Protest der Refugees aus der Votivkirche geht nun in einem Kellergewölbe eines alten Wiener Klosters weiter: 64 Flüchtlinge laufen um ihr letztes Hemd, die Politik stellt sich blind. Ein Lokalaugenschein.

Akbarjan Abdullah sitzt auf seinem Feldbett und kramt suchend in seinen Sachen. „Zehn Jahre lang habe ich in Afghanistan Cricket gespielt“, erzählt der 22Jährige auf Englisch. „Ich würde so gerne auch in Österreich Cricket spielen – aber kaum jemand interessiert sich hier für diesen Sport“, sagt Abdullah. Deswegen hat er begonnen, Volleyball zu spielen, das war ihm zumindest ein wenig Ersatz. Mittlerweile hat er in einer Tasche gefunden, was er gesucht hat: einen Pokal. Gleich sein erstes Volleyball-Turnier in   Österreich hat er gewonnen. Stolz zeigt er seine Trophäe in der Runde herum.

Abdullah ist einer jener Flüchtlinge, die im November den langen Marsch aus Traiskirchen angetreten sind, um gegen die unzumutbaren Zustände der österreichischen Asylpolitik zu demonstrieren. Er protestierte im Zeltlager im Sigmund-Freud-Park und danach in der Votivkirche. Als die österreichischen PolitikerInnen nur mit Arroganz reagierten, trat auch er in den Hungerstreik, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen. 13 Kilo hat er in dieser Zeit verloren. Mehrere Male musste sein gesundheitlicher Zustand im Krankenhaus kontrolliert werden.

Trotz eisernem Durchhaltevermögen brachte auch diese drastische Maßnahme wenig Erfolg: Die österreichische Politik weigerte  sich weiterhin, auf die Forderungen der Flüchtlinge einzugehen. Nun setzt Abdullah seinen Protest gemeinsam mit 63 Mitstreitern  im Keller des Servitenklosters im neunten Wiener Gemeindebezirk fort – ohne Hungerstreik.

Dass ihm am erhofften Ende seiner Flucht ein dermaßen harter Kampf bevorsteht, damit hatte Abdullah nicht gerechnet. Er kommt aus der Nähe von Kabul, arbeitete dort in einem Lebensmittelgeschäft und verkaufte Speiseöl. Eines Tages wollten ihn die Taliban rekrutieren: „Wenn du nicht zu uns kommst, dann bringen wir dich um“, drohten sie ihm. Er aber wollte mit ihren Gräueltaten nichts  zu tun haben. „Dann haben sie mich entführt und für 27 Tage in einem winzigen Raum eingesperrt“, erzählt Abdullah. Seit fast zwei  Jahren ist er in Österreich, ein Jahr lang hat seine Reise von Afghanistan mit Schiff und LKW gedauert. Auf dem Weg musste er sich von seinen Eltern trennen, mit denen er zuerst gemeinsam nach Pakistan geflohen war. Seither hat er nichts von ihnen gehört. Als er  in Österreich ankam, wusste er nicht, wo er eigentlich war. „Ich habe jemanden gefragt, und er hat gesagt: ‚in Österreich‘. Ich  meinte: ‚Nicht der Ort, das Land, wie heißt das Land?‘; ‚Österreich – Austria’“, erinnert sich Abdullah. „Dann habe ich erst verstanden, wo ich überhaupt gelandet bin.“ Er war in einem katastrophalen körperlichen Zustand, hatte keine Schuhe, keine frische  Kleidung und überall am Körper entzündete Wunden. Daher musste er zunächst für einige Tage ins Krankenhaus. Aufgrund seiner Hautprobleme sollte Abdullah zweimal am Tag duschen, regelmäßig Kleidung und Bettwäsche wechseln. Das ist im Servitenkloster  zwar leichter als in der Votivkirche. Trotzdem gibt es hier für 64 Flüchtlinge nur eine Dusche.

