Andrea Reisinger

Von Prinzen und Superheldinnen

  • 12.05.2017, 21:53
Am Anfang steht die Frage: Wisst's ihr schon was es wird? Bub oder Mädchen?

Am Anfang steht die Frage: Wisst's ihr schon was es wird? Bub oder Mädchen?

Dieser Frage wird große Bedeutung beigemessen, geht es doch darum, ob eine süße Prinzessin oder ein wilder Rabauke auf die Welt kommen wird, eine Ballerina oder ein Fußballer, ein Stammhalter oder nur ein Mädchen, kurz: Rosa oder Blau? Diese Frage ist essenziell, man stelle sich vor, ein Bub in einem rosafarbenen Tragetuch, oder ein Mädchen im hellblauen Strampler? Da kennt sich doch niemand mehr aus.

Warum sind es genau Hellblau und Rosa? War das immer so? Wer profi tiert von der strikten Trennung in Buben- und Mädchensachen eigentlich, und was kostet es unsere und alle anderen Kinder und späteren Erwachsenen? Wie ist das eigentlich mit dem Testosteron? Und wie (un)beeinfl usst sind die Kleinsten wirklich? Welche Rolle spielt dabei Sprache? Doch am wichtigsten: Was können wir alle, ganz praktisch gesehen, tun, um den Nachwuchs möglichst wenig den Geschlechterklischees unserer Urgroßelterngeneration auszusetzen?

Unter anderem diese Fragen beantworten Almut Schnerring und Sascha Verlan ausführlich und trotzdem auf den Punkt gebracht, großteils durch umfangreiche Recherchen, teilweise aber auch aus dem Leben mit drei Kindern. Ohne Vorwissen zu Kindern oder Geschlechtertheorie gut lesbar, bietet es aber auch Menschen, die in einem oder beiden Themen bereits eingearbeitet sind, noch viel Informationen und Anregungen zum Weiterdenken.

Negativ ist mir hauptsächlich aufgefallen, dass der gesamte, für mich untrennbar verbundene, LGBTI-Themenkomplex weitgehend ausgeblendet wird, während so ziemlich jedes andere Thema, das in diesem Zusammenhang genannt werden könnte, in das Buch Eingang findet. Das passt anscheinend noch nicht in ein Buch, das Anschluss an den Mainstream möchte.

Trotzdem ein großartiges Geschenk statt Strampler oder Babydecke Nummer 62, an (werdende) Eltern oder gleich sich selbst. Wahlweise um es der nächsten Person an den Kopf zu werfen, die bereits Babys in Zicken und Machos einteilt.

Andrea Reisinger lebt ohne Kinder und Studium in Wien.