Miriam Raskova

Antifa meets Communism: (Not) A Lovestory

  • 22.06.2017, 15:07
Die Debatte um das Verhältnis von Kommunismus und Antifaschismus erhitzt verlässlich die Gemüter. Eine Beziehungsanalyse.

Die Debatte um das Verhältnis von Kommunismus und Antifaschismus erhitzt verlässlich die Gemüter. Eine Beziehungsanalyse.
Ist der große Zeitaufwand, den Antifaschist_ innen betreiben, um rechte Strukturen und Ideologien in Schach zu halten, dem Einsatz für die Überwindung des Bestehenden hinderlich? Oder ist ein Vorgehen gegen reaktionäre Zuspitzungen des Status Quo für die Perspektive auf eine Revolution sogar notwendig? Ist die Verteidigung der „bürgerlichen, kapitalistischen Gesellschaft vor ihren eigenen Kreaturen“ aus kommunistischer Sicht überhaupt vertretbar? Die hier skizzierten Fragen führen regelmäßig zu Unstimmigkeiten, werden als Kritik an antifaschistischem Aktivismus kurz hitzig andiskutiert und erlöschen dann ebenso schnell wieder. Bis zum nächsten Anlass.

KONKURRENZ, DIE KEINE IST. Hier wird eine Situation imaginiert, in der Antifaschismus und Kommunismus einander ausschließen. Das mag vom Zeitaspekt und der Notwendigkeit einer Gewichtung in der alltäglichen Arbeit her seine Berechtigung haben, ganz so einfach ist es jedoch nicht. Der früher recht verbreitete Ansatz, dass antifaschistische Arbeit an sich revolutionäre Potentiale hat, ist heute mehrheitlich überwunden. Praktisch ist antifaschistischer Abwehrkampf jedoch oft Voraussetzung für die Arbeit am Projekt der befreiten Gesellschaft. In einer sich autoritär formierenden Gesellschaft, in der Rassist_innen auf dem Vormarsch sind, die Polizei sich militarisiert und der Druck auf Aktivist_innen durch Überwachung und zunehmende Repression wächst, wird es eng bezüglich der notwendigen Freiräume für die Arbeit an unserer Zukunft. Diesen Entwicklungen nach Kräften entgegenzutreten, um zumindest die weitere negative Zuspitzung des ohnehin prekären und unwirtlichen Status Quo mit all seinen tagtäglichen Zumutungen zu verhindern, ist die Aufgabe des Antifaschismus. Er steht dabei immer unter dem Anspruch der Adäquanz und darf nie zum Selbstzweck werden. Denn wo man beginnt, jeder kleinen Aktion unbedeutender rechtsextremer Grüppchen hinterherzulaufen, wird der Fokus dann wirklich kontraproduktiv und bindet Ressourcen, die anderswo gebraucht werden. Doch einflussreichen rechtsextremen Akteur_innen das Leben schwer zu machen, den Versuchen von Diskursverschiebung nach rechts und Eroberung immer neuer gesellschaftlicher Räume entgegenzutreten, ist eine wichtige Aufgabe des Antifaschismus.

HAND IN HAND. Die Perspektive auf eine befreite Gesellschaft ist auch ein Blick auf eine Welt, in der reaktionäre Kräfte und ihre Ideologien ein für alle Mal auf den Müllhaufen der Geschichte verbannt worden sind. So ist es unerlässlich, diese Kräfte im Hier und Jetzt zu bekämpfen, ihnen das Leben so schwer wie möglich zu machen. Denn je stärker sie werden, desto weiter rückt das Ziel der Überwindung der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft hin zum Kommunismus in die Ferne. Trotz dieses Ineinandergreifens der beiden Arbeitsfelder sehen sich Antifaschist_innen des Öfteren mit dem Vorwurf konfrontiert, keine „wirklichen“ Kommunist_innen – alternativ auch Anarchist_innen – zu sein. So beispielsweise, als das NOWKR-Bündnis – das sich durchaus und ausdrücklich als kommunistisch verstand – in seinem Aufruf zu den Protesten gegen den Akademikerball 2015 schrieb, dass sie als Antifaschist_ innen „die bürgerliche Gesellschaft stets gegen ihre eigenen Geschöpfe verteidigen“. Für das hier gebrachte Verständnis von Antifaschismus als Verteidigung jener Zustände, die man als Kommunist_in doch eigentlich überwinden möchte, hagelte es Kritik.

Die Formulierung ist durchaus provokant, vielleicht auch nicht sonderlich glücklich gewählt. Inhaltlich ist sie dennoch richtig: Antifaschistische Abwehrkämpfe sind im Bestehenden ein notwendiges Übel, um sich als Kommunist_innen die Handlungsfähigkeit zu bewahren.

Die „Verteidigung der bestehenden Verhältnisse“ ist auch unter einem anderen Gesichtspunkt eine irreführende Formulierung. Denn gerade linksradikale Gruppen analysieren Phänomene des Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und anderer zu überwindender reaktionärer Ideologien nicht bloß für sich, sondern aus den Verhältnissen heraus. Sprich: Rassismus ist kein Problem der extremen Rechten, irgendwelcher Randgruppen oder fanatisierter Sekten, sondern der Gesellschaft als Ganze. Das gilt im doppelten Wortsinn. Zum einen formieren sich diese Ideologien unter den Bedingungen der derzeitigen gesellschaftlichen Verfasstheit, sind in Auftreten und Spielform eng damit verflochten. Zum anderen sitzen sie auch in der Mitte der Gesellschaft, an den Universitäten und in Parlamenten, den Stammtischen und Arbeitsplätzen. Genau dort gilt es ihnen auch entgegenzutreten. Eine Gesellschaft ohne diese reaktionären Ideologien ist nur jenseits ihrer bürgerlich-kapitalistischen Grundfesten zu denken.

Mit Antifaschismus alleine kommt man dem Kommunismus kein bisschen näher, ohne ihn aber erst recht nicht. Solange die Verhältnisse nicht fallen, bleibt Antifaschismus notwendig, um als Linke auf Dauer handlungsfähig zu bleiben. Das NOWKR-Bündnis brachte diesen Schluss in einem Interview auf den Punkt: „Als Antifaschist_innen rufen wir dazu auf, Nazis und reaktionären Ideologien auf allen Ebenen und mit allen Mitteln entgegenzutreten. Unser Ziel als Kommunist_innen ist, diesen Kampf überflüssig zu machen.“

Miriam Raskova studiert Politikwissenschaft an der Universität Wien.