Provisorium. Die Luft im Keller des Servitenklosters ist feucht und abgestanden, die Bettwäsche mieft etwas. Dennoch sieht es sehr  ordentlich aus: Jedes der provisorischen Klappbetten ist gemacht. Wer die Refugees besucht, wird gastfreundlich und herzlich empfangen. „Mit Zucker?“, fragt der 21jährige Ahmad Zai Azizulla, als er den Tee bringt. Wer nichts hat, der gibt am meisten –  dieses Sprichwort bewahrheitet sich in diesem Kellergewölbe. Azizulla ist erst seit sechs Monaten in Österreich. Auch er musste aus Afghanistan flüchten, weil er von den Taliban verfolgt wurde. Sein älterer Bruder wurde von ihnen getötet, weil er sich nicht  rekrutieren lassen wollte. Azizulla wartet noch auf seinen ersten Asylbescheid. „Es geht nichts weiter“, sagt er. In Österreich war er zuerst in Traiskirchen und dann in Straden untergebracht: „Ein kleines Dorf, in dem es überhaupt nichts gibt.“

„Die schlechten   Lagerbedingungen und das Verfrachten der Flüchtlinge an enorm exponierte Orte, in denen es an jeglicher Infrastruktur mangelt, haben System“, meint Irene Messinger, Politikwissenschafterin und Spezialistin für Fremden- und Asylrecht. „Das wundert nicht, sieht man sich an, wie wenig der Staat für die Grundversorgung der Flüchtlinge ausgeben möchte. Das und die komplette Entmündigung waren bestimmt Initialzünder für die Demonstrationen“, sagt sie.

Gezielte Strategie. Der Protest der  Refugees ist der erste dieser Art: Zwar hat es schon zuvor immer wieder Protestschreiben von Flüchtlingen gegen die unzumutbaren Zustände gegeben. Über die Briefform ging es aber selten hinaus. „Es gab in gewisser Hinsicht eine Phantasielosigkeit in der Ausdrucksform dieses Protests – und die ist jetzt aufgebrochen“, sagt Messinger. Sie hat   jahrelang in NGOs im Bereich der Rechtsberatung für Fremdenrecht und Asylverfahren gearbeitet. „Ein Problem ist auch, dass Asylrecht ExpertInnenwissen geworden ist. Ich denke, das ist eine gezielte Strategie, Unterstützung zu verunmöglichen oder zu erschweren“, sagt sie. Und auch wenn das Ministerium der Öffentlichkeit mit „geschönten Statistiken“ immer wieder
das Gegenteil weismachen wolle: „Österreich ist kein Land, in dem es gute Aussichten auf Asyl gibt.“

Zentrale Forderung der Refugee-Proteste sei die Arbeitsmarktpolitik. Hier einen Erfolg zu erringen, sei Messinger zufolge symbolisch sehr wichtig. Die Flüchtlinge haben auf diesem Gebiet auch Support von verschiedensten NGOs. Auch für Abdullah ist das eine der drängendsten Forderungen. „Wir brauchen euer Geld nicht. Wir wollen keine Almosen, wir wollen arbeiten“, sagt er. Er sei es gewöhnt, Geld selbst zu verdienen und wolle nicht vom Staat leben. Derzeit ist die Arbeitsregelung für AsylwerberInnen aber besonders restriktiv – de facto dürfen sie nur in der Saisonarbeit und der Sexarbeit tätig sein.

Wie es weitergeht? Messinger befürchtet, dass das „Ministerium langfristig fremdenrechtlich durchgreifen und in voller Härte  abschieben“ werde. Auch Abdullah ist sich unsicher, ob sein Protest erfolgreich sein wird: „Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich  nicht. Wir können nur hoffen. Wenn wir jetzt aufgeben, dann verlieren wir alles.“ Auch er rechnet mit Abschiebungen. Und „alles verlieren“, das heißt für einen Flüchtling viel mehr als die Aussichten auf ein gemütliches Leben im Wohlfahrtsstaat Österreich zu begraben: „Ich liebe mein Land und ich möchte heim. Aber wenn ich jetzt zurück muss, töten mich die Taliban.“

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