Karin Wetschanow

Der ewige Kampf ums Heißen

  • 23.10.2014, 02:58

2014 war das Jahr der Diskussion über queer_feministische* Sprachpolitik. Was ist von der Reaktion auf Heinisch-Hoseks „Lernhilfe“, von Gabaliers Begehr nach einer Volksbefragung und vom Hashtag #wirsinddietöchter zu halten?

2014 war das Jahr der Diskussion über queer_feministische* Sprachpolitik. Was ist von der Reaktion auf Heinisch-Hoseks „Lernhilfe“, von Gabaliers Begehr nach einer Volksbefragung und vom Hashtag #wirsinddietöchter zu halten?

Splitting, das Binnen-I, die töchterintegrierende Bundeshymne und eine ÖNORM zur Festsetzung der männlichen Form waren in letzter Zeit Themen heftiger öffentlicher Auseinandersetzungen. Widerstände gegen das Binnen-I sowie seine sternigen Schwestern und die unterstrichigen Gegenzeichen zum normierten Sprach- und Schriftgebrauch sind immer wieder Gegenstand heftiger Attacken. Die Logik, die gemeinhin argumentative Auseinandersetzungen regeln sollte, scheint sich hier aufzulösen und es werden Aggressionen frei, die aus der Debatte eine verbale Schlacht auf einem theoretischen Fußballplatz machen. Sprachpolitische feministische Maßnahmen werden als widernatürlich und faschistisch angeprangert und aus ihrem basisdemokratischen Entstehungskontext gerissen. Ihre Gegner_innen inszenieren sich als unterjochte breite Masse, die unter den Ideen einiger Weniger leiden muss. Sie fordern die Abschaffung der unliebsamen Sprachspiele und wollen Regelungen, die dem unbequemen „Gendern“ Einhalt gebieten.

Objektiv sprechen? Witzeleien („Hauptfrau oder Nebenfrau?“), Übertreibungen („Wer braucht noch einE KugelschreiberIn?“), Abwertungen („Innen-Furz“), Vorwürfe („totalitäre Sprachpolizei“) und in letzter Konsequenz die Tradition und die „realen“ Probleme von Frauen werden gerne ins Feld geführt, um queer_feministische* Sprachpolitik abzuwerten. Gegner_innen wollen uns weismachen, dass unser Anliegen lächerlich und völlig unsinnig sei: Sprache sei nicht der Ort, an dem um Gleichbe rechtigung gerungen werden sollte. Sprache sei ein neutrales Mittel zur Kommunikation und solle nicht von Ideologien verändert und mit ideologischer Information überfrachtet werden. Oftmals wird sprachkritischen feministischen Positionen unterstellt, sie hätten den Bereich der Kritik verlassen und wären selbst zu totalitären Maßnahmen geworden, indem sie mit den „sprachlichen Reinheitsgeboten des Dritten Reichs“ assoziiert oder als „Sprachpolizei“ angeprangert werden.

Sprache als Politik. Eine Bewusstmachung von Machtverhältnissen und Missständen in der Gesellschaft, die sich in ihrer Sprache widerspie geln, ist per Definition unbequem. Sprachliche Sichtbarmachung von Frauen wollte zu Beginn der Frauenbewegung ebenso wie queere Schreibweisen heute Aufmerksamkeit schaffen und stören – sie waren und sind kritisch und nicht regulierend. Feminist_ innen nutzen die Sprache, weil sie sie als einen wichtigen Ort politischen Handelns erachten. Eine Erkenntnis, die sie mit dem politischen Mainstream teilen. Sprache und Politik sind von jeher untrennbar miteinander verbunden, denn Politik ist ein Kampf um ein interpretierendes Verändern der Welt und damit ein ewiger Kampf ums Heißen. Ich möchte nur an die 23 im EU-Beitrittsantrag Österreichs festgelegten Austriazismen („Paradeiser“) erinnern oder an den Einsatz beschönigender Terminologien für unschöne Praktiken („Freisetzen von Arbeitskräften“ statt „Entlassung“). Sprache steht immer schon im Zentrum politischen Handelns. Im Fall des Binnen-I und seiner Gap_Schwester*n wird um das Benanntwerden selbst gerungen. Es geht darum, Möglichkeiten zu schaffen, angesprochen zu werden und damit auch sein zu können.

Es macht aber einen Unterschied, aus welcher Posi tion heraus sprachpolitische Maßnahmen getroffen werden. Sind diese initiiert von Machtträger*n und motiviert von breit akzeptierten Ideologien, so werden auch Gegenstimmen laut, diese scheitern aber zumeist am Wall der empfundenen „Normalität“ und der gefühlten „notwendigen Zweckgebundenheit“ solcher Maßnahmen. Das gilt auch für queer_feministische* Sprachkritik und ihre Anliegen, denn sie werden als „ver-rückt“, als herausgerückt aus der Norm wahrgenommen und ihre Argumente als jenseits der Logik angesiedelt interpretiert. Dementsprechend emotional und wenig logisch gestalten sich dann auch die Diskussionen und Streitgespräche.

Gesprochene Utopie. Der Knackpunkt ist, dass im Fall von Sprachpolitik daran geglaubt wird, dass politisches Handeln ein „regulatives Prinzip Hoffnung“ (Seyla Benhabib), eine konkrete Utopie, braucht. Anders gesagt wurde das destruktive Meckern mit konstruktiven Vorschlägen angereichert, um einen Kampf ums Benanntwerden tatsächlich zu führen und ihn nicht nur als einen prinzipiell zu führenden aufzuzeigen. Feministisch*queere_ Sprachkritik braucht sprachplanerische Vorschläge jenseits sprachlicher Normen, um uns* ins Gespräch zu bringen. Im Fall von feministisch*queere_r Politik wurden „Richtlinien“ verfasst, die Denkstrukturen und konkrete sprachliche Möglichkeiten aufzeigen sollten. Im Kampf um breitere Anerkennung kommen sie mit Parteipolitik in Berührung, werden ideologisch vereinnahmt und zu normierenden Regelungen, die immer mehr vom ursprünglichen Anliegen entfremdet werden.

Es ist eine logische Konsequenz, dass nicht alle mit der Kritik und schon gar nicht mit den Normierungen einverstanden sind. Dass die Diskussionen häufig unter der Gürtellinie geführt werden und oft in Beschimpfungen oder gar Drohungen münden, ist widerlich, aber leider keine Seltenheit in emotionalen Auseinandersetzungen. Die Debatten zeigen aber auch, dass wir es geschafft haben, das politische Element der sprachpolitischen Maßnahmen lebendig zu halten und es nicht durch Regeln und Vorschriften ersticken zu lassen. So lange es ein Aneinandergeraten gibt, ist Politik „am Leben“ und „am Werk“. Es sind gerade die vereinfachenden Kategorisierungen, die politische Bewegungen im Keim ersticken, weil sie jegliche Veränderung als unangemessen, ideologisch und totalitär abtun. Es gibt kein besseres Zeichen dafür, dass queer_feministische* Sprachkritik und Sprachplanung nichts mit dem Tod von Politik zu tun haben, als dass es diese Streitereien gibt.

Karin Wetschanow ist Sprachwissenschaftlerin und Lektorin an der Uni Wien und arbeitet als Regisseurin im Verein „Erinnerungstheater Wien“.