Überblick

Feine Differenzierungen

  • 30.09.2012, 22:21

Eingeengt. Wer die Rollen neu schreibt. Auf den Spuren einer vielschichtigen Verweigerung.

Eingeengt. Wer die Rollen neu schreibt. Auf den Spuren einer vielschichtigen Verweigerung.

Transidentitäten

Wenn von trans*, Transgender oder Transidentität gesprochen wird, kann sehr Unterschiedliches gemeint sein. Der feinen Differenzierung geschlechtlicher Selbstverortungen steht hier die große Unwissenheit der breiteren Gesellschaft gegenüber. Wo hierzulande bis vor kurzem noch meist von „Transvestiten“ gesprochen wurde, und damit grob „Männer” in „Frauen“kleidern gemeint waren, wurden inzwischen zumindest Konzepte wie „Transsexualität“ und „Intersexualität“ durch die Medien aufgegriffen. In vielen  Darstellungen werden dennoch exotisierende Bilder bemüht, und wenn Trans*personen in den Medien vorkommen, dann oft auf stereotype Weise. Generell orientieren sich die Mediendiskurse dabei weniger an den Bedürfnissen von Betroffenen, als vielmehr an gesellschaftlichen Normvorstellungen. Wird Intersexualität nun aufgrund biologischer Ursachen zumindest formal teils anerkannt, so wird Intersex-Personen dennoch oft die Einordnung in ein klassisch zweigeschlechtliches Modell abverlangt. Bei Transsexuellen wird der Wunsch, im „anderen“ Geschlecht zu leben, häufig überhaupt infrage gestellt. Oft ist klischeehafte Überzeugungsarbeit von Transpersonen nötig, um anerkannt zu werden. Trans* ist ein sehr breites und meist allzu reduziert betrachtetes Label, das nichtzuletzt auch von vielen Menschen als Bezeichnung bewusst abgelehnt wird. Die angeführte Literaturversucht weitere Einblicke zu geben.

Transsexualität

Der Begriff „Transsexualismus“ wurde 1923 vom deutschen Arzt Magnus Hirschfeld eingeführt, um zu beschreiben, wie Personen sozial und physisch eine Transition in das „andere“ Geschlecht anstreben. Hirschfeld hat dabei bereits in den 1920er-JahrenTranssexuelle in ihrem Geschlechtswechsel unter stützt und begleitet. Faschismus und Nationalsozialismus haben allerdings der fortschrittlichen Geschlechterpolitik und -praxis ein Ende bereitet. Erst über Harry Benjamin wurde in den USA der 1950er-Jahre Transsexualität auch wissenschaftlich wieder wohlwollend aufgegriffen, wenn auch in patriarchalpaternalistischer Weise. Inzwischen ist die Existenz von Transfrauen (Mann-zu-Frau-Transsexuelle, MzF, MtF) und Transmännern (Mann-zu-Frau-Transsexuelle, FzM, FtM) akzeptierter. Dennoch wird Transsexualität auch nach wie vor medial sowie in der Mehrheitsgesellschaft als krankhaft angesehen und in Medien exotisiert.

Geschworene Jungfrauen

Die einzige institutionalisierte Form des Gender-Crossings in Europa finden wir in Albanien: die Tobelja („die, die einen Schwur abgelegt hat“). Eine Frau übernimmt dabei jegliche Tätigkeiten, die in der Regel „Männern“ vorbehalten bleiben, und legt jene Tätigkeiten ab, die „Frauen“ zugeschrieben werden. Eine körperliche Transition wird zumeist nicht angestrebt. Tobeljas entscheiden sich oft nicht selbst zu diesem Weg, sondern werden von der Familie in diese Rolle gedrängt. Sie werden oft stereotype, teils misogyne – also frauenverachtende – Männer. Dieses Modell stabilisiert rigide Geschlechternormen und wurzelt vor allem in sozialen Notlagen in einer traditionellen Gesellschaft. Als Folge der Gleichstellungsbestrebungen zwischen „Frau“ und „Mann“ imjugoslawischen Sozialismus ist dieses Modell inzwischen kaum noch verbreitet.

Gender Queer

Nicht in das vorgefertigte Rollenbild passen, das uns von der Gesellschaft vorgegeben wird: Das passiert oft leichter als man glaubt. Gender Queer oder Gender Fluid sind Identitätsbezeichnungen, die viele Menschen anwenden, um den engen Kategorien zu entfliehen. Beide Ausdrücke sind Überbegriffe, die verschiedenste Assoziationen zulassen. Es kann sich dabei um Menschen handeln, die sich mal mehr als Mann, mal mehr als Frau fühlen, oder sich in gar keiner geschlechtlichen Identität wohlfühlen. Aber es kann auch nur die sogenannte gender expression gemeint sein, also die typischen sozialen Verhaltensweisen, die sich nicht mit den Stereotypen decken. Nichts zu tun hat der Begriff mit sexueller Orientierung. (red)

Hijras und andere Konzepte

Außerhalb Europas gab und gibt es verschiedenste institutionalisierte Formen von Gender-Crossing und alternativen Geschlechtern: brasilianische Travestis, indische Hijras, „weibliche Ehemänner“ in verschiedenen afrikanischen Gesellschaften, oder verschiedene ambivalente Geschlechter in indigenen Gesellschaften in Nordamerika. Diese Beispiele zeigen, wie unterschiedlich Transgender-Identitäten sein können. Können manche davon identitätspolitisch inspirieren, warnen andere davor, dass eine großteils  geschlechterbinäre Hetero-Gesellschaft durch ein exotisiertes, ausgebeutetes „drittes Geschlecht“ auch stabilisiert werden kann.

Feministische Science-Fiction

Für eine emanzipatorische Geschlechterpolitik können gerade auch fiktive Geschlechterkonzeptionen sehr brauchbar und motivierend sein. So finden wir in verschiedenen feministischen Science-Fiction- Werken reichhaltige Überlegungen über alternativeModelle – von solchen, in denen Geschlecht keine Rolle mehr spielt, bis zu solchen, in denen es fünf oder mehr Geschlechter gibt. Ausgehend von dort verhandelten Konflikten lässt sich auch über die eigenen Praktiken und Möglichkeiten reflektieren. Zugleich bieten Science-Fiction-Romane auch einen Raum, sich selbst erst einmal mit dieser Thematik auseinanderzusetzen, außerhalb politisch verfahrener Kontexte.

Weitere Infos
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Empfohlene Lektüre:
Schröter, Susanne. 2002. FeMale. Über Grenzverläufe zwischen den Geschlechtern. Fischer Taschenbuch Verlag.

Serano, Julia. 2007. Whipping Girl: A Transsexual Woman on Sexism and the Scapegoating of Femininity. Seal Press.

Voß, Heinz-Jürgen. 2010. Geschlecht: Wider die Natürlichkeit. Schmetterling Verlag.

Science-Fiction:
Piercy, Marge. 1985. Woman on the Edge of Time. Women’s Press. Delany, Samuel R. 1996. Trouble on Triton: An Ambiguous Heterotopia. Wesleyan University Press. Scott, Melissa. 2009. Shadow Man. Lethe Press.

Organisationen/Links:
http://www.transx.at
http://www.intersexualite.de

Those kids are fast as lightning

  • 30.09.2012, 03:18

Schlag auf Schlag. Kampf, Sport und Selbstverteidigung.

Schlag auf Schlag. Kampf, Sport und Selbstverteidigung.

Jiu Jitsu

Jiu Jitsu war für die japanischen Samurai beim Verlust der Waffen eine alternative Methode der Selbstverteidigung. Die Herkunft des Jiu Jitsu ist aufgrund des Mythenreichtums schwer nachzuvollziehen. Das Leitprinzip „Siegen durch Nachgeben“ spiegelt sich in der Technik des Jiu Jitsu wider. Ziel ist nicht, möglichst viel Kraft aufzuwenden, sondern die Kraft des_r Gegner_in gegen ihn_sie selbst auszurichten. Die Schüler_innen, Kyu genannt, erlernen von dem_r Lehrer_in, genannt Dan, grundlegende Schlag-, Tritt-, Bein- sowie Falltechniken. Später kommen Würfe, Hebel- und Festlegetechniken hinzu. Eine Abwandlung, das brasilianische Jiu Jitsu, ist auch in den USA besonders bekannt. Durch Erich Rahn wurde Jiu Jitsu in Deutschland weit verbreitet und ist dort aufgrund seiner Initiative bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts in der Polizei- und Militärausbildung institutionalisiert.

Judo

Die Judoka, also die Judokämpfer_innen, beziehen ihre Kampfkunst aus dem Jiu Jitsu. Jigoro Kano begründete Judo in der Umbruchstimmung der 1880er-Jahre in Japan. Nach demselben Prinzip wie beim Jiu Jitsu werden keine Waffen verwendet – Judo dient zur Selbstverteidigung. Wie Jiu Jitsu fand auch Judo bald seinen Weg nach Deutschland. 1933 wurde Judo von den  NationalsozialistInnen instrumentalisiert und war erst wieder 1948 nach einem Verbot durch die Alliierten erlaubt. Heute ist Judo der weitest verbreitete Kampfsport der Welt und wird in über 150 Ländern betrieben. Die im alten Kodokan-Judo verwendeten Waffen-, Tritt- und Schlagtechniken wurden im Judo entfernt, und machen diesen Kampfsport durch die Konzentration auf Würfe, Fall- und Bodentechniken auch für Kinder zugänglich. Trainiert wird wie im Jiu Jitsu im charakteristischen weißen Anzug, dem Keikogi. Die Graduierung der Judoka ist an der Farbe (Weiß bis Schwarz/Rot) des Gürtels, als Obi bekannt, erkennbar.

Capoeira

Capoeira hat seine Wurzeln in Brasilien. Während der Kolonialzeit entwickelten die aus Afrika verschleppten Sklav_innen Capoeira, um sich gegen Misshandlungen durch Sklavenhändler_innen zu wehren. Die Struktur dieser Kampfkunst geht von Kampfspielen und Tänzen der afrikanischen und indigenen Kultur aus. Die Symbiose aus afrikanischen Tänzen, Ringen und Jiu Jitsu erfordert eine enorme Ausdauer und Flexibilität. Die Capoeirist_innen kämpfen nach dem Malícia, demnach stellt der/die Capoeirista sich schwächer dar, als er_sie ist, um sich die Unwissenheit zum Vorteil zu machen. Ziel ist, den_die Gegner_in durch Angriffe  abzulenken, um dann den eigentlichen Überraschungsangriff zu ermöglichen, weshalb Capoeira auch viele akrobatische Elemente umfasst. Heute ist Capoeira eher als Straßenkampfkunst zu verstehen und hat eine weltweite Verbreitung.

Krav Maga

Krav Maga ist kein Sport, sondern ein flexibles Selbstverteidigungssystem. Dieses ist besonders darauf ausgerichtet, unter Stress und Druck Gefahren zu erkennen, zu reagieren oder auch zu deeskalieren. Deshalb ist Krav Maga auch kein starres System, das erlernt wird. Vielmehr orientiert es sich an spontanen, intuitiven, individuellen Zügen. Das Prinzip, untrainierte Menschen innerhalb kürzester Zeit auf ein hohes Niveau der Selbstverteidigung zu bringen, liegt im Ursprung des Krav Maga. In Bukarest entwickelte  Imrich Lichtenfeld in den 1930ern Krav Maga und lehrte seine Technik Juden und Jüdinnen, um sich vor antisemitischen Übergriffen zu schützen. Als Lichtenfeld nach der Gründung Israels 1948 Nahkampfausbilder der israelischen Armee wurde, hielt Krav Maga Einzug in die Nahkampfausbildung von SoldatInnen, PolizistInnen und Sicherheitskräften. In diesen Bereichen ist Krav Maga heuteweltweit etabliert.

Boxen

Das Boxen geht auf den Faustkampf des antiken Griechenlands zurück. Das moderne Boxen fand seit dem 16. Jahrhundert ein Aufleben in England. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg strömten BoxerInnen aus England in die ganze Welt, jedoch fand der Boxsport in den USA seit Ende des 19. Jahrhunderts einen besonders fruchtbaren Boden. Während in England strenge Regeln gelten, wurden diese in den USA meist vernachlässigt. Charakteristische Gewichtsklassen wurden bereits 1867 vom Vater des modernen  Amateurboxens, dem Marquess of Queensberry, ausgearbeitet. Gekämpft wird nur mit den Fäusten, als Treffer gilt alles über der Gürtellinie, nur bei Armen und Händen gilt der Angriff als blockiert. Eine Runde gilt als beendet, wenn eine_r der Boxer_innen k.o.  geht. Der Boxsport ist umstritten und zugleich die populärste aller Kampfsportarten, auch aufgrund von Boxgrößen wie Muhammad Ali.

Kickboxen

Aus einer Kombination aus ostasiatischen und westlichen Kampfsportarten entstand Kickboxen, dessen erster Name All-Style-Karate war. Seinen Ursprung hat es in den USA in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als man verschiedene Kampfsportarten aneinander messen wollte. Wie bei Karate werden hier nicht nur die Fäuste verwendet, sondern auch die Beine. Schläge werden wie beim Boxen ausgeteilt. Und auch beim Kickboxen werden die Kämpfer_innen in Gewichtsklassen eingeteilt. Wie es bei ostasiatischen Kampfsportarten üblich ist, können Grade anhand von Gurten von Weiß bis Schwarz abgelegt werden. Die  Konzentration des Trainings liegt bei Gelenkigkeit, Körperbeherrschung sowie Kondition, Reaktion und Kombinationsfähigkeit. Die Vernachlässigung der Regeleinhaltung und martialische Vereinsnamen handeln dem Kickboxen unter den Kampfsportarten einen vergleichsweise schlechten Ruf ein.

Quellen und Linkliste:
www.kampfsportarten.net
www.oejv.com (Österreichischer Judoverband)
www.abadacapoeira.at
www.jjvoe.at (Jiu Jiutso Verband Österreich)
www.oetdv.at (Österreichischer Teakwondo Verband)
www.kravmagamaor.